Schwarze Kassen und Kickbacks unter Privaten
Tagungsbericht zur Internationalen Tagung am Max-Planck-Institut für Strafrecht am 16.11.2012 in Freiburg i. Br.
Am 16.11.2012 fand eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zu „Schwarze Kassen und Kickbacks unter Privaten“ statt, die in Kooperation durch das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, das Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und die WisteV e.V. in den Räumen des MPI in Freiburg i. Br. veranstaltet wurde.
Das Freiburger Institut gehört seit 1966 der Max-Planck-Gesellschaft an. Bereits davor hatte es unter der Führung seines ersten Direktors Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Heinrich Jescheck eine klare rechtsvergleichende Ausrichtung erhalten und diese bis heute beibehalten. 1970 kam ein kriminologisch orientierter Forschungsschwerpunkt hinzu. In einer Welt, in der sich räumliche Distanzen leichter und schneller überbrücken lassen und in der wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen – einschließlich strafbaren Handelns – nicht mehr an nationalen Grenzen Halt machen, wird gerade im Wirtschaftsstrafrecht die Berührung mit fremdem Strafrecht immer häufiger. Damit wächst auch das in Deutschland in einzigartiger Weise durch das Freiburger MPI gestillte Informationsbedürfnis bezüglich ausländischer Rechtsordnungen. Vor diesem Hintergrund erschien es ideal, dass eine rechtsvergleichende Tagung zur strafrechtlichen Ahndung zentraler Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität – der Bestechung unter Privaten – in Deutschland, Frankreich, Italien, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und den USA am bestens ausgestatteten Sitz des MPI stattfinden konnte.
Der Direktor des MPI, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ulrich Sieber, stellte zunächst das MPI und seine aktuellen Forschungsschwerpunkte vor, führte kurz in die Thematik der Veranstaltung ein und übernahm anschließend – zusammen mit dem Leiter des Referats Wirtschaftsstrafrecht, Dr.Marc Engelhart – die Moderation der Veranstaltung. Rechtsanwalt Dr. Markus Rübenstahl machte die ca. 50 Teilnehmer mit der mitveranstaltenden WisteV e.V. bekannt, erläuterte knapp das – insbesondere im Zusammenhang mit multinationalen unternehmensinternen Untersuchungen stehende – Interesse des Praktikers an der strafrechtlichen Einordnung von Vorteilsgewährungen im geschäftlichen Verkehr und skizzierte den der Rechtsvergleichung hier zugrunde zu legenden Praxisfall: Die A-AG verkauft der B-GmbH Waren für EUR 300 Mio. trotz günstigerer Konkurrenzangebote, nachdem V (aus dem mittleren Management der A) dem E – dem für den Einkauf zuständigen Mitglied der Geschäftsleitung von B – EUR 15 Mio. für die Auftragsvergabe versprochen hatte. V überwies EUR 15 Mio. von A als Honorar für fiktive Beratungsleistungen zunächst an die schweizerische Domizilgesellschaft X – auf deren Konto V allein Zugriff hat – und von dort aus auf ein offshore-Konto des E. Der Aufwand wird bei A als Betriebsausgabe verbucht und in Steuererklärung und Bilanz gewinnmildernd berücksichtigt. Aus den jeweils sehr umfangreichen Vorträgen und Falllösungen der Referenten können im Folgenden nur einzelne Punkte herausgegriffen werden:
Aus der Perspektive des deutschen Strafrechts offerierte Prof. Dr. Walter Perron (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) umfassende Lösungsvorschläge hinsichtlich des geschilderten Ausgangsfalles sowie der zahlreichen den Referenten aufgegebenen Fallvarianten. Perrons Ausführungen zur Bestechung im geschäftlichen Verkehr waren insbesondere insofern von Interesse, als er – im Gegensatz zu einigen Stimmen in der Literatur – eine Strafbarkeit des Vorteilsnehmers E nach § 299 Abs. 1 StGB für diejenige Fallvariante ablehnte, dass E Alleingesellschafter der B-GmbH und damit wirtschaftlich betrachtet Inhaber ist. Eher kritisch befasste sich Perron mit der aus Rechtsprechungssicht regelmäßig bereits aufgrund der Zahlung des Schmiergelds an die „schwarze Kasse“ X gegebenen Untreuestrafbarkeit des V. Insofern sah der Referent – trotz der bestätigenden Rechtsprechung des BVerfG – die Gefahr einer Überdehnung des Untreuetatbestands durch die Rechtsprechung, möglicherweise mit dem Ziel der Umgehung von Beweisschwierigkeiten im Hinblick auf Bestechungstatbestände.
Sodann stellte Avocat au barreau Stephane Bonifassi (Lebray & Associes, Paris) eingehend und fallorientiert die französische Rechtslage dar. Aus deutscher Sicht war es besonders interessant zu erfahren, dass Frankreich erst 2007 eine dem § 299 StGB in der Reichweite annähernd entsprechende Strafnorm eingeführt hat, die bislang offenbar in der Strafverfolgungspraxis noch nicht sonderlich intensiv – wenn auch wohl mit steigender Tendenz – herangezogen wird. Zudem könnte V auch einen Betrugstatbestand nach französischem Recht (zu Lasten der B-GmbH) verwirklicht haben, da es nicht auf Kenntnis und Zustimmung des E allein ankomme, sondern auf die unverfälschte Willensbildung der juristischen Person bei der Auftragsvergabe abzustellen sei. Hinsichtlich von A und V stehe zudem ein untreueähnlicher Tatbestand des seit 1994 geltenden französischen Unternehmensstrafrechts im Raum, der den Missbrauch von Unternehmensmitteln unter Strafe stellt; hieraus können sich überdies Schadensersatzansprüche gegen V ergeben. Bilanzstraftaten und Kartell- oder Wettbewerbsdelikte seien in Frankreich entweder nicht einschlägig oder jedenfalls für derartige Sachverhalte ohne praktische Bedeutung. Hinsichtlich des Aufwands für die Bestechung Privater sei es derzeit im Übrigen nicht sicher, dass dessen steuerliche Geltendmachung eine Steuerhinterziehung darstelle, da unklar sei, ob derartige Zahlungen – wie in der Vergangenheit der Fall – noch steuerlich abzugsfähig sind.
Anschließend stellte Prof. Vincenzo Militello (Università di Palermo) ausführlich und mit großem Vertiefungsgrad das einschlägige italienische Recht dar. Er ging hierbei eingangs besonders auf das neue Gesetz Nr. 190 vom 6. November 2012 zur Reform des italienischen Korruptionsstrafrechts ein, das am 28. November 2012 in Kraft trat. Hier war insbesondere der geänderte Art. 2635 des Zivilgesetzbuchs (Codice Civile) Gegenstand seiner Erläuterungen, der als Teil des Gesellschaftsstrafrechts – und somit nur für Handelsgesellschaften – nunmehr explizit Bestechung unter Privaten mit einer Freiheitsstrafe bedroht. Trotz einer Ausgestaltung als relatives Antragsdelikt sei aufgrund der Reform mit einer erheblichen Ausweitung des Anwendungsbereichs und seiner praktischen Relevanz zu rechnen. Dies sei u.a. darauf zurückzuführen, dass neuerdings auch die Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung durch Angehörige des mittleren Managements durch die Vorschrift erfasst sei und eine Strafverfolgung auch ohne Strafantrag der Gesellschaft zulässig sei, wenn die Tat zu einer Wettbewerbsverzerrung geführt hat. Weiter sei aus Unternehmenssicht wichtig, dass der Gesetzgeber die Vorschrift auch in den Katalog derjenigen Straftaten einbezogen hat, die die strafrechtsähnliche Unternehmenshaftung gemäß dem Legislativdekret Nr. 231/2001 eröffnen. Es sei – anders als nach bisheriger Rechtslage – damit zu rechnen, dass Fälle wie der Ausgangsfall und seine Abwandlungen nach Art. 2635 des Zivilgesetzbuchs (bei Störung des Wettbewerbs von Amts wegen) verfolgt werden können. Eine Anwendbarkeit auf zwischenstaatliche Sachverhalte und ausländische Gesellschaften mit Sitz im Ausland könne nicht ausgeschlossen werden, da in der italienischen Rechtsprechung eine sehr weitgehende Anwendung der Rechtsfigur des faktischen Funktionsträgers (Geschäftsführers usw.) verbreitet sei, so dass die Verwendung von legaldefinierten Begrifflichkeiten in Art. 2635 kein zwingender Hinderungsgrund sein müsse. Praktisch ohne große Bedeutung dürften hingegen aufgrund der seit 2005 kurzen Verjährungsfristen und der Strafbarkeitsschwellenwerte die Bilanzdelikte der Art. 2621, 2621 des Zivilgesetzbuchs bleiben. Zweifelhaft sei auch die Anwendbarkeit des Unterschlagungstatbestands Art. 646 des italienischen Strafgesetzbuchs (Codice Penale) auf die Verwendung von Unternehmensvermögen als Bestechungsgeld.
Frau Prof. Dr. Marianne Hilf (Universität St. Gallen) erläuterte nach einer kurzen Pause sodann umfänglich, systematisch und mit großem didaktischen Geschick die komplexe Rechtslage in der Schweiz. Zunächst beschrieb sie den Anwendungsbereich des hier regelmäßig einschlägigen Tatbestands der Privatbestechung gem. Art. 4a UWG der Schweiz. Anders als nach deutschem Recht sei dieser jedoch nicht anwendbar, wenn der Geschäftsherr den Vorteil genehmige. Einen Schwerpunkt der Darstellung machte die Beschreibung und Subsumtion der untreueähnlichen Tatbestände, insbesondere des Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 StGB-CH (Ungetreue Geschäftsbesorgung) – der nach h.M. wohl hinsichtlich des V einschlägig wäre – aus. Ein Betrug hingegen sei wie nach deutschem Strafrecht abzulehnen, da der entscheidungsbefugte E bei B nicht getäuscht worden ist. Aus Sicht des deutschen Zuhörers überraschend komme für das Handeln des V grundsätzlich auch eine Strafbarkeit wegen Geldwäscherei nach Art. 305bis Ziff. 1 StGB-CH in Betracht, da das Schweizerische Strafrecht auch den Täter der Haupttat erfasst. Interessant ist auch, dass die Verwirklichung des an sich passenden Tatbestands der Falschbeurkundung (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB-CH) hinsichtlich der Verbuchung des Schmiergelds als Beraterhonorar zweifelhaft ist, weil diesbezüglich wohl nur eine nicht tatbestandsrelevante schriftliche Lüge vorliege, denn Bestechungsaufwand für Private sei jedenfalls bei einer rein steuerlichen Betrachtung nicht von der Abzugsfähigkeit ausgeschlossen. Der E habe hingegen – trotz des großen, nicht deklarierten Betrages des empfangenen Schmiergelds durch die steuerliche Nichtgeltendmachung – nur eine mit Geldbuße von 1/3 bis dem 3-fachen des Hinterziehungsbetrags sanktionierte steuerliche Übertretung, aber keine Straftat begangen. Zu denken sei – soweit es zu Straftaten gekommen sei – an das Unternehmensstrafrecht (Art. 102 StGB-CH).
Im Anschluss gab der erfahrene Barrister Monty Raphael QC (Peters & Peters, London) in launig-ironischer Form einen praxisnahen, ergebnisbezogenen Überblick über die Rechtslage in England und Wales, dessen Schwerpunkte im verfahrenstatsächlichen Bereich lagen. Raphael wies zunächst darauf hin, dass der erste gesetzlich umschriebene Korruptionstatbestand im privaten Bereich bereits 1906 in das britische Strafrecht eingeführt wurde; mit Strafe bedroht wurde die Bestechung von Hausangestellten, wenn diese zum Nachteil ihrer Arbeitgeber durch Abschluss wirtschaftlich unvorteilhafter Verträge über deren Vermögen disponierten. Seit jeher sieht hingegen das Case Law einen Straftatbestand des „misconduct of public officials“ vor, unter den die Bestechung und die Bestechlichkeit von Amtsträgern subsumiert werden. Der am 1. Juli 2011 in Kraft getretene UK Bribery Act von 2010 löste sämtliche bestehende Straftatbestände ab und führte einen einheitlichen Tatbestand der Bestechung und Bestechlichkeit ein, der sowohl auf die Amtsträgerbestechung als auch auf die Bestechung im geschäftlichen Verkehr anwendbar ist. Bislang sei erst ein einziger Fall mit Bagatellcharakter angeklagt und abgeurteilt worden. Auch perspektivisch sieht Raphael keinen Strafverfolgungsschwerpunkt der britischen Behörden im Korruptionsstrafrecht oder im Wirtschaftsstrafrecht überhaupt. Die – zukünftige – Praxisrelevanz insbesondere der Strafbarkeit der Bestechung im geschäftlichen Verkehr wurde von Raphael besonders stark in Zweifel gezogen, da er davon ausgeht, dass die Strafverfolgungsbehörden im Rahmen ihres breiten Ermessens andere Prioritäten in der Strafverfolgung setzen würden, u.a. auch, weil es hier keine attraktiven Abschöpfungsmöglichkeiten gebe. Dies alles, obwohl der Tatbestand des Bribery Act auf Fälle wie den vorliegenden regelmäßig anwendbar sei, da dessen Anforderungen gering seien; insbesondere sei es nicht erforderlich, dass der Nehmer außer der Annahme des Vorteils eine konkrete Handlung ausführe. Nicht einschlägig sei hier für die Geberseite das „statute law“ zur Geldwäsche („money laundering“) von 2002, da das Geld noch nicht aus einer Straftat resultiere. Der „Fraud Act“, der grundsätzlich einen Missbrauch der beruflichen Position – wie hier durch V und E – unter Strafe stelle, könnte an sich zur Anwendung kommen, auch insofern sei allerdings nicht mit Anklagen zu rechnen. Entsprechendes gelte für das – mangels Abzugsfähigkeit von Schmiergeldern – ebenfalls einschlägige Steuerstrafrecht. Denkbar sei allenfalls, dass die Behörden gegenüber Unternehmen ermitteln und auf ein „deferred prosecution agreement“ mit der Folge von Bußgeldern und zivilrechtlichen Abschöpfungsmaßnahmen („disgorgement“) ohne Prozess hinarbeiten.
Abschließend stellte der ehemalige US-Bundesstaatsanwalt Robert J. Cleary (Proskauer Rose LLP, New York) das einschlägige US-Strafrecht vor. Auch er hielt einführend fest, dass er in der Praxis nicht mit einer intensiven Verfolgung von (bloßen) Bestechungsstraftaten im geschäftlichen Verkehr rechne, dies jedenfalls bisher sehr selten geschehe, obwohl es mit § 299 StGB vergleichbare, anwendbare Straftatbestände durchaus gebe. Zwar stelle ein Bundesgesetz die Bestechung unter Privaten nicht direkt unter Strafe, jedoch können über die Vorschriften des sogenannten „Travel Act“ bei bundesstaatsübergreifendem Bezug („interstate commerce“) auch durch Bundesstaatsanwälte die entsprechenden Straftatbestände der Einzelstaaten zur „commercial bribery“ herangezogen werden. Daneben sei auch eine Verfolgung über die sehr weitreichenden Vorschriften zum „Mail and Wire Fraud“ denkbar. Auch über den Buchhaltungs- und Bilanzierungstatbestand des US Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) von 1977 kann jedenfalls die Verbuchung von Bestechungsaufwand unter unzutreffender Bezeichnung, d.h. wenn dieser nicht eindeutig als Schmiergeld bezeichnet ist, strafrechtlich verfolgt werden. Bei einer steuerlichen Geltendmachung werden typischerweise auch Steuerstraftaten verwirklicht, wobei die Behörden allerdings primär dem steuerlichen und nicht dem strafrechtlichen Aspekt nachgehen würden. Allerdings existierten Spezialtatbestände für bestimmte Sektoren (Finanzsektor, Gesundheitssektor), die ein Verhalten wie das von V und E mit Strafe bedrohten und die aufgrund der vorgegebenen Prioritäten der Bundesstaatsanwaltschaften („overriding federal interest“) auch effektiv zur Anwendung gebracht würden.
Dr. Engelhart fasste abschließend die Ergebnisse der Tagung zusammen, was ihm angesichts der nicht unerheblichen Unterschiede der behandelten Rechtsordnungen eine erhebliche Befähigung zur Synthese abnötigte. Schließlich konnten die zahlreichen, durch die Vorträge stimulierten Diskussionen im Rahmen des get together mit Buffet fortgesetzt werden. Ein schlussendlicher Höhepunkt für die rechtsvergleichend besonders interessierten Gäste war die Führung Dr. Engelharts durch die Räumlichkeiten, insbesondere die Bibliothek des MPI mit ihrem in Deutschland und Europa wohl unübertroffenen strafrechtlichen Bestand von über 400.000 Bänden, zu denen jährlich nach wie vor ca. 10.000 Bände hinzu kommen.
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Tagungsbericht zur Internationalen Tagung am Max-Planck-Institut für Strafrecht am 16.11.2012 in Freiburg i. Br.
Am 16.11.2012 fand eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zu „Schwarze Kassen und Kickbacks unter Privaten“ statt, die in Kooperation durch das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, das Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und die WisteV e.V. in den Räumen des MPI in Freiburg i. Br. veranstaltet wurde.
Das Freiburger Institut gehört seit 1966 der Max-Planck-Gesellschaft an. Bereits davor hatte es unter der Führung seines ersten Direktors Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Heinrich Jescheck eine klare rechtsvergleichende Ausrichtung erhalten und diese bis heute beibehalten. 1970 kam ein kriminologisch orientierter Forschungsschwerpunkt hinzu. In einer Welt, in der sich räumliche Distanzen leichter und schneller überbrücken lassen und in der wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen – einschließlich strafbaren Handelns – nicht mehr an nationalen Grenzen Halt machen, wird gerade im Wirtschaftsstrafrecht die Berührung mit fremdem Strafrecht immer häufiger. Damit wächst auch das in Deutschland in einzigartiger Weise durch das Freiburger MPI gestillte Informationsbedürfnis bezüglich ausländischer Rechtsordnungen. Vor diesem Hintergrund erschien es ideal, dass eine rechtsvergleichende Tagung zur strafrechtlichen Ahndung zentraler Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität – der Bestechung unter Privaten – in Deutschland, Frankreich, Italien, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und den USA am bestens ausgestatteten Sitz des MPI stattfinden konnte.
Der Direktor des MPI, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ulrich Sieber, stellte zunächst das MPI und seine aktuellen Forschungsschwerpunkte vor, führte kurz in die Thematik der Veranstaltung ein und übernahm anschließend – zusammen mit dem Leiter des Referats Wirtschaftsstrafrecht, Dr.Marc Engelhart – die Moderation der Veranstaltung. Rechtsanwalt Dr. Markus Rübenstahl machte die ca. 50 Teilnehmer mit der mitveranstaltenden WisteV e.V. bekannt, erläuterte knapp das – insbesondere im Zusammenhang mit multinationalen unternehmensinternen Untersuchungen stehende – Interesse des Praktikers an der strafrechtlichen Einordnung von Vorteilsgewährungen im geschäftlichen Verkehr und skizzierte den der Rechtsvergleichung hier zugrunde zu legenden Praxisfall: Die A-AG verkauft der B-GmbH Waren für EUR 300 Mio. trotz günstigerer Konkurrenzangebote, nachdem V (aus dem mittleren Management der A) dem E – dem für den Einkauf zuständigen Mitglied der Geschäftsleitung von B – EUR 15 Mio. für die Auftragsvergabe versprochen hatte. V überwies EUR 15 Mio. von A als Honorar für fiktive Beratungsleistungen zunächst an die schweizerische Domizilgesellschaft X – auf deren Konto V allein Zugriff hat – und von dort aus auf ein offshore-Konto des E. Der Aufwand wird bei A als Betriebsausgabe verbucht und in Steuererklärung und Bilanz gewinnmildernd berücksichtigt. Aus den jeweils sehr umfangreichen Vorträgen und Falllösungen der Referenten können im Folgenden nur einzelne Punkte herausgegriffen werden:
Aus der Perspektive des deutschen Strafrechts offerierte Prof. Dr. Walter Perron (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) umfassende Lösungsvorschläge hinsichtlich des geschilderten Ausgangsfalles sowie der zahlreichen den Referenten aufgegebenen Fallvarianten. Perrons Ausführungen zur Bestechung im geschäftlichen Verkehr waren insbesondere insofern von Interesse, als er – im Gegensatz zu einigen Stimmen in der Literatur – eine Strafbarkeit des Vorteilsnehmers E nach § 299 Abs. 1 StGB für diejenige Fallvariante ablehnte, dass E Alleingesellschafter der B-GmbH und damit wirtschaftlich betrachtet Inhaber ist. Eher kritisch befasste sich Perron mit der aus Rechtsprechungssicht regelmäßig bereits aufgrund der Zahlung des Schmiergelds an die „schwarze Kasse“ X gegebenen Untreuestrafbarkeit des V. Insofern sah der Referent – trotz der bestätigenden Rechtsprechung des BVerfG – die Gefahr einer Überdehnung des Untreuetatbestands durch die Rechtsprechung, möglicherweise mit dem Ziel der Umgehung von Beweisschwierigkeiten im Hinblick auf Bestechungstatbestände.
Sodann stellte Avocat au barreau Stephane Bonifassi (Lebray & Associes, Paris) eingehend und fallorientiert die französische Rechtslage dar. Aus deutscher Sicht war es besonders interessant zu erfahren, dass Frankreich erst 2007 eine dem § 299 StGB in der Reichweite annähernd entsprechende Strafnorm eingeführt hat, die bislang offenbar in der Strafverfolgungspraxis noch nicht sonderlich intensiv – wenn auch wohl mit steigender Tendenz – herangezogen wird. Zudem könnte V auch einen Betrugstatbestand nach französischem Recht (zu Lasten der B-GmbH) verwirklicht haben, da es nicht auf Kenntnis und Zustimmung des E allein ankomme, sondern auf die unverfälschte Willensbildung der juristischen Person bei der Auftragsvergabe abzustellen sei. Hinsichtlich von A und V stehe zudem ein untreueähnlicher Tatbestand des seit 1994 geltenden französischen Unternehmensstrafrechts im Raum, der den Missbrauch von Unternehmensmitteln unter Strafe stellt; hieraus können sich überdies Schadensersatzansprüche gegen V ergeben. Bilanzstraftaten und Kartell- oder Wettbewerbsdelikte seien in Frankreich entweder nicht einschlägig oder jedenfalls für derartige Sachverhalte ohne praktische Bedeutung. Hinsichtlich des Aufwands für die Bestechung Privater sei es derzeit im Übrigen nicht sicher, dass dessen steuerliche Geltendmachung eine Steuerhinterziehung darstelle, da unklar sei, ob derartige Zahlungen – wie in der Vergangenheit der Fall – noch steuerlich abzugsfähig sind.
Anschließend stellte Prof. Vincenzo Militello (Università di Palermo) ausführlich und mit großem Vertiefungsgrad das einschlägige italienische Recht dar. Er ging hierbei eingangs besonders auf das neue Gesetz Nr. 190 vom 6. November 2012 zur Reform des italienischen Korruptionsstrafrechts ein, das am 28. November 2012 in Kraft trat. Hier war insbesondere der geänderte Art. 2635 des Zivilgesetzbuchs (Codice Civile) Gegenstand seiner Erläuterungen, der als Teil des Gesellschaftsstrafrechts – und somit nur für Handelsgesellschaften – nunmehr explizit Bestechung unter Privaten mit einer Freiheitsstrafe bedroht. Trotz einer Ausgestaltung als relatives Antragsdelikt sei aufgrund der Reform mit einer erheblichen Ausweitung des Anwendungsbereichs und seiner praktischen Relevanz zu rechnen. Dies sei u.a. darauf zurückzuführen, dass neuerdings auch die Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung durch Angehörige des mittleren Managements durch die Vorschrift erfasst sei und eine Strafverfolgung auch ohne Strafantrag der Gesellschaft zulässig sei, wenn die Tat zu einer Wettbewerbsverzerrung geführt hat. Weiter sei aus Unternehmenssicht wichtig, dass der Gesetzgeber die Vorschrift auch in den Katalog derjenigen Straftaten einbezogen hat, die die strafrechtsähnliche Unternehmenshaftung gemäß dem Legislativdekret Nr. 231/2001 eröffnen. Es sei – anders als nach bisheriger Rechtslage – damit zu rechnen, dass Fälle wie der Ausgangsfall und seine Abwandlungen nach Art. 2635 des Zivilgesetzbuchs (bei Störung des Wettbewerbs von Amts wegen) verfolgt werden können. Eine Anwendbarkeit auf zwischenstaatliche Sachverhalte und ausländische Gesellschaften mit Sitz im Ausland könne nicht ausgeschlossen werden, da in der italienischen Rechtsprechung eine sehr weitgehende Anwendung der Rechtsfigur des faktischen Funktionsträgers (Geschäftsführers usw.) verbreitet sei, so dass die Verwendung von legaldefinierten Begrifflichkeiten in Art. 2635 kein zwingender Hinderungsgrund sein müsse. Praktisch ohne große Bedeutung dürften hingegen aufgrund der seit 2005 kurzen Verjährungsfristen und der Strafbarkeitsschwellenwerte die Bilanzdelikte der Art. 2621, 2621 des Zivilgesetzbuchs bleiben. Zweifelhaft sei auch die Anwendbarkeit des Unterschlagungstatbestands Art. 646 des italienischen Strafgesetzbuchs (Codice Penale) auf die Verwendung von Unternehmensvermögen als Bestechungsgeld.
Frau Prof. Dr. Marianne Hilf (Universität St. Gallen) erläuterte nach einer kurzen Pause sodann umfänglich, systematisch und mit großem didaktischen Geschick die komplexe Rechtslage in der Schweiz. Zunächst beschrieb sie den Anwendungsbereich des hier regelmäßig einschlägigen Tatbestands der Privatbestechung gem. Art. 4a UWG der Schweiz. Anders als nach deutschem Recht sei dieser jedoch nicht anwendbar, wenn der Geschäftsherr den Vorteil genehmige. Einen Schwerpunkt der Darstellung machte die Beschreibung und Subsumtion der untreueähnlichen Tatbestände, insbesondere des Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 StGB-CH (Ungetreue Geschäftsbesorgung) – der nach h.M. wohl hinsichtlich des V einschlägig wäre – aus. Ein Betrug hingegen sei wie nach deutschem Strafrecht abzulehnen, da der entscheidungsbefugte E bei B nicht getäuscht worden ist. Aus Sicht des deutschen Zuhörers überraschend komme für das Handeln des V grundsätzlich auch eine Strafbarkeit wegen Geldwäscherei nach Art. 305bis Ziff. 1 StGB-CH in Betracht, da das Schweizerische Strafrecht auch den Täter der Haupttat erfasst. Interessant ist auch, dass die Verwirklichung des an sich passenden Tatbestands der Falschbeurkundung (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB-CH) hinsichtlich der Verbuchung des Schmiergelds als Beraterhonorar zweifelhaft ist, weil diesbezüglich wohl nur eine nicht tatbestandsrelevante schriftliche Lüge vorliege, denn Bestechungsaufwand für Private sei jedenfalls bei einer rein steuerlichen Betrachtung nicht von der Abzugsfähigkeit ausgeschlossen. Der E habe hingegen – trotz des großen, nicht deklarierten Betrages des empfangenen Schmiergelds durch die steuerliche Nichtgeltendmachung – nur eine mit Geldbuße von 1/3 bis dem 3-fachen des Hinterziehungsbetrags sanktionierte steuerliche Übertretung, aber keine Straftat begangen. Zu denken sei – soweit es zu Straftaten gekommen sei – an das Unternehmensstrafrecht (Art. 102 StGB-CH).
Im Anschluss gab der erfahrene Barrister Monty Raphael QC (Peters & Peters, London) in launig-ironischer Form einen praxisnahen, ergebnisbezogenen Überblick über die Rechtslage in England und Wales, dessen Schwerpunkte im verfahrenstatsächlichen Bereich lagen. Raphael wies zunächst darauf hin, dass der erste gesetzlich umschriebene Korruptionstatbestand im privaten Bereich bereits 1906 in das britische Strafrecht eingeführt wurde; mit Strafe bedroht wurde die Bestechung von Hausangestellten, wenn diese zum Nachteil ihrer Arbeitgeber durch Abschluss wirtschaftlich unvorteilhafter Verträge über deren Vermögen disponierten. Seit jeher sieht hingegen das Case Law einen Straftatbestand des „misconduct of public officials“ vor, unter den die Bestechung und die Bestechlichkeit von Amtsträgern subsumiert werden. Der am 1. Juli 2011 in Kraft getretene UK Bribery Act von 2010 löste sämtliche bestehende Straftatbestände ab und führte einen einheitlichen Tatbestand der Bestechung und Bestechlichkeit ein, der sowohl auf die Amtsträgerbestechung als auch auf die Bestechung im geschäftlichen Verkehr anwendbar ist. Bislang sei erst ein einziger Fall mit Bagatellcharakter angeklagt und abgeurteilt worden. Auch perspektivisch sieht Raphael keinen Strafverfolgungsschwerpunkt der britischen Behörden im Korruptionsstrafrecht oder im Wirtschaftsstrafrecht überhaupt. Die – zukünftige – Praxisrelevanz insbesondere der Strafbarkeit der Bestechung im geschäftlichen Verkehr wurde von Raphael besonders stark in Zweifel gezogen, da er davon ausgeht, dass die Strafverfolgungsbehörden im Rahmen ihres breiten Ermessens andere Prioritäten in der Strafverfolgung setzen würden, u.a. auch, weil es hier keine attraktiven Abschöpfungsmöglichkeiten gebe. Dies alles, obwohl der Tatbestand des Bribery Act auf Fälle wie den vorliegenden regelmäßig anwendbar sei, da dessen Anforderungen gering seien; insbesondere sei es nicht erforderlich, dass der Nehmer außer der Annahme des Vorteils eine konkrete Handlung ausführe. Nicht einschlägig sei hier für die Geberseite das „statute law“ zur Geldwäsche („money laundering“) von 2002, da das Geld noch nicht aus einer Straftat resultiere. Der „Fraud Act“, der grundsätzlich einen Missbrauch der beruflichen Position – wie hier durch V und E – unter Strafe stelle, könnte an sich zur Anwendung kommen, auch insofern sei allerdings nicht mit Anklagen zu rechnen. Entsprechendes gelte für das – mangels Abzugsfähigkeit von Schmiergeldern – ebenfalls einschlägige Steuerstrafrecht. Denkbar sei allenfalls, dass die Behörden gegenüber Unternehmen ermitteln und auf ein „deferred prosecution agreement“ mit der Folge von Bußgeldern und zivilrechtlichen Abschöpfungsmaßnahmen („disgorgement“) ohne Prozess hinarbeiten.
Abschließend stellte der ehemalige US-Bundesstaatsanwalt Robert J. Cleary (Proskauer Rose LLP, New York) das einschlägige US-Strafrecht vor. Auch er hielt einführend fest, dass er in der Praxis nicht mit einer intensiven Verfolgung von (bloßen) Bestechungsstraftaten im geschäftlichen Verkehr rechne, dies jedenfalls bisher sehr selten geschehe, obwohl es mit § 299 StGB vergleichbare, anwendbare Straftatbestände durchaus gebe. Zwar stelle ein Bundesgesetz die Bestechung unter Privaten nicht direkt unter Strafe, jedoch können über die Vorschriften des sogenannten „Travel Act“ bei bundesstaatsübergreifendem Bezug („interstate commerce“) auch durch Bundesstaatsanwälte die entsprechenden Straftatbestände der Einzelstaaten zur „commercial bribery“ herangezogen werden. Daneben sei auch eine Verfolgung über die sehr weitreichenden Vorschriften zum „Mail and Wire Fraud“ denkbar. Auch über den Buchhaltungs- und Bilanzierungstatbestand des US Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) von 1977 kann jedenfalls die Verbuchung von Bestechungsaufwand unter unzutreffender Bezeichnung, d.h. wenn dieser nicht eindeutig als Schmiergeld bezeichnet ist, strafrechtlich verfolgt werden. Bei einer steuerlichen Geltendmachung werden typischerweise auch Steuerstraftaten verwirklicht, wobei die Behörden allerdings primär dem steuerlichen und nicht dem strafrechtlichen Aspekt nachgehen würden. Allerdings existierten Spezialtatbestände für bestimmte Sektoren (Finanzsektor, Gesundheitssektor), die ein Verhalten wie das von V und E mit Strafe bedrohten und die aufgrund der vorgegebenen Prioritäten der Bundesstaatsanwaltschaften („overriding federal interest“) auch effektiv zur Anwendung gebracht würden.
Dr. Engelhart fasste abschließend die Ergebnisse der Tagung zusammen, was ihm angesichts der nicht unerheblichen Unterschiede der behandelten Rechtsordnungen eine erhebliche Befähigung zur Synthese abnötigte. Schließlich konnten die zahlreichen, durch die Vorträge stimulierten Diskussionen im Rahmen des get together mit Buffet fortgesetzt werden. Ein schlussendlicher Höhepunkt für die rechtsvergleichend besonders interessierten Gäste war die Führung Dr. Engelharts durch die Räumlichkeiten, insbesondere die Bibliothek des MPI mit ihrem in Deutschland und Europa wohl unübertroffenen strafrechtlichen Bestand von über 400.000 Bänden, zu denen jährlich nach wie vor ca. 10.000 Bände hinzu kommen.