Beschlüsse der Justizministerkonferenz: Unternehmensstrafrecht – Datenhehlerei – Abgeordnetenbestechung

Die Justizministerkonferenz hat am 15. November 2012 in Berlin getagt. Gegenstand der Tagung waren u. a. Diskussionen über die Einführung eines Unternehmensstrafrechts, einen neuen Straftatbestand „Datenhehlerei“ und eine Reform des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung. Die entsprechenden Beschlüsse deuten auf weitreichende Veränderungen im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts hin: So konkretisiert sich der Vorschlag zur Einführung eines speziellen Unternehmensstrafrechts (dazu unter I.). Zudem soll zur Schließung von Strafbarkeitslücken ein Tatbestand „Datenhehlerei“ geschaffen werden, der den Ankauf von Steuerdaten von der Strafbarkeit ausnimmt (dazu unter II.). Hinsichtlich des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung wurde eine Strafbarkeitserweiterung beschlossen. Die Vorschläge zu ihrer Umsetzung sind jedoch vielfältig (dazu unter III.).

I. Unternehmensstrafrecht

Die Justizministerkonferenz hat beschlossen, ihre Diskussion über die Einführung eines Unternehmensstrafrechts auf Basis einer Gesetzesinitiative, die von Nordrhein-Westfalen derzeit erarbeitet wird, fortzuführen. Nordrhein-Westfalen hatte bereits zuvor deutlich gemacht, dass es Sanktionsmöglichkeiten schaffen möchte, die über die bestehenden Maßnahmen des Verfalls und der Unternehmensgeldbuße deutlich hinausgehen. So soll eine Unternehmensstrafe geschaffen werden, deren Höhe sich am „Umsatz“ des Unternehmens orientiert und somit – als Ergebnis einer öffentlichen Hauptverhandlung gegen das Unternehmen – ein stärkeres Unwerturteil bedeute. Zudem werden als mögliche Sanktionsalternativen Ausschlüsse von öffentlichen Ausschreibungen, Steuervorteilen oder Subventionen und Tätigkeitsverbote bis hin zur Betriebsschließung sowie die Veröffentlichung der entsprechenden Gerichtsentscheidung genannt. Im Bericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vom 30. August 2012 heißt es hierzu:

„In dem vorliegenden Bericht der Landesregierung geht es (…) um die Darlegung von Lücken und einer Reformbedürftigkeit des geltenden Rechts im Bereich der Unternehmenssanktionierung sowie um das Aufzeigen von Möglichkeiten zu deren Behebung.

I.

Am 1. Oktober 2011 ist im Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen das Projekt „Vermögensabschöpfung und Sanktionenrecht“ gestartet worden. Kern des Projekts ist eine umfassende Untersuchung sowohl des Rechts der Vermögensabschöpfung als auch des Reform- und Optimierungsbedarfs im strafrechtlichen Sanktionenrecht insgesamt inklusive der Entwicklung von Lösungen bis hin zu Gesetzesänderungen. In diesem Zusammenhang wird unter anderem der Frage der Schaffung eines Unternehmensstrafrechts nachgegangen. Im Rahmen des Projekts sind insoweit bereits umfangreiche Erkenntnisse gewonnen worden.

II.

Innerhalb unserer heutigen Gesellschaft, das hat nicht zuletzt die Finanzkrise verdeutlicht, haben Wirtschaftsunternehmen wie beispielsweise Banken mehr denn je ein in ökonomischer und gesellschaftlicher Hinsicht großes Machtpotential. Dieses Machtpotential wird zum Teil auch in strafrechtlich relevanter Weise ausgenutzt. Zahlreiche Straftaten – nicht nur Wirtschafts-, sondern etwa auch Umwelt- und Korruptionsdelikte – werden aus Unternehmen heraus begangen. Solche Taten können, insbesondere wenn sie aus Großunternehmen heraus begangen werden, einen erheblichen Einfluss auf das wirtschaftliche und soziale Gefüge haben.

Die gegenwärtige Rechtslage in Deutschland ermöglicht eine Bestrafung nur von einzelnen natürlichen Personen, nicht jedoch von Unternehmen. Im Mittelpunkt der derzeitigen Unternehmenssanktionierung steht § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes, wonach bei einer aus dem Bereich eines Unternehmens begangenen Straftat unter bestimmten Voraussetzungen eine Geldbuße gegen das Unternehmen verhängt werden kann.

Die Prüfung der geltenden Rechtslage in dem genannten Projekt des Justizministeriums hat ergeben, dass selbst bei einer umfassenden Ausschöpfung der geltenden Vorschriften Lücken sowie Begrenzungen bei der Ahndung solcher Straftaten bestehen, die mit der Schaffung eines Unternehmensstrafrechts behoben werden könnten.

1.

Eine gesetzliche Lücke existiert in den Fällen der so genannten „organisierten Unverantwortlichkeit“. Darunter sind Konstellationen zu verstehen, in denen zweifelsfrei feststeht, dass eine Straftat aus einem Unternehmen heraus begangen wurde. Aufgrund komplexer organisatorischer Unternehmensstrukturen (Arbeitsteilung, Outsourcing etc.) ist es jedoch nicht möglich, die Tat einer Individualtäterin bzw. einem Individualtäter zuzuordnen. In diesen Fällen kann eine Unternehmensstraftat gar nicht, auch nicht gemäß § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes, sanktioniert werden.

2.

Bei der Sanktionierung von Unternehmen gemäß § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes gilt das Opportunitätsprinzip, das heißt eine Ahndung erfolgt nur bei Ausübung eines dahingehenden Ermessens. Bei der Strafverfolgung von Einzelpersonen, auch einzelner Unternehmensmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, gilt demgegenüber das Legalitätsprinzip (§§ 152 Absatz 2, 170 der Strafprozessordnung), es besteht also ein Verfolgungszwang. Es ist nicht einzusehen, dass die Verfolgung von Unternehmen in das Ermessen der Behörden gestellt wird, während Einzelpersonen grundsätzlich verfolgt werden müssen.

3.

Die Ahndung krimineller Unternehmen ist bisher dem Strafrecht entzogen. Mit Strafe belegt werden können nur einzelne Unternehmensmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Es kann daher zu einem Missverhältnis zwischen Unternehmenstat und etwaiger Individualstrafe kommen. So ist es vorstellbar, dass die Schuld der Einzelpersonen, die bei der Verwirklichung des Unternehmensdeliktes zusammengewirkt haben, gering ist. Dann wird sie vielfach außer Verhältnis zu den oftmals gravierenden Tatfolgen stehen. Um das zu vermeiden, muss das Unternehmen bei einer aus seiner Sphäre begangenen Straftat selbst in das Zentrum der Strafverfolgung rücken.

Während die Unternehmensgeldbuße gemäß § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes – wenn sie verhängt wird – ein bloßer Annex, also ein Anhängsel, in den Strafverfahren gegen einzelne Unternehmensangehörige ist, würde eine öffentliche Hauptverhandlung gegen das Unternehmen selbst dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit besser gerecht werden. Die Verhängung einer Strafe gegen ein Unternehmen würde zudem ein stärkeres Unwerturteil bedeuten als die bloße Anordnung eines Bußgeldes. Je öffentlicher, je tadelnder Rechtsfolgen gegen Unternehmen ausgestaltet sind, um so eher werden sich diese in Zukunft gehalten sehen, sich normgetreu zu verhalten.

4.

Der Ahndungsteil einer möglichen Unternehmensgeldbuße gemäß § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes ist bei einer Unternehmensstraftat grundsätzlich auf 1 Million Euro begrenzt. Ein solches Höchstmaß ist zu gering. Großunternehmen und -banken erwirtschaften zum Teil Milliardengewinne. Mit einer Straftat gehen solche Unternehmen bei der gegenwärtigen Rechtslage ein äußerst kalkulierbares Risiko ein. Angemessen wäre es, wenn eine Geldstrafe verhängt werden könnte, deren Höhe sich am Umsatz des in kriminelle Machenschaften verwickelten Unternehmens orientiert.

5.

Bislang können solche Unternehmen nur mit einer Zahlungssanktion – dem Bußgeld – belegt werden. Bei der Einführung eines Unternehmensstrafrechts stellt sich auch die Frage nach Sanktionsalternativen zu einer Geldstrafe für diese Unternehmen. Vorstellbar sind beispielsweise der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen, der Ausschluss von Steuervorteilen und Subventionen, Tätigkeitsverbote bis hin zur Betriebsschließung sowie die Veröffentlichung der Entscheidung, durch die eine Sanktion verhängt wurde.

III.

Im Rahmen der Prüfung der Einführung eines Unternehmensstrafrechts stellen sich hoch komplexe strafrechtsdogmatische und prozessuale Fragen. Hierzu gehören etwa die nach der Wahl des Haftungsmodells, nach der konkreten Verortung der erforderlichen gesetzgeberischen Änderungen sowie nach der Ausgestaltung von Regelungen für das Verfahren gegen ein Unternehmen. Die Befassung mit diesen Detailfragen dauert an.

Bereits festgehalten werden kann allerdings, dass unüberwindbare Hindernisse der Einführung eines Unternehmensstrafrechts nach Überzeugung der Landesregierung nicht entgegenstehen. Das gilt auch für das verfassungsrechtlich verankerte Schuldprinzip. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses zuletzt vorwiegend aus der Menschenwürdegarantie des Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes hergeleitet. Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes ist aber für Unternehmen nicht einschlägig, da diese nicht Träger von Menschenwürde sind. Das Schuldprinzip ist zudem seinem Inhalt nach nicht an die sozialethischen Maßstäbe des bisherigen strafrechtlichen Schuld- und Strafbegriffs gebunden. Auch eine Schuld von Unternehmen ist danach vorstellbar.

Der Einführung eines Unternehmensstrafrechts stehen auch sonstige grundlegende Rechtsgrundsätze nicht entgegen. Gleichheits- und Gerechtigkeitserwägungen legen eine solche vielmehr nahe.

(…).“[1]

II. Datenhehlerei

Die Justizministerkonferenz hat ihren Beschluss von der Frühjahrskonferenz 2012, einen neuen Straftatbestand „Datenhehlerei“ zu schaffen, bestätigt. Die Gesetzesinitiative soll im Frühjahr 2013 den Bundesrat passieren. Ausweislich des Beschlusses der Justizministerkonferenz soll

„der Straftatbestand (…) nicht den Erwerb von Daten erfassen, der ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dient (zum Beispiel Ankauf von Steuerdaten).“[2]

Das Justizministerium Hessen hat bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf gefertigt, der zur Zeit mit den anderen Justizministerien abgestimmt wird. Eine Freigabe des Entwurfes zur Veröffentlichung hat das hessische Justizministerium auf Anfrage abgelehnt. Insofern ist nicht bekannt, wie die Nichterfassung des Erwerbs von z. B. Steuerdaten gesetzestechnisch umgesetzt werden soll. Der Wortlaut des Beschlusses deutet auf die Schaffung eines einzelfallbezogenen Rechtfertigungsgrundes, vornehmlich zur Rechtfertigung staatlichen Handelns, hin. Dieser wäre in seiner Ausgestaltung ein Novum im deutschen Strafrecht.

Die Bundesjustizministerin lehnt den Ankauf von Steuerdaten weiterhin ab. Daher ist unklar, ob die Gesetzesinitiative in dieser Form auch die Zustimmung des Bundestages finden wird.

III. Abgeordnetenbestechung

Hinsichtlich des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung, § 108e StGB, sind sich die Justizministerinnen und Justizminister

„darüber einig, dass eine Neuregelung des Tatbestands der Abgeordnetenbestechung (§ 108e des Strafgesetzbuchs) überfällig ist.

2. Sie unterstützen das Anliegen, bei der Abgeordnetenbestechung bestehende Strafbarkeits-lücken zu schließen, damit bestehende Schieflagen beseitigt werden und internationalen Vorgaben[3] entsprochen wird.“[4]

Dass Nordrhein-Westfalen eine entsprechende Bundesratsinitiative erarbeitet, hat die Justizministerkonferenz „zur Kenntnis“ genommen. Eine derartige Initiative könnte an den kürzlich im Bundestag gescheiterten Gesetzesentwurf der SPD-Bundestagsfraktion angelehnt sein.[5] Auch die Bundestagsfraktionen Bündnis90/Die Grünen und Die Linke haben zur Neufassung des § 108e StGB Gesetzesentwürfe erarbeitet.[6] Der Rechtsausschuss des deutschen Bundestages hat am 17. Oktober 2012 eine Sachverständigenanhörung zu den entsprechenden Gesetzesentwürfen durchgeführt.[7] Wie sich der gesetzgeberische Wille konkretisiert, bleibt abzuwarten.


[:en]

Die Justizministerkonferenz hat am 15. November 2012 in Berlin getagt. Gegenstand der Tagung waren u. a. Diskussionen über die Einführung eines Unternehmensstrafrechts, einen neuen Straftatbestand „Datenhehlerei“ und eine Reform des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung. Die entsprechenden Beschlüsse deuten auf weitreichende Veränderungen im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts hin: So konkretisiert sich der Vorschlag zur Einführung eines speziellen Unternehmensstrafrechts (dazu unter I.). Zudem soll zur Schließung von Strafbarkeitslücken ein Tatbestand „Datenhehlerei“ geschaffen werden, der den Ankauf von Steuerdaten von der Strafbarkeit ausnimmt (dazu unter II.). Hinsichtlich des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung wurde eine Strafbarkeitserweiterung beschlossen. Die Vorschläge zu ihrer Umsetzung sind jedoch vielfältig (dazu unter III.).

I. Unternehmensstrafrecht

Die Justizministerkonferenz hat beschlossen, ihre Diskussion über die Einführung eines Unternehmensstrafrechts auf Basis einer Gesetzesinitiative, die von Nordrhein-Westfalen derzeit erarbeitet wird, fortzuführen. Nordrhein-Westfalen hatte bereits zuvor deutlich gemacht, dass es Sanktionsmöglichkeiten schaffen möchte, die über die bestehenden Maßnahmen des Verfalls und der Unternehmensgeldbuße deutlich hinausgehen. So soll eine Unternehmensstrafe geschaffen werden, deren Höhe sich am „Umsatz“ des Unternehmens orientiert und somit – als Ergebnis einer öffentlichen Hauptverhandlung gegen das Unternehmen – ein stärkeres Unwerturteil bedeute. Zudem werden als mögliche Sanktionsalternativen Ausschlüsse von öffentlichen Ausschreibungen, Steuervorteilen oder Subventionen und Tätigkeitsverbote bis hin zur Betriebsschließung sowie die Veröffentlichung der entsprechenden Gerichtsentscheidung genannt. Im Bericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vom 30. August 2012 heißt es hierzu:

„In dem vorliegenden Bericht der Landesregierung geht es (…) um die Darlegung von Lücken und einer Reformbedürftigkeit des geltenden Rechts im Bereich der Unternehmenssanktionierung sowie um das Aufzeigen von Möglichkeiten zu deren Behebung.

I.

Am 1. Oktober 2011 ist im Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen das Projekt „Vermögensabschöpfung und Sanktionenrecht“ gestartet worden. Kern des Projekts ist eine umfassende Untersuchung sowohl des Rechts der Vermögensabschöpfung als auch des Reform- und Optimierungsbedarfs im strafrechtlichen Sanktionenrecht insgesamt inklusive der Entwicklung von Lösungen bis hin zu Gesetzesänderungen. In diesem Zusammenhang wird unter anderem der Frage der Schaffung eines Unternehmensstrafrechts nachgegangen. Im Rahmen des Projekts sind insoweit bereits umfangreiche Erkenntnisse gewonnen worden.

II.

Innerhalb unserer heutigen Gesellschaft, das hat nicht zuletzt die Finanzkrise verdeutlicht, haben Wirtschaftsunternehmen wie beispielsweise Banken mehr denn je ein in ökonomischer und gesellschaftlicher Hinsicht großes Machtpotential. Dieses Machtpotential wird zum Teil auch in strafrechtlich relevanter Weise ausgenutzt. Zahlreiche Straftaten – nicht nur Wirtschafts-, sondern etwa auch Umwelt- und Korruptionsdelikte – werden aus Unternehmen heraus begangen. Solche Taten können, insbesondere wenn sie aus Großunternehmen heraus begangen werden, einen erheblichen Einfluss auf das wirtschaftliche und soziale Gefüge haben.

Die gegenwärtige Rechtslage in Deutschland ermöglicht eine Bestrafung nur von einzelnen natürlichen Personen, nicht jedoch von Unternehmen. Im Mittelpunkt der derzeitigen Unternehmenssanktionierung steht § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes, wonach bei einer aus dem Bereich eines Unternehmens begangenen Straftat unter bestimmten Voraussetzungen eine Geldbuße gegen das Unternehmen verhängt werden kann.

Die Prüfung der geltenden Rechtslage in dem genannten Projekt des Justizministeriums hat ergeben, dass selbst bei einer umfassenden Ausschöpfung der geltenden Vorschriften Lücken sowie Begrenzungen bei der Ahndung solcher Straftaten bestehen, die mit der Schaffung eines Unternehmensstrafrechts behoben werden könnten.

1.

Eine gesetzliche Lücke existiert in den Fällen der so genannten „organisierten Unverantwortlichkeit“. Darunter sind Konstellationen zu verstehen, in denen zweifelsfrei feststeht, dass eine Straftat aus einem Unternehmen heraus begangen wurde. Aufgrund komplexer organisatorischer Unternehmensstrukturen (Arbeitsteilung, Outsourcing etc.) ist es jedoch nicht möglich, die Tat einer Individualtäterin bzw. einem Individualtäter zuzuordnen. In diesen Fällen kann eine Unternehmensstraftat gar nicht, auch nicht gemäß § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes, sanktioniert werden.

2.

Bei der Sanktionierung von Unternehmen gemäß §30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes gilt das Opportunitätsprinzip, das heißt eine Ahndung erfolgt nur bei Ausübung eines dahingehenden Ermessens. Bei der Strafverfolgung von Einzelpersonen, auch einzelner Unternehmensmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, gilt demgegenüber das Legalitätsprinzip (§§ 152 Absatz 2, 170 der Strafprozessordnung), es besteht also ein Verfolgungszwang. Es ist nicht einzusehen, dass die Verfolgung von Unternehmen in das Ermessen der Behörden gestellt wird, während Einzelpersonen grundsätzlich verfolgt werden müssen.

3.

Die Ahndung krimineller Unternehmen ist bisher dem Strafrecht entzogen. Mit Strafe belegt werden können nur einzelne Unternehmensmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Es kann daher zu einem Missverhältnis zwischen Unternehmenstat und etwaiger Individualstrafe kommen. So ist es vorstellbar, dass die Schuld der Einzelpersonen, die bei der Verwirklichung des Unternehmensdeliktes zusammengewirkt haben, gering ist. Dann wird sie vielfach außer Verhältnis zu den oftmals gravierenden Tatfolgen stehen. Um das zu vermeiden, muss das Unternehmen bei einer aus seiner Sphäre begangenen Straftat selbst in das Zentrum der Strafverfolgung rücken.

Während die Unternehmensgeldbuße gemäß § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes – wenn sie verhängt wird – ein bloßer Annex, also ein Anhängsel, in den Strafverfahren gegen einzelne Unternehmensangehörige ist, würde eine öffentliche Hauptverhandlung gegen das Unternehmen selbst dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit besser gerecht werden. Die Verhängung einer Strafe gegen ein Unternehmen würde zudem ein stärkeres Unwerturteil bedeuten als die bloße Anordnung eines Bußgeldes. Je öffentlicher, je tadelnder Rechtsfolgen gegen Unternehmen ausgestaltet sind, um so eher werden sich diese in Zukunft gehalten sehen, sich normgetreu zu verhalten.

4.

Der Ahndungsteil einer möglichen Unternehmensgeldbuße gemäß § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes ist bei einer Unternehmensstraftat grundsätzlich auf 1 Million Euro begrenzt. Ein solches Höchstmaß ist zu gering. Großunternehmen und -banken erwirtschaften zum Teil Milliardengewinne. Mit einer Straftat gehen solche Unternehmen bei der gegenwärtigen Rechtslage ein äußerst kalkulierbares Risiko ein. Angemessen wäre es, wenn eine Geldstrafe verhängt werden könnte, deren Höhe sich am Umsatz des in kriminelle Machenschaften verwickelten Unternehmens orientiert.

5.

Bislang können solche Unternehmen nur mit einer Zahlungssanktion – dem Bußgeld – belegt werden. Bei der Einführung eines Unternehmensstrafrechts stellt sich auch die Frage nach Sanktionsalternativen zu einer Geldstrafe für diese Unternehmen. Vorstellbar sind beispielsweise der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen, der Ausschluss von Steuervorteilen und Subventionen, Tätigkeitsverbote bis hin zur Betriebsschließung sowie die Veröffentlichung der Entscheidung, durch die eine Sanktion verhängt wurde.

III.

Im Rahmen der Prüfung der Einführung eines Unternehmensstrafrechts stellen sich hoch komplexe strafrechtsdogmatische und prozessuale Fragen. Hierzu gehören etwa die nach der Wahl des Haftungsmodells, nach der konkreten Verortung der erforderlichen gesetzgeberischen Änderungen sowie nach der Ausgestaltung von Regelungen für das Verfahren gegen ein Unternehmen. Die Befassung mit diesen Detailfragen dauert an.

Bereits festgehalten werden kann allerdings, dass unüberwindbare Hindernisse der Einführung eines Unternehmensstrafrechts nach Überzeugung der Landesregierung nicht entgegenstehen. Das gilt auch für das verfassungsrechtlich verankerte Schuldprinzip. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses zuletzt vorwiegend aus der Menschenwürdegarantie des Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes hergeleitet. Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes ist aber für Unternehmen nicht einschlägig, da diese nicht Träger von Menschenwürde sind. Das Schuldprinzip ist zudem seinem Inhalt nach nicht an die sozialethischen Maßstäbe des bisherigen strafrechtlichen Schuld- und Strafbegriffs gebunden. Auch eine Schuld von Unternehmen ist danach vorstellbar.

Der Einführung eines Unternehmensstrafrechts stehen auch sonstige grundlegende Rechtsgrundsätze nicht entgegen. Gleichheits- und Gerechtigkeitserwägungen legen eine solche vielmehr nahe.

(…).“[1]

II. Datenhehlerei

Die Justizministerkonferenz hat ihren Beschluss von der Frühjahrskonferenz 2012, einen neuen Straftatbestand „Datenhehlerei“ zu schaffen, bestätigt. Die Gesetzesinitiative soll im Frühjahr 2013 den Bundesrat passieren. Ausweislich des Beschlusses der Justizministerkonferenz soll

„der Straftatbestand (…) nicht den Erwerb von Daten erfassen, der ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dient (zum Beispiel Ankauf von Steuerdaten).“[2]

Das Justizministerium Hessen hat bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf gefertigt, der zur Zeit mit den anderen Justizministerien abgestimmt wird. Eine Freigabe des Entwurfes zur Veröffentlichung hat das hessische Justizministerium auf Anfrage abgelehnt. Insofern ist nicht bekannt, wie die Nichterfassung des Erwerbs von z. B. Steuerdaten gesetzestechnisch umgesetzt werden soll. Der Wortlaut des Beschlusses deutet auf die Schaffung eines einzelfallbezogenen Rechtfertigungsgrundes, vornehmlich zur Rechtfertigung staatlichen Handelns, hin. Dieser wäre in seiner Ausgestaltung ein Novum im deutschen Strafrecht.

Die Bundesjustizministerin lehnt den Ankauf von Steuerdaten weiterhin ab. Daher ist unklar, ob die Gesetzesinitiative in dieser Form auch die Zustimmung des Bundestages finden wird.

III. Abgeordnetenbestechung

Hinsichtlich des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung, § 108e StGB, sind sich die Justizministerinnen und Justizminister

„darüber einig, dass eine Neuregelung des Tatbestands der Abgeordnetenbestechung (§ 108e des Strafgesetzbuchs) überfällig ist.

2. Sie unterstützen das Anliegen, bei der Abgeordnetenbestechung bestehende Strafbarkeits-lücken zu schließen, damit bestehende Schieflagen beseitigt werden und internationalen Vorgaben[3] entsprochen wird.“[4]

Dass Nordrhein-Westfalen eine entsprechende Bundesratsinitiative erarbeitet, hat die Justizministerkonferenz „zur Kenntnis“ genommen. Eine derartige Initiative könnte an den kürzlich im Bundestag gescheiterten Gesetzesentwurf der SPD-Bundestagsfraktion angelehnt sein.[5] Auch die Bundestagsfraktionen Bündnis90/Die Grünen und Die Linke haben zur Neufassung des § 108e StGB Gesetzesentwürfe erarbeitet.[6] Der Rechtsausschuss des deutschen Bundestages hat am 17. Oktober 2012 eine Sachverständigenanhörung zu den entsprechenden Gesetzesentwürfen durchgeführt.[7] Wie sich der gesetzgeberische Wille konkretisiert, bleibt abzuwarten.


[1] Bericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vom 30. August 2012 – „Ministerpräsidentin und Justizminister fordern Unternehmensstrafrecht“, abrufbar unter www.landtag-nrw.de unter der Vorlagennummer 16/123.

[2] Beschluss der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 15. November 2012 in Berlin zu TOP II.9, abrufbar unter:

http://www.hmdj.hessen.de/irj/HMdJ_Internet?cid=8fc1a82e00b3916584a41930968653e2.

[3] Zu beachtende internationale Vorgaben sind das Strafrechtsübereinkommen des Europarates gegen Korruption vom 27. Januar 1999 (abrufbar unter:

http://www.conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=173&;;CM=1&DF=02/12/2012&CL=GER) und das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (BT-Drs. 17/5932, S. 4 ff.), welche Deutschland unterzeichnet, aber bisher nicht ratifiziert hat.

[4] Beschluss der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 15. November 2012 in Berlin zu TOP II.2, abrufbar unter:

http://www.hmdj.hessen.de/irj/HMdJ_Internet?cid=8fc1a82e00b3916584a41930968653e2 .

[5] BT-Drs. 17/8613.

[6] BT-Drs. 17/5933 bzw. BT-Drs. 17/1412.

WiJ

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    Svenja Jutta Luise Karl, Die Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen. Kritik und Verbesserungsvorschläge unter besonderer Berücksichtigung des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens.

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