Dr. Matthias Dann, LL.M.

Walther, Dissertation, Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr

Walther,[1] Dissertation, Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr – Internationale Vorgaben und Deutsches Strafrecht, 2011

Adieu Tristesse: So groß, wie einige internationale Beobachter nach eher oberflächlicher Betrachtung meinen, ist die Anpassungsbedürftigkeit des deutschen Korruptionsstrafrechts an europa- und völkerrechtliche Vorgaben nicht (hierzu auch Rehyn/Rübenstahl, CCZ 2011, 161). Dieser Befund gilt auch für die zunehmend monographisch beleuchteten Tatbestände des § 299 StGB, die seit längerem Gegenstand vielfältiger Reformdiskussionen sind. Felix Walther hat dies in seiner von Satzger betreuten Dissertation mustergültig heraus gearbeitet.

Die gut lesbare und zu kritischer Auseinandersetzung anregende Arbeit besteht aus 7 Kapiteln. Nach einer terminologisch-empirischen Annäherung an seinen Untersuchungsgegenstand stellt der Autor die internationalen Vorgaben zur strafrechtlichen Behandlung von Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr dar (Kapitel 2) und analysiert im Anschluss daran, ob und inwieweit ihnen die geltende Rechtslage in Deutschland gerecht wird (Kapitel 3). Im Rahmen dieses Zentralkapitels beleuchtet Walther auch – und das macht die Lektüre unter kriminalpolitischen Gesichtspunkten besonders interessant – ob die einschlägigen europäischen Rechtsakte, das Strafrechtsübereinkommen des Europarates über Korruption und das UN-Übereinkommen gegen Korruption Anpassungsverpflichtungen für den deutschen Gesetzgeber erzeugen. Sollte es (immer noch) Zeitgenossen geben, die einen Beleg dafür benötigen, dass das deutsche Strafrecht auch in Brüssel, Straßburg und New York vorgeformt wird, so finden diese ihn in Kapitel 3 der vorliegenden Dissertation. Der Aufbau dieses Kapitels ist für den Leser gewinnbringend: Zum einen wird er zunächst durch die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 299 StGB und deren zahlreiche Problembereiche geführt, was für sich genommen zwar keine besonders hervorzuhebende Leistung ist, gleichwohl aber einen hilfreichen Nebeneffekt im Sinne eines praxisrelevanten Repetitoriums hat. Wichtiger ist, dass der Verfasser seine Leser im Anschluss mit alternativen Regelungsmodellen europa- und völkerrechtlicher Provenienz vertraut macht, was für die Schärfung einer informiert-kritischen Haltung gegenüber internationalen Regelungseinflüssen wichtig ist und gleichzeitig eine gesamtheitliche Perspektive eröffnet. In Kapitel 4 erfolgt eine kurze Auseinandersetzung mit den Straftatbeständen zur Angestellten- und Beauftragtenbestechung in der Schweiz und Österreich. Dieser rechtsvergleichende „Ausflug“ ist von besonderer Aktualität getragen, weil beide Staaten ihr Korruptionsstrafrecht erst in jüngerer Vergangenheit reformiert haben; gleichzeitig sind die Neuregelungen auch für Staatsanwälte und Strafverteidiger in grenzüberschreitenden Korruptionsfällen von Interesse. Kapitel 5 beleuchtet den Versuch der deutschen Bundesregierung, § 299 StGB auf Basis des Strafrechtsänderungsgesetzes aus dem Jahr 2007 (BT Drs. 16/6558) weitreichend zu reformieren und internationalen Vorgaben anzupassen. In Kapitel 6 beschäftigt sich Walther mit dem Problemschwerpunkten bei der Umsetzung der internationalen Vorgaben in das deutsche Recht und beschließt seine Arbeit mit einem eigenständigen Vorschlag für eine Normierung des Privatbestechung, die sich in das System des deutschen Strafrechts einfügen, auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und auch den Anforderungen des Europa- und Völkerrechts gerecht werden soll. Dieser Vorschlag verdient schon deshalb eine vertiefende Betrachtung, weil er – im Unterschied zum vielfach kritisierten Strafrechtsänderungsgesetz aus 2007 – ohne einen Tatbestand auskommt, der allein die Treuebeziehung zwischen Angestelltem/Beauftragtem und Dienstherrn schützt und auf einen Wettbewerbsbezug verzichtet. Dies mag auf den ersten Blick verwundern, weil es gerade die von Walther untersuchten internationalen Übereinkommen sind, die diese Loyalitätsbeziehung für strafrechtlich schützenswert erklären, ohne dabei einen Vermögensschaden zu verlangen und diese insoweit als „amputierte Untreue“ durch die kriminalpolitische Arena hinken lassen. Eine Motivation für Walther, von dem diffusen Tatbestandsmerkmal einer „Pflichtverletzung“ Abstand zu nehmen, ist die nachvollziehbare Überlegung, dass hierdurch ein Rechtsgut geschützt würde, das nicht auf strafrechtliche Absicherung angewiesen ist (so bereits Mölders, Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, S. 156/157; neuerdings auch Schünemann, FS Achenbach, 509, 515 ff) und gleichzeitig der für korruptives Handeln typische Tauschcharakter verloren geht. Das ist m.E. der entscheidende Gesichtspunkt. Daneben sei, so Walther, ein solches Tatbestandsmerkmal nicht mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG zu vereinbaren.

In Anbetracht der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 266 StGB aus dem Jahre 2010 (Beschl. v. 23.6.2010, 2 BvR 2559/08) könnte man in Zweifel ziehen, ob sich der Vorschlag Walthers, auf das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung zu verzichten, durchsetzen wird. Es spricht vieles für die Annahme, dass die Bundesregierung bei der Vorlage eines neuen Strafrechtsänderungsgesetzes unter Rekurs auf die erwähnte Untreue-Rechtsprechung darauf hinweisen wird, dass das Verdikt der Verfassungswidrigkeit dadurch abgewandt werden kann, dass das Merkmal der Pflichtwidrigkeit restriktiv ausgelegt wird und beispielsweise nur schwerwiegende und evidente Pflichtverstöße erfasst werden. Diesem denkbaren Einwand will Walther durch den Hinweis begegnen, dass es, anders als bei der Untreue, an einem klar konturierten Rechtsgut fehlen würde, durch dessen Inbezugnahme das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit hinreichend präzisiert werden könnte. Weil die internationalen Modelle auf einen „Wettbewerbsbezug“ verzichten, erscheint es in der Tat bedenklich, ein reines Pflichtwidrigkeitsmodell zu installieren, dessen inhaltliche Belebung allein der Rechtsprechung überlassen bliebe.

Die Arbeit von Walther beeindruckt durch die konsequente Verfolgung eines überaus ambitionierten Zieles: Der Entwicklung eines neuen § 299 StGB, der sämtlichen internationalen Vorgaben gerecht wird. Die Lektüre der Abhandlung ist vor allem deshalb spannend, weil ihr Verfasser detailliert und gekonnt nachzeichnet, welchen europa- und völkerrechtlichen Zwängen Deutschland bei der Neugestaltung seines Korruptionsstrafrechts im Bereich des § 299 StGB unterworfen ist. Sich der Enge des Korsetts bewusst zu werden, ist deshalb wichtig, weil ansonsten keine konstruktive Kritik neuer Umsetzungsentwürfe der Bundesregierung möglich ist. Wenngleich die Arbeit von Walther damit eine starke kriminalpolitische Ausrichtung hat, so ist sie gleichzeitig ein Gewinn für alle Leser, die sich für die ungelösten Probleme des § 299 StGB interessieren. Will man zudem die Korruptionsbekämpfung „in ihren internationalen Bezügen“ erfassen, so bietet die Arbeit von Walther eine gut verständliche und lesbare Möglichkeit, dies zu tun.

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Walther,[1] Dissertation, Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr – Internationale Vorgaben und Deutsches Strafrecht, 2011

Adieu Tristesse: So groß, wie einige internationale Beobachter nach eher oberflächlicher Betrachtung meinen, ist die Anpassungsbedürftigkeit des deutschen Korruptionsstrafrechts an europa- und völkerrechtliche Vorgaben nicht (hierzu auch Rehyn/Rübenstahl, CCZ 2011, 161). Dieser Befund gilt auch für die zunehmend monographisch beleuchteten Tatbestände des § 299 StGB, die seit längerem Gegenstand vielfältiger Reformdiskussionen sind. Felix Walther hat dies in seiner von Satzger betreuten Dissertation mustergültig heraus gearbeitet.

Die gut lesbare und zu kritischer Auseinandersetzung anregende Arbeit besteht aus 7 Kapiteln. Nach einer terminologisch-empirischen Annäherung an seinen Untersuchungsgegenstand stellt der Autor die internationalen Vorgaben zur strafrechtlichen Behandlung von Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr dar (Kapitel 2) und analysiert im Anschluss daran, ob und inwieweit ihnen die geltende Rechtslage in Deutschland gerecht wird (Kapitel 3). Im Rahmen dieses Zentralkapitels beleuchtet Walther auch – und das macht die Lektüre unter kriminalpolitischen Gesichtspunkten besonders interessant – ob die einschlägigen europäischen Rechtsakte, das Strafrechtsübereinkommen des Europarates über Korruption und das UN-Übereinkommen gegen Korruption Anpassungsverpflichtungen für den deutschen Gesetzgeber erzeugen. Sollte es (immer noch) Zeitgenossen geben, die einen Beleg dafür benötigen, dass das deutsche Strafrecht auch in Brüssel, Straßburg und New York vorgeformt wird, so finden diese ihn in Kapitel 3 der vorliegenden Dissertation. Der Aufbau dieses Kapitels ist für den Leser gewinnbringend: Zum einen wird er zunächst durch die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 299 StGB und deren zahlreiche Problembereiche geführt, was für sich genommen zwar keine besonders hervorzuhebende Leistung ist, gleichwohl aber einen hilfreichen Nebeneffekt im Sinne eines praxisrelevanten Repetitoriums hat. Wichtiger ist, dass der Verfasser seine Leser im Anschluss mit alternativen Regelungsmodellen europa- und völkerrechtlicher Provenienz vertraut macht, was für die Schärfung einer informiert-kritischen Haltung gegenüber internationalen Regelungseinflüssen wichtig ist und gleichzeitig eine gesamtheitliche Perspektive eröffnet. In Kapitel 4 erfolgt eine kurze Auseinandersetzung mit den Straftatbeständen zur Angestellten- und Beauftragtenbestechung in der Schweiz und Österreich. Dieser rechtsvergleichende „Ausflug“ ist von besonderer Aktualität getragen, weil beide Staaten ihr Korruptionsstrafrecht erst in jüngerer Vergangenheit reformiert haben; gleichzeitig sind die Neuregelungen auch für Staatsanwälte und Strafverteidiger in grenzüberschreitenden Korruptionsfällen von Interesse. Kapitel 5 beleuchtet den Versuch der deutschen Bundesregierung, § 299 StGB auf Basis des Strafrechtsänderungsgesetzes aus dem Jahr 2007 (BT Drs. 16/6558) weitreichend zu reformieren und internationalen Vorgaben anzupassen. In Kapitel 6 beschäftigt sich Walther mit dem Problemschwerpunkten bei der Umsetzung der internationalen Vorgaben in das deutsche Recht und beschließt seine Arbeit mit einem eigenständigen Vorschlag für eine Normierung des Privatbestechung, die sich in das System des deutschen Strafrechts einfügen, auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und auch den Anforderungen des Europa- und Völkerrechts gerecht werden soll. Dieser Vorschlag verdient schon deshalb eine vertiefende Betrachtung, weil er – im Unterschied zum vielfach kritisierten Strafrechtsänderungsgesetz aus 2007 – ohne einen Tatbestand auskommt, der allein die Treuebeziehung zwischen Angestelltem/Beauftragtem und Dienstherrn schützt und auf einen Wettbewerbsbezug verzichtet. Dies mag auf den ersten Blick verwundern, weil es gerade die von Walther untersuchten internationalen Übereinkommen sind, die diese Loyalitätsbeziehung für strafrechtlich schützenswert erklären, ohne dabei einen Vermögensschaden zu verlangen und diese insoweit als „amputierte Untreue“ durch die kriminalpolitische Arena hinken lassen. Eine Motivation für Walther, von dem diffusen Tatbestandsmerkmal einer „Pflichtverletzung“ Abstand zu nehmen, ist die nachvollziehbare Überlegung, dass hierdurch ein Rechtsgut geschützt würde, das nicht auf strafrechtliche Absicherung angewiesen ist (so bereits Mölders, Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, S. 156/157; neuerdings auch Schünemann, FS Achenbach, 509, 515 ff) und gleichzeitig der für korruptives Handeln typische Tauschcharakter verloren geht. Das ist m.E. der entscheidende Gesichtspunkt. Daneben sei, so Walther, ein solches Tatbestandsmerkmal nicht mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG zu vereinbaren.

In Anbetracht der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 266 StGB aus dem Jahre 2010 (Beschl. v. 23.6.2010, 2 BvR 2559/08) könnte man in Zweifel ziehen, ob sich der Vorschlag Walthers, auf das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung zu verzichten, durchsetzen wird. Es spricht vieles für die Annahme, dass die Bundesregierung bei der Vorlage eines neuen Strafrechtsänderungsgesetzes unter Rekurs auf die erwähnte Untreue-Rechtsprechung darauf hinweisen wird, dass das Verdikt der Verfassungswidrigkeit dadurch abgewandt werden kann, dass das Merkmal der Pflichtwidrigkeit restriktiv ausgelegt wird und beispielsweise nur schwerwiegende und evidente Pflichtverstöße erfasst werden. Diesem denkbaren Einwand will Walther durch den Hinweis begegnen, dass es, anders als bei der Untreue, an einem klar konturierten Rechtsgut fehlen würde, durch dessen Inbezugnahme das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit hinreichend präzisiert werden könnte. Weil die internationalen Modelle auf einen „Wettbewerbsbezug“ verzichten, erscheint es in der Tat bedenklich, ein reines Pflichtwidrigkeitsmodell zu installieren, dessen inhaltliche Belebung allein der Rechtsprechung überlassen bliebe.

Die Arbeit von Walther beeindruckt durch die konsequente Verfolgung eines überaus ambitionierten Zieles: Der Entwicklung eines neuen § 299 StGB, der sämtlichen internationalen Vorgaben gerecht wird. Die Lektüre der Abhandlung ist vor allem deshalb spannend, weil ihr Verfasser detailliert und gekonnt nachzeichnet, welchen europa- und völkerrechtlichen Zwängen Deutschland bei der Neugestaltung seines Korruptionsstrafrechts im Bereich des § 299 StGB unterworfen ist. Sich der Enge des Korsetts bewusst zu werden, ist deshalb wichtig, weil ansonsten keine konstruktive Kritik neuer Umsetzungsentwürfe der Bundesregierung möglich ist. Wenngleich die Arbeit von Walther damit eine starke kriminalpolitische Ausrichtung hat, so ist sie gleichzeitig ein Gewinn für alle Leser, die sich für die ungelösten Probleme des § 299 StGB interessieren. Will man zudem die Korruptionsbekämpfung „in ihren internationalen Bezügen“ erfassen, so bietet die Arbeit von Walther eine gut verständliche und lesbare Möglichkeit, dies zu tun.

[1] Dr. Walther ist Preisträger des WisteV-Preis 2012.

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Matthias Dann, LL.M.
    Dr. Matthias Dann ist Rechtsanwalt und Partner der auf Wirtschafts- und Steuerstrafrecht spezialisierten Kanzlei Wessing und Partner in Düsseldorf. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählt u. a. die Beratung von Unternehmen in Wirtschaftsstrafsachen und Compliance-Fragen. Er ist Ansprechpartner für den Arbeitskreis „Wettbewerbs- und Korruptionsstrafrecht“ in der WisteV.

WiJ

  • Dr. Elias Schönborn , Jan Uwe Thiel

    Gesetzliche Regelungen zur Handy-Sicherstellung sind verfassungswidrig (Österreich)

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Tino Haupt

    Der Zugriff auf Fahrzeugdaten aus strafprozessualer Perspektive

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Florian Neuber

    Verteidigung ohne Grenzen?

    Internationales Strafrecht