Meylin Pietzsch

„Follow the Money“

WisteV-Kooperationsveranstaltung am 20.09.2024 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Bei der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung am 20.09.2024 gestaltet von den Moderatoren Herr Richter am Landgericht Dr. Sebastian Eberz, Lübeck, Herrn Rechtsanwalt Dr. Alexander Paradissis, Köln, und Frau Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Sohre Tschakert, Karlsruhe, stand der Tatbestand des § 261 StGB im Fokus. Diese Tagung wurde von der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung (WisteV) in Zusammenarbeit mit der Christian-Albrechts-Universität, dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht und der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Schleswig-Holstein geplant und hybrid als Kooperationsveranstaltung durchgeführt. Die Aktualität des Veranstaltungsthemas und die Möglichkeit einer sowohl Präsenz- als auch Online-Teilnahme führten zu einer hohen Teilnehmerzahl von über 200 interessierten Strafrichtern, Staatsanwälten, Strafverteidigern, Strafrechtswissenschaftlern, Referendaren und Studenten.

Seit der Reform des § 261 StGB im Jahr 2021 reichen die Meinungen von „völlig missglückt“ bis zur „neuen Allzweckwaffe“. Gerade – aber nicht nur – im Bereich der Wirtschaftskriminalität ist der Tatbestand daher auch in jüngster Zeit wieder stark in den Fokus der Strafverfolgungsorgane geraten. Besonders die nicht unerhebliche Ausweitung tauglicher Vortaten bietet Chancen und Risiken zugleich. Die Justiz wird hier vermehrt vor die Frage gestellt, wo die Grenzen des Anwendungsbereichs der Norm in solchen wirtschaftsstrafrechtlichen Verfahren liegen. Dem Grundanliegen der WisteV entsprechend ermöglichte die Veranstaltung eine Diskussion dieser Frage aus allen Blickwinkeln, aber jenseits der Einschränkungen eines streitigen Verfahrens, um alle zur Rechtsanwendung berufenen Personen auf diese Aufgabe besser vorzubereiten.

Dieses Spannungsfeld wurde bereits in der Einführung durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Alexander Paradissis, Köln und dem Leitenden Oberstaatsanwalt, Herrn Prof. Dr. Georg-Friedrich Güntge, Generalstaatsanwaltschaft Schleswig, verdeutlicht. Herr Prof. Dr. Georg-Friedrich Güntge warf u.a. die Frage auf, ob durch die Reform des § 261 StGB nun andere Normen, wie § 259 StGB leerliefen. Dies bot einen Einstieg in die vorliegende Problematik treffend.

Entsprechend konnte Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. Dennis Bock umgehend in die Grundlagen des § 261 StGB eintauchen. Bereits anhand der Überschrift „§ 261 StGB – ein neues Multitool im Wirtschaftsstrafrecht? – eine Einführung“ wurde die Vielseitigkeit des § 261 StGB deutlich. Der Überblick über die Voraussetzungen von § 261 StGB war als Auftakt bereichernd, da das Teilnehmerfeld groß und der Kenntnisstand mannigfaltig war. Jeder der Teilnehmer konnte letztlich den aufgeworfenen Slogan „all crimes, all everything“ nachvollziehen, der für die gesamte Tagung tragend blieb.

Mit dem folgenden Vortag „Das Problem der „schmutzigen Wäsche“ bei organisierter Kriminalität“ konnte Herr Florian Schmid, Richter am Landgericht Hamburg (zzt. abgeordnet zum Generalbundesanwalt, Karlsruhe), den theoretischen Vortrag des Herrn Prof. Dr. Bock mit Leben füllen. Er stellte anhand eines tatsächlich in Hamburg geführten und letztlich weitestgehend vor dem Bundesgerichtshof erfolgreichen Verfahrens die Fallstricke der Praxis dar. Das Landgericht hatte die Angeklagten – teils unter Freisprechung im Übrigen – wegen vorsätzlicher Geldwäsche in jeweils zahlreichen Fällen verurteilt, den Angeklagten A. C. in vier Fällen in Tateinheit hierzu mit unerlaubter Erbringung von Zahlungsdienstleistungen und den Angeklagten M. C. zudem wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition Verfahrens.[1] Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten H. C. und A. C. hatten nur im geringen Umfang Erfolg wegen Einstellungen einzelner Taten. Im Übrigen waren ihre Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die Revisionen der Angeklagten S. K., B. K. und M. C. waren in vollem Umfang unbegründet.[2]

Weitere Hindernisse der Praxis im anderen Gewandt wurden durch Herrn Steffen Brauer, Richter am Landgericht Hamburg (zzt. abgeordnet zum Bundesgerichtshof, Leipzig), bezüglich ausländischer Vortaten, insbesondere hinterzogener ausländischer Steuern, skizziert. Das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit gem. § 261 Abs. 8 StGB (i.d.F. bis zum 17.3.2021) ist abstrakt zu beurteilen. Maßgeblich ist somit, ob die ausländische Hinterziehungstat, wäre sie in Deutschland gegenüber den deutschen Steuerbehörden begangen worden, nach deutschem Steuerstrafrecht strafbar wäre.[3] Wobei der Gesetzgeber mit der der Änderung des § 261 Abs. 8 StGB am 18.03.2021 deutlich machte, dass im Fall einer Nichtanwendbarkeit des deutschen Strafrechts für eine im Ausland begangenen Vortat es für die Gleichstellung bedürfe, dass eine entsprechende Vortat bei hypothetischer Anwendung des deutschen Strafrechts und erforderlichenfalls auch sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts eine rechtswidrige Tat nach § 11 Abs.1 Nr. 5 StGB wäre. Weiterhin gelte Absatz 9 auch für den Fall, dass auf die im Ausland begangene Vortat deutsches Strafrecht anwendbar sei, wenn bei sinngemäßer Umstellung des Auslandssachverhalts eine rechtswidrige Tat vorliegen würde.[4]

Losgelöst von den rechtlichen Fallstricken verdeutlichte Herr Holger Thiel, Verbindungsbeamter der Financal Intelligence Unit (FIU), wie sich der Weg von der Geldwäscheverdachtsanzeige bis zur Verdichtung des Tatverdachts bahnt und machte eindrücklich, wo die Möglichkeiten aber auch die Grenzen der Untersuchung verdächtiger Transaktionen liegen. Es wurde der Weg der Verdachtsanzeige der Bank durch die Organisation der FIU dargestellt, wobei insbesondere auf die Vorschriften des Geldwäschegesetzes (GwG) und deren Schnittstellen zur Justiz eingegangen wurden. Auffällig war die enorme Potenzierung der Fälle in den letzten Jahren. 2011 waren es lediglich 13.544 Verfahren, 2023 bereits 322.590.

Herr Staatsanwalt Dr. Uriel Möller, zzt. abgeordnet an die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg, griff mit seinem Vortag „Hoher Gewinn ohne persönlichen Aufwand“? – Der Finanzagent im Rahmen des § 261 StGB“ nochmal die hohe Dynamik in der Rechtsprechung und den Wandel in der Gesetzgebung nunmehr unter Berücksichtigung kriminologischer Aspekte auf. Dies wurde anhand der zwei klassischen Fälle der Finanzagenten, dem „App-Tester“ und dem „Lovescam-Opfer“, dargetan. Auch das Spannungsfeld der Hehlerei zur Geldwäsche entstanden durch die Gesetzesänderung und damit entstandenen „All-Crimes-Ansatz“ wurde entsprechend beleuchtet. Das in diesen besagten Fällen auftretende Massendelikt „Geldwäsche“ fand mithin entsprechendes Gehör.

Interdisziplinär, wie Tagungen der WisteV bewusst aufgebaut sind, wurde in der Veranstaltung ein Blick der Justiz und der Rechtsanwaltschaft auf das Spannungsfeld „Rechtsanwälte und die Gefahr der Geldwäsche“ gelegt. Frau Richterin am Landgericht Hamburg, Dr. Marie Kuntz LL.M. (King’s College London), legte die rechtlichen Grundlagen der Strafbarkeit, die Qualifikation aus § 261 Abs. 4 StGB sowie die Anforderungen aus § 2 Abs. 1 Nr. 10 GWG dar, wobei die Abgrenzung zur Selbstgeldwäsche aus Absatz 7 sowie eine Beteiligung an der Vortat erfolgen müsse. Tatsächlich problematisch bleibt jedoch der Tatnachweis. § 43 Abs. 2 GWG sieht vor, dass abweichend von Absatz 1 Verpflichtete nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 GWG nicht zur Meldung verpflichtet sind, wenn sich der meldepflichtige Sachverhalt auf Informationen bezieht, die sie im Rahmen von Tätigkeiten der Rechtsberatung oder Prozessvertretung erhalten haben. Daher ist bereits ein Trichter aus dem Täterkreis (nur Verteidiger), der Tathandlung (verschaffen – Nr. 3 – oder verwenden – Nr. 4 –) und dem Tatobjekt (nur Honorar) zum Nachweis der Tat geschaffen.

Die Verteidigerperspektive nahm Herr Rechtsanwalt Dr. Max Schwerdtfeger, Hamburg, ein, wobei er auf die Rechtsprechung des BVerfG 2004, die eine Strafbarkeit der Geldwäsche nur bei Kenntnis der inkriminierten Herkunft zulässt.[5] Mit Blick auf § 73b StGB gelangt er, wie auch Herr Fischer, zur Auffassung, dass dieser einer verfassungskonformen Auslegung bedürfe.[6] Im Übrigen wurde es in der Diskussion jedoch differenziert betrachtet, ob es einer weiteren Einschränkung des Tatbestandes durch verfassungskonforme Auslegung bedürfe.

Die Beleuchtung aktueller Themen des Wirtschaftsstrafrechts aus den Blickwinkeln verschiedener Rechtsanwender und die regelmäßige Möglichkeit zum gemeinsamen (Erfahrungs-) Austausch fördert aus Sicht der Veranstaltungsorganisatoren und des Verfassers die Auseinandersetzung mit aktuellen Problemfeldern und trägt nachhaltig zu einer interessengerechten Rechtsanwendung bei. Daher kann man sich bereits auf eine weitere Veranstaltung in 2025 freuen.

[1] LG Hamburg, 1. Dezember 2022, 618 KLs 6/20.

[2] BGH, Beschluss vom 27. April 2023 – 5 StR 213/22 –, Rn. 1, juris.

[3] OLG Koblenz, Beschluss vom 7. Dezember 2023 – 1 Ws 22/23, BeckRS 2023, 43041, beck-online.

[4] BT-Drs. 19/26602, S. 8.

[5] BeckRS 2004, 21424, Rn. 60 ff.

[6] Fischer, 71. Aufl. 2024, § 261 Rz. 47 und § 73b Rn. 11a.

Autorinnen und Autoren

  • Meylin Pietzsch
    Die Autorin ist seit 2016 bei der Staatsanwaltschaft Kiel tätig und aktuell als Dezernentin für Geldwäschedelikte und die Vermögensabschöpfung in Geldwäscheverfahren, im Bereich Cybercrime und für allgemeine Delikte zuständig. Zuvor betrieb Sie die Vermögensabschöpfung in Verfahren der Organisierten Kriminalität, von Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren nebst FKS-Verfahren und bearbeitete dazu jeweils Strafverfahren des entsprechenden Gebiets. Vor der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit war sie als Rechtsanwältin im Bereich des Steuerrechts, Steuerstrafrechts und Wirtschaftsstrafrechts tätig.

WiJ

  • Dr. Anna Oehmichen , Alba Hernandez Weiss LL.M.

    Die EUStA: Eine neue EU-Dimension der Frage der Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer?

    Internationales Strafrecht, EU, Rechtshilfe, Auslandsbezüge

  • Oliver M. Loksa

    Länderbericht Österreich: Die Neuregelung der „Handy-Sicherstellung“

    Internationales Strafrecht, EU, Rechtshilfe, Auslandsbezüge

  • Dr. Kathrin Klose

    Die Reichweite des ne bis in idem-Grundsatzes im Unionsrecht

    Internationales Strafrecht, EU, Rechtshilfe, Auslandsbezüge