Dr. Markus Rübenstahl, Mag. iur.

Internal Investigations (Unternehmensinterne Ermittlungen) – status quo

Teil 1: Interviews in Internal Investigations und deren prozessuale Verwertbarkeit [1]

Bei unternehmensinternen Ermittlungen der Unternehmensleitung unter Zuhilfenahme externer Berater beim Verdacht auf mutmaßlich strafrechtlich relevante oder zumindest bußgeldpflichtige Rechtsverstöße durch Mitarbeiter (hier als „Internal Investigation“ bezeichnet) müssen diese oft befragt werden. Das Erfordernis besteht entweder, weil diese selbst verdächtig sind oder weil sie Wahrnehmungen gemacht haben könnten, die zur Aufklärung beitragen könnten. Diese Mitarbeiter- bzw. Arbeitnehmerbefragung („Interview“) kann für verdächtig(t)e Mitarbeiter hinsichtlich der psychologischen Belastung und in ihren Auswirkungen oft einer strafprozessualen Beschuldigtenvernehmung nahekommen. Die Reichweite von Rechten und Pflichten der Beteiligten sind zwischen Lit. und Rspr. sowie der arbeitsgerichtlichen und strafgerichtlichen Rspr. vielfach umstritten. Für andere Fragen liegen kaum Stellungnahmen vor oder jedenfalls keine, die sich als Auslegung geltenden Rechts verstehen lassen. Dieser Beitrag soll – aus der Sicht des Ermittlers und für den Ermittler – einen Orientierungsrahmen geben.

Während die Anhörung des Mitarbeiters vor Ausspruch einer Verdachtskündigung Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung ist und deshalb vielfach keinen investigativen Charakter (mehr) hat[2], soll das Interview mit dem verdächtigen oder unverdächtigen Mitarbeiter primär der Aufklärung eines (zumeist potentiell strafrechtlich oder bußgeldbewehrten) Sachverhalts dienen.

I. Anwendbares Recht

Solange der externe Ermittler zumindest auch für den Arbeitgeber auftritt (und nicht etwa ausschließlich für eine Behörde), handelt es sich um eine Ermittlungsmaßnahme des Arbeitgebers.[3] Unumstritten scheint daher zu sein, dass Befragungen von Mitarbeitern durch das Unternehmen (Rechtsabteilung, Innenrevision, Personalabteilung) oder durch externe Berater im Auftrag des Unternehmens (Rechtsanwälte, StB, WP) im Rahmen einer internen Untersuchung zur Aufklärung möglicher strafrechtlich oder bußgeldrechtlich relevanter Pflichtverletzungen auch bei paralleler Existenz eines Ermittlungsverfahrens nicht unmittelbar den Vorschriften der StPO unterliegen,[4] wenn auch die Grenze des in Interviews Erlaubten spätestens bei Anwendung einer verbotenen Vernehmungsmethoden des § 136a StPO gemeinhin als überschritten angesehen wird.[5] Allenfalls für Verwertbarkeitsfragen bietet die StPO ein begrenztes Regelungsinstrumentarium. Direkt oder analog anwendbar bei Interviews im Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und seinen Beratern einerseits und dem Arbeitnehmer andererseits ist die StPO nicht. Einschlägig sind vielmehr die geltenden arbeitsrechtlichen Vorgaben.[6] Bei leitenden Mitarbeitern bzw. Organen von Kapitalgesellschaften treten an deren Stelle die geltenden gesellschaftsrechtlichen und dienstvertragsrechtlichen Regelungen, die nicht wesentlich andere, jedenfalls allenfalls erweiterte Auskunftspflichten nach sich ziehen.[7]

II. Rechtliche Relevanz der BRAK-Thesen de lege lata?

Der bei unternehmensinternen Ermittlungen tätige Rechtsanwalt jedenfalls muss sich auch die Frage nach dem Inhalt und vor allem der rechtlichen Einordnung der Thesen des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zum Unternehmensanwalt („BRAK-Thesen“)[8] stellen. Einschlägig ist hier die These Nr. 3, wonach bei der Befragung von Mitarbeitern „die allgemeinen Gesetze und die sich aus den aus den rechtsstaatlichen Grundsätzen ergebenden Standards“ zu wahren seien, und zwar so, „dass Beweismittel in ihrer Qualität und Verwertbarkeit nicht beeinträchtigt werden“.[9] Aus diesem Grundstatement folgert der Strafrechtsausschuss der BRAK – zusammenfassend – u.a. Folgendes: Der Mitarbeiter habe bei Befragungen durch den Unternehmensanwalt das Recht, einen eigenen Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens zu konsultieren[10] und sei hierüber zu belehren. Der Unternehmensanwalt solle zudem darauf hinwirken, dass die Kosten für den Rechtsbeistand „im Rahmen des rechtlich Zulässigen“ vom Unternehmen übernommen werden. Der Unternehmensanwalt dürfe die Auskunftsperson nicht bedrängen, sich selbst zu belasten oder auf Rechte zu verzichten, die sie als Zeuge oder Beschuldigter im Strafverfahren ohne Weiteres hätte, und dem Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt vor, während oder nach einer Befragung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen, um eine Aussage zu erzwingen. Der Mitarbeiter sei darüber zu belehren, dass Aufzeichnungen der Befragung gegebenenfalls an Behörden weitergegeben werden und dort zu seinem Nachteil verwertet werden können. Bei Anhörungen im Rahmen sog. Amnestieprogramme müsse der Mitarbeiter zusätzlich darüber belehrt werden, dass das Unternehmen selbst eine strafrechtliche Amnestie nicht gewähren kann. Die Anhörung der Auskunftsperson sei schriftlich zu dokumentieren, die Dokumentation müsse den Anschein einer „amtlichen“ Handlung vermeiden und auf Verlangen der Auskunftsperson sei eine Niederschrift über ihre Befragung aufzunehmen, in diese sei Auskunftsperson Einsicht zu gewähren und diese sei von der Auskunftsperson genehmigen zu lassen. Über all dies sei die Auskunftsperson zu belehren. Komme der Unternehmensanwalt den genannten Standards nicht nach, so dürfen der Auskunftsperson aus ihrer darauf gestützten Weigerung, sich befragen zu lassen, keine nachteiligen Konsequenzen erwachsen.[11]

Ohne die Zweckmäßigkeit und Billigkeit dieses stattlichen Katalogs von interviewbezogenen „Pflichten“ des Unternehmensanwalts (und damit faktisch des Unternehmens) und umgekehrt ebenso umfangreichen Privilegien des befragten Mitarbeiters in der Sache grundsätzlich in Frage stellen zu wollen, würden diese Thesen irritieren, wären sie als Vorgaben de lege lata gemeint. Dies ist wohl auszuschließen, denn man vermag keine rechtliche Grundlage für weite Teile des Thesenkatalogs auszumachen. Wie der Strafrechtsausschuss selbst ausdrücklich festhält,[12] gelten gerade die Normen der StPO zu Vernehmungen bei Interviews nicht, die der Ausschuss offenbar aus rechtspolitischer Überzeugung zur Wahrung rechtsstaatlicher Standards und der strafprozessualen Verwertbarkeit der Äußerungen weitestgehend entsprechend anwenden will. Indem der Ausschuss darauf verweist, dass der Unternehmensanwalt auch über arbeitsrechtliche Pflichten hinaus die postulierten „Standards“ zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und prozessualen Verwertbarkeit erfüllen „soll“, räumt er wohl ein, dass eine entsprechende Rechtspflicht insoweit gerade nicht besteht. Die BRAK-Thesen lassen sich somit wohl nicht als (dann: Miss-) Verständnis der lex lata durch den Strafrechtsausschuss interpretieren. Eher sind sie rechtspolitische Zielvorstellungen basierend auf einem ganz bestimmten – gewissermaßen „strafverteidigungsgeprägten“ oder jedenfalls strafverfahrensbezogenen – Verständnis der Rolle des Unternehmensanwalts,[13] das durchaus überprüfungsbedürftig erscheint. Man darf zudem bezweifeln, ob die in den BRAK-Thesen ohne eingehende Begründung bemühte Analogie zwischen dem Strafverteidiger, der im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gegen seinen Mandanten eigene entlastende Ermittlungen durchführt, und unternehmensinternen Ermittlungen tragfähig ist. Diese Frage scheint von nicht unerheblicher Bedeutung, da die BRAK-Thesen im Wesentlichen die für den eigene Erhebungen durchführenden Verteidiger entwickelten Standards auf den intern ermittelnden Unternehmensanwalt übertragen. Dieser verwendet aber primär ein arbeitsrechtliches und gesellschaftsrechtliches Instrumentarium – dass dem ermittelnden Verteidiger nicht zur Verfügung steht – und agiert u.U. in einem ganz anderen prozessualen Kontext. Maßgeblich sind für den Unternehmensanwalt primär seinen Mandanten treffende Vorgaben des Gesellschaftsrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts (§ 130 OWiG). Er handelt daher primär in Erfüllung der Aufsichts-, Organisations- und Kontrollpflichten der Geschäftsleitung. Es gilt insbesondere daran zu erinnern, dass Internal Investigations durchaus im Vorfeld oder gänzlich losgelöst von strafprozessualen Ermittlungsverfahren oder Ordnungswidrigkeitsverfahren erfolgen können (und oft erfolgen), d.h. die analoge Heranziehung von Maßstäben der StPO buchstäblich fern liegt. Zudem werden unternehmensseitig auch im Ergebnis nicht zwingend irgendwelche strafrechtliche Konsequenzen – die Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch Strafanzeige – angestrebt oder auch nur strafrechtlich relevante Pflichtverstöße untersucht. Mithin können Internal Investigations „strafprozessfern“ sein. Insofern sind sie gerade mit den von der BRAK herangezogenen defensiven Erhebungen des Verteidigers nicht vergleichbar. Die Verwendung derselben Standards liegt daher fern, denn der Verteidiger ermittelt für den Strafprozess. Zudem lässt der Ansatz der BRAK-Thesen die– gerade für die außerhalb von Strafverfahren stattfindenden interne Ermittlungen praxisrelevante – Frage außer Acht, weshalb der Unternehmensanwalt im Sinne des Thesenkatalogs der BRAK nicht nur die Befolgung allgemeiner rechtsstaatlicher Standards im Auge behalten soll, sondern durch die Anwendung der „Standards“ auch eine strafprozessuale Verwertbarkeit der Interviewergebnisse sicherstellen soll. Da es hierfür weit im Vorfeld jedes Strafverfahrens weder rechtliche noch – vielen Fällen – strategische Gründe geben muss, sollte die Frage erlaubt sein, ob sich der Unternehmensanwalt tatsächlich primär an einem hypothetischen späteren Verwertungsinteresse der Strafjustiz orientieren sollte, auch wenn dies im Einzelfall – etwa im Verhältnis zur schnellen Informationsgewinnung zur Schadens- und Gefahrenabwehr – gerade nicht die Priorität des Unternehmens ist. Dies dürfte de lege lata wohl eher zu verneinen sein, da der Unternehmensanwalt – wie auch die BRAK-Thesen zumindest eingangs festhalten – durch sein Mandat dem Unternehmensinteresse verpflichtet ist[14] und sich gegen dieses Interesse – jenseits konkreter Rechtspflichten – nicht an unverbindlichen Postulaten orientieren kann. Weitergehend gilt dasselbe für alle diejenigen „rechtsstaatlichen Standards“, die auf den Unternehmensanwalt in seiner konkreten Funktion und Situation angesichts der anwendbaren Teilrechtsordnungen gerade nicht gelten. Insbesondere sind hier analog aus dem Strafprozessrecht abgeleitete Regeln zu nennen, soweit nicht ausnahmsweise die Drittwirkung von Grundrechten rechtsverbindlich entsprechende Schranken begründet.[15] Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die BRAK-Thesen, soweit sie über anwendbare Rechtsvorschriften hinausgehen, insbesondere soweit allgemein zur Wahrung rechtsstaatlicher Standards und Sicherstellung der strafprozessualen Verwertbarkeit aufgerufen wird, für den Unternehmensanwalt nicht per se rechtsverbindlich sind. Hingegen wird die Einhaltung weiter Teile der Standards – die Sicherstellung rechtsstaatlicher Prinzipien und der Verwertbarkeit der Interviews – vielfach sinnvoll, wünschenswert oder sogar praktisch unumgänglich sein, insbesondere wenn die interne Untersuchung parallel zu einem Ermittlungsverfahren stattfindet und das Unternehmen mit den Behörden kooperiert.

III. Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen von Interviews

1) Mitwirkungspflicht von Mitarbeitern

Das geltende Primärrecht für Mitarbeiterinterviews liefern typischerweise die arbeitsrechtlichen Vorschriften und vertraglichen Regelungen. Ein Arbeitsvertrag ist eine Sonderform des Dienstvertrages. Es gelten– vorbehaltlich arbeitsvertraglicher Sonderregeln – die Bestimmungen der §§ 611 ff. BGB. Danach bestehen wechselseitige Auskunftspflichten der Parteien über bestimmte, mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehende Vorgänge und Tatsachen, soweit der Anspruchsberechtigte Arbeitgeber entschuldbar über seine Rechte im Ungewissen ist, während der Verpflichtete Arbeitnehmerunschwer Auskunft erteilen kann.[16]

Die Teilnahme eines Arbeitnehmers an dem Interview, kann der Arbeitgeber im Wege seines Weisungsrechts anordnen, § 106 GewO. Der Arbeitgeber kann die sich nur dem Rahmen nach aus dem Arbeitsvertrag ergebende Arbeitspflicht näher konkretisieren, auch bezüglich Ordnung und Verhalten im Betrieb und im Hinblick auf so genannte leistungssichernde Verhaltenspflichten.[17] Die Auskunftspflicht des Mitarbeiters bezieht sich zumindest auf den Gegenstand der konkret geschuldeten arbeitsvertraglichen Tätigkeit. In der arbeitsrechtlichen Literatur ist h. M., dass ein (dienstvertraglich oder arbeitsvertraglich gebundener) Mitarbeiter regelmäßig verpflichtet ist, an der Befragung im Rahmen einer Internal Investigation seines Unternehmens teilzunehmen und er grundsätzlich ebenfalls verpflichtet ist, auf gezieltes Befragen Auskunft zu seiner Tätigkeit zu erteilen.[18] Für den Umfang seiner Auskunftspflicht ist der Inhalt des jeweiligen Dienst- bzw. Arbeitsvertrags maßgeblich, denn die Auskunftspflichten beziehen sich zumindest auf den Gegenstand der konkret geschuldeten arbeitsvertraglichen Tätigkeit, d.h. auf deren Inhalt und die Reichweite der Zuständigkeit des Mitarbeiters.[19] Die umfassendsten Auskunftspflichten treffen daher Arbeitnehmer in Führungspositionen bzw. Vertrauensstellungen bzw. generell die Leitungsebene von Unternehmen.[20] In der Konsequenz dessen ist anzunehmen, dass ein Geschäftsführungsorgan (Vorstand, Geschäftsführer) eine vollumfängliche Auskunftspflicht zumindest hinsichtlich der Aufgaben in der Gesamtverantwortung des Leitungsorgans sowie hinsichtlich der eigenen Ressortzuständigkeit hat. Im Übrigen bestimmt sich der Umfang der Auskunftspflicht nach der Bedeutung der Auskunft für den Arbeitgeber. Sie ist besonders weitgehend, wenn nur (noch) der Arbeitnehmer über das erforderliche Wissen verfügt.[21]

Allerdings ist ein Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, sich bloß aufgrund seiner Treuepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber eigeninitiativ selbst zu belasten oder ohne besondere Rechtspflicht Tatsachen zu offenbaren, welche dem Arbeitgeber die Grundlage für eine Kündigung bieten können.[22] Eine Selbstbezichtigungspflicht des Mitarbeiters – auch im Fall einer abstrakt-generellen Frage nach Unregelmäßigkeiten in seinem Kenntnisbereich – besteht danach wohl nicht.[23]

a) Nicht selbstbelastende „zeugenartige“ Aussage des unverdächtigen Mitarbeiters

Eine Mitwirkungspflicht des unverdächtigen Arbeitnehmers und dessen arbeitsrechtliche Pflicht zur Beantwortung von Fragen, die ihn persönlich nicht belasten würden, ist wohl unstrittig.[24] Hinsichtlich der Pflicht zur Belastung Dritter (Mitarbeiter) soll nach überwiegender Auffassung danach differenziert werden, ob es sich um Angaben zum unmittelbaren Tätigkeitsbereich des interviewten Mitarbeiters handelt oder nicht. Im ersten Fall wird eine Beantwortung von Fragen als erforderlich angesehen, im letzten Fall nur, wenn der befragte Mitarbeiter Führungsaufgaben wahrnimmt.[25]

b) Selbstbelastende Aussage des verdächtigen oder noch unverdächtigen Mitarbeiters

Ob eine selbstbelastende Aussage des Arbeitnehmers auf Befragen arbeitsrechtlich verpflichtend ist, hat das BAG bisher nicht entschieden.[26]

Nach einer Auffassung ist der Mitarbeiter analog §§ 675, 666 BGB verpflichtet, auch solche Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten, die zu einer Selbstbelastung (oder einer Belastung Dritter) hinsichtlich (des Verdachts) einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit führen, wenn die Fragen seinen eigenen Arbeitsbereich betreffen.[27] Eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den Interessen des Mitarbeiters und des Unternehmens müsse hingegen erfolgen, wenn es um Informationen außerhalb des direkten Arbeitsbereichs des Mitarbeiters gehe. Eine Auskunftspflicht bestehe bei einem berechtigten, billigens- und schutzwürdigem Interesse des Unternehmens aus der allgemeinen (arbeitsvertraglichen) Treuepflicht,[28] diese umfasse in diesem Falle aber nicht die Pflicht zur Selbstbelastung.[29]

Nach einer anderen Ansicht müsse der Mitarbeiter bei der „repressiven“ Befragung – d.h. bei der hier im Raum stehenden zur Aufklärung von Straftaten – wegen der Nähe zur Strafverfolgung entsprechend § 136 Abs. 1 S. 1 StPO – keinerlei selbstbelastenden Angaben machen.[30]

Nach einer noch weitergehenden Auffassung ist der Arbeitnehmer unter keinen Umständen zur Offenbarung von Umständen, die kündigungsrechtlich verwertet werden können, auf Nachfrage oder ungefragt, verpflichtet.[31] Ihm sei diesbezüglich ein Schweigerecht zuzubilligen.[32] Zwar bindet auch den verdächtigen Arbeitnehmer eine Treuepflicht; müsse er sich aber selbst belasten, sei ihm die wahrheitsgemäße Auskunft unzumutbar. In einer Abwägung des Aufklärungsinteresses des Arbeitgebers mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gem. Artikel 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG überwiege Letzteres, da dem Arbeitgeber diverse andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, Compliance-Verstöße aufzudecken (Zeugenbefragung, zulässige technische Ermittlungsmaßnahmen gem. BDSG). Zudem könne er verdächtige Arbeitnehmer durch eine Verdachtskündigung aus dem Betrieb entfernen und so weitere Rechtsverletzungen vermeiden.[33] Besonderes Gewicht komme dem Arbeitnehmerinteresse zu, wenn der im Raum stehende Verdacht eines Compliance-Verstoßes zugleich den Verdacht einer Straftat begründe, denn dann habe der Arbeitnehmer ein Interesse daran, die Beschuldigtenrechte des Strafverfahrens in Anspruch nehmen zu können. Diese Rechte aber würden durch die Aussage vor dem Arbeitgeber ausgehöhlt, da diese im Strafprozess voll verwertbar seien.[34]

Überwiegende Gründe und soweit ersichtlich die arbeitsgerichtliche Rspr. sprechen dafür, dass arbeitsrechtlich jedenfalls bei konkreten Fragen des Arbeitgebers oder seines Beraters zum konkreten Zuständigkeits- und Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers auch im Falle der Selbstbelastung(-sgefahr) eine Pflicht zur Teilnahme am Interview und zur wahrheitsgemäßen Beantwortung von Fragen besteht.[35] Insbesondere kann in der Interviewsituation nicht sinnvoll mit der Möglichkeit der Verdachtskündigung gegen die Selbstbelastungspflicht argumentiert werden, da die Verdachtsschwelle so hoch ist,[36] dass selbst bei einem Interview eines „verdächtigen“ Mitarbeiters typischerweise noch keine hinreichende Verdachtslage gegeben ist. Probleme im Zusammenhang mit der Umgehung von Rechten des betreffenden Mitarbeiters im parallelen oder zukünftigen Strafverfahren sind zudem nicht durch ein Verweigerungsrecht im Ausgangsverfahren, sondern mit den Mechanismen und im Rahmen des Regelungsgehalts der StPO zu lösen: Nach der Rechtsprechung des BVerfG billigt das geltende Recht zwar Zeugen, Prozessparteien und Beschuldigten ein Schweige- und Aussageverweigerungsrecht für den Fall der Selbstbezichtigung zu, nicht aber solchen Personen, die aus besonderen Rechtsgründen rechtsgeschäftlich oder gesetzlich verpflichtet sind, einem anderen die für diesen notwendigen Informationen zu erteilen.[37] In der Regel handelt es sich dabei um Fälle, in denen allein der Auskunftspflichtige die erforderlichen Informationen geben kann und der Auskunftsberechtigte ohne diese Auskunft erheblich benachteiligt wäre oder seinen Aufgaben nicht ordnungsgemäß nachkommen könnte. Hierzu gehören Auskunfts- und Rechenschaftspflichten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass diejenigen Handlungen, über die Auskunft erteilt werden soll, zu einem Pflichtenkreis gehören, den die Auskunftsperson durch eigenen Willensentschluss übernommen hat.[38] Auch in der Rechtsprechung des BGH ist eine auf § 666 BGB gegründete Auskunftsverpflichtung einschließlich Beeidigung der Richtigkeit der Auskunft z. B. für das Verhältnis des Rechtsanwalts einer Gemeinschuldnerin gegenüber deren Konkursverwalter oder eines mit der Planung und Bauleitung beauftragten Architekten gegenüber dem Bauherrn anerkannt, unabhängig davon, ob der Auskunftspflichtige durch die Auskunft der Gefahr ausgesetzt wird, sich selbst einer strafbaren Handlung bezichtigen zu müssen. Insoweit ist der Schutz der Gläubiger bzw. des Auftraggebers vorrangig.[39] Die Auskunftspflicht wird verfassungsrechtlich nicht durch die Gefahr der Selbstbezichtigung mit einer Straftat eingeschränkt, da der Schutz des Arbeitnehmers durch ein strafrechtliches Verwertungsverbot gewährleistet werden könne.[40] Über dessen Reichweite entscheiden allerdings naturgemäß nicht die Arbeitsgerichte, sondern die zuständigen Gerichte in einem etwaigen Strafverfahren.[41]Es entspricht sowohl dem Grundgedanken des Gemeinschuldnerbeschlusses als auch der Gesetzessystematik, dass ein Schutz des Arbeitnehmers vor den Gefahren der Strafverfolgung und die Wahrung des so nur im Strafverfahren kodifizierten und geltenden „nemo tenetur“-Prinzips dem Strafverfahren vorbehalten bleiben muss.

2) Anwesenheits- und Beistandsrechts eines Betriebsratsmitglieds

Nach der Rspr. des BAG ergibt sich aus dem BetrVG kein genereller Anspruch des Arbeitnehmers auf Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu jedem mit dem Arbeitgeber geführten Gespräch, sondern nur zu den gesetzlich explizit geregelten Anlässen (§§ 81 Abs.4 S. 3, 82 Abs. 2 S. 2, 83 Abs. 1 S. 2 und 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG).[42] Daraus folgt im Umkehrschluss insbesondere, dass der einzelne Arbeitnehmer keinen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch darauf hat, zu den von diesen Vorschriften nicht erfassten Personalgesprächen ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen.[43] Zu Recht wird daher für Interviews im Rahmen von Internal Investigations ein Hinzuziehungsrecht bestritten. Nach § 82 Abs. 2 BetrVG könne ein Arbeitnehmer zwar ein Betriebsratsmitglied zu einem so genannten „Beratungs- und Führungsgespräch” hinzuziehen, in dem die Leistungen und Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung des Arbeitnehmers erörtert werden. Mit dieser Situation ist eine investigative Befragung jedoch nicht vergleichbar, weil es bei einer Untersuchung regelmäßig nicht um eine Bewertung der Leistung des befragten Mitarbeiters gehe, sondern um die Ermittlung eines Sachverhalts.[44] Die Durchführung des Interviews unterliegt auch nicht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung über das Ordnungsverhalten im Betrieb, denn der mögliche Compliance-Verstoß betrifft allein das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – nicht das Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander – und bezieht sich außerdem nur auf einzelne mutmaßliche Rechtsverstöße und Personen, die damit zu tun gehabt haben könnten.[45]

§ 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG gibt allerdings dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, in Konfliktfällen mit dem Arbeitgeber – bei einer Beschwerde (§ 84 Abs. 1 S. 1 BetrVG) – ein Betriebsratsmitglied seines Vertrauens zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuzuziehen. Dieses Recht könne Teilen der untergerichtlichen Rspr. zufolge auch bei Personalgesprächen wahrgenommen werden, wenn der Arbeitnehmer sich hierbei ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt.[46] Dies erscheint für den größten Teil investigativer Befragungen fernliegend, insbesondere für solche, in denen der Arbeitnehmer eine zeugenähnliche Rolle als reiner Auskunftsgeber haben soll. Anders mag es sich – im Einzelfall – verhalten, wenn ein „verdächtiger“ oder sich als (zu Unrecht) verdächtigt fühlender Arbeitnehmer das Interview oder die Einladung hierzu bereits vorab als ungerechte Behandlung wahrnimmt. Typischerweise setzt diese allerdings der Einladung zeitlich vorausgehende Konflikte zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber bzw. dessen Beratern voraus. Anerkannt ist nämlich, dass es bei dem Hinzuziehungsrecht des § 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG stets um die Abstellung bereits bestehender negativ bewerteter Zustände gehen muss. Das Ausbleiben von Vorteilen kann nur Beschwerdegegenstand sein, wenn auf sie ein Rechtsanspruch besteht, insbesondere unter dem Aspekt der Gleichbehandlung.[47] Zur praktischen Handhabung bietet es sich an, davon auszugehen, dass für ein Hinzuziehungsrecht gem. § 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG vor der Einladung zu dem Interview subjektiv – aus Sicht der Arbeitnehmers – ein Beschwerdegegenstand und objektiv eine konkrete Beschwerdeerklärung vorliegen muss, da der Betriebsrat ansonsten keine „Beschwerde“ gem. § 84 Abs. 1 S. 1 BetrVG im Rahmen des Interviews unterstützen oder diesbezüglich vermitteln kann. Nur zu diesem Zweck kann er aber nach § 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG herangezogen werden. Die konsequente Weiterführung des Gedankens führt dazu, dass dem Betriebsrat – sollte er ausnahmsweise im Einzelfall wegen einer das Interview betreffenden vorherigen Beschwerde des Arbeitnehmers zum Interview hinzugezogen werden dürfen –nur insoweit die Teilnahme an dem Interview gestattet sein sollte, als dies den Beschwerdegegenstand zum Inhalt hat oder jedenfalls ein Zusammenhang zum Beschwerdegegenstand besteht. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass regelmäßig gerade kein Recht des Arbeitnehmers zur Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu einem Interview besteht. Falls dies wegen eines vorher bestehenden Konfliktfalles mit dem Arbeitgeber der Fall ist, kann ein Anwesenheitsrecht des Betriebsrats allenfalls insoweit bestehen, als der Beschwerdegegenstand im Interview zur Sprache kommt.

3) Anwesenheits- und Beistandsrecht eines Rechtsanwalts

Nach einer in der arbeitsgerichtlichen Rspr. und Lit. verbreiteten Sichtweise besteht kein Recht des Mitarbeiters auf Hinzuziehung eines anwaltlichen Rechtsbeistands im Rahmen von „Personalgesprächen“.[48]

Nach anderer Auffassung soll ein unbedingtes Recht des Mitarbeiters bestehen, sich bei Befragungen durch den Arbeitgeber – mithin offenbar unabhängig von der Teilnahme von Unternehmensanwälten – eines anwaltlichen Beistands bedienen zu können. Dies lasse sich aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer herleiten.[49]

Grundsätzlich hat ein Mitarbeiter keinen Anspruch darauf, dass bei Personalgesprächen die Anwesenheit seines Anwalts zugelassen wird, denn die Teilnahme an Personalgesprächen gehört zu den Pflichten des Arbeitnehmers, die die Kernpflicht, die Leistung entgeltlicher Arbeit, umgibt und die durch den Arbeitnehmer höchstpersönlich wahrzunehmen sind (§ 613 BGB).[50] Der personenbezogene Charakter des Arbeitsverhältnisses verbietet es grundsätzlich, dass der Arbeitnehmer gegen den Widerstand des Arbeitgebers betriebsfremde Personen zur Wahrnehmung seiner Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis hinzuzieht.[51] Der Arbeitnehmer müsse in einem Personalgespräch nicht nur zur technischen Abwicklung bestimmter Vorgänge persönlich antworten, sondern auch, wenn grundsätzliche Fragen des Arbeitsverhältnisses besprochen werden sollen.[52]

Allerdings könne bei „Grundsatzgesprächen“ der Arbeitgeber nicht verlangen, dass der Arbeitnehmer für ihn wichtige Fragen ohne anwaltlichen Beistand beantwortet bzw. anstehende Entscheidungen sofort trifft. Die Beantwortung zukunftsentscheidender Fragen oder das Treffen von Entscheidungen könne er sich bis nach Konsultierung seines Anwaltes vorbehalten.[53] Zudem sei es laut dem LAG Hamm bei der Hinzuziehung betriebsfremder Personen durch den Arbeitgeber – z. B. eines Anwalts oder Verbandsvertreters – zu dem Interview „denkbar“, dass der Arbeitnehmer seinerseits aus dem Gesichtspunkt der „Waffen“- und Chancengleichheit Anspruch darauf hat, dass auf seiner Seite ebenfalls eine betriebsfremde Person seines Vertrauens mitwirkt.[54] Daneben wird in der Lit. erwogen, ausnahmsweise ein Anwesenheitsrecht eines Rechtsanwalts einzuräumen, wenn der Arbeitnehmer befürchtet, sich selbst bei der Befragung strafrechtlich zu belasten.[55]

Es erscheint zwar fraglich, ob es hier maßgeblich allein auf die rein subjektiven Vorstellungen des Betroffenen ankommen kann. Wohl jedenfalls in denjenigen Situationen, in denen der Mitarbeiter bereits vor dem Interview der Beteiligung an Straftaten verdächtig ist und diese potentiell strafbaren Handlungen Gegenstand des Interviews sein sollen, erscheint zweifelhaft, ob dessen Befragung ohne anwaltlichen Beistand erzwungen werden kann, falls der Mitarbeiter den Wunsch nach anwaltlicher Begleitung äußert. Die Rücksichtnahme- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann es dann gebieten, die Teilnahme eines Rechtsbeistands des Mitarbeiters zuzulassen, wenn der Arbeitgeber nach strafrechtlich relevantem Verhalten des Arbeitnehmers fragen will; andernfalls könne eine auf das Gespräch gestützte Verdachtskündigung unwirksam sein.[56] Es kann jedoch nach dem derzeitigen Stand der arbeitsgerichtlichen Rspr. nicht festgestellt werden, dass der Arbeitgeber oder sein anwaltlicher Berater von sich aus oder auf Aufforderung für die Verfügbarkeit eines Rechtsanwalts zu sorgen oder sonst aktiv darauf hinzuwirken habe, dass der Arbeitnehmer anwaltliche Beratung erhält. Der oben dargestellte Meinungsstand lässt vielmehr darauf schließen, dass der Arbeitgeber – lediglich in den oben genannten Ausnahmefällen – verpflichtet sein könnte, die Anwesenheit eines Arbeitnehmeranwalts bei dem Interview hinzunehmen.

4) Protokoll bzw. Gesprächsvermerk – Freigabe und Einsichtnahme durch den Mitarbeiter?

Aus diversen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen zu Anhörungen im Vorfeld von Verdachtskündigungen ist ersichtlich, dass bei den Gesprächen von Arbeitgeberseite Protokolle oder Gesprächsvermerke o.ä. gefertigt wurden, die zudem auch als Beweismittel Eingang in das arbeitsgerichtliche Verfahren fanden, ohne dass ihnen der Beweiswert abgesprochen worden wäre.[57] Es ist nicht erkennbar, dass die Arbeitsgerichte besondere Verfahrens- oder Formerfordernisse für die Verwertbarkeit der Niederschrift zu einer Anhörung oder einem Interview stellen würden. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass aus arbeitsrechtlicher Sicht eine Prüfung und Freigabe des Protokolls durch den Arbeitnehmer oder ein Einsichtsrecht zwingend erforderlich für dessen Verwertbarkeit wären.[58] Auch sind Erfordernisse hinsichtlich einer Belehrung über die Verwendbarkeit eines Protokolls, Vermerks oder einer Mitschrift – etwa bzgl. der Weiterleitung an Strafverfolgungsbehörden oder der Nutzung in einem etwaigen streitigen arbeitsgerichtlichen Verfahren – aus der arbeitsgerichtlichen Rspr. bisher nicht bekannt geworden. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass bzgl. der Protokollführung und -verwertung arbeitsrechtliche Vorgaben dieser Art existieren.

Darüber hinaus besteht soweit ersichtlich arbeitsrechtlich insbesondere kein Einsichtsrecht hinsichtlich des Protokolls bzw. der Mitschrift der Arbeitgeberseite zum Interview.[59] Ein Einsichtsrecht in Protokolle anderer Interviewter kann aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht bestehen.[60] Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Interviewer in seine Mitschrift u. U. durchaus über den Wortlaut des Gesprächs hinausgehende Informationen aufnehmen kann, auf deren Kenntnis der Interviewte von vornherein keinen Anspruch hat. In Betracht kommen etwa persönliche Eindrücke, Hinweise auf bestimmte Abgleichserfordernisse mit der Dokumentation oder andere Erkenntnisse der Ermittlungen, die zusammen mit dem Gesprächsvermerk relevant sind und die gegenüber dem befragten Arbeitnehmer geschützte Daten darstellen. Somit sollte eher von einem einseitigen Gesprächsvermerk des Arbeitgebers als von einem Protokoll gesprochen werden, um Missverständnisse hinsichtlich angeblicher Gegenzeichnungs- oder Einsichtsrechte zu vermeiden. Der Arbeitnehmer oder ggf. der ihn begleitende Rechtsanwalt ist natürlich nicht gehindert, selbst ein solches zu fertigen, soweit dies die Befragung nicht hindert, oder ein Gedächtnisprotokoll zu fertigen. Nur sicherheitshalber sei darauf hingewiesen, dass nach zweifelhafter untergerichtlicher Rspr. diese Schriftstücke im Strafverfahren als Beweismittel beschlagnahmefähig sind, auch wenn sie im Gewahrsam von Rechtsanwälten stehen (vgl. §§ 53, 97, 160a StPO).[61]

5) Belehrung von Mitarbeitern

Nach der im Arbeitsrecht herrschenden Meinung ist der Arbeitgeber bei der Ausgestaltung des Gesprächs sowohl formell als grundsätzlich auch inhaltlich frei, so bedarf es insbesondere keiner „Belehrung“ des Arbeitnehmers, etwa darüber, dass ihm eine bestimmte Pflichtverletzung zur Last gelegt wird oder dass etwaige im Gespräch gemachte Angaben auch strafprozessual verwertet werden könnten.[62] Zurecht wird darauf hingewiesen, dass derartige Vorgaben dem Arbeitsrecht als Teil des Zivilrechts fremd sind und dem Strafprozessrecht entlehnt wären; eine (isolierte) Übernahme der Vorgaben der StPO zur Belehrung würde zu Inkonsistenzen führen.[63] Zudem würde dies völlig verkennen, dass das zivilrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dem öffentlich-rechtlichen zwischen Strafverfolgungsbehörden und Beschuldigtem nicht vergleichbar sind. Über die Zulässigkeit nachteiliger strafprozessualer Folgen – insbesondere die Verwertung eines selbstbelastenden Interviews – ist de lege lata derzeit ausschließlich im Strafverfahren zu entscheiden.

Auch die für die Anhörung geltende Vorgabe, dass das Gespräch einen „greifbaren Sachverhalt“ zum Gegenstand haben und dieser eingangs bezeichnet werden muss, ist allein vom Recht der Verdachtskündigung abgeleitet und auf Interviews zur Informationsgewinnung ohne Anhörungsfunktion nicht zu übertragen.[64] Es wird praktisch nötig sein, bestimmte Sachverhalte anzusprechen, schon, weil sich der Arbeitnehmer zu diesen äußern soll. Für den Arbeitgeber negative Rechtsfolgen können aber aus einer nur umrisshaften, zurückhaltenden bzw. sukzessiven Benennung der befragungsgegenständlichen Sachverhalte nicht abgeleitet werden, zumal der Arbeitgeber bzw. seine Berater die Schilderung eines „greifbaren Sachverhalts“ und damit konkreter Vorgänge im Einzelnen zumindest zu Beginn nicht leisten können. In anderen Fällen wäre eine Forderung nach genauer Beschreibung der Verdachtsgründe und betroffenen Sachverhalte nicht sachgerecht, da eine Aufdeckung der (unvollständigen) Ermittlungsergebnisse Verdunklungshandlungen des Mitarbeiters auslösen könnte,[65] je nach Gestaltung des Einzelfalls mit nicht ausschließbar auch strafrechtlichen und strafprozessualen Risiken (vgl. § 112 StPO; §§ 257, 258 StGB).

6) Verwertungsverbot im arbeitsgerichtlichen Verfahren

Anders als das Strafverfahren kennt das Zivilverfahren gem. der ZPO, auf die das ArbGG verweist, keine normierten Beweisverwertungsverbote. Unrechtmäßig erlangte Beweismittel sind nicht generell unverwertbar, sondern nur, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm dies gebietet. Insbesondere kann dies bei schwerwiegenden und ungerechtfertigten Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht der Fall sein, die das Interesse an Ermittlungen wegen des Verdachts schwerwiegender Straftaten im Unternehmen überwiegen. Dies kann nur aufgrund einer Abwägung im Einzelfall angenommen werden.[66] Verwertungsverbote können sich aus der Verletzung von Beteiligungsrechten des Betriebsrats ergeben, wobei der Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte nicht automatisch dazu führt, sondern die Grundrechtsverletzung Einzelner und ein zwingendes Bedürfnis bzgl. der Unverwertbarkeit hinzutreten müssen.[67] Zudem sind bzgl. der Durchführung einzelner Interviews Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Verhaltenskontrolle) im Normalfall – bei Fragen zur eigenen Tätigkeit – gerade nicht anerkannt; es besteht allenfalls das allgemeine Informationsrecht gem. § 80 Abs. 2 BetrVG.[68] Für arbeitsrechtlich erzwungene selbstbelastende Aussagen von Mitarbeitern wurde seitens der Arbeitsgerichtsbarkeit teilweise ein strafprozessuales Verwertungsverbot befürwortet, gerade nicht jedoch ein solches für das arbeitsgerichtliche Verfahren.[69] Arbeitsgerichtlich ist ein Verwertungsverbot soweit ersichtlich nur im Zusammenhang mit einer unzureichenden Information über den Gegenstand einer Anhörung anerkannt worden (s.u.).

7) Exkurs: Arbeitsrechtlich veranlasste Anhörung vor (außerordentlicher) Verdachtskündigung des Arbeitnehmers und Kombination mit Interview

Nicht ausschließbar kann es dazu kommen, dass aus der Sicht des Unternehmens in einem Gespräch die Informationsfunktion des Interviews in der unternehmensinternen Ermittlung mit der Gewährung rechtlichen Gehörs in Form der arbeitsrechtlichen Anhörung zweckmäßigerweise kombiniert werden soll. Hintergrund kann eine bereits bestehende intensive Verdachtslage – mit potentiell hinreichendem dringenden Verdacht für eine außerordentliche Verdachtskündigung wegen einer mutmaßlichen Straftat oder Ordnungswidrigkeit oder sonstigen Pflichtverletzung – sein, die arbeitsrechtliche Sanktionen zulassen würde, wo aber aus der Sicht des Unternehmens weiterer Informationsbedarf besteht, etwa im Hinblick auf mögliche weitere mutmaßliche Taten oder weitere mutmaßliche Täter, zur Ermittlung eines Schadensumfangs, zur Verbesserung der Beweislage o.ä. Zugleich soll u. U. vermieden werden, dass die Einhaltung der strengen Fristenregelungen des Arbeitsrechts durch eine Hintereinanderschaltung von Interview und Anhörung gefährdet werden. Rechtlich ist diese Doppelfunktionalität des „Anhörungsinterviews“ zulässig. Die Anhörung darf dem Arbeitgeber auch zu anderen Zwecken – etwa der Gewinnung weiterer Beweismittel – dienen; der Arbeitnehmer kann aus ihr sogar den (u. U. unzutreffenden) Eindruck mitnehmen, den Verdacht zerstreut zu haben.[70] Man wird bei einheitlichen „Anhörungsinterviews“ wohl für das Gespräch insgesamt – sowohl für den (eher interviewtypischen) Befragungsteil als auch den (eher anhörungstypischen) Rechtfertigungsteil – die arbeitsrechtlichen Vorgaben für Anhörungen zu beachten haben.

Die Anhörung eines Arbeitnehmers – als Gelegenheit zur Stellungnahme – muss im Rahmen der gebotenen Sachverhaltsaufklärung vor Ausspruch der außerordentlichen Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber erfolgen.[71] Ihr (erforderlicher) Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Anforderungen an die Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 Abs. 1 BetrVG müssen nicht erfüllt werden,[72] da die Anhörung des Arbeitnehmers anderen Zwecken dient und daher nicht vergleichbar ist.[73]

a) Mitteilung eines umgrenzten Sachverhalts

Erforderlich ist nach höchstrichterlicher Rspr. jedenfalls, dass sich die Anhörung auf einen (für den Arbeitnehmer) „greifbaren Sachverhalt“ bezieht, grundsätzlich unzureichend ist es, wenn der Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert wird.[74] Dazu ist nach dem BAG erforderlich, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit erhält, bestimmte zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen.[75] Daraus ist wohl zu folgern, dass der Interviewer im Rahmen der Anhörung den räumlich und zeitlich eingegrenzten Sachverhalt, der Grund der Verdachtskündigung werden kann, zu benennen hat. Zu weit gehen würde die Annahme, die Konkretisierung der Vorwurfslage müsste den Erfordernissen etwa an die Bestimmtheit des Anklagesatzes (vgl. § 200 StPO) entsprechen. Insbesondere bei vielfach und über einen langen Zeitraum wiederholten Taten muss jedenfalls eine umrisshafte Schilderung des Handlungsmusters sowie eine Eingrenzung des Zeitraums und des Tatorts ausreichen, ohne dass die Einzelfälle ebenfalls beschrieben werden. Im Einzelfall kann auch die Benennung etwa bestimmter Personen, Geschäftsbeziehungen bzw. Geschäftspartner und die Skizzierung der Vorwurfslage (etwa: Vorteilsgewährungen an Mitarbeiter der Gesellschaft X zur Auftragserlangung) völlig ausreichen, um den Arbeitnehmer darüber aufzuklären, was ihm vorgeworfen wird und wogegen er sich verteidigen kann. Generell erscheint es richtig, die Informationspflicht des Arbeitgebers nicht mit abstrakt-generellen Regelungen und Detaillierungserfordernissen zu überfrachten. Allein entscheidend sollte sein, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Belehrung weiß, welche Vorwürfe er entkräften muss. Ob dieses Erfordernis erfüllt ist, wird typischerweise von den Umständen des Einzelfalls (Komplexität des Sachverhalts etc.) abhängen. Detaillierte Belehrungen können vom Arbeitgeber vielfach auch deshalb nicht verlangt werden, weil diese einem Arbeitnehmer zum Schaden des Arbeitgebers auch Verdunklungs- und Beweisvernichtungshandlungen (auch Straftaten gem. §§ 274, 303 StGB) ermöglichen könnten.

Zu ergänzen ist, dass das BAG eine schuldhafte Verletzung der Informationspflicht des Arbeitnehmers auch bei Nichterfüllung der beschriebenen Anforderungen ausschließt, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht gewillt war, sich zu den Vorwürfen einzulassen und an der Aufklärung mitzuwirken, insbesondere wenn er bei der Anhörung sogleich erklärt, er werde sich zum Vorwurf nicht äußern, ohne relevante Weigerungsgründe zu nennen. Dann ist eine Information über die Verdachtsgründe in Rahmen der Anhörung unnötig.[76] Auch die außerordentliche Verdachtskündigung kann dann nicht an Belehrungsmängeln oder dem Fehlen der Belehrung scheitern.[77]

b) Keine Täuschung über Gegenstand der Anhörung

Hinsichtlich der (vorherigen) Belehrung über Sinn und Zweck der Anhörung ist in der Rspr. anerkannt, dass die Einladung zur Anhörung nicht mit einer über das Gesprächsthema täuschenden Begründung erfolgen darf, so darf etwa nicht angegeben werden, es solle „ein Fachgespräch“ oder ein „Gespräch über die Übernahme zusätzlicher Schichten“ geführt werden[78]. Darüber hinausgehend besteht keine Einigkeit über ein Belehrungserfordernis zu Gegenstand und Konsequenzen der Anhörung.

c) Belehrung über „Verdacht“ und arbeitsrechtliche Konsequenzen?

Von einem LAG wird vertreten, dass der Arbeitgeber auch explizit darauf hinweisen muss, dass er (a) aufgrund der (unstrittig anzuführenden) Tatsachen den Verdacht einer Pflichtverletzung hegt und (b) darauf eventuell – d.h. bei fehlender Entkräftung in der Anhörung – eine Kündigung zu stützen beabsichtigt.[79] Diese Forderung lässt sich der Rspr. des BAG bislang nicht entnehmen – danach muss sich die Anhörung nur auf einen konkreten Sachverhalt beziehen[80] – und wird offenbar von anderen LAGs kritisch gesehen und jedenfalls nicht aufgegriffen.[81] Der Sinn und Zweck der Anhörung und insbesondere auch der Information über den Sachverhalt ist nach der Rspr. des BAG, dass der Arbeitnehmer durch seine Einlassung „zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse“ beitragen kann, denn „allein um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitnehmer die Anhörung abverlangt“, sie sei weder dazu bestimmt als verfahrensrechtliches Erschwernis die Aufklärung zu verzögern noch die Wahrheit zu verdunkeln.[82] In der arbeitsgerichtlichen Rspr. kommt zudem klar zum Ausdruck, dass eine Offenlegung der Beweisquellen und -mittel, aus denen sich der verdachtsbegründende Sachverhalt speist, nicht erforderlich ist.[83] Vor diesem Hintergrund spricht nichts dafür, zusätzliche formale Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit der Anhörung zu konstruieren, die das BAG nicht im Rahmen der Grundsatzentscheidung in seine Orientierungssätze aufgenommen hat. „Kenntnis von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen“ hat der Arbeitnehmer bereits, wenn er die Verdachtslage durch Darstellung in tatsächlicher Hinsicht mitgeteilt bekommt. Vollends erscheint es überzogen, dem Arbeitgeber eine Aufklärungspflicht über zukünftige, eventuell beabsichtigte arbeitsrechtliche Maßnahmen abzuverlangen, insbesondere, wenn dies dem Zweck der Anhörung – der Aufklärung des Sachverhalts – eher entgegensteht. Es kann nicht angenommen werden, dass ein privater Arbeitgeber – anders als eine Strafverfolgungsbehörde – einen einer Straftat verdächtigten Arbeitnehmer durch den expliziten – und zugleich vielfach selbstverständlichen – Hinweis, dass die Bestätigung eines Verdachtssachverhalts, der einen schwerwiegenden Pflichtenverstoß beinhaltet, zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen kann, von der Mitwirkung an der Aufklärung abschrecken muss.

  1. d)Hinzuziehung eines Rechtsanwalts

Weiter ist dem Arbeitnehmer im Rahmen einer Anhörung nach h. Rspr. die Zuziehung eines Rechtsanwalts nicht zu verwehren, und zwar unabhängig davon, ob auf Seiten des Arbeitgebers (externe) Rechtsanwälte an der Anhörung beteiligt sind.[84] Nach einer aktuellen Entscheidung des LAG Hessen führt die Verweigerung der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Arbeitgeber allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Anhörung – und damit nicht zum Wegfall dieser formalen Voraussetzung der Verdachtskündigung – sondern dazu, dass der weitere – d.h. zeitlich nach der Weigerung liegende – Inhalt der Anhörung prozessual nicht verwertbar ist.[85] Es ist davon auszugehen, dass hier allein die Verwertung im arbeitsgerichtlichen Verfahren gemeint ist, denn das LAG bezieht sich zur Begründung auf das Verhältnis der beiden „Prozessparteien“ zueinander und die Verhinderung einer rechtswidrigen Benachteiligung der einen zu Lasten der anderen im Prozess.[86] Ein Parteiprozess, in dem eine solche Argumentation valide erscheint, ist nur das arbeitsgerichtliche Verfahren. Vor einer Bitte um Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gemachte Äußerungen des Arbeitnehmers sind hingegen verwertbar.[87]

e) Belehrung über die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts?

Zweifelhaft ist, ob die Äußerung mancher LAGs, dem Arbeitnehmer sei „Gelegenheit zu geben“, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen oder sich schriftlich zu äußern, so zu verstehen ist, dass der Arbeitnehmer im Vorfeld durch den Arbeitgeber auf eine Möglichkeit, sich anwaltlich begleiten zu lassen,[88] hinzuweisen ist; jedenfalls das BAG verlangt vom Arbeitgeber bisher ersichtlich nur eine passive Duldung der vom Arbeitnehmer initiierten Hinzuziehung. Da jedenfalls das LAG Hessen für den Fall der verweigerten Hinzuziehung nur ein (arbeitsgerichtliches) Verwertungsverbot und keine Unwirksamkeit annimmt,[89] kann eine unterbliebene Belehrung über ein (zweifelhaftes) Recht auf anwaltlichen Beistand wohl zumindest keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Anhörung sein.

IV. Straf(-prozess-)rechtliche Schranken des Interviews

1) Materiell-strafrechtliche Grenzen des Interviews

Nur am Rande sei festgehalten, dass der Interviewer selbstverständlich keine Straftaten begehen darf. In Betracht kommen – im Zusammenhang mit dem Versuch, den Mitarbeiter durch Druckausübung zu einer umfassenden und wahrheitsgemäßen Aussage oder gar zu einer vertraglichen Vereinbarung zu veranlassen – im Einzelfall möglicherweise u.a. die Vorschriften des § 240 StGB (Nötigung), § 253 StGB (Erpressung), 241 StGB (Bedrohung) und § 185 StGB (Beleidigung). Insbesondere ist darauf zu achten, dass zur Aussageerzwingung oder zu einem anderen Zweck nicht (vorsätzlich) arbeitsrechtlich oder zivilrechtlich unzulässige Maßnahmen angedroht werden und keine unsachgemäße („unkonnexe“) Verknüpfung von in Aussicht gestellten Übeln mit dem vom Arbeitnehmer gewollten Verhalten erfolgt. Hier lauern – angesichts der verbleibenden Unklarheiten und vor allem auch Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Situation – gewisse Risiken gem. §§ 240, 253 StGB. Zumeist wird aber gerade aufgrund der Unklarheit der Rechtslage angenommen werden müssen, der Interviewer habe jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt.

2) Zur strafprozessualen Verwertbarkeit von Interviews

a)Umfassendes Verwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 GG?

Nach einer Auffassung in der Lit. sind strafprozessual etwaige selbstbelastende, aufgrund arbeits- oder gesellschaftsrechtlicher Pflichten getätigte Angaben – nicht aber freiwillig getätigte oder unwahre Angaben – nur mit Zustimmung der Auskunftsperson verwertbar. Es bestehe aber kein Verwendungsverbot, die pflichtgemäßen Angaben dürften von den Ermittlungsbehörden zur Verdachtsgewinnung (§ 152 StPO) ausgewertet werden.[90] Auch die arbeitsgerichtliche Rspr. geht teilweise – wie gesagt – von einem strafprozessualen Verwertungsverbot aus.[91] Begründet wird das Verwertungsverbot typischerweise mit dem „Gemeinschuldnerbeschluss“ des BVerfG,[92] wonach der Schutz des Persönlichkeitsrechts verfassungsrechtlich gewährleistet, dass eine außerhalb des Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung gegen den Willen des Betroffenen nicht verwertet werden darf, basierend auf dem Leitgedanken der Menschenwürde.[93] Das BVerfG beziehe sich ausdrücklich sowohl auf rechtsgeschäftlich eingegangene als auch auf gesetzlich auferlegte Auskunftspflichten, dementsprechend werde höchstrichterlich auch ein Verwertungsverbot für Angaben des Schuldners gem. §§ 807 ZPO bejaht.[94] Zutreffend wird auch darauf hingewiesen, dass eine gesetzestreue Unternehmensführung – gem. Art. 14 Abs. 2 GG dem Gemeinwohl verpflichtet – ohne uneingeschränkte Auskunftspflichten der Mitarbeiter gerade in Krisensituationen erheblich behindert wäre.[95] Art. 2 Abs. 1 GG garantiere, dass die Mitarbeiter sich nicht faktisch selbst durch eigene Angaben der Strafverfolgung ausliefern müssen. Ein Verwertungsverbot für Angaben der Mitarbeiter liege deshalb auf der Hand, eine Lösung mit Selbstbezichtigungspflicht und ohne Verwertungsverbot verstoße gegen die Verfassung.[96] Jedenfalls hinsichtlich der erzwingbaren Aussagen gegenüber einem Privatermittler – wie bei erzwingbaren selbstbelastenden Auskünften in einem Verwaltungsverfahren – müsse ein strafprozessuales Beweisverwertungsverbot, bestehen, in Anlehnung an die Grundsätze des Gemeinschuldnerbeschlusses zur Disposition dessen, der die Auskunft pflichtgemäß erteilt hat.[97]

Jedenfalls ein untergerichtliches Judikat hält ein solches Verwertungsverbot aber für „fernliegend“.[98] Die Auffassung, aus dem bei den befragten Interviewpartnern potentiell bestehenden Konflikt zwischen arbeitsvertraglicher Auskunftspflicht und dem Grundsatz „Nemo tenetur se ipsum accusare“ könne sich in Anwendung des in § 97 Abs. 1 InsO und § 393 AO zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedankens ein Verwertungsverbot hinsichtlich der Dokumentation der entsprechenden Auskünfte ergeben, sei nicht überzeugend. Der Gedanke, dass die Staatsgewalt den Gesetzesunterworfenen nicht durch sanktionsbewehrte Mitwirkungs- und Auskunftspflichten zur Selbstbelastung zwingen und deren Inhalt anschließend strafrechtlich gegen ihn verwenden darf, sei auf den Fall, dass sich Privatpersonen in (arbeits-)vertragliche Bindungen begeben haben, die sie zur Offenbarung möglicherweise auch strafbaren Verhaltens verpflichten, nicht anwendbar.[99] Dabei komme es nicht entscheidend darauf an, dass auch der Einhaltung arbeitsvertraglicher Pflichten für den Betroffenen durchaus erhebliche, mitunter existenzielle Bedeutung zukommen kann. Die entstehende Konfliktlage gehe in diesen Fällen nicht von einer im Widerspruch zum „nemo tenetur“-Grundsatz stehenden gesetzlichen Auskunftsverpflichtung, sondern von einer vom Betroffenen freiwillig eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zur möglichen Selbstbelastung aus.[100] Hinsichtlich der Berufung auf § 97 Abs. 1 Nr. 3 InsO und den Gemeinschuldnerbeschluss kann zudem bezweifelt werden, ob die rein privatrechtlich und ohne Einschaltung staatlicher Stellen laufenden internen Ermittlungen wirklich hinreichend mit dem gesetzlich genau geregelten und gerichtlich betreuten Konkursverfahren bzw. Insolvenzverfahren vergleichbar ist.[101] Angesichts der im Konkurs-/Insolvenzverfahren gegenüber dem Gemeinschuldner zur Verfügung stehenden Zwangsmittel (vgl. §§ 97, 98 InsO, die Vorführung und Erzwingungshaft vorsehen) wäre ein Verwertungsverbot für Interviews argumentativ nur dann leicht zu begründen, wenn die Auskunftspflicht des Arbeitgebers im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch gleichermaßen effektiv und zeitnah durchgesetzt werden könnte. Hieran darf man schon angesichts fehlender gerichtlicher Entscheidungen berechtigte Zweifel haben. Hinzu kommt, dass ein bloßes direktes Verwertungsverbot das Problem des Arbeitnehmers nicht löst: Wie – nach h. Rspr. zutreffend – ausgeführt wird, dürften die Aussagen in Interviews bei Bestehen eines Verwertungsverbots lediglich nicht selbst, also unmittelbar Grundlage einer strafrechtlichen Verurteilung des Arbeitnehmers in einem Strafverfahren sein.[102] Es ist nach h. M. den Ermittlungsbehörden jedoch nicht verwehrt, diese (unverwertbaren) Äußerungen zum Anlass zu nehmen, Ermittlungen gegen die Auskunftsperson aufzunehmen und auf der Basis des Interviews von dieser Aussage gegenüber dem Privatermittler nicht abhängige Beweise zu gewinnen und zu erheben.[103] Darauf kann eine Verurteilung gestützt werden, denn das angelsächsische Verbot der Frucht des verbotenen Baumes („fruit of the poisonous tree“) gilt laut deutscher Rspr. nicht.[104] Zu Recht wird weiter darauf hingewiesen, dass auch inhaltlich das Verwertungsverbot nicht weiter reicht als die Aussagepflicht, d.h. unwahre Aussagen und Aussagen außerhalb des oben beschriebenen Pflichtenkreises könnten wohl unmittelbar verwertet werden.[105]

Insgesamt ist derzeit de lege lata für die Praxis wohl zumindest zu unterstellen, dass für die Strafverfolgungsbehörden kein rechtliches Hindernis besteht, die Aussagen aus Interviews – auch soweit arbeitsrechtlich erzwingbar – zumindest zur Durchführung von Ermittlungen heranzuziehen. Es erscheint sogar nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass der BGH der noch weitergehenden Auffassung des LG Hamburg folgen könnte.

b)Verwertungsverbot analog §§ 136 oder 55 StPO?

Denkbar erscheint auch, für den Fall des Fehlens einer mehr oder weniger umfangreichen Belehrung des Mitarbeiters – arbeitsrechtlich oder gar im Sinne der BRAK-Thesen – (oder deren Unrichtigkeit) ein Verwertungsverbot analog aus den Vorschriften der §§ 136 oder 55 StPO abzuleiten. Dies ist schon praktisch schwer denkbar, da erhebliche Unklarheiten über die Reichweite arbeitsrechtlicher Belehrungsverpflichtungen bestehen, diese gerade kein Schweigerecht vorsehen und die strafprozessualen Pflichten situativ und normativ unpassend erscheinen.[106] Vor allem aber hat der BGH jüngst in anderem Zusammenhang seine Ablehnung eines Verwertungsverbots bei fehlender Belehrung über ein (fragliches) Schweigerecht im Rahmen privater Ermittlungen deutlich artikuliert.[107] Ein Verstoß gegen die Belehrungspflichten des §§ 163a, 136 Abs. 1 StPO liegt dann nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht vor, denn diese Vorschriften sind auf Befragungen eines Beschuldigten durch Privatpersonen nicht anwendbar.[108] Zum Begriff der Vernehmung im Sinne der StPO gehöre, dass der Vernehmende der Auskunftsperson in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihr eine Auskunft verlangt. Da die Regelungen nach ihrem Sinn und Zweck den Beschuldigten vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht im Rahmen einer Kraft staatlicher Autorität vorgenommenen Befragung bewahren sollen, sind sie auch dann nicht entsprechend anwendbar, wenn eine „vernehmungsähnliche” Situation durch eine Privatperson hergestellt wird. Aus den gleichen Gründen stelle ein Interview auch keine unzulässige Umgehung dar.[109] Trotz der theoretisch möglichen „Erzwingung“ des Interviews tritt der Arbeitgeber natürlich gerade als solcher und nicht als Strafverfolgungsbehörde in Erscheinung. Analog § 136 StPO (oder § 55 StPO) lässt sich nach ganz herrschender Rspr. daher kein Verwertungsverbot begründen.

c) Verwertungsverbot analog § 136a StPO

Daneben wird vielfach ein Verwertungsverbot bzgl. des Interviews im Strafprozess analog § 136a StPO gefordert, falls im Rahmen des Interviews die sogenannten verbotenen Vernehmungsmethoden – Misshandlung, Ermüdung, körperlicher Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Quälerei, Täuschung, Hypnose sowie die Drohung mit einer dieser Methoden – angewandt wird, da die Grundrechtsdrittwirkung wegen erheblicher Grundrechtseingriffe eine Verwertung verbiete.[110] Dies klingt als rechtsethisches Minimum sympathisch und zugleich klar; diese Grenzziehung ist im Grunde zu begrüßen, im konkreten Einzelfall ist allerdings der Grenzverlauf völlig unklar.

Problematisch ist nämlich etwa, dass insbesondere der Begriff der Täuschung von erheblicher Unschärfe gekennzeichnet ist: Er ist nach h. Rspr. zu weit gefasst und muss daher einschränkend ausgelegt werden.[111] § 136a StPO verbietet zwar die Lüge, schließt aber nicht jede kriminalistische List bei der Vernehmung aus (Fangfragen und Suggestivfragen sind z.B. erlaubt).[112] Eine Täuschung liegt zudem nur bei bewusster Irreführung vor; fahrlässiges Verhalten genügt nicht.[113] Zwar soll eine Täuschung über Rechtsfragen möglich sein, wenn dem Beschuldigten bewusst zu Unrecht vorgespiegelt wird, er werde als Zeuge vernommen oder ihn treffe eine Pflicht zur Aussage.[114] Im Zusammenhang mit der recht unklaren Rechtslage zu Interviews wird man jedenfalls keinesfalls sagen können, dass eine im Nachhinein von einem Gericht anders entschiedene Rechtsfrage, über die der Ermittler im Interesse seines Mandanten den Arbeitnehmer vertretbar „belehrt“ hat (oder Rechte, die er im Nachhinein zu Unrecht nicht gewährt hat) nicht den Täuschungsvorwurf rechtfertigen und dementsprechend auch kein Verwertungsverbot begründen dürften. Gerade für den Fall der Privatermittlung hat der BGH zudem entschieden, dass die irreführende Zusicherung der Vertraulichkeit jedenfalls in der entschiedenen Fallkonstellation keine Täuschung sei.[115]

Die erste Variante des § 136a Abs. 1 S. 3 StPO – Drohung mit einer verfahrensrechtlich unzulässigen Maßnahme – dürfte auf Interviews von vornherein unanwendbar sein, da es diesbezüglich ein rechtsförmiges Verfahren nicht gibt. Allenfalls könnte daran zu denken sein, dass das Verhalten des Interviewers sich als – vorsätzliche – Nötigung (§ 240 StGB) oder Erpressung (§ 253 StGB) darstellt. Angesichts der Unklarheit der Rechtslage wird es aber vielfach um ganz unterschiedliche Rechtsauffassungen zu den Befugnissen des Arbeitnehmers – insbesondere arbeitsrechtlicher Natur – in der konkreten Situation gehen, so dass eine vorsätzlich-rechtswidrige Drohung zumeist nicht angenommen werden kann. Zudem fallen Belehrungen, Vorhaltungen und Warnungen nach h. Rspr. gerade nicht unter den Begriff der Drohung. Daher ist es etwa im Strafverfahren – falls dies zutrifft – zulässig, darauf hinzuweisen, dass Leugnen wegen der erdrückenden Beweislage keinen Erfolg verspreche und ein Geständnis strafmildernd wirken könne;[116] beim Interview kann wohl nichts Anderes gelten. Zur 2. Variante ist zu sagen, dass unstatthaft ein Versprechen von gesetzlich nicht vorgesehen Vorteilen als Gegenleistung für eine Aussage oder einen bestimmten Inhalt der Aussage ist.[117] Ein Versprechen in diesem Sinne ist eine Erklärung, die von dem zu Vernehmenden als eine bindende Zusage aufgefasst werden kann.[118] Vorteile sind nur solche Vergünstigungen, die geeignet sind, das Aussageverhalten eines Beschuldigten oder Zeugen zu beeinflussen.[119] Es ist nicht erkennbar, dass etwa die Zusage des Verzichts auf zivilrechtliche Haftungsansprüche und arbeitsrechtliche Maßnahmen des Unternehmens im Rahmen eines Amnestie- oder Kooperationsprogramms im Gegenzug für eine vollständige und wahrheitsgemäße Aussage des Mitarbeiters hieran gemessen zu tadeln wäre; gleiches gilt für den Verzicht auf Strafanzeige oder Strafantrag. Denn all dies liegt in der Zuständigkeit und Disposition des Unternehmens allein.[120] Anders könnte es sein, wenn Unternehmensvertreter dem Mitarbeiter Straflosigkeit oder konkrete strafprozessuale Vorteile versprechen würden, bzgl. derer sie – naturgemäß – keine Entscheidungskompetenz haben. Auch bzgl. des § 136a Abs. 1 S. 3 StPO ist allerdings zu berücksichtigen, dass unklar ist, ob die Rspr. die Rechtsverletzung durch Privatpersonen den Strafverfolgungsorganen derart zurechnet, dass daraus ein Verwertungsverbot resultiert.

V. Fazit: Einige Thesen zur derzeitigen Rechtslage bei Interviews im Rahmen von Internal Investigations

  • Rechtliche Grenzen für die Durchführung von Interviews / Anhörungen im Rahmen unternehmensinterner Ermittlungen gibt primär das Arbeits- bzw. Dienstvertragsrecht vor. Das Strafprozessrecht ist nicht (analog) heranzuziehen, materielle Strafvorschriften dürfen selbstverständlich nicht verletzt werden.
  • Die „BRAK-Thesen“ bzgl. Interviews sind rechtspolitischer bzw. rechtsethischer Natur und de lege lata daher für sich betrachtet rechtlich unverbindlich; soweit sie zu Unternehmensinteressen des Mandanten in Widerspruch stehen, kann es für den ermittelnden Anwalts rechtlich zwingend angezeigt seien, diesen Empfehlungen nicht zu folgen.
  • Arbeitnehmer sind arbeitsrechtlich grundsätzlich zur Teilnahme an einem Interview sowie zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der gestellten Fragen verpflichtet.
  • Diese arbeitsrechtliche Pflicht bezieht sich – nach strittiger, aber zutreffender Auffassung – im konkreten Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereich des Arbeitnehmers auch auf selbstbelastende Aussagen, sowohl auf solche, die arbeitsrechtliche Maßnahmen begründen können, als auch auf solche, die potentiell strafrechtlich relevant sind.
  • Bei einem Interview besteht allenfalls in bestimmten Ausnahmekonstellationen (s. o.) ein arbeitsrechtlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds.
  • Ein Interview des einer Straftat „verdächtigen“ Mitarbeiters ohne Teilnahme von dessen Rechtsanwalt kann arbeitsrechtlich wohl nicht erzwungen werden. Eine diesbezügliche Belehrungspflicht ist nicht ersichtlich. Eine „Waffengleichheit“ bzgl. der anwaltlichen Vertretung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Interview ist nach strittiger, aber überzeugender Auffassung nicht erforderlich.
  • Der Arbeitnehmer hat kein Recht auf Abstimmung eines Protokolls oder auf Einsicht in die Gesprächsvermerke des Interviewers.
  • Belehrungspflichten bestehen beim Interview arbeitsrechtlich grundsätzlich nicht; notwendig ist zumindest eine umrisshafte Einführung in den Sachverhalt.
  • Arbeitsrechtlich sind Verwertungsverbote für Interviews bislang kaum anerkannt; nur Äußerungen, die im Rahmen von Anhörungen nach dem erfolglosen Verlangen des Arbeitnehmers, einen Rechtsanwalt beizuziehen erfolgten, sind nach h. Rspr. im arbeitsgerichtlichen Verfahren unverwertbar.
  • Bei einem „Anhörungsinterview“ – d.h. wenn das Interview die Voraussetzungen der Anhörung vor der Verdachtskündigung erfüllen soll – ist die Mitteilung eines umgrenzten Sachverhalts als Gegenstand des Verdachts arbeitsrechtlich zwingend nötig.
  • Eine Täuschung über den Gegenstand der Anhörung darf arbeitsrechtlich nicht erfolgen (d.h. z. B. kein irreführender Hinweis auf ein „Fachgespräch“ o.ä. bei einem Interview).
  • Teilweise wird in der arbeitsgerichtlichen Rspr. bei einer Anhörung eine Belehrung über den Verdacht einer Pflichtverletzung und die Möglichkeit arbeitsrechtlicher Maßnahmen gefordert; dies ist abzulehnen.
  • Ein Rechtsanwalt des Arbeitnehmers darf an einer Anhörung teilnehmen. Eine Rechtspflicht, über diese Möglichkeit zu belehren, ist nicht anzuerkennen.
  • Ein umfassendes strafprozessuales Verwertungsverbot für Interviews ist nach der bisherigen Rspr. zweifelhaft. Jedenfalls ist damit zu rechnen, dass Interviews zur Begründung eines strafprozessualen Verdachts herangezogen werden dürfen, und ein Verwertungsverbot dem Arbeitnehmer wenig helfen würde.
  • Eine fehlende Belehrung vor dem Interview führt nach derzeitiger Rspr. nicht zur strafprozessualen Unverwertbarkeit.
  • Ein Verwertungsverbot bzgl. des Interviews im Strafprozess analog § 136a StPO kommt im Einzelfall in Betracht, jedoch müssen gerade bei den Alternativen der Täuschung, des Versprechens eines Vorteils und der Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme wohl sehr strenge Maßstäbe angelegt werden.

[:en]

 

Teil 1: Interviews in Internal Investigations und deren prozessuale Verwertbarkeit [1]

Bei unternehmensinternen Ermittlungen der Unternehmensleitung unter Zuhilfenahme externer Berater beim Verdacht auf mutmaßlich strafrechtlich relevante oder zumindest bußgeldpflichtige Rechtsverstöße durch Mitarbeiter (hier als „Internal Investigation“ bezeichnet) müssen diese oft befragt werden. Das Erfordernis besteht entweder, weil diese selbst verdächtig sind oder weil sie Wahrnehmungen gemacht haben könnten, die zur Aufklärung beitragen könnten. Diese Mitarbeiter- bzw. Arbeitnehmerbefragung („Interview“) kann für verdächtig(t)e Mitarbeiter hinsichtlich der psychologischen Belastung und in ihren Auswirkungen oft einer strafprozessualen Beschuldigtenvernehmung nahekommen. Die Reichweite von Rechten und Pflichten der Beteiligten sind zwischen Lit. und Rspr. sowie der arbeitsgerichtlichen und strafgerichtlichen Rspr. vielfach umstritten. Für andere Fragen liegen kaum Stellungnahmen vor oder jedenfalls keine, die sich als Auslegung geltenden Rechts verstehen lassen. Dieser Beitrag soll – aus der Sicht des Ermittlers und für den Ermittler – einen Orientierungsrahmen geben.

Während die Anhörung des Mitarbeiters vor Ausspruch einer Verdachtskündigung Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung ist und deshalb vielfach keinen investigativen Charakter (mehr) hat[2], soll das Interview mit dem verdächtigen oder unverdächtigen Mitarbeiter primär der Aufklärung eines (zumeist potentiell strafrechtlich oder bußgeldbewehrten) Sachverhalts dienen.

I. Anwendbares Recht

Solange der externe Ermittler zumindest auch für den Arbeitgeber auftritt (und nicht etwa ausschließlich für eine Behörde), handelt es sich um eine Ermittlungsmaßnahme des Arbeitgebers.[3] Unumstritten scheint daher zu sein, dass Befragungen von Mitarbeitern durch das Unternehmen (Rechtsabteilung, Innenrevision, Personalabteilung) oder durch externe Berater im Auftrag des Unternehmens (Rechtsanwälte, StB, WP) im Rahmen einer internen Untersuchung zur Aufklärung möglicher strafrechtlich oder bußgeldrechtlich relevanter Pflichtverletzungen auch bei paralleler Existenz eines Ermittlungsverfahrens nicht unmittelbar den Vorschriften der StPO unterliegen,[4] wenn auch die Grenze des in Interviews Erlaubten spätestens bei Anwendung einer verbotenen Vernehmungsmethoden des § 136a StPO gemeinhin als überschritten angesehen wird.[5] Allenfalls für Verwertbarkeitsfragen bietet die StPO ein begrenztes Regelungsinstrumentarium. Direkt oder analog anwendbar bei Interviews im Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und seinen Beratern einerseits und dem Arbeitnehmer andererseits ist die StPO nicht. Einschlägig sind vielmehr die geltenden arbeitsrechtlichen Vorgaben.[6] Bei leitenden Mitarbeitern bzw. Organen von Kapitalgesellschaften treten an deren Stelle die geltenden gesellschaftsrechtlichen und dienstvertragsrechtlichen Regelungen, die nicht wesentlich andere, jedenfalls allenfalls erweiterte Auskunftspflichten nach sich ziehen.[7]

II. Rechtliche Relevanz der BRAK-Thesen de lege lata?

Der bei unternehmensinternen Ermittlungen tätige Rechtsanwalt jedenfalls muss sich auch die Frage nach dem Inhalt und vor allem der rechtlichen Einordnung der Thesen des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zum Unternehmensanwalt („BRAK-Thesen“)[8] stellen. Einschlägig ist hier die These Nr. 3, wonach bei der Befragung von Mitarbeitern „die allgemeinen Gesetze und die sich aus den aus den rechtsstaatlichen Grundsätzen ergebenden Standards“ zu wahren seien, und zwar so, „dass Beweismittel in ihrer Qualität und Verwertbarkeit nicht beeinträchtigt werden“.[9] Aus diesem Grundstatement folgert der Strafrechtsausschuss der BRAK – zusammenfassend – u.a. Folgendes: Der Mitarbeiter habe bei Befragungen durch den Unternehmensanwalt das Recht, einen eigenen Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens zu konsultieren[10] und sei hierüber zu belehren. Der Unternehmensanwalt solle zudem darauf hinwirken, dass die Kosten für den Rechtsbeistand „im Rahmen des rechtlich Zulässigen“ vom Unternehmen übernommen werden. Der Unternehmensanwalt dürfe die Auskunftsperson nicht bedrängen, sich selbst zu belasten oder auf Rechte zu verzichten, die sie als Zeuge oder Beschuldigter im Strafverfahren ohne Weiteres hätte, und dem Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt vor, während oder nach einer Befragung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen, um eine Aussage zu erzwingen. Der Mitarbeiter sei darüber zu belehren, dass Aufzeichnungen der Befragung gegebenenfalls an Behörden weitergegeben werden und dort zu seinem Nachteil verwertet werden können. Bei Anhörungen im Rahmen sog. Amnestieprogramme müsse der Mitarbeiter zusätzlich darüber belehrt werden, dass das Unternehmen selbst eine strafrechtliche Amnestie nicht gewähren kann. Die Anhörung der Auskunftsperson sei schriftlich zu dokumentieren, die Dokumentation müsse den Anschein einer „amtlichen“ Handlung vermeiden und auf Verlangen der Auskunftsperson sei eine Niederschrift über ihre Befragung aufzunehmen, in diese sei Auskunftsperson Einsicht zu gewähren und diese sei von der Auskunftsperson genehmigen zu lassen. Über all dies sei die Auskunftsperson zu belehren. Komme der Unternehmensanwalt den genannten Standards nicht nach, so dürfen der Auskunftsperson aus ihrer darauf gestützten Weigerung, sich befragen zu lassen, keine nachteiligen Konsequenzen erwachsen.[11]

Ohne die Zweckmäßigkeit und Billigkeit dieses stattlichen Katalogs von interviewbezogenen „Pflichten“ des Unternehmensanwalts (und damit faktisch des Unternehmens) und umgekehrt ebenso umfangreichen Privilegien des befragten Mitarbeiters in der Sache grundsätzlich in Frage stellen zu wollen, würden diese Thesen irritieren, wären sie als Vorgaben de lege lata gemeint. Dies ist wohl auszuschließen, denn man vermag keine rechtliche Grundlage für weite Teile des Thesenkatalogs auszumachen. Wie der Strafrechtsausschuss selbst ausdrücklich festhält,[12] gelten gerade die Normen der StPO zu Vernehmungen bei Interviews nicht, die der Ausschuss offenbar aus rechtspolitischer Überzeugung zur Wahrung rechtsstaatlicher Standards und der strafprozessualen Verwertbarkeit der Äußerungen weitestgehend entsprechend anwenden will. Indem der Ausschuss darauf verweist, dass der Unternehmensanwalt auch über arbeitsrechtliche Pflichten hinaus die postulierten „Standards“ zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und prozessualen Verwertbarkeit erfüllen „soll“, räumt er wohl ein, dass eine entsprechende Rechtspflicht insoweit gerade nicht besteht. Die BRAK-Thesen lassen sich somit wohl nicht als (dann: Miss-) Verständnis der lex lata durch den Strafrechtsausschuss interpretieren. Eher sind sie rechtspolitische Zielvorstellungen basierend auf einem ganz bestimmten – gewissermaßen „strafverteidigungsgeprägten“ oder jedenfalls strafverfahrensbezogenen – Verständnis der Rolle des Unternehmensanwalts,[13] das durchaus überprüfungsbedürftig erscheint. Man darf zudem bezweifeln, ob die in den BRAK-Thesen ohne eingehende Begründung bemühte Analogie zwischen dem Strafverteidiger, der im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gegen seinen Mandanten eigene entlastende Ermittlungen durchführt, und unternehmensinternen Ermittlungen tragfähig ist. Diese Frage scheint von nicht unerheblicher Bedeutung, da die BRAK-Thesen im Wesentlichen die für den eigene Erhebungen durchführenden Verteidiger entwickelten Standards auf den intern ermittelnden Unternehmensanwalt übertragen. Dieser verwendet aber primär ein arbeitsrechtliches und gesellschaftsrechtliches Instrumentarium – dass dem ermittelnden Verteidiger nicht zur Verfügung steht – und agiert u.U. in einem ganz anderen prozessualen Kontext. Maßgeblich sind für den Unternehmensanwalt primär seinen Mandanten treffende Vorgaben des Gesellschaftsrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts (§ 130 OWiG). Er handelt daher primär in Erfüllung der Aufsichts-, Organisations- und Kontrollpflichten der Geschäftsleitung. Es gilt insbesondere daran zu erinnern, dass Internal Investigations durchaus im Vorfeld oder gänzlich losgelöst von strafprozessualen Ermittlungsverfahren oder Ordnungswidrigkeitsverfahren erfolgen können (und oft erfolgen), d.h. die analoge Heranziehung von Maßstäben der StPO buchstäblich fern liegt. Zudem werden unternehmensseitig auch im Ergebnis nicht zwingend irgendwelche strafrechtliche Konsequenzen – die Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch Strafanzeige – angestrebt oder auch nur strafrechtlich relevante Pflichtverstöße untersucht. Mithin können Internal Investigations „strafprozessfern“ sein. Insofern sind sie gerade mit den von der BRAK herangezogenen defensiven Erhebungen des Verteidigers nicht vergleichbar. Die Verwendung derselben Standards liegt daher fern, denn der Verteidiger ermittelt für den Strafprozess. Zudem lässt der Ansatz der BRAK-Thesen die– gerade für die außerhalb von Strafverfahren stattfindenden interne Ermittlungen praxisrelevante – Frage außer Acht, weshalb der Unternehmensanwalt im Sinne des Thesenkatalogs der BRAK nicht nur die Befolgung allgemeiner rechtsstaatlicher Standards im Auge behalten soll, sondern durch die Anwendung der „Standards“ auch eine strafprozessuale Verwertbarkeit der Interviewergebnisse sicherstellen soll. Da es hierfür weit im Vorfeld jedes Strafverfahrens weder rechtliche noch – vielen Fällen – strategische Gründe geben muss, sollte die Frage erlaubt sein, ob sich der Unternehmensanwalt tatsächlich primär an einem hypothetischen späteren Verwertungsinteresse der Strafjustiz orientieren sollte, auch wenn dies im Einzelfall – etwa im Verhältnis zur schnellen Informationsgewinnung zur Schadens- und Gefahrenabwehr – gerade nicht die Priorität des Unternehmens ist. Dies dürfte de lege lata wohl eher zu verneinen sein, da der Unternehmensanwalt – wie auch die BRAK-Thesen zumindest eingangs festhalten – durch sein Mandat dem Unternehmensinteresse verpflichtet ist[14] und sich gegen dieses Interesse – jenseits konkreter Rechtspflichten – nicht an unverbindlichen Postulaten orientieren kann. Weitergehend gilt dasselbe für alle diejenigen „rechtsstaatlichen Standards“, die auf den Unternehmensanwalt in seiner konkreten Funktion und Situation angesichts der anwendbaren Teilrechtsordnungen gerade nicht gelten. Insbesondere sind hier analog aus dem Strafprozessrecht abgeleitete Regeln zu nennen, soweit nicht ausnahmsweise die Drittwirkung von Grundrechten rechtsverbindlich entsprechende Schranken begründet.[15] Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die BRAK-Thesen, soweit sie über anwendbare Rechtsvorschriften hinausgehen, insbesondere soweit allgemein zur Wahrung rechtsstaatlicher Standards und Sicherstellung der strafprozessualen Verwertbarkeit aufgerufen wird, für den Unternehmensanwalt nicht per se rechtsverbindlich sind. Hingegen wird die Einhaltung weiter Teile der Standards – die Sicherstellung rechtsstaatlicher Prinzipien und der Verwertbarkeit der Interviews – vielfach sinnvoll, wünschenswert oder sogar praktisch unumgänglich sein, insbesondere wenn die interne Untersuchung parallel zu einem Ermittlungsverfahren stattfindet und das Unternehmen mit den Behörden kooperiert.

III. Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen von Interviews

1) Mitwirkungspflicht von Mitarbeitern

Das geltende Primärrecht für Mitarbeiterinterviews liefern typischerweise die arbeitsrechtlichen Vorschriften und vertraglichen Regelungen. Ein Arbeitsvertrag ist eine Sonderform des Dienstvertrages. Es gelten– vorbehaltlich arbeitsvertraglicher Sonderregeln – die Bestimmungen der §§ 611 ff. BGB. Danach bestehen wechselseitige Auskunftspflichten der Parteien über bestimmte, mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehende Vorgänge und Tatsachen, soweit der Anspruchsberechtigte Arbeitgeber entschuldbar über seine Rechte im Ungewissen ist, während der Verpflichtete Arbeitnehmerunschwer Auskunft erteilen kann.[16]

Die Teilnahme eines Arbeitnehmers an dem Interview, kann der Arbeitgeber im Wege seines Weisungsrechts anordnen, § 106 GewO. Der Arbeitgeber kann die sich nur dem Rahmen nach aus dem Arbeitsvertrag ergebende Arbeitspflicht näher konkretisieren, auch bezüglich Ordnung und Verhalten im Betrieb und im Hinblick auf so genannte leistungssichernde Verhaltenspflichten.[17] Die Auskunftspflicht des Mitarbeiters bezieht sich zumindest auf den Gegenstand der konkret geschuldeten arbeitsvertraglichen Tätigkeit. In der arbeitsrechtlichen Literatur ist h. M., dass ein (dienstvertraglich oder arbeitsvertraglich gebundener) Mitarbeiter regelmäßig verpflichtet ist, an der Befragung im Rahmen einer Internal Investigation seines Unternehmens teilzunehmen und er grundsätzlich ebenfalls verpflichtet ist, auf gezieltes Befragen Auskunft zu seiner Tätigkeit zu erteilen.[18] Für den Umfang seiner Auskunftspflicht ist der Inhalt des jeweiligen Dienst- bzw. Arbeitsvertrags maßgeblich, denn die Auskunftspflichten beziehen sich zumindest auf den Gegenstand der konkret geschuldeten arbeitsvertraglichen Tätigkeit, d.h. auf deren Inhalt und die Reichweite der Zuständigkeit des Mitarbeiters.[19] Die umfassendsten Auskunftspflichten treffen daher Arbeitnehmer in Führungspositionen bzw. Vertrauensstellungen bzw. generell die Leitungsebene von Unternehmen.[20] In der Konsequenz dessen ist anzunehmen, dass ein Geschäftsführungsorgan (Vorstand, Geschäftsführer) eine vollumfängliche Auskunftspflicht zumindest hinsichtlich der Aufgaben in der Gesamtverantwortung des Leitungsorgans sowie hinsichtlich der eigenen Ressortzuständigkeit hat. Im Übrigen bestimmt sich der Umfang der Auskunftspflicht nach der Bedeutung der Auskunft für den Arbeitgeber. Sie ist besonders weitgehend, wenn nur (noch) der Arbeitnehmer über das erforderliche Wissen verfügt.[21]

Allerdings ist ein Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, sich bloß aufgrund seiner Treuepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber eigeninitiativ selbst zu belasten oder ohne besondere Rechtspflicht Tatsachen zu offenbaren, welche dem Arbeitgeber die Grundlage für eine Kündigung bieten können.[22] Eine Selbstbezichtigungspflicht des Mitarbeiters – auch im Fall einer abstrakt-generellen Frage nach Unregelmäßigkeiten in seinem Kenntnisbereich – besteht danach wohl nicht.[23]

a) Nicht selbstbelastende „zeugenartige“ Aussage des unverdächtigen Mitarbeiters

Eine Mitwirkungspflicht des unverdächtigen Arbeitnehmers und dessen arbeitsrechtliche Pflicht zur Beantwortung von Fragen, die ihn persönlich nicht belasten würden, ist wohl unstrittig.[24] Hinsichtlich der Pflicht zur Belastung Dritter (Mitarbeiter) soll nach überwiegender Auffassung danach differenziert werden, ob es sich um Angaben zum unmittelbaren Tätigkeitsbereich des interviewten Mitarbeiters handelt oder nicht. Im ersten Fall wird eine Beantwortung von Fragen als erforderlich angesehen, im letzten Fall nur, wenn der befragte Mitarbeiter Führungsaufgaben wahrnimmt.[25]

b) Selbstbelastende Aussage des verdächtigen oder noch unverdächtigen Mitarbeiters

Ob eine selbstbelastende Aussage des Arbeitnehmers auf Befragen arbeitsrechtlich verpflichtend ist, hat das BAG bisher nicht entschieden.[26]

Nach einer Auffassung ist der Mitarbeiter analog §§ 675, 666 BGB verpflichtet, auch solche Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten, die zu einer Selbstbelastung (oder einer Belastung Dritter) hinsichtlich (des Verdachts) einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit führen, wenn die Fragen seinen eigenen Arbeitsbereich betreffen.[27] Eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den Interessen des Mitarbeiters und des Unternehmens müsse hingegen erfolgen, wenn es um Informationen außerhalb des direkten Arbeitsbereichs des Mitarbeiters gehe. Eine Auskunftspflicht bestehe bei einem berechtigten, billigens- und schutzwürdigem Interesse des Unternehmens aus der allgemeinen (arbeitsvertraglichen) Treuepflicht,[28] diese umfasse in diesem Falle aber nicht die Pflicht zur Selbstbelastung.[29]

Nach einer anderen Ansicht müsse der Mitarbeiter bei der „repressiven“ Befragung – d.h. bei der hier im Raum stehenden zur Aufklärung von Straftaten – wegen der Nähe zur Strafverfolgung entsprechend § 136 Abs. 1 S. 1 StPO – keinerlei selbstbelastenden Angaben machen.[30]

Nach einer noch weitergehenden Auffassung ist der Arbeitnehmer unter keinen Umständen zur Offenbarung von Umständen, die kündigungsrechtlich verwertet werden können, auf Nachfrage oder ungefragt, verpflichtet.[31] Ihm sei diesbezüglich ein Schweigerecht zuzubilligen.[32] Zwar bindet auch den verdächtigen Arbeitnehmer eine Treuepflicht; müsse er sich aber selbst belasten, sei ihm die wahrheitsgemäße Auskunft unzumutbar. In einer Abwägung des Aufklärungsinteresses des Arbeitgebers mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gem. Artikel 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG überwiege Letzteres, da dem Arbeitgeber diverse andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, Compliance-Verstöße aufzudecken (Zeugenbefragung, zulässige technische Ermittlungsmaßnahmen gem. BDSG). Zudem könne er verdächtige Arbeitnehmer durch eine Verdachtskündigung aus dem Betrieb entfernen und so weitere Rechtsverletzungen vermeiden.[33] Besonderes Gewicht komme dem Arbeitnehmerinteresse zu, wenn der im Raum stehende Verdacht eines Compliance-Verstoßes zugleich den Verdacht einer Straftat begründe, denn dann habe der Arbeitnehmer ein Interesse daran, die Beschuldigtenrechte des Strafverfahrens in Anspruch nehmen zu können. Diese Rechte aber würden durch die Aussage vor dem Arbeitgeber ausgehöhlt, da diese im Strafprozess voll verwertbar seien.[34]

Überwiegende Gründe und soweit ersichtlich die arbeitsgerichtliche Rspr. sprechen dafür, dass arbeitsrechtlich jedenfalls bei konkreten Fragen des Arbeitgebers oder seines Beraters zum konkreten Zuständigkeits- und Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers auch im Falle der Selbstbelastung(-sgefahr) eine Pflicht zur Teilnahme am Interview und zur wahrheitsgemäßen Beantwortung von Fragen besteht.[35] Insbesondere kann in der Interviewsituation nicht sinnvoll mit der Möglichkeit der Verdachtskündigung gegen die Selbstbelastungspflicht argumentiert werden, da die Verdachtsschwelle so hoch ist,[36] dass selbst bei einem Interview eines „verdächtigen“ Mitarbeiters typischerweise noch keine hinreichende Verdachtslage gegeben ist. Probleme im Zusammenhang mit der Umgehung von Rechten des betreffenden Mitarbeiters im parallelen oder zukünftigen Strafverfahren sind zudem nicht durch ein Verweigerungsrecht im Ausgangsverfahren, sondern mit den Mechanismen und im Rahmen des Regelungsgehalts der StPO zu lösen: Nach der Rechtsprechung des BVerfG billigt das geltende Recht zwar Zeugen, Prozessparteien und Beschuldigten ein Schweige- und Aussageverweigerungsrecht für den Fall der Selbstbezichtigung zu, nicht aber solchen Personen, die aus besonderen Rechtsgründen rechtsgeschäftlich oder gesetzlich verpflichtet sind, einem anderen die für diesen notwendigen Informationen zu erteilen.[37] In der Regel handelt es sich dabei um Fälle, in denen allein der Auskunftspflichtige die erforderlichen Informationen geben kann und der Auskunftsberechtigte ohne diese Auskunft erheblich benachteiligt wäre oder seinen Aufgaben nicht ordnungsgemäß nachkommen könnte. Hierzu gehören Auskunfts- und Rechenschaftspflichten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass diejenigen Handlungen, über die Auskunft erteilt werden soll, zu einem Pflichtenkreis gehören, den die Auskunftsperson durch eigenen Willensentschluss übernommen hat.[38] Auch in der Rechtsprechung des BGH ist eine auf § 666 BGB gegründete Auskunftsverpflichtung einschließlich Beeidigung der Richtigkeit der Auskunft z. B. für das Verhältnis des Rechtsanwalts einer Gemeinschuldnerin gegenüber deren Konkursverwalter oder eines mit der Planung und Bauleitung beauftragten Architekten gegenüber dem Bauherrn anerkannt, unabhängig davon, ob der Auskunftspflichtige durch die Auskunft der Gefahr ausgesetzt wird, sich selbst einer strafbaren Handlung bezichtigen zu müssen. Insoweit ist der Schutz der Gläubiger bzw. des Auftraggebers vorrangig.[39] Die Auskunftspflicht wird verfassungsrechtlich nicht durch die Gefahr der Selbstbezichtigung mit einer Straftat eingeschränkt, da der Schutz des Arbeitnehmers durch ein strafrechtliches Verwertungsverbot gewährleistet werden könne.[40] Über dessen Reichweite entscheiden allerdings naturgemäß nicht die Arbeitsgerichte, sondern die zuständigen Gerichte in einem etwaigen Strafverfahren.[41]Es entspricht sowohl dem Grundgedanken des Gemeinschuldnerbeschlusses als auch der Gesetzessystematik, dass ein Schutz des Arbeitnehmers vor den Gefahren der Strafverfolgung und die Wahrung des so nur im Strafverfahren kodifizierten und geltenden „nemo tenetur“-Prinzips dem Strafverfahren vorbehalten bleiben muss.

2) Anwesenheits- und Beistandsrechts eines Betriebsratsmitglieds

Nach der Rspr. des BAG ergibt sich aus dem BetrVG kein genereller Anspruch des Arbeitnehmers auf Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu jedem mit dem Arbeitgeber geführten Gespräch, sondern nur zu den gesetzlich explizit geregelten Anlässen (§§ 81 Abs.4 S. 3, 82 Abs. 2 S. 2, 83 Abs. 1 S. 2 und 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG).[42] Daraus folgt im Umkehrschluss insbesondere, dass der einzelne Arbeitnehmer keinen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch darauf hat, zu den von diesen Vorschriften nicht erfassten Personalgesprächen ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen.[43] Zu Recht wird daher für Interviews im Rahmen von Internal Investigations ein Hinzuziehungsrecht bestritten. Nach § 82 Abs. 2 BetrVG könne ein Arbeitnehmer zwar ein Betriebsratsmitglied zu einem so genannten „Beratungs- und Führungsgespräch” hinzuziehen, in dem die Leistungen und Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung des Arbeitnehmers erörtert werden. Mit dieser Situation ist eine investigative Befragung jedoch nicht vergleichbar, weil es bei einer Untersuchung regelmäßig nicht um eine Bewertung der Leistung des befragten Mitarbeiters gehe, sondern um die Ermittlung eines Sachverhalts.[44] Die Durchführung des Interviews unterliegt auch nicht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung über das Ordnungsverhalten im Betrieb, denn der mögliche Compliance-Verstoß betrifft allein das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – nicht das Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander – und bezieht sich außerdem nur auf einzelne mutmaßliche Rechtsverstöße und Personen, die damit zu tun gehabt haben könnten.[45]

§ 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG gibt allerdings dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, in Konfliktfällen mit dem Arbeitgeber – bei einer Beschwerde (§ 84 Abs. 1 S. 1 BetrVG) – ein Betriebsratsmitglied seines Vertrauens zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuzuziehen. Dieses Recht könne Teilen der untergerichtlichen Rspr. zufolge auch bei Personalgesprächen wahrgenommen werden, wenn der Arbeitnehmer sich hierbei ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt.[46] Dies erscheint für den größten Teil investigativer Befragungen fernliegend, insbesondere für solche, in denen der Arbeitnehmer eine zeugenähnliche Rolle als reiner Auskunftsgeber haben soll. Anders mag es sich – im Einzelfall – verhalten, wenn ein „verdächtiger“ oder sich als (zu Unrecht) verdächtigt fühlender Arbeitnehmer das Interview oder die Einladung hierzu bereits vorab als ungerechte Behandlung wahrnimmt. Typischerweise setzt diese allerdings der Einladung zeitlich vorausgehende Konflikte zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber bzw. dessen Beratern voraus. Anerkannt ist nämlich, dass es bei dem Hinzuziehungsrecht des § 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG stets um die Abstellung bereits bestehender negativ bewerteter Zustände gehen muss. Das Ausbleiben von Vorteilen kann nur Beschwerdegegenstand sein, wenn auf sie ein Rechtsanspruch besteht, insbesondere unter dem Aspekt der Gleichbehandlung.[47] Zur praktischen Handhabung bietet es sich an, davon auszugehen, dass für ein Hinzuziehungsrecht gem. § 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG vor der Einladung zu dem Interview subjektiv – aus Sicht der Arbeitnehmers – ein Beschwerdegegenstand und objektiv eine konkrete Beschwerdeerklärung vorliegen muss, da der Betriebsrat ansonsten keine „Beschwerde“ gem. § 84 Abs. 1 S. 1 BetrVG im Rahmen des Interviews unterstützen oder diesbezüglich vermitteln kann. Nur zu diesem Zweck kann er aber nach § 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG herangezogen werden. Die konsequente Weiterführung des Gedankens führt dazu, dass dem Betriebsrat – sollte er ausnahmsweise im Einzelfall wegen einer das Interview betreffenden vorherigen Beschwerde des Arbeitnehmers zum Interview hinzugezogen werden dürfen –nur insoweit die Teilnahme an dem Interview gestattet sein sollte, als dies den Beschwerdegegenstand zum Inhalt hat oder jedenfalls ein Zusammenhang zum Beschwerdegegenstand besteht. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass regelmäßig gerade kein Recht des Arbeitnehmers zur Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu einem Interview besteht. Falls dies wegen eines vorher bestehenden Konfliktfalles mit dem Arbeitgeber der Fall ist, kann ein Anwesenheitsrecht des Betriebsrats allenfalls insoweit bestehen, als der Beschwerdegegenstand im Interview zur Sprache kommt.

3) Anwesenheits- und Beistandsrecht eines Rechtsanwalts

Nach einer in der arbeitsgerichtlichen Rspr. und Lit. verbreiteten Sichtweise besteht kein Recht des Mitarbeiters auf Hinzuziehung eines anwaltlichen Rechtsbeistands im Rahmen von „Personalgesprächen“.[48]

Nach anderer Auffassung soll ein unbedingtes Recht des Mitarbeiters bestehen, sich bei Befragungen durch den Arbeitgeber – mithin offenbar unabhängig von der Teilnahme von Unternehmensanwälten – eines anwaltlichen Beistands bedienen zu können. Dies lasse sich aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer herleiten.[49]

Grundsätzlich hat ein Mitarbeiter keinen Anspruch darauf, dass bei Personalgesprächen die Anwesenheit seines Anwalts zugelassen wird, denn die Teilnahme an Personalgesprächen gehört zu den Pflichten des Arbeitnehmers, die die Kernpflicht, die Leistung entgeltlicher Arbeit, umgibt und die durch den Arbeitnehmer höchstpersönlich wahrzunehmen sind (§ 613 BGB).[50] Der personenbezogene Charakter des Arbeitsverhältnisses verbietet es grundsätzlich, dass der Arbeitnehmer gegen den Widerstand des Arbeitgebers betriebsfremde Personen zur Wahrnehmung seiner Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis hinzuzieht.[51] Der Arbeitnehmer müsse in einem Personalgespräch nicht nur zur technischen Abwicklung bestimmter Vorgänge persönlich antworten, sondern auch, wenn grundsätzliche Fragen des Arbeitsverhältnisses besprochen werden sollen.[52]

Allerdings könne bei „Grundsatzgesprächen“ der Arbeitgeber nicht verlangen, dass der Arbeitnehmer für ihn wichtige Fragen ohne anwaltlichen Beistand beantwortet bzw. anstehende Entscheidungen sofort trifft. Die Beantwortung zukunftsentscheidender Fragen oder das Treffen von Entscheidungen könne er sich bis nach Konsultierung seines Anwaltes vorbehalten.[53] Zudem sei es laut dem LAG Hamm bei der Hinzuziehung betriebsfremder Personen durch den Arbeitgeber – z. B. eines Anwalts oder Verbandsvertreters – zu dem Interview „denkbar“, dass der Arbeitnehmer seinerseits aus dem Gesichtspunkt der „Waffen“- und Chancengleichheit Anspruch darauf hat, dass auf seiner Seite ebenfalls eine betriebsfremde Person seines Vertrauens mitwirkt.[54] Daneben wird in der Lit. erwogen, ausnahmsweise ein Anwesenheitsrecht eines Rechtsanwalts einzuräumen, wenn der Arbeitnehmer befürchtet, sich selbst bei der Befragung strafrechtlich zu belasten.[55]

Es erscheint zwar fraglich, ob es hier maßgeblich allein auf die rein subjektiven Vorstellungen des Betroffenen ankommen kann. Wohl jedenfalls in denjenigen Situationen, in denen der Mitarbeiter bereits vor dem Interview der Beteiligung an Straftaten verdächtig ist und diese potentiell strafbaren Handlungen Gegenstand des Interviews sein sollen, erscheint zweifelhaft, ob dessen Befragung ohne anwaltlichen Beistand erzwungen werden kann, falls der Mitarbeiter den Wunsch nach anwaltlicher Begleitung äußert. Die Rücksichtnahme- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann es dann gebieten, die Teilnahme eines Rechtsbeistands des Mitarbeiters zuzulassen, wenn der Arbeitgeber nach strafrechtlich relevantem Verhalten des Arbeitnehmers fragen will; andernfalls könne eine auf das Gespräch gestützte Verdachtskündigung unwirksam sein.[56] Es kann jedoch nach dem derzeitigen Stand der arbeitsgerichtlichen Rspr. nicht festgestellt werden, dass der Arbeitgeber oder sein anwaltlicher Berater von sich aus oder auf Aufforderung für die Verfügbarkeit eines Rechtsanwalts zu sorgen oder sonst aktiv darauf hinzuwirken habe, dass der Arbeitnehmer anwaltliche Beratung erhält. Der oben dargestellte Meinungsstand lässt vielmehr darauf schließen, dass der Arbeitgeber – lediglich in den oben genannten Ausnahmefällen – verpflichtet sein könnte, die Anwesenheit eines Arbeitnehmeranwalts bei dem Interview hinzunehmen.

4) Protokoll bzw. Gesprächsvermerk – Freigabe und Einsichtnahme durch den Mitarbeiter?

Aus diversen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen zu Anhörungen im Vorfeld von Verdachtskündigungen ist ersichtlich, dass bei den Gesprächen von Arbeitgeberseite Protokolle oder Gesprächsvermerke o.ä. gefertigt wurden, die zudem auch als Beweismittel Eingang in das arbeitsgerichtliche Verfahren fanden, ohne dass ihnen der Beweiswert abgesprochen worden wäre.[57] Es ist nicht erkennbar, dass die Arbeitsgerichte besondere Verfahrens- oder Formerfordernisse für die Verwertbarkeit der Niederschrift zu einer Anhörung oder einem Interview stellen würden. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass aus arbeitsrechtlicher Sicht eine Prüfung und Freigabe des Protokolls durch den Arbeitnehmer oder ein Einsichtsrecht zwingend erforderlich für dessen Verwertbarkeit wären.[58] Auch sind Erfordernisse hinsichtlich einer Belehrung über die Verwendbarkeit eines Protokolls, Vermerks oder einer Mitschrift – etwa bzgl. der Weiterleitung an Strafverfolgungsbehörden oder der Nutzung in einem etwaigen streitigen arbeitsgerichtlichen Verfahren – aus der arbeitsgerichtlichen Rspr. bisher nicht bekannt geworden. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass bzgl. der Protokollführung und -verwertung arbeitsrechtliche Vorgaben dieser Art existieren.

Darüber hinaus besteht soweit ersichtlich arbeitsrechtlich insbesondere kein Einsichtsrecht hinsichtlich des Protokolls bzw. der Mitschrift der Arbeitgeberseite zum Interview.[59] Ein Einsichtsrecht in Protokolle anderer Interviewter kann aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht bestehen.[60] Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Interviewer in seine Mitschrift u. U. durchaus über den Wortlaut des Gesprächs hinausgehende Informationen aufnehmen kann, auf deren Kenntnis der Interviewte von vornherein keinen Anspruch hat. In Betracht kommen etwa persönliche Eindrücke, Hinweise auf bestimmte Abgleichserfordernisse mit der Dokumentation oder andere Erkenntnisse der Ermittlungen, die zusammen mit dem Gesprächsvermerk relevant sind und die gegenüber dem befragten Arbeitnehmer geschützte Daten darstellen. Somit sollte eher von einem einseitigen Gesprächsvermerk des Arbeitgebers als von einem Protokoll gesprochen werden, um Missverständnisse hinsichtlich angeblicher Gegenzeichnungs- oder Einsichtsrechte zu vermeiden. Der Arbeitnehmer oder ggf. der ihn begleitende Rechtsanwalt ist natürlich nicht gehindert, selbst ein solches zu fertigen, soweit dies die Befragung nicht hindert, oder ein Gedächtnisprotokoll zu fertigen. Nur sicherheitshalber sei darauf hingewiesen, dass nach zweifelhafter untergerichtlicher Rspr. diese Schriftstücke im Strafverfahren als Beweismittel beschlagnahmefähig sind, auch wenn sie im Gewahrsam von Rechtsanwälten stehen (vgl. §§ 53, 97, 160a StPO).[61]

5) Belehrung von Mitarbeitern

Nach der im Arbeitsrecht herrschenden Meinung ist der Arbeitgeber bei der Ausgestaltung des Gesprächs sowohl formell als grundsätzlich auch inhaltlich frei, so bedarf es insbesondere keiner „Belehrung“ des Arbeitnehmers, etwa darüber, dass ihm eine bestimmte Pflichtverletzung zur Last gelegt wird oder dass etwaige im Gespräch gemachte Angaben auch strafprozessual verwertet werden könnten.[62] Zurecht wird darauf hingewiesen, dass derartige Vorgaben dem Arbeitsrecht als Teil des Zivilrechts fremd sind und dem Strafprozessrecht entlehnt wären; eine (isolierte) Übernahme der Vorgaben der StPO zur Belehrung würde zu Inkonsistenzen führen.[63] Zudem würde dies völlig verkennen, dass das zivilrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dem öffentlich-rechtlichen zwischen Strafverfolgungsbehörden und Beschuldigtem nicht vergleichbar sind. Über die Zulässigkeit nachteiliger strafprozessualer Folgen – insbesondere die Verwertung eines selbstbelastenden Interviews – ist de lege lata derzeit ausschließlich im Strafverfahren zu entscheiden.

Auch die für die Anhörung geltende Vorgabe, dass das Gespräch einen „greifbaren Sachverhalt“ zum Gegenstand haben und dieser eingangs bezeichnet werden muss, ist allein vom Recht der Verdachtskündigung abgeleitet und auf Interviews zur Informationsgewinnung ohne Anhörungsfunktion nicht zu übertragen.[64] Es wird praktisch nötig sein, bestimmte Sachverhalte anzusprechen, schon, weil sich der Arbeitnehmer zu diesen äußern soll. Für den Arbeitgeber negative Rechtsfolgen können aber aus einer nur umrisshaften, zurückhaltenden bzw. sukzessiven Benennung der befragungsgegenständlichen Sachverhalte nicht abgeleitet werden, zumal der Arbeitgeber bzw. seine Berater die Schilderung eines „greifbaren Sachverhalts“ und damit konkreter Vorgänge im Einzelnen zumindest zu Beginn nicht leisten können. In anderen Fällen wäre eine Forderung nach genauer Beschreibung der Verdachtsgründe und betroffenen Sachverhalte nicht sachgerecht, da eine Aufdeckung der (unvollständigen) Ermittlungsergebnisse Verdunklungshandlungen des Mitarbeiters auslösen könnte,[65] je nach Gestaltung des Einzelfalls mit nicht ausschließbar auch strafrechtlichen und strafprozessualen Risiken (vgl. § 112 StPO; §§ 257, 258 StGB).

6) Verwertungsverbot im arbeitsgerichtlichen Verfahren

Anders als das Strafverfahren kennt das Zivilverfahren gem. der ZPO, auf die das ArbGG verweist, keine normierten Beweisverwertungsverbote. Unrechtmäßig erlangte Beweismittel sind nicht generell unverwertbar, sondern nur, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm dies gebietet. Insbesondere kann dies bei schwerwiegenden und ungerechtfertigten Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht der Fall sein, die das Interesse an Ermittlungen wegen des Verdachts schwerwiegender Straftaten im Unternehmen überwiegen. Dies kann nur aufgrund einer Abwägung im Einzelfall angenommen werden.[66] Verwertungsverbote können sich aus der Verletzung von Beteiligungsrechten des Betriebsrats ergeben, wobei der Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte nicht automatisch dazu führt, sondern die Grundrechtsverletzung Einzelner und ein zwingendes Bedürfnis bzgl. der Unverwertbarkeit hinzutreten müssen.[67] Zudem sind bzgl. der Durchführung einzelner Interviews Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Verhaltenskontrolle) im Normalfall – bei Fragen zur eigenen Tätigkeit – gerade nicht anerkannt; es besteht allenfalls das allgemeine Informationsrecht gem. § 80 Abs. 2 BetrVG.[68] Für arbeitsrechtlich erzwungene selbstbelastende Aussagen von Mitarbeitern wurde seitens der Arbeitsgerichtsbarkeit teilweise ein strafprozessuales Verwertungsverbot befürwortet, gerade nicht jedoch ein solches für das arbeitsgerichtliche Verfahren.[69] Arbeitsgerichtlich ist ein Verwertungsverbot soweit ersichtlich nur im Zusammenhang mit einer unzureichenden Information über den Gegenstand einer Anhörung anerkannt worden (s.u.).

7) Exkurs: Arbeitsrechtlich veranlasste Anhörung vor (außerordentlicher) Verdachtskündigung des Arbeitnehmers und Kombination mit Interview

Nicht ausschließbar kann es dazu kommen, dass aus der Sicht des Unternehmens in einem Gespräch die Informationsfunktion des Interviews in der unternehmensinternen Ermittlung mit der Gewährung rechtlichen Gehörs in Form der arbeitsrechtlichen Anhörung zweckmäßigerweise kombiniert werden soll. Hintergrund kann eine bereits bestehende intensive Verdachtslage – mit potentiell hinreichendem dringenden Verdacht für eine außerordentliche Verdachtskündigung wegen einer mutmaßlichen Straftat oder Ordnungswidrigkeit oder sonstigen Pflichtverletzung – sein, die arbeitsrechtliche Sanktionen zulassen würde, wo aber aus der Sicht des Unternehmens weiterer Informationsbedarf besteht, etwa im Hinblick auf mögliche weitere mutmaßliche Taten oder weitere mutmaßliche Täter, zur Ermittlung eines Schadensumfangs, zur Verbesserung der Beweislage o.ä. Zugleich soll u. U. vermieden werden, dass die Einhaltung der strengen Fristenregelungen des Arbeitsrechts durch eine Hintereinanderschaltung von Interview und Anhörung gefährdet werden. Rechtlich ist diese Doppelfunktionalität des „Anhörungsinterviews“ zulässig. Die Anhörung darf dem Arbeitgeber auch zu anderen Zwecken – etwa der Gewinnung weiterer Beweismittel – dienen; der Arbeitnehmer kann aus ihr sogar den (u. U. unzutreffenden) Eindruck mitnehmen, den Verdacht zerstreut zu haben.[70] Man wird bei einheitlichen „Anhörungsinterviews“ wohl für das Gespräch insgesamt – sowohl für den (eher interviewtypischen) Befragungsteil als auch den (eher anhörungstypischen) Rechtfertigungsteil – die arbeitsrechtlichen Vorgaben für Anhörungen zu beachten haben.

Die Anhörung eines Arbeitnehmers – als Gelegenheit zur Stellungnahme – muss im Rahmen der gebotenen Sachverhaltsaufklärung vor Ausspruch der außerordentlichen Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber erfolgen.[71] Ihr (erforderlicher) Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Anforderungen an die Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 Abs. 1 BetrVG müssen nicht erfüllt werden,[72] da die Anhörung des Arbeitnehmers anderen Zwecken dient und daher nicht vergleichbar ist.[73]

a) Mitteilung eines umgrenzten Sachverhalts

Erforderlich ist nach höchstrichterlicher Rspr. jedenfalls, dass sich die Anhörung auf einen (für den Arbeitnehmer) „greifbaren Sachverhalt“ bezieht, grundsätzlich unzureichend ist es, wenn der Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert wird.[74] Dazu ist nach dem BAG erforderlich, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit erhält, bestimmte zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen.[75] Daraus ist wohl zu folgern, dass der Interviewer im Rahmen der Anhörung den räumlich und zeitlich eingegrenzten Sachverhalt, der Grund der Verdachtskündigung werden kann, zu benennen hat. Zu weit gehen würde die Annahme, die Konkretisierung der Vorwurfslage müsste den Erfordernissen etwa an die Bestimmtheit des Anklagesatzes (vgl. § 200 StPO) entsprechen. Insbesondere bei vielfach und über einen langen Zeitraum wiederholten Taten muss jedenfalls eine umrisshafte Schilderung des Handlungsmusters sowie eine Eingrenzung des Zeitraums und des Tatorts ausreichen, ohne dass die Einzelfälle ebenfalls beschrieben werden. Im Einzelfall kann auch die Benennung etwa bestimmter Personen, Geschäftsbeziehungen bzw. Geschäftspartner und die Skizzierung der Vorwurfslage (etwa: Vorteilsgewährungen an Mitarbeiter der Gesellschaft X zur Auftragserlangung) völlig ausreichen, um den Arbeitnehmer darüber aufzuklären, was ihm vorgeworfen wird und wogegen er sich verteidigen kann. Generell erscheint es richtig, die Informationspflicht des Arbeitgebers nicht mit abstrakt-generellen Regelungen und Detaillierungserfordernissen zu überfrachten. Allein entscheidend sollte sein, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Belehrung weiß, welche Vorwürfe er entkräften muss. Ob dieses Erfordernis erfüllt ist, wird typischerweise von den Umständen des Einzelfalls (Komplexität des Sachverhalts etc.) abhängen. Detaillierte Belehrungen können vom Arbeitgeber vielfach auch deshalb nicht verlangt werden, weil diese einem Arbeitnehmer zum Schaden des Arbeitgebers auch Verdunklungs- und Beweisvernichtungshandlungen (auch Straftaten gem. §§ 274, 303 StGB) ermöglichen könnten.

Zu ergänzen ist, dass das BAG eine schuldhafte Verletzung der Informationspflicht des Arbeitnehmers auch bei Nichterfüllung der beschriebenen Anforderungen ausschließt, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht gewillt war, sich zu den Vorwürfen einzulassen und an der Aufklärung mitzuwirken, insbesondere wenn er bei der Anhörung sogleich erklärt, er werde sich zum Vorwurf nicht äußern, ohne relevante Weigerungsgründe zu nennen. Dann ist eine Information über die Verdachtsgründe in Rahmen der Anhörung unnötig.[76] Auch die außerordentliche Verdachtskündigung kann dann nicht an Belehrungsmängeln oder dem Fehlen der Belehrung scheitern.[77]

b) Keine Täuschung über Gegenstand der Anhörung

Hinsichtlich der (vorherigen) Belehrung über Sinn und Zweck der Anhörung ist in der Rspr. anerkannt, dass die Einladung zur Anhörung nicht mit einer über das Gesprächsthema täuschenden Begründung erfolgen darf, so darf etwa nicht angegeben werden, es solle „ein Fachgespräch“ oder ein „Gespräch über die Übernahme zusätzlicher Schichten“ geführt werden[78]. Darüber hinausgehend besteht keine Einigkeit über ein Belehrungserfordernis zu Gegenstand und Konsequenzen der Anhörung.

c) Belehrung über „Verdacht“ und arbeitsrechtliche Konsequenzen?

Von einem LAG wird vertreten, dass der Arbeitgeber auch explizit darauf hinweisen muss, dass er (a) aufgrund der (unstrittig anzuführenden) Tatsachen den Verdacht einer Pflichtverletzung hegt und (b) darauf eventuell – d.h. bei fehlender Entkräftung in der Anhörung – eine Kündigung zu stützen beabsichtigt.[79] Diese Forderung lässt sich der Rspr. des BAG bislang nicht entnehmen – danach muss sich die Anhörung nur auf einen konkreten Sachverhalt beziehen[80] – und wird offenbar von anderen LAGs kritisch gesehen und jedenfalls nicht aufgegriffen.[81] Der Sinn und Zweck der Anhörung und insbesondere auch der Information über den Sachverhalt ist nach der Rspr. des BAG, dass der Arbeitnehmer durch seine Einlassung „zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse“ beitragen kann, denn „allein um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitnehmer die Anhörung abverlangt“, sie sei weder dazu bestimmt als verfahrensrechtliches Erschwernis die Aufklärung zu verzögern noch die Wahrheit zu verdunkeln.[82] In der arbeitsgerichtlichen Rspr. kommt zudem klar zum Ausdruck, dass eine Offenlegung der Beweisquellen und -mittel, aus denen sich der verdachtsbegründende Sachverhalt speist, nicht erforderlich ist.[83] Vor diesem Hintergrund spricht nichts dafür, zusätzliche formale Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit der Anhörung zu konstruieren, die das BAG nicht im Rahmen der Grundsatzentscheidung in seine Orientierungssätze aufgenommen hat. „Kenntnis von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen“ hat der Arbeitnehmer bereits, wenn er die Verdachtslage durch Darstellung in tatsächlicher Hinsicht mitgeteilt bekommt. Vollends erscheint es überzogen, dem Arbeitgeber eine Aufklärungspflicht über zukünftige, eventuell beabsichtigte arbeitsrechtliche Maßnahmen abzuverlangen, insbesondere, wenn dies dem Zweck der Anhörung – der Aufklärung des Sachverhalts – eher entgegensteht. Es kann nicht angenommen werden, dass ein privater Arbeitgeber – anders als eine Strafverfolgungsbehörde – einen einer Straftat verdächtigten Arbeitnehmer durch den expliziten – und zugleich vielfach selbstverständlichen – Hinweis, dass die Bestätigung eines Verdachtssachverhalts, der einen schwerwiegenden Pflichtenverstoß beinhaltet, zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen kann, von der Mitwirkung an der Aufklärung abschrecken muss.

  1. d)Hinzuziehung eines Rechtsanwalts

Weiter ist dem Arbeitnehmer im Rahmen einer Anhörung nach h. Rspr. die Zuziehung eines Rechtsanwalts nicht zu verwehren, und zwar unabhängig davon, ob auf Seiten des Arbeitgebers (externe) Rechtsanwälte an der Anhörung beteiligt sind.[84] Nach einer aktuellen Entscheidung des LAG Hessen führt die Verweigerung der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Arbeitgeber allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Anhörung – und damit nicht zum Wegfall dieser formalen Voraussetzung der Verdachtskündigung – sondern dazu, dass der weitere – d.h. zeitlich nach der Weigerung liegende – Inhalt der Anhörung prozessual nicht verwertbar ist.[85] Es ist davon auszugehen, dass hier allein die Verwertung im arbeitsgerichtlichen Verfahren gemeint ist, denn das LAG bezieht sich zur Begründung auf das Verhältnis der beiden „Prozessparteien“ zueinander und die Verhinderung einer rechtswidrigen Benachteiligung der einen zu Lasten der anderen im Prozess.[86] Ein Parteiprozess, in dem eine solche Argumentation valide erscheint, ist nur das arbeitsgerichtliche Verfahren. Vor einer Bitte um Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gemachte Äußerungen des Arbeitnehmers sind hingegen verwertbar.[87]

e) Belehrung über die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts?

Zweifelhaft ist, ob die Äußerung mancher LAGs, dem Arbeitnehmer sei „Gelegenheit zu geben“, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen oder sich schriftlich zu äußern, so zu verstehen ist, dass der Arbeitnehmer im Vorfeld durch den Arbeitgeber auf eine Möglichkeit, sich anwaltlich begleiten zu lassen,[88] hinzuweisen ist; jedenfalls das BAG verlangt vom Arbeitgeber bisher ersichtlich nur eine passive Duldung der vom Arbeitnehmer initiierten Hinzuziehung. Da jedenfalls das LAG Hessen für den Fall der verweigerten Hinzuziehung nur ein (arbeitsgerichtliches) Verwertungsverbot und keine Unwirksamkeit annimmt,[89] kann eine unterbliebene Belehrung über ein (zweifelhaftes) Recht auf anwaltlichen Beistand wohl zumindest keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Anhörung sein.

IV. Straf(-prozess-)rechtliche Schranken des Interviews

1) Materiell-strafrechtliche Grenzen des Interviews

Nur am Rande sei festgehalten, dass der Interviewer selbstverständlich keine Straftaten begehen darf. In Betracht kommen – im Zusammenhang mit dem Versuch, den Mitarbeiter durch Druckausübung zu einer umfassenden und wahrheitsgemäßen Aussage oder gar zu einer vertraglichen Vereinbarung zu veranlassen – im Einzelfall möglicherweise u.a. die Vorschriften des § 240 StGB (Nötigung), § 253 StGB (Erpressung), 241 StGB (Bedrohung) und § 185 StGB (Beleidigung). Insbesondere ist darauf zu achten, dass zur Aussageerzwingung oder zu einem anderen Zweck nicht (vorsätzlich) arbeitsrechtlich oder zivilrechtlich unzulässige Maßnahmen angedroht werden und keine unsachgemäße („unkonnexe“) Verknüpfung von in Aussicht gestellten Übeln mit dem vom Arbeitnehmer gewollten Verhalten erfolgt. Hier lauern – angesichts der verbleibenden Unklarheiten und vor allem auch Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Situation – gewisse Risiken gem. §§ 240, 253 StGB. Zumeist wird aber gerade aufgrund der Unklarheit der Rechtslage angenommen werden müssen, der Interviewer habe jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt.

2) Zur strafprozessualen Verwertbarkeit von Interviews

a)Umfassendes Verwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 GG?

Nach einer Auffassung in der Lit. sind strafprozessual etwaige selbstbelastende, aufgrund arbeits- oder gesellschaftsrechtlicher Pflichten getätigte Angaben – nicht aber freiwillig getätigte oder unwahre Angaben – nur mit Zustimmung der Auskunftsperson verwertbar. Es bestehe aber kein Verwendungsverbot, die pflichtgemäßen Angaben dürften von den Ermittlungsbehörden zur Verdachtsgewinnung (§ 152 StPO) ausgewertet werden.[90] Auch die arbeitsgerichtliche Rspr. geht teilweise – wie gesagt – von einem strafprozessualen Verwertungsverbot aus.[91] Begründet wird das Verwertungsverbot typischerweise mit dem „Gemeinschuldnerbeschluss“ des BVerfG,[92] wonach der Schutz des Persönlichkeitsrechts verfassungsrechtlich gewährleistet, dass eine außerhalb des Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung gegen den Willen des Betroffenen nicht verwertet werden darf, basierend auf dem Leitgedanken der Menschenwürde.[93] Das BVerfG beziehe sich ausdrücklich sowohl auf rechtsgeschäftlich eingegangene als auch auf gesetzlich auferlegte Auskunftspflichten, dementsprechend werde höchstrichterlich auch ein Verwertungsverbot für Angaben des Schuldners gem. §§ 807 ZPO bejaht.[94] Zutreffend wird auch darauf hingewiesen, dass eine gesetzestreue Unternehmensführung – gem. Art. 14 Abs. 2 GG dem Gemeinwohl verpflichtet – ohne uneingeschränkte Auskunftspflichten der Mitarbeiter gerade in Krisensituationen erheblich behindert wäre.[95] Art. 2 Abs. 1 GG garantiere, dass die Mitarbeiter sich nicht faktisch selbst durch eigene Angaben der Strafverfolgung ausliefern müssen. Ein Verwertungsverbot für Angaben der Mitarbeiter liege deshalb auf der Hand, eine Lösung mit Selbstbezichtigungspflicht und ohne Verwertungsverbot verstoße gegen die Verfassung.[96] Jedenfalls hinsichtlich der erzwingbaren Aussagen gegenüber einem Privatermittler – wie bei erzwingbaren selbstbelastenden Auskünften in einem Verwaltungsverfahren – müsse ein strafprozessuales Beweisverwertungsverbot, bestehen, in Anlehnung an die Grundsätze des Gemeinschuldnerbeschlusses zur Disposition dessen, der die Auskunft pflichtgemäß erteilt hat.[97]

Jedenfalls ein untergerichtliches Judikat hält ein solches Verwertungsverbot aber für „fernliegend“.[98] Die Auffassung, aus dem bei den befragten Interviewpartnern potentiell bestehenden Konflikt zwischen arbeitsvertraglicher Auskunftspflicht und dem Grundsatz „Nemo tenetur se ipsum accusare“ könne sich in Anwendung des in § 97 Abs. 1 InsO und § 393 AO zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedankens ein Verwertungsverbot hinsichtlich der Dokumentation der entsprechenden Auskünfte ergeben, sei nicht überzeugend. Der Gedanke, dass die Staatsgewalt den Gesetzesunterworfenen nicht durch sanktionsbewehrte Mitwirkungs- und Auskunftspflichten zur Selbstbelastung zwingen und deren Inhalt anschließend strafrechtlich gegen ihn verwenden darf, sei auf den Fall, dass sich Privatpersonen in (arbeits-)vertragliche Bindungen begeben haben, die sie zur Offenbarung möglicherweise auch strafbaren Verhaltens verpflichten, nicht anwendbar.[99] Dabei komme es nicht entscheidend darauf an, dass auch der Einhaltung arbeitsvertraglicher Pflichten für den Betroffenen durchaus erhebliche, mitunter existenzielle Bedeutung zukommen kann. Die entstehende Konfliktlage gehe in diesen Fällen nicht von einer im Widerspruch zum „nemo tenetur“-Grundsatz stehenden gesetzlichen Auskunftsverpflichtung, sondern von einer vom Betroffenen freiwillig eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zur möglichen Selbstbelastung aus.[100] Hinsichtlich der Berufung auf § 97 Abs. 1 Nr. 3 InsO und den Gemeinschuldnerbeschluss kann zudem bezweifelt werden, ob die rein privatrechtlich und ohne Einschaltung staatlicher Stellen laufenden internen Ermittlungen wirklich hinreichend mit dem gesetzlich genau geregelten und gerichtlich betreuten Konkursverfahren bzw. Insolvenzverfahren vergleichbar ist.[101] Angesichts der im Konkurs-/Insolvenzverfahren gegenüber dem Gemeinschuldner zur Verfügung stehenden Zwangsmittel (vgl. §§ 97, 98 InsO, die Vorführung und Erzwingungshaft vorsehen) wäre ein Verwertungsverbot für Interviews argumentativ nur dann leicht zu begründen, wenn die Auskunftspflicht des Arbeitgebers im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch gleichermaßen effektiv und zeitnah durchgesetzt werden könnte. Hieran darf man schon angesichts fehlender gerichtlicher Entscheidungen berechtigte Zweifel haben. Hinzu kommt, dass ein bloßes direktes Verwertungsverbot das Problem des Arbeitnehmers nicht löst: Wie – nach h. Rspr. zutreffend – ausgeführt wird, dürften die Aussagen in Interviews bei Bestehen eines Verwertungsverbots lediglich nicht selbst, also unmittelbar Grundlage einer strafrechtlichen Verurteilung des Arbeitnehmers in einem Strafverfahren sein.[102] Es ist nach h. M. den Ermittlungsbehörden jedoch nicht verwehrt, diese (unverwertbaren) Äußerungen zum Anlass zu nehmen, Ermittlungen gegen die Auskunftsperson aufzunehmen und auf der Basis des Interviews von dieser Aussage gegenüber dem Privatermittler nicht abhängige Beweise zu gewinnen und zu erheben.[103] Darauf kann eine Verurteilung gestützt werden, denn das angelsächsische Verbot der Frucht des verbotenen Baumes („fruit of the poisonous tree“) gilt laut deutscher Rspr. nicht.[104] Zu Recht wird weiter darauf hingewiesen, dass auch inhaltlich das Verwertungsverbot nicht weiter reicht als die Aussagepflicht, d.h. unwahre Aussagen und Aussagen außerhalb des oben beschriebenen Pflichtenkreises könnten wohl unmittelbar verwertet werden.[105]

Insgesamt ist derzeit de lege lata für die Praxis wohl zumindest zu unterstellen, dass für die Strafverfolgungsbehörden kein rechtliches Hindernis besteht, die Aussagen aus Interviews – auch soweit arbeitsrechtlich erzwingbar – zumindest zur Durchführung von Ermittlungen heranzuziehen. Es erscheint sogar nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass der BGH der noch weitergehenden Auffassung des LG Hamburg folgen könnte.

b)Verwertungsverbot analog §§ 136 oder 55 StPO?

Denkbar erscheint auch, für den Fall des Fehlens einer mehr oder weniger umfangreichen Belehrung des Mitarbeiters – arbeitsrechtlich oder gar im Sinne der BRAK-Thesen – (oder deren Unrichtigkeit) ein Verwertungsverbot analog aus den Vorschriften der §§ 136 oder 55 StPO abzuleiten. Dies ist schon praktisch schwer denkbar, da erhebliche Unklarheiten über die Reichweite arbeitsrechtlicher Belehrungsverpflichtungen bestehen, diese gerade kein Schweigerecht vorsehen und die strafprozessualen Pflichten situativ und normativ unpassend erscheinen.[106] Vor allem aber hat der BGH jüngst in anderem Zusammenhang seine Ablehnung eines Verwertungsverbots bei fehlender Belehrung über ein (fragliches) Schweigerecht im Rahmen privater Ermittlungen deutlich artikuliert.[107] Ein Verstoß gegen die Belehrungspflichten des §§ 163a, 136 Abs. 1 StPO liegt dann nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht vor, denn diese Vorschriften sind auf Befragungen eines Beschuldigten durch Privatpersonen nicht anwendbar.[108] Zum Begriff der Vernehmung im Sinne der StPO gehöre, dass der Vernehmende der Auskunftsperson in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihr eine Auskunft verlangt. Da die Regelungen nach ihrem Sinn und Zweck den Beschuldigten vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht im Rahmen einer Kraft staatlicher Autorität vorgenommenen Befragung bewahren sollen, sind sie auch dann nicht entsprechend anwendbar, wenn eine „vernehmungsähnliche” Situation durch eine Privatperson hergestellt wird. Aus den gleichen Gründen stelle ein Interview auch keine unzulässige Umgehung dar.[109] Trotz der theoretisch möglichen „Erzwingung“ des Interviews tritt der Arbeitgeber natürlich gerade als solcher und nicht als Strafverfolgungsbehörde in Erscheinung. Analog § 136 StPO (oder § 55 StPO) lässt sich nach ganz herrschender Rspr. daher kein Verwertungsverbot begründen.

c) Verwertungsverbot analog § 136a StPO

Daneben wird vielfach ein Verwertungsverbot bzgl. des Interviews im Strafprozess analog § 136a StPO gefordert, falls im Rahmen des Interviews die sogenannten verbotenen Vernehmungsmethoden – Misshandlung, Ermüdung, körperlicher Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Quälerei, Täuschung, Hypnose sowie die Drohung mit einer dieser Methoden – angewandt wird, da die Grundrechtsdrittwirkung wegen erheblicher Grundrechtseingriffe eine Verwertung verbiete.[110] Dies klingt als rechtsethisches Minimum sympathisch und zugleich klar; diese Grenzziehung ist im Grunde zu begrüßen, im konkreten Einzelfall ist allerdings der Grenzverlauf völlig unklar.

Problematisch ist nämlich etwa, dass insbesondere der Begriff der Täuschung von erheblicher Unschärfe gekennzeichnet ist: Er ist nach h. Rspr. zu weit gefasst und muss daher einschränkend ausgelegt werden.[111] § 136a StPO verbietet zwar die Lüge, schließt aber nicht jede kriminalistische List bei der Vernehmung aus (Fangfragen und Suggestivfragen sind z.B. erlaubt).[112] Eine Täuschung liegt zudem nur bei bewusster Irreführung vor; fahrlässiges Verhalten genügt nicht.[113] Zwar soll eine Täuschung über Rechtsfragen möglich sein, wenn dem Beschuldigten bewusst zu Unrecht vorgespiegelt wird, er werde als Zeuge vernommen oder ihn treffe eine Pflicht zur Aussage.[114] Im Zusammenhang mit der recht unklaren Rechtslage zu Interviews wird man jedenfalls keinesfalls sagen können, dass eine im Nachhinein von einem Gericht anders entschiedene Rechtsfrage, über die der Ermittler im Interesse seines Mandanten den Arbeitnehmer vertretbar „belehrt“ hat (oder Rechte, die er im Nachhinein zu Unrecht nicht gewährt hat) nicht den Täuschungsvorwurf rechtfertigen und dementsprechend auch kein Verwertungsverbot begründen dürften. Gerade für den Fall der Privatermittlung hat der BGH zudem entschieden, dass die irreführende Zusicherung der Vertraulichkeit jedenfalls in der entschiedenen Fallkonstellation keine Täuschung sei.[115]

Die erste Variante des § 136a Abs. 1 S. 3 StPO – Drohung mit einer verfahrensrechtlich unzulässigen Maßnahme – dürfte auf Interviews von vornherein unanwendbar sein, da es diesbezüglich ein rechtsförmiges Verfahren nicht gibt. Allenfalls könnte daran zu denken sein, dass das Verhalten des Interviewers sich als – vorsätzliche – Nötigung (§ 240 StGB) oder Erpressung (§ 253 StGB) darstellt. Angesichts der Unklarheit der Rechtslage wird es aber vielfach um ganz unterschiedliche Rechtsauffassungen zu den Befugnissen des Arbeitnehmers – insbesondere arbeitsrechtlicher Natur – in der konkreten Situation gehen, so dass eine vorsätzlich-rechtswidrige Drohung zumeist nicht angenommen werden kann. Zudem fallen Belehrungen, Vorhaltungen und Warnungen nach h. Rspr. gerade nicht unter den Begriff der Drohung. Daher ist es etwa im Strafverfahren – falls dies zutrifft – zulässig, darauf hinzuweisen, dass Leugnen wegen der erdrückenden Beweislage keinen Erfolg verspreche und ein Geständnis strafmildernd wirken könne;[116] beim Interview kann wohl nichts Anderes gelten. Zur 2. Variante ist zu sagen, dass unstatthaft ein Versprechen von gesetzlich nicht vorgesehen Vorteilen als Gegenleistung für eine Aussage oder einen bestimmten Inhalt der Aussage ist.[117] Ein Versprechen in diesem Sinne ist eine Erklärung, die von dem zu Vernehmenden als eine bindende Zusage aufgefasst werden kann.[118] Vorteile sind nur solche Vergünstigungen, die geeignet sind, das Aussageverhalten eines Beschuldigten oder Zeugen zu beeinflussen.[119] Es ist nicht erkennbar, dass etwa die Zusage des Verzichts auf zivilrechtliche Haftungsansprüche und arbeitsrechtliche Maßnahmen des Unternehmens im Rahmen eines Amnestie- oder Kooperationsprogramms im Gegenzug für eine vollständige und wahrheitsgemäße Aussage des Mitarbeiters hieran gemessen zu tadeln wäre; gleiches gilt für den Verzicht auf Strafanzeige oder Strafantrag. Denn all dies liegt in der Zuständigkeit und Disposition des Unternehmens allein.[120] Anders könnte es sein, wenn Unternehmensvertreter dem Mitarbeiter Straflosigkeit oder konkrete strafprozessuale Vorteile versprechen würden, bzgl. derer sie – naturgemäß – keine Entscheidungskompetenz haben. Auch bzgl. des § 136a Abs. 1 S. 3 StPO ist allerdings zu berücksichtigen, dass unklar ist, ob die Rspr. die Rechtsverletzung durch Privatpersonen den Strafverfolgungsorganen derart zurechnet, dass daraus ein Verwertungsverbot resultiert.

V. Fazit: Einige Thesen zur derzeitigen Rechtslage bei Interviews im Rahmen von Internal Investigations

  • Rechtliche Grenzen für die Durchführung von Interviews / Anhörungen im Rahmen unternehmensinterner Ermittlungen gibt primär das Arbeits- bzw. Dienstvertragsrecht vor. Das Strafprozessrecht ist nicht (analog) heranzuziehen, materielle Strafvorschriften dürfen selbstverständlich nicht verletzt werden.
  • Die „BRAK-Thesen“ bzgl. Interviews sind rechtspolitischer bzw. rechtsethischer Natur und de lege lata daher für sich betrachtet rechtlich unverbindlich; soweit sie zu Unternehmensinteressen des Mandanten in Widerspruch stehen, kann es für den ermittelnden Anwalts rechtlich zwingend angezeigt seien, diesen Empfehlungen nicht zu folgen.
  • Arbeitnehmer sind arbeitsrechtlich grundsätzlich zur Teilnahme an einem Interview sowie zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der gestellten Fragen verpflichtet.
  • Diese arbeitsrechtliche Pflicht bezieht sich – nach strittiger, aber zutreffender Auffassung – im konkreten Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereich des Arbeitnehmers auch auf selbstbelastende Aussagen, sowohl auf solche, die arbeitsrechtliche Maßnahmen begründen können, als auch auf solche, die potentiell strafrechtlich relevant sind.
  • Bei einem Interview besteht allenfalls in bestimmten Ausnahmekonstellationen (s. o.) ein arbeitsrechtlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds.
  • Ein Interview des einer Straftat „verdächtigen“ Mitarbeiters ohne Teilnahme von dessen Rechtsanwalt kann arbeitsrechtlich wohl nicht erzwungen werden. Eine diesbezügliche Belehrungspflicht ist nicht ersichtlich. Eine „Waffengleichheit“ bzgl. der anwaltlichen Vertretung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Interview ist nach strittiger, aber überzeugender Auffassung nicht erforderlich.
  • Der Arbeitnehmer hat kein Recht auf Abstimmung eines Protokolls oder auf Einsicht in die Gesprächsvermerke des Interviewers.
  • Belehrungspflichten bestehen beim Interview arbeitsrechtlich grundsätzlich nicht; notwendig ist zumindest eine umrisshafte Einführung in den Sachverhalt.
  • Arbeitsrechtlich sind Verwertungsverbote für Interviews bislang kaum anerkannt; nur Äußerungen, die im Rahmen von Anhörungen nach dem erfolglosen Verlangen des Arbeitnehmers, einen Rechtsanwalt beizuziehen erfolgten, sind nach h. Rspr. im arbeitsgerichtlichen Verfahren unverwertbar.
  • Bei einem „Anhörungsinterview“ – d.h. wenn das Interview die Voraussetzungen der Anhörung vor der Verdachtskündigung erfüllen soll – ist die Mitteilung eines umgrenzten Sachverhalts als Gegenstand des Verdachts arbeitsrechtlich zwingend nötig.
  • Eine Täuschung über den Gegenstand der Anhörung darf arbeitsrechtlich nicht erfolgen (d.h. z. B. kein irreführender Hinweis auf ein „Fachgespräch“ o.ä. bei einem Interview).
  • Teilweise wird in der arbeitsgerichtlichen Rspr. bei einer Anhörung eine Belehrung über den Verdacht einer Pflichtverletzung und die Möglichkeit arbeitsrechtlicher Maßnahmen gefordert; dies ist abzulehnen.
  • Ein Rechtsanwalt des Arbeitnehmers darf an einer Anhörung teilnehmen. Eine Rechtspflicht, über diese Möglichkeit zu belehren, ist nicht anzuerkennen.
  • Ein umfassendes strafprozessuales Verwertungsverbot für Interviews ist nach der bisherigen Rspr. zweifelhaft. Jedenfalls ist damit zu rechnen, dass Interviews zur Begründung eines strafprozessualen Verdachts herangezogen werden dürfen, und ein Verwertungsverbot dem Arbeitnehmer wenig helfen würde.
  • Eine fehlende Belehrung vor dem Interview führt nach derzeitiger Rspr. nicht zur strafprozessualen Unverwertbarkeit.
  • Ein Verwertungsverbot bzgl. des Interviews im Strafprozess analog § 136a StPO kommt im Einzelfall in Betracht, jedoch müssen gerade bei den Alternativen der Täuschung, des Versprechens eines Vorteils und der Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme wohl sehr strenge Maßstäbe angelegt werden.

[1] Der Autor dankt Frau Rechtsanwältin Regina Simon, Frankfurt am Main, für die kritische Durchsicht der arbeitsrechtlich geprägten Teile des Manuskriptes und deren Diskussion sehr herzlich.

[2] Rudkowski, NZA 2011, 612 m.w.N.

[3] Rudkowski, NZA 2011, 612, 615.

[4] LG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2010 – 608 Qs 18/10, in: NJW 2011, 942, BRAK Stellungnahme-Nr. 35/2010 S. 11 Nr. 5; Leipold, NJW Spezial 2011, 56; Sidhu/Saucken/Ruhmannseder, NJW 2011, 881, 882; v. Galen NJW 2011, 942; Szesny, GWR 2011, 169; Szesny, BB 45/2011, VI/VII.

[5] Szesny, BB 45/2011, VII unter Hinweis auf BGH wistra 2011, 350, 351.

[6] Fischer, BB 2003, 522 ff.; Diller, DB 2004, 1303 ff.; Mengel/Ullrich, NZA 2006, 240 ff.; Göpfert/Merten/Sigrist, NJW 2008, 1703 ff.; Weisskirchen/Glaser, DB 2011, 1447 ff.

[7] Bittmann/Molkenbur, wistra 2009, 373, 375.

[8] Stellungnahme der BRAK Nr. 35/2010, S. 1 ff., abrufbar unter http://www.brak.de

[9] Stellungnahme der BRAK Nr. 35/2010, S. 3.

[10] Stellungnahme der BRAK Nr. 35/2010, S. 10 unter Berufung auf BAG vom 13.03.2008 – II AZR 961/06 und LAG Berlin/Brandenburg vom 06.11.2009 – 6 Sa 1121/09, die dies ausdrücklich gerade nicht für ein der Informationsgewinnung dienendes Interview, sondern nur für eine Anhörung als Voraussetzung der Verdachtskündigung fordern.

[11] Stellungnahme der BRAK Nr. 35/2010, S. 10 f.

[12] Stellungnahme der BRAK Nr. 35/2010, S. 10 f.

[13] Nämlich der „….Grundlage seines Verständnisses von Strafverteidigung, wie es namentlich in den „Thesen zur Strafverteidigung“ und in der Denkschrift „Reform der Verteidigung im Ermittlungsverfahren“ seinen Ausdruck gefunden hat…“, BRAK Nr. 35/2010, S. 3.

[14] BRAK Nr. 35/2010, S. 3/4 f. Man beachte hier die auffällige Akzentverschiebung zwischen Thesen 1 und 3 (1) einerseits und Thesen 3(2) und 3 (3) andererseits.

[15] Szesny, BB 45/2011, VI/VII.

[16] BAG NZA 1997, 41 ff.; Henssler/Willemsen/Kalb/Thüsing, Arbeitsrechtskommentar, 3. Aufl. (2008), BGB § 611 Rn. 242 m. w. N.; Bittmann/Molkenbur, wistra 2009, 373, 375.

[17] BAG, NZA 2009, 1011; Rudkowski NZA 2011, 612.

[18] Weisskirchen/Glaser, DB 2011, 1447, 1448.

[19] Bittmann/Molkenbur, wistra 2009, 373, 375.

[20] BAG AP Nr. 32 zu § 611 BGB (Haftung des Arbeitnehmers); Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703, 1706; Bittmann/Molkenbur wistra 2009, 373, 375.

[21] BAG, NZA 1996, 637 ff.; vgl. auch Knierim, StV 2009, 324, 327 f.; Bittmann/Molkenbur, wistra 2009, 373, 375.

[22] BGH NJW-RR 1989, 614, 615; BAG NZA 1996, 637 ff.; Bittmann/Molkenbur, wistra 2009, 373, 376. weitergehend Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703, 1708.

[23] LAG Rheinland-Pfalz Urt. v. 7.9.2004 – 11 Sa 2018/03, BeckRS 2004, 42011; vgl. BGH NJW 1989, 614.

[24] BAG NZA 1996, 636 = DB 1996, 634; LAG Hamm BeckRS 2009, 74015; Diller, DB 2004, 313; Göpfert/Merten/Sigrist, NJW 2008, 1703, 1705; Vogt, NJOZ 2009, 4206; Schneider, NZG 2010, 1201, 1204; Lützeler/Müller-Sartori, CCZ 2011, 19.

[25] BAG DB 1958, 1015; Göpfert/Merten/Sigrist, NJW 2008, 1703, 1706; Weisskirchen/Glaser, DB 2011, 1447, 1448.

[26] BAG NJW 2004, 2848.

[27] LAG Hamm BeckRS 2009, 74015 (Wettbewerbsverstoß mit strafrechtlichen Implikationen); Diller, DB 2004, 313; Göpfert/Merten/Sigrist, NJW 2008, 1703, 1705; Vogt NJOZ 2009, 4206; Schneider, NZG 2010, 1201, 1204; Lützeler/Müller-Sartori, CCZ 2011, 19;

[28] BAG NZA 1996, 636 = DB 1996, 634; Schneider, NZG 2010, 1201, 1204; Lützeler/Müller-Sartori CCZ 2011, 19.

[29] Weisskirchen/Glaser, DB 2011, 1447, 1448.

[30] Maschmann, AuA 2009, 72, 74.

[31] Rudkowski, NZA 2011, 612, 613, unter nicht nachvollziehbarem Verweis auf BAG, NZA 1996, 637, 640, da es dort um Auskünfte nicht zum unmittelbaren Tätigkeitsbereichs des Arbeitnehmers ging (frühere erfolglose Anwerbungsversuche des MfS).

[32] Rudkowski, NZA 2011, 612, 613 mit wiederum nicht schlüssigem Verweis auf BAG NZA 2008, 809, 810 und BAG NZA 2003, 991 L (in beiden Fällen geht es um eine Anhörung kein Interview; es wird vom BAG lediglich festgestellt, der Mitarbeiter habe die Aussage verweigert, nicht, dass er ein solches Recht habe.)

[33] Rudkowski. NZA 2011, 612, 613.

[34] Rudkowski. NZA 2011, 612, 613, ein Verwertungsverbot im Strafprozess sei nicht ausreichend, da es „unüberschaubar“ sei u. schon bzgl. des Kündigungsschutzprozesses wirken müsse.

[35] BAG NZA 2009, 637, 638; LAG Hamm BeckRS 2009, 74015; ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364; Bittmann/Molkenbur, wistra 2009, 373, 375 f. m. w. N.; Vogt, NJOZ 2009, 4206 4213 f.; nicht jedoch bei einer gänzlich allgemeinen Frage an den Arbeitnehmer, zu allen etwa ihm bekannten Unregelmäßigkeiten Stellung zu nehmen, vgl. den Fall des LAG Rheinland-Pfalz Urt. v. 7.9.2004 – 11 Sa 2018/03, BeckRS 2004, 42011.

[36] „Dringender Verdacht“, vgl. zuletzt BAG NJW 2011, 2231, 2232 f. m.w.N.; „starke Verdachtsmomente, die auf objektiven Tatsachen gründen“, BAG NZA 2008, 809 Orientierungssatz Nr. 1.

[37] LAG Hamm BeckRS 2009, 74015 unter Verweis auf BVerfGE 56, 37 ff. („Gemeinschuldnerbeschluss“); vgl. ebenso BVerfG NJW 1996, 916; 1999, 779; 2005, 352; wistra 2004, 19; WM 2008, 989.

[38] LAG Hamm BeckRS 2009, 74015.

[39] BGH NJW 1990, 510; AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 11.

[40] LAG Hamm BeckRS 2009, 74015.

[41] LAG Hamm BeckRS 2009, 74015 unter Verweis auf BVerfGE 56, 37 ff. („Gemeinschuldnerbeschluss“); BVerfG WM 2008, 989.

[42] BAG NZA 2010, 1307 (Orientierungssatz des Gerichts).

[43] BAGE 112, 341 ff. = BAG NZA 2005, 416 ff.

[44] Mengel/Ullrich, NZA 2006, 240, 243 f.

[45] Zimmer/Heymann, BB 2010, 1853, 1855; Rudkowski, NZA 2011, 612, 615.

[46] LAG Hamm MDR 2001, 1361 = BeckRS 2001, 41047.

[47] Fitting, BetrVG § 84 Rn. 12; GK-BetrVG/Wiese/Frantzen, § 84 Rn. 14, 15.

[48] LAG Hamm MDR 2001, 1361 = BeckRS 2001, 41047; Fischer, DB 2003, 522, 524; Mengel/Ullrich, NZA 2006, 240, 244; Göpfert/Merten/Sigrist, NJW 2008, 1703, 1708.

[49] Sidhu/Saucken/Ruhmannseder, NJW 2011, 881, 883.

[50] LAG Hamm MDR 2001, 1361 = BeckRS 2001, 41047.

[51] LAG Hamm MDR 2001, 1361 = BeckRS 2001, 41047.

[52] LAG Hamm MDR 2001, 1361 = BeckRS 2001, 41047.

[53] LAG Hamm MDR 2001, 1361 = BeckRS 2001, 41047.

[54] LAG Hamm MDR 2001, 1361 = BeckRS 2001, 41047.

[55] Mengel/Ullrich, NZA 2006, 240, 243 f.

[56] ArbG Berlin, Urt. v. 28. 7. 2005 – 28 Ca 10016/05; Göpfert/Merten/Sigrist, NJW 2008, 1703, 1708.

[57] BAG NZA 2003, 991; LAG Köln NZA-RR 1998, 297, 298.

[58] Weisskirchen/Glaser, DB 2011, 1447, 1449; a.A. Maschmann, AuA 2009, 72, 76 (unter Verweis auf § 83 BetrVG).

[59] Weisskirchen/Glaser, DB 2011, 1447, 1449.

[60] Weisskirchen/Glaser, DB 2011, 1447, 1449.

[61] LG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2010 – 608 Qs 18/10, BeckRS 2011, 01653 mit Anm. v. Galen, NJW 2011, 945 u. mit Anm. Szesny, GWR 2011, 169.

[62] Rudkowski, NZA 2011, 612.

[63] Rudkowski, NZA 2011, 612.

[64] Rudkowski, NZA 2011, 612, 613.

[65] Rudkowski, NZA 2011, 612, 613.

[66] BVerfG NJW 2007, 753, 758; Vogt NJOZ 2009, 4206, 4216.

[67] BAG NJW 2008, 2732 = DB 2008, 1633.

[68] ArbG Berlin DB 1974, 1167; Mengel/Ullrich, NZA 2006, 240, 244 f.

[69] LAG Hamm, BeckRS 2009, 74015 (Wettbewerbsverstoß mit strafrechtlichen Implikationen); ArbG Saarlouis, ZIP 1984, 364.

[70] LAG Köln, Urteil vom 31. 10. 1997 – 11 (7/9) Sa 144/97, in: NZA-RR 1998, 297; vgl. auch BAG NZA 1996, 81 = NJW 1996, 540.

[71] BAG NZA 2002, 847 = NJW 2002, 3651; BAG NZA 2008, 809, 810, stdg. Rspr.

[72] BAGE 81, 27 ff. = BAG NZA 1996, 81 ff.; BAG BZA 2008, 809, 810.

[73] BAG BZA 2008, 809, 810; Eylert/Friedrichs, DB 2007, 2203, 2005.

[74] BAG NZA 2008, 809, 810.

[75] BAG NZA 2008, 809, 810.

[76] BAG NZA 2009, 809, 810 f.; BAG, Urt. v. 28.11.2007 – 5 AZR 952/06, BeckRS 2008, 50549.

[77] BAG NZA 2009, 809, 810 f.; BAG, Urt. v. 28.11.2007 – 5 AZR 952/06, BeckRS 2008, 50549; vgl. BAG NZA 1987, 699 = NJW 1987, 2540 (Leitsätze).

[78] LAG Düsseldorf NZA-RR 2010, 184, 185 f.; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.12.2010 – 2 Sa 2022/10, BeckRS 2011, 68001.

[79] LAG Berlin-Brandenburg DB 2009, 2724; Urt. v. 16.12.2010 – 2 Sa 2022/10, BeckRS 2011, 68001.

[80] BAG NZA 2008, 809 (Orientierungssatz 3).

[81] LAG Hessen, Urt. v. 01.08.2011 – 16 Sa 202/11, BeckRS 2011, 75781.

[82] BAG NZA 2008, 809 (Orientierungssätze 3 und 4).

[83] LAG Köln NZA-RR 1998, 297.

[84] BAG NZA 2009, 809, 811 unter Berufung auf Eylert/Friedrich, DB 2007, 2203, 2204 f.

[85] LAG Hessen, Urt. v. 01.08.2011 – 16 Sa 202/11 (Leitsatz 2), BeckRS 2011, 75781.

[86] LAG Hessen, Urt. v. 01.08.2011 – 16 Sa 202/11, BeckRS 2011, 75781.

[87] LAG Hessen, Urt. v. 01.08.2011 – 16 Sa 202/11, BeckRS 2011, 75781.

[88] LAG Düsseldorf NZA-RR 2010, 184, 185 f.; LAG Berlin-Brandenburg DB 2009, 2724; Urt. v. 16.12.2010 – 2 Sa 2022/10, BeckRS 2011, 68001.

[89] LAG Hessen, Urt. v. 01.08.2011 – 16 Sa 202/11, BeckRS 2011, 75781.

[90] Bittmann/Molkenbur, wistra 2009, 373, 379.

[91] LAG Hamm, BeckRS 2009, 74015 (Wettbewerbsverstoß mit strafrechtlichen Implikationen); ArbG Saarlouis ZIP 1984, 364.

[92] v. Galen NJW 2011, 942.

[93] BVerfGE 56, 37 = NJW 1981, 1431

[94] v. Galen NJW 2011, 942 unter Bezug auf BGHSt 37, 340 = BGH NJW 1991, 2844; BVerfG, Beschl. v. 31. 3. 2008 – Aktenzeichen 2 BvR 467/08, BeckRS 2008, 35240.

[95] v. Galen NJW 2011, 942.

[96] v. Galen NJW 2011, 942.

[97] Bittmann/Molkenbur, wistra 2009, 373, 378.

[98] LG Hamburg NJW 2011, 942.

[99] LG Hamburg NJW 2011, 942.

[100] LG Hamburg NJW 2011, 942.

[101] Vgl. Szesny, BB 45/2011, VI, VII

[102] Überzeugend Bittmann/Molkenbur, wistra 2009, 373, 378 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 19. 3. 1991 – 5 StR 516/90, Rn. 23 f. , der für Angaben im Rahmen der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung, § 807 ZPO, auch nur ein Verwertungsverbot in diesem Sinne gesehen hat.

[103] Bittmann/Molkenbur wistra 2009, 373, 378.

[104] Bittmann/Molkenbur wistra 2009, 373, 378.

[105] Bittmann/Molkenbur wistra 2009, 373, 377 und 378.

[106] Vgl. Szesny, BB 45/2011, VI, VII.

[107] BGH NStZ 2011, 596, 597.

[108] BGH NStZ 2011, 596, 597.

[109] Vgl. BGHSt 42, 139, 145; 52, 11, 15 f.

[110] Szesny, BB 45/2011, VI, VII; vgl. BVerfGE 73, 261; BGH wistra 2011, 350, 351.

[111] BGHSt 42, 139, 149.

[112] BGHSt 35, 328, 329; 37, 48, 52; BGH NJW 1992, 2903 f; BGH NStZ 1997, 251 m. Anm. Wollweber, NStZ 1998, 311.

[113] BGHSt 31, 395, 399 f; 35, 328, 329; 37, 48, 53; BGH StV 1989, 515.

[114] Vgl. BayObLG NJW 1986, 441.

[115] BGH NStZ 2011, 596, 597.

[116]BGHSt 1, 387; 14, 189, 191; solche Vorhaltungen „beeinträchtigen nicht die Entschließungsfreiheit“, so BGH StV 1999, 407.

[117] BVerfG NJW 1984, 428.

[118] BGHSt 14, 189, 191.

[119] OLG Hamm StV 1984, 456.

[120] Vgl. entsprechend BGHSt 20, 268 m.w.N.; s. auch BVerfG NJW 1987, 2662; BGH NJW 1990, 1921.

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Markus Rübenstahl, Mag. iur.
    Der Autor ist Gründer der Kanzlei Rübenstahl Rechtsanwälte in Frankfurt am Main und Lehrbeauftragter der Universität Freiburg i. Br. Er ist seit 2002 als Verteidiger, Unternehmensvertreter und beratend im Bereich Wirtschafts- und Steuerstrafrecht tätig und befasst sich auch mit internationalen Aspekten des Wirtschaftsstrafrechts sowie mit Internal Investigations und Tax Compliance. Er ist Mitherausgeber der wistra, Mitglied des Vorstands der WisteV und Mitherausgeber sowie Redaktionsmitglied der WiJ.

WiJ

  • Dr. Elias Schönborn , Jan Uwe Thiel

    Gesetzliche Regelungen zur Handy-Sicherstellung sind verfassungswidrig (Österreich)

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Tino Haupt

    Der Zugriff auf Fahrzeugdaten aus strafprozessualer Perspektive

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Florian Neuber

    Verteidigung ohne Grenzen?

    Internationales Strafrecht