Rut Groneberg: Whistleblowing
Eine rechtsvergleichende Untersuchung des US-amerikanischen, englischen und deutschen Rechts unter besonderer Berücksichtigung des Entwurfs eines neuen § 612a BGB
Duncker & Humblot, Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht, Passau 2011, 351 Seiten.
Der Begriff Whistleblowing ist bis heute nicht allgemeingültig definiert, aber gleichwohl seit einigen Jahren fester Bestandteil des alltäglichen Sprachgebrauchs im Bereich der Compliance. Umso mutiger erscheint der Versuch Rut Gronebergs in ihrer durch Klaus Schurig an der Universität Passau betreuten Dissertation, das Phänomen rechtsvergleichend zu untersuchen, dessen Diskussion durch die (zum Zeitpunkt der Erstellung der Dissertation noch nicht ergangene und daher nicht dargestellte) Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Juli 2011 (Heinisch ./. Deutschland, Nr. 28274/08) zum Fall einer wegen einer Strafanzeige wegen Betruges gekündigten Altenpflegerin in der jüngsten Vergangenheit noch einmal neue Impulse erhalten hat.
Im einleitenden ersten Teil befasst sich Groneberg mit einigen Beispielen zum Thema Whistleblowing (allen voran mit dem sicherlich bekanntesten Beispiel Enron) und steckt mit einer weiten Definition des Begriffes Whistleblowing den äußeren Rahmen ihrer Arbeit ab. Hierbei unterscheidet sie zwischen der Meldung arbeitsplatzbezogener Missstände und Fehlverhaltens und der (im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht behandelten) Weigerung eines Arbeitnehmers, illegale Handlungen vorzunehmen, sowie zwischen internem und externem Whistleblowing. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, das Aufdecken von Fehlern liege im Interesse einer Organisation und Whistleblowing sei daher eine effektive Form, vorhandene Ressourcen zu nutzen, überrascht. Groneberg unterscheidet an dieser Stelle nämlich nicht hinreichend zwischen internem und externem Whistleblowing. Während ihre Wertung in Fällen des internen Whistleblowings sicherlich Zustimmung verdient, ist sie für Fälle des externen Whistleblowings nicht hinreichend unterfüttert. Hier werden Unternehmensinteressen und Interessen der Allgemeinheit miteinander vermengt. Dies ist insbesondere auch deshalb bedauerlich, da Groneberg nach einer kurzen Betrachtung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Akzeptanz, beispielsweise in den USA und in Deutschland, die unterschiedlichen Interessen der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und der Allgemeinheit im Folgenden klar voneinander abgrenzt. Abgerundet wird der erste Teil der Darstellung mit einer Übersicht über Whistleblowing-bezogene Maßnahmen internationaler (Regierungs- und Nichtregierungs-)Organisationen.
Im zweiten Teil der Arbeit bietet Groneberg einen umfassenden Überblick über die arbeitsrechtlichen Aspekte des Whistleblowings in England und den USA. Hierfür zeigt sie nach einer kurzen Einführung in das System des Common Law sowie das Arbeitsrecht und die Gerichtsbarkeit in England und den USA zunächst die Entwicklung des Whistleblowing-Rechtes in beiden Jurisdiktionen hin zum Public Interest Disclosure Act 1998 (PIDA 1988) in England und der sehr viel unübersichtlicheren US-amerikanischen Gesetzgebung auf. Es folgen Ausführungen zu persönlichem und sachlichem Geltungsbereich, den Adressaten der Offenlegung, der Bedeutung der Motive des Hinweisgebers und Fragen der Rechtsdurchsetzung. Zu all diesen Aspekten gibt Groneberg auch jeweils einen rechtsvergleichenden Überblick, in dem sie Gegensätze und Gemeinsamkeiten der amerikanischen und englischen Rechtslage sorgfältig und trotzdem übersichtlich darstellt.
Im dritten Teil, gleichsam dem Kernstück ihrer Arbeit, beschäftigt sich Groneberg mit der bestehenden rechtlichen Situation des Whistleblowings in Deutschland und beschreibt die ihrer Auffassung nach erforderliche gesetzliche Regelung.
Dabei geht die Autorin im Rahmen der Analyse des Ist-Zustandes davon aus, dass in den deutschen Tochterunternehmen US-amerikanischer Konzerne zunehmend Ethikrichtlinien erlassen werden, die ihre Mitarbeiter dazu verpflichten, jegliche Verstöße gegen Gesetze, Verordnungen sowie die internen Richtlinien zu melden. Dies ist aber sicherlich nur ein Teil der Realität. Daneben stehen die vielen Unternehmen, die ihren Mitarbeitern und Dritten keine Verpflichtung auferlegen, sondern (internes) Whistleblowing als eine wertvolle Art und Weise, von Missständen im Unternehmen Kenntnis zu erlangen, betrachten.
Auch die lediglich in den Raum gestellte Behauptung, es werde erkannt, dass es eines umfassenden Schutzes vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen bedürfe, damit Mitteilungen von Arbeitnehmern gefördert werden, dürfte mit einem Fragezeichen zu versehen sein. Die Erfahrungen der Praxis jedenfalls spiegelt eine solche Aussage nur unzureichend wider. Sicherlich ist der Autorin zuzustimmen, dass die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes potentielle Hinweisgeber von einer Kontaktaufnahme mit den hierzu im Unternehmen Berufenen (ebenso wie mit der Staatsanwaltschaft oder anderen Behörden) abzuschrecken vermag. Damit ist aber nicht die Frage beantwortet, ob eine (gegebenenfalls rein symbolische) Gesetzgebung hieran etwas zu ändern vermag.
Dass tatsächlich auch nach bisherigem Recht ein – wie im Arbeitsrecht insgesamt nicht unüblich – zu einem großen Teil von der Rechtsprechung entwickelter Schutz von Arbeitnehmern vor ungerechtfertigten Kündigungen im Zusammenhang mit Whistleblowing-Fällen besteht, weist die Autorin selbst nach, indem sie die Rechtslage für Fälle internen Whistleblowings präzise und übersichtlich unter den Gesichtspunkten des Maßregelverbotes, der Schadenabwendungs- und der Interessenwahrungspflicht, der Verschwiegenheitspflicht und der Wahrung der betrieblichen Ordnung darstellt. Groneberg selbst kommt in diesem Zusammenhang zu dem Ergebnis, dass „interne Beanstandungen einem weitgehenden Schutz unterliegen“ (S. 221). Etwas anders stellt sich die Situation, so Groneberg, für Fälle des externen Whistleblowings dar, wobei sie zwischen Hinweisen gegenüber Strafverfolgungsbehörden und anderen Behörden einerseits und Hinweisen gegenüber der Öffentlichkeit (womit sie in erster Linie Hinweise an die Presse meint) differenziert.
Hinsichtlich der Hinweise an Strafverfolgungsbehörden zeigt sie zunächst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesarbeitsgerichtes auf, wonach eine Kündigung eines Arbeitnehmers auf Grund einer Aussage gegenüber Strafverfolgungsbehörden jedenfalls dann nicht zulässig ist, wenn die Arbeitnehmeranzeige keine unverhältnismäßige Reaktion auf ein Arbeitgeberverhalten ist. Zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit einer Anzeige hat das Bundesarbeitsgericht einige Kriterien herausgearbeitet; hiernach soll der Versuch einer vorherigen unternehmensinternen Klärung unzumutbar (und die Anzeige daher verhältnismäßig) sein bei schwerwiegenden Straftaten, bei vom Arbeitgeber selbst begangenen Straftaten, wenn interne Abhilfe nicht zu erwarten ist oder wenn sich der Arbeitnehmer durch die Nichtanzeige selbst der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt. Auf der anderen Seite spricht eine Schädigungsabsicht des Arbeitnehmers regelmäßig gegen die Verhältnismäßigkeit der Anzeige und somit für die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Anschließend verneint die Autorin überzeugend die Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf das öffentliche Dienstrecht.
Hinsichtlich Anzeigen gegenüber anderen Behörden gibt Groneberg zunächst eine Übersicht über die gesetzlichen Vorschriften, die derartige Meldungen spezifisch vorsehen – zu nennen sind hier beispielsweise § 4g Abs. 1 S. 2 BDSG und § 17 Abs. 2 S. 1 ArbSchG. Auf der bundesgerichtlichen Ebene zeigt Groneberg sodann die Entwicklung der Rechtsprechung auf, wonach der Arbeitnehmer gegebenenfalls (als milderes Mittel) gegenüber rechtswidrigen Anweisungen des Arbeitgebers die Arbeit verweigern kann und andererseits zu differenzieren ist zwischen gewöhnlichen Beschäftigten und Beschäftigen mit besonderen Positionen (wie zum Beispiel dem Strahlenschutzbeauftragten). Daneben gilt aber nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1991 auch im Zusammenhang mit Anzeigen gegenüber anderen Behörden wiederum, dass Anzeigeerstatter, die mit bloßer Schädigungsabsicht handeln, nicht schutzwürdig sind. Auf der landesarbeitsgerichtlichen Ebene nimmt die Autorin sodann im Zusammenhang mit Whistleblowing gegenüber Behörden eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg aus dem Jahr 1976 zum Anlass für Kritik. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung eines Schweißers, der zunächst intern und später auch extern gegenüber dem Gesundheitsamt und der Gewerbeaufsicht Bedenken über die Gesundheitsschädlichkeit seiner Schweißarbeit erhoben hatte, aufrechterhalten und dies damit begründet, der Arbeitnehmer hätte sich durch die Benutzung einer Atemschutzmaske selbst schützen können. Abgesehen davon, dass diese Entscheidung, worauf Groneberg auch hinweist, heftige Kritik erfahren hat, zeigt sie in der Folge aber auf, dass auch in Fällen des Whistleblowings gegenüber anderen Behörden die Rechtsprechung (des LAG Köln, aber auch des LAG Baden-Württemberg) mittlerweile arbeitnehmerfreundlich ist.
Soweit es schließlich Hinweise an die Öffentlichkeit (welche hier totum pro parte in erster Linie für die Medien steht) betrifft, ist nach der Darstellung Gronebergs stets eine Einzelfallabwägung unter Beachtung von Art. 5 Abs. 1 GG vorzunehmen. Im Folgenden zeigt sie, unter anderem anhand der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte, auf, dass auch in diesem Zusammenhang dem Vorliegen oder der Abwesenheit einer Schädigungsabsicht in der Person des Hinweisgebers eine bedeutsame Rolle zukommt.
Zusammenfassend legt Groneberg dar, dass sich der Rechtsprechung entnehmen lasse, dass es „grundsätzlich erforderlich [sei], die Motivation einzubeziehen und im Rahmen der Zumutbarkeit vor einer Strafanzeige auf eine interne Abhilfe hinzuwirken“ (S. 231). Dem Hinweisgeber, der sich an die Öffentlichkeit wendet, seien dagegen engere Grenzen gesetzt; die Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen sei „nur bei der Enthüllung schwerwiegender Missstände“ (S. 232) gerechtfertigt.
Es fällt schwer nachzuvollziehen, warum die Autorin anschließend gleichwohl der Ansicht ist, dass es einer gesetzgeberischen Maßnahme bedürfe. Als Begründung hierfür führt Groneberg mangelnde Rechtssicherheit und Klarheit ins Feld. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Ausführungen zu dem in Deutschland sehr weitgehenden arbeitsrechtlichen Schutz des Hinweisgebers ist es aber nicht überraschend, dass Groneberg in ihrem eigenen Vorschlag einer gesetzlichen Regelung nur an wenigen Stellen wirkliche Neuerungen liefert: Ihre Kritik, eine (im Gesetzesvorschlag verschiedener Bundesministerien aus dem Jahr 2008 angelegte) Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und anderen Beschäftigten führe zu unnötigen Abgrenzungsschwierigkeiten, verdient Zustimmung. Ihr hiergegen gerichteter Vorschlag, auch zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte und auf Grund wirtschaftlicher Unselbständigkeit arbeitnehmerähnliche Personen in den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Regelung aufzunehmen, ist ebenso folgerichtig wie die Erstreckung auf Bewerber und ehemalige Arbeitnehmer.
Überzeugend sind insbesondere auch die Ausführungen zum sachlichen Anwendungsbereich einer Regelung. In der Tat ist bei vielen von Unternehmen eingerichteten Whistleblowing-Systemen nicht hinreichend deutlich definiert, für welche Art von Regelungsverstößen ein Meldungskanal eröffnet ist. Und auch die Rechtsprechung ist in diesem Zusammenhang (notwendig) unpräzise und nicht abschließend. Wenn Groneberg daher vorschlägt, eine gesetzliche Regelung müsse Hinweise auf strafbare und nicht strafbare Regelverstöße sowie vergangene, gegenwärtige und zukünftige Schäden erfassen, so geht dies sehr weit, bietet aber den nicht zu leugnenden Vorteil der Klarheit einer gesetzlichen Regelung und vermeidet Regelungslücken.
Im Übrigen erschöpft sich Gronebergs Vorschlag im Wesentlichen in einer Zusammenfassung der durch die Rechtsprechung bereits aufgestellten Grundsätze, wobei sie in dankenswerter Klarheit Schwächen des ministeriellen Entwurfes eines neuen § 612a BGB aufzeigt.
Deutliche Kritik verdienen Gronebergs Ausführungen dahingegen, wenn sie die Forderung aufstellt, in der Gesetzesbegründung zu einem neuen § 612a BGB solle unmissverständlich hervorgehoben werden, dass die Motive eines Hinweises unbeachtlich seien. Groneberg begründet diese Forderung letztlich damit, der Whistleblower handele „unabhängig von seiner Motivation(,) objektiv im Interesse der Öffentlichkeit, wenn er auf tatsächlich bestehende Missstände aufmerksam macht“, er sei daher „in dieser Konstellation stets schutzwürdig“. Unabhängig davon, dass es dem Sinn des PIDA 1998 entsprechen mag, „Hinweise im öffentlichen Interesse zu schützen“ (Verweis auf S. 152), stellt dies keine Antwort auf die Frage dar, warum das deutsche Recht eine solche Sichtweise übernehmen soll.
Soweit die Autorin im rechtsvergleichenden Teil das englische und amerikanische Recht untersucht hat, um auf diese Weise „Kriterien effektiver und ausgewogener Schutzinstrumente“ auch in Deutschland herauszuarbeiten (S. 234), überzeugen ihre Ausführungen wenig: Es fehlt eine tragfähige Begründung dafür, warum die Grundsätze ausländischen Rechtes an dieser Stelle in deutsches Recht übernommen werden sollen. So bleiben auch die Ausführungen der Autorin de lege ferenda wenig einleuchtend: Dass es beispielsweise einer eindeutigen Formulierung bedarf, dass das Interesse der Allgemeinheit an der Aufdeckung von Missständen in die Interessenabwägung einzubeziehen ist, ist in dieser Form ein bloßes Postulat, welches die Autorin nicht belegt.
Gleichwohl ist die vorliegende Arbeit Gronebergs gerade auch für den Praktiker lesenswert, da sie einen umfassenden und gut lesbaren Überblick über die in erster Linie durch die Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Verhältnismäßigkeit von Hinweisen an Behörden und die Öffentlichkeit bietet, wobei insbesondere die klare Differenzierung zwischen Strafverfolgungsbehörden und anderen Behörden positiv hervorzuheben ist.
[:en]
Eine rechtsvergleichende Untersuchung des US-amerikanischen, englischen und deutschen Rechts unter besonderer Berücksichtigung des Entwurfs eines neuen § 612a BGB
Duncker & Humblot, Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht, Passau 2011, 351 Seiten.
Der Begriff Whistleblowing ist bis heute nicht allgemeingültig definiert, aber gleichwohl seit einigen Jahren fester Bestandteil des alltäglichen Sprachgebrauchs im Bereich der Compliance. Umso mutiger erscheint der Versuch Rut Gronebergs in ihrer durch Klaus Schurig an der Universität Passau betreuten Dissertation, das Phänomen rechtsvergleichend zu untersuchen, dessen Diskussion durch die (zum Zeitpunkt der Erstellung der Dissertation noch nicht ergangene und daher nicht dargestellte) Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Juli 2011 (Heinisch ./. Deutschland, Nr. 28274/08) zum Fall einer wegen einer Strafanzeige wegen Betruges gekündigten Altenpflegerin in der jüngsten Vergangenheit noch einmal neue Impulse erhalten hat.
Im einleitenden ersten Teil befasst sich Groneberg mit einigen Beispielen zum Thema Whistleblowing (allen voran mit dem sicherlich bekanntesten Beispiel Enron) und steckt mit einer weiten Definition des Begriffes Whistleblowing den äußeren Rahmen ihrer Arbeit ab. Hierbei unterscheidet sie zwischen der Meldung arbeitsplatzbezogener Missstände und Fehlverhaltens und der (im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht behandelten) Weigerung eines Arbeitnehmers, illegale Handlungen vorzunehmen, sowie zwischen internem und externem Whistleblowing. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, das Aufdecken von Fehlern liege im Interesse einer Organisation und Whistleblowing sei daher eine effektive Form, vorhandene Ressourcen zu nutzen, überrascht. Groneberg unterscheidet an dieser Stelle nämlich nicht hinreichend zwischen internem und externem Whistleblowing. Während ihre Wertung in Fällen des internen Whistleblowings sicherlich Zustimmung verdient, ist sie für Fälle des externen Whistleblowings nicht hinreichend unterfüttert. Hier werden Unternehmensinteressen und Interessen der Allgemeinheit miteinander vermengt. Dies ist insbesondere auch deshalb bedauerlich, da Groneberg nach einer kurzen Betrachtung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Akzeptanz, beispielsweise in den USA und in Deutschland, die unterschiedlichen Interessen der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und der Allgemeinheit im Folgenden klar voneinander abgrenzt. Abgerundet wird der erste Teil der Darstellung mit einer Übersicht über Whistleblowing-bezogene Maßnahmen internationaler (Regierungs- und Nichtregierungs-)Organisationen.
Im zweiten Teil der Arbeit bietet Groneberg einen umfassenden Überblick über die arbeitsrechtlichen Aspekte des Whistleblowings in England und den USA. Hierfür zeigt sie nach einer kurzen Einführung in das System des Common Law sowie das Arbeitsrecht und die Gerichtsbarkeit in England und den USA zunächst die Entwicklung des Whistleblowing-Rechtes in beiden Jurisdiktionen hin zum Public Interest Disclosure Act 1998 (PIDA 1988) in England und der sehr viel unübersichtlicheren US-amerikanischen Gesetzgebung auf. Es folgen Ausführungen zu persönlichem und sachlichem Geltungsbereich, den Adressaten der Offenlegung, der Bedeutung der Motive des Hinweisgebers und Fragen der Rechtsdurchsetzung. Zu all diesen Aspekten gibt Groneberg auch jeweils einen rechtsvergleichenden Überblick, in dem sie Gegensätze und Gemeinsamkeiten der amerikanischen und englischen Rechtslage sorgfältig und trotzdem übersichtlich darstellt.
Im dritten Teil, gleichsam dem Kernstück ihrer Arbeit, beschäftigt sich Groneberg mit der bestehenden rechtlichen Situation des Whistleblowings in Deutschland und beschreibt die ihrer Auffassung nach erforderliche gesetzliche Regelung.
Dabei geht die Autorin im Rahmen der Analyse des Ist-Zustandes davon aus, dass in den deutschen Tochterunternehmen US-amerikanischer Konzerne zunehmend Ethikrichtlinien erlassen werden, die ihre Mitarbeiter dazu verpflichten, jegliche Verstöße gegen Gesetze, Verordnungen sowie die internen Richtlinien zu melden. Dies ist aber sicherlich nur ein Teil der Realität. Daneben stehen die vielen Unternehmen, die ihren Mitarbeitern und Dritten keine Verpflichtung auferlegen, sondern (internes) Whistleblowing als eine wertvolle Art und Weise, von Missständen im Unternehmen Kenntnis zu erlangen, betrachten.
Auch die lediglich in den Raum gestellte Behauptung, es werde erkannt, dass es eines umfassenden Schutzes vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen bedürfe, damit Mitteilungen von Arbeitnehmern gefördert werden, dürfte mit einem Fragezeichen zu versehen sein. Die Erfahrungen der Praxis jedenfalls spiegelt eine solche Aussage nur unzureichend wider. Sicherlich ist der Autorin zuzustimmen, dass die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes potentielle Hinweisgeber von einer Kontaktaufnahme mit den hierzu im Unternehmen Berufenen (ebenso wie mit der Staatsanwaltschaft oder anderen Behörden) abzuschrecken vermag. Damit ist aber nicht die Frage beantwortet, ob eine (gegebenenfalls rein symbolische) Gesetzgebung hieran etwas zu ändern vermag.
Dass tatsächlich auch nach bisherigem Recht ein – wie im Arbeitsrecht insgesamt nicht unüblich – zu einem großen Teil von der Rechtsprechung entwickelter Schutz von Arbeitnehmern vor ungerechtfertigten Kündigungen im Zusammenhang mit Whistleblowing-Fällen besteht, weist die Autorin selbst nach, indem sie die Rechtslage für Fälle internen Whistleblowings präzise und übersichtlich unter den Gesichtspunkten des Maßregelverbotes, der Schadenabwendungs- und der Interessenwahrungspflicht, der Verschwiegenheitspflicht und der Wahrung der betrieblichen Ordnung darstellt. Groneberg selbst kommt in diesem Zusammenhang zu dem Ergebnis, dass „interne Beanstandungen einem weitgehenden Schutz unterliegen“ (S. 221). Etwas anders stellt sich die Situation, so Groneberg, für Fälle des externen Whistleblowings dar, wobei sie zwischen Hinweisen gegenüber Strafverfolgungsbehörden und anderen Behörden einerseits und Hinweisen gegenüber der Öffentlichkeit (womit sie in erster Linie Hinweise an die Presse meint) differenziert.
Hinsichtlich der Hinweise an Strafverfolgungsbehörden zeigt sie zunächst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesarbeitsgerichtes auf, wonach eine Kündigung eines Arbeitnehmers auf Grund einer Aussage gegenüber Strafverfolgungsbehörden jedenfalls dann nicht zulässig ist, wenn die Arbeitnehmeranzeige keine unverhältnismäßige Reaktion auf ein Arbeitgeberverhalten ist. Zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit einer Anzeige hat das Bundesarbeitsgericht einige Kriterien herausgearbeitet; hiernach soll der Versuch einer vorherigen unternehmensinternen Klärung unzumutbar (und die Anzeige daher verhältnismäßig) sein bei schwerwiegenden Straftaten, bei vom Arbeitgeber selbst begangenen Straftaten, wenn interne Abhilfe nicht zu erwarten ist oder wenn sich der Arbeitnehmer durch die Nichtanzeige selbst der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt. Auf der anderen Seite spricht eine Schädigungsabsicht des Arbeitnehmers regelmäßig gegen die Verhältnismäßigkeit der Anzeige und somit für die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Anschließend verneint die Autorin überzeugend die Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf das öffentliche Dienstrecht.
Hinsichtlich Anzeigen gegenüber anderen Behörden gibt Groneberg zunächst eine Übersicht über die gesetzlichen Vorschriften, die derartige Meldungen spezifisch vorsehen – zu nennen sind hier beispielsweise § 4g Abs. 1 S. 2 BDSG und § 17 Abs. 2 S. 1 ArbSchG. Auf der bundesgerichtlichen Ebene zeigt Groneberg sodann die Entwicklung der Rechtsprechung auf, wonach der Arbeitnehmer gegebenenfalls (als milderes Mittel) gegenüber rechtswidrigen Anweisungen des Arbeitgebers die Arbeit verweigern kann und andererseits zu differenzieren ist zwischen gewöhnlichen Beschäftigten und Beschäftigen mit besonderen Positionen (wie zum Beispiel dem Strahlenschutzbeauftragten). Daneben gilt aber nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1991 auch im Zusammenhang mit Anzeigen gegenüber anderen Behörden wiederum, dass Anzeigeerstatter, die mit bloßer Schädigungsabsicht handeln, nicht schutzwürdig sind. Auf der landesarbeitsgerichtlichen Ebene nimmt die Autorin sodann im Zusammenhang mit Whistleblowing gegenüber Behörden eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg aus dem Jahr 1976 zum Anlass für Kritik. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung eines Schweißers, der zunächst intern und später auch extern gegenüber dem Gesundheitsamt und der Gewerbeaufsicht Bedenken über die Gesundheitsschädlichkeit seiner Schweißarbeit erhoben hatte, aufrechterhalten und dies damit begründet, der Arbeitnehmer hätte sich durch die Benutzung einer Atemschutzmaske selbst schützen können. Abgesehen davon, dass diese Entscheidung, worauf Groneberg auch hinweist, heftige Kritik erfahren hat, zeigt sie in der Folge aber auf, dass auch in Fällen des Whistleblowings gegenüber anderen Behörden die Rechtsprechung (des LAG Köln, aber auch des LAG Baden-Württemberg) mittlerweile arbeitnehmerfreundlich ist.
Soweit es schließlich Hinweise an die Öffentlichkeit (welche hier totum pro parte in erster Linie für die Medien steht) betrifft, ist nach der Darstellung Gronebergs stets eine Einzelfallabwägung unter Beachtung von Art. 5 Abs. 1 GG vorzunehmen. Im Folgenden zeigt sie, unter anderem anhand der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte, auf, dass auch in diesem Zusammenhang dem Vorliegen oder der Abwesenheit einer Schädigungsabsicht in der Person des Hinweisgebers eine bedeutsame Rolle zukommt.
Zusammenfassend legt Groneberg dar, dass sich der Rechtsprechung entnehmen lasse, dass es „grundsätzlich erforderlich [sei], die Motivation einzubeziehen und im Rahmen der Zumutbarkeit vor einer Strafanzeige auf eine interne Abhilfe hinzuwirken“ (S. 231). Dem Hinweisgeber, der sich an die Öffentlichkeit wendet, seien dagegen engere Grenzen gesetzt; die Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen sei „nur bei der Enthüllung schwerwiegender Missstände“ (S. 232) gerechtfertigt.
Es fällt schwer nachzuvollziehen, warum die Autorin anschließend gleichwohl der Ansicht ist, dass es einer gesetzgeberischen Maßnahme bedürfe. Als Begründung hierfür führt Groneberg mangelnde Rechtssicherheit und Klarheit ins Feld. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Ausführungen zu dem in Deutschland sehr weitgehenden arbeitsrechtlichen Schutz des Hinweisgebers ist es aber nicht überraschend, dass Groneberg in ihrem eigenen Vorschlag einer gesetzlichen Regelung nur an wenigen Stellen wirkliche Neuerungen liefert: Ihre Kritik, eine (im Gesetzesvorschlag verschiedener Bundesministerien aus dem Jahr 2008 angelegte) Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und anderen Beschäftigten führe zu unnötigen Abgrenzungsschwierigkeiten, verdient Zustimmung. Ihr hiergegen gerichteter Vorschlag, auch zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte und auf Grund wirtschaftlicher Unselbständigkeit arbeitnehmerähnliche Personen in den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Regelung aufzunehmen, ist ebenso folgerichtig wie die Erstreckung auf Bewerber und ehemalige Arbeitnehmer.
Überzeugend sind insbesondere auch die Ausführungen zum sachlichen Anwendungsbereich einer Regelung. In der Tat ist bei vielen von Unternehmen eingerichteten Whistleblowing-Systemen nicht hinreichend deutlich definiert, für welche Art von Regelungsverstößen ein Meldungskanal eröffnet ist. Und auch die Rechtsprechung ist in diesem Zusammenhang (notwendig) unpräzise und nicht abschließend. Wenn Groneberg daher vorschlägt, eine gesetzliche Regelung müsse Hinweise auf strafbare und nicht strafbare Regelverstöße sowie vergangene, gegenwärtige und zukünftige Schäden erfassen, so geht dies sehr weit, bietet aber den nicht zu leugnenden Vorteil der Klarheit einer gesetzlichen Regelung und vermeidet Regelungslücken.
Im Übrigen erschöpft sich Gronebergs Vorschlag im Wesentlichen in einer Zusammenfassung der durch die Rechtsprechung bereits aufgestellten Grundsätze, wobei sie in dankenswerter Klarheit Schwächen des ministeriellen Entwurfes eines neuen § 612a BGB aufzeigt.
Deutliche Kritik verdienen Gronebergs Ausführungen dahingegen, wenn sie die Forderung aufstellt, in der Gesetzesbegründung zu einem neuen § 612a BGB solle unmissverständlich hervorgehoben werden, dass die Motive eines Hinweises unbeachtlich seien. Groneberg begründet diese Forderung letztlich damit, der Whistleblower handele „unabhängig von seiner Motivation(,) objektiv im Interesse der Öffentlichkeit, wenn er auf tatsächlich bestehende Missstände aufmerksam macht“, er sei daher „in dieser Konstellation stets schutzwürdig“. Unabhängig davon, dass es dem Sinn des PIDA 1998 entsprechen mag, „Hinweise im öffentlichen Interesse zu schützen“ (Verweis auf S. 152), stellt dies keine Antwort auf die Frage dar, warum das deutsche Recht eine solche Sichtweise übernehmen soll.
Soweit die Autorin im rechtsvergleichenden Teil das englische und amerikanische Recht untersucht hat, um auf diese Weise „Kriterien effektiver und ausgewogener Schutzinstrumente“ auch in Deutschland herauszuarbeiten (S. 234), überzeugen ihre Ausführungen wenig: Es fehlt eine tragfähige Begründung dafür, warum die Grundsätze ausländischen Rechtes an dieser Stelle in deutsches Recht übernommen werden sollen. So bleiben auch die Ausführungen der Autorin de lege ferenda wenig einleuchtend: Dass es beispielsweise einer eindeutigen Formulierung bedarf, dass das Interesse der Allgemeinheit an der Aufdeckung von Missständen in die Interessenabwägung einzubeziehen ist, ist in dieser Form ein bloßes Postulat, welches die Autorin nicht belegt.
Gleichwohl ist die vorliegende Arbeit Gronebergs gerade auch für den Praktiker lesenswert, da sie einen umfassenden und gut lesbaren Überblick über die in erster Linie durch die Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Verhältnismäßigkeit von Hinweisen an Behörden und die Öffentlichkeit bietet, wobei insbesondere die klare Differenzierung zwischen Strafverfolgungsbehörden und anderen Behörden positiv hervorzuheben ist.