Untreue nach § 266 StGB und das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG
I. Einleitung
Vor Einführung des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG im Jahr 1996 konnten Schmier- bzw. Bestechungsgelder bis einschließlich für den Veranlagungszeitraum 1995 problemlos als Betriebsausgaben abgezogen werden.[1] Deshalb war bis dahin im Hinblick auf Schmiergelder auch aus steuer- und steuerstrafrechtlicher Sicht die Unterscheidung zwischen Bestechung (insb. §§ 299 Abs. 2, 333, 334 StGB) und (bloßer) Untreue (§ 266 StGB) von vergleichsweise geringer Bedeutung. Vielmehr galt die aus § 40 AO abgeleitete Wertneutralität des Steuerrechts, wonach Zahlungen von Schmier- oder Bestechungsgeldern uneingeschränkt betrieblich veranlasst und dementsprechend abzugsfähig waren.[2]
Ab dem Veranlagungszeitraum 1996 war der Betriebsausgabenabzug nur noch unter eingeschränkten Voraussetzungen möglich. Durch nochmalige Gesetzesänderung wurden die Voraussetzungen für den Betriebsausgabenabzug ab dem Veranlagungszeitraum 1999 nochmals verschärft.[3] So greift seither das Abzugsverbot bereits dann, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die objektiv den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines anderen Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt. Es kommt nach heute aktueller Gesetzeslage für das Abzugsverbot deshalb nicht (mehr) darauf an, dass der Zuwendende und/oder der Empfänger wegen der Zuwendung rechtskräftig verurteilt oder gegen ihn/diese ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wurde; es genügt allein die objektive Erfüllung des rechtswidrigen Tatbestandes.[4]
Probleme in der praktischen Anwendung ergeben sich aufgrund des Gesetzeswortlautes regelmäßig deshalb, weil das Gesetz keine Straftatbestände konkret benennt, die unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG fallen, sondern lediglich von der „Zuwendung der Vorteile aus einer rechtswidrigen Handlung“ spricht, „die objektiv den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines anderen Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt“.
Daher ist allein anhand des Gesetzeswortlautes nicht ersichtlich, ob auch die Verwirklichung des Untreuetatbestandes nach § 266 StGB unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG fällt; einmal in Form der fremdnützigen Untreue, weil auch hier der Empfänger veruntreuter Vermögenswerte Vorteile aus einer rechtswidrigen Handlung erhält; ebenso könnte bei der eigennützigen Untreue die Auffassung vertreten werden, dass als Kehrseite der strafbaren Minderung geschützten Vermögens eine Mehrung des tätereigenen Vermögens eintritt.
Nachfolgend soll dem nachgegangen werden, wobei sich der Beitrag auch mit der steuerlichen (und in der Folge steuerstrafrechtlichen) Behandlung der Untreue auseinandersetzt.[5] Insbesondere die prominenten Fälle aus jüngerer Vergangenheit zeigen, dass Untreue und Beihilfe zur Untreue (auch i.V.m. Bestechungsdelikten) nicht von untergeordneter Bedeutung im Beratungsalltag sind[6] und immer auch mit steuer- und steuerstrafrechtlichen Fragestellungen einhergehen.
II. Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG
Gegen eine steuerliche Relevanz der Untreue spricht zunächst, dass der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG nach h.M. als abschließende Aufzählung[7] nur folgende Straftatbestände umfasst:
– Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB)
– Vorteilsgewährung (§ 333 StGB)
– Bestechung (§ 334 StGB)
– Verstöße gegen das GeldwäscheG
sowie die in der Praxis weniger relevanten Tatbestände
– Wählerbestechung (§ 108b StGB)
– Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB)
– Vorteilsgewährung in Bezug auf Betriebsratswahlen (§ 119 Abs. 1 BetrVG)
– Vorteilsgewährung für wettbewerbsbeschränkendes Verhalten (§ 21 Abs. 2 GWB)
– Vorteilsgewährung in Bezug auf das Stimmverhalten in der Hauptversammlung bzw. Generalversammlung (§ 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG und § 152 Abs. 1 Nr. 2 GenG)
– Vorteilsgewährung in Bezug auf die Abstimmung in einer Haupt- oder Gläubigerversammlung.[8]
Bestätigung findet die abschließende Aufzählung auch durch das BMF-Schreiben v. 10.10.2002[9] (sog. Schmiergelderlass) sowie H 24 EStH: „H 24 (Zuwendungen) EStH [jetzt H 4.14 EStH, Anm. d. Verf.] enthält eine zurzeit abschließende Aufzählung der in Betracht kommenden Tatbestände des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts.“
Gemäß dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung[10] kommt eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG über die vorgenannten Tatbestände hinaus nicht ohne Weiteres in Betracht.
III. Abgrenzung der Untreue und Bestechung nach dem geschützten Rechtsgut und der Stellung im Gesetz
Zwar können Untreue und Bestechung tateinheitlich verwirklicht werden und entsprechend zu einer Verurteilung führen.[11] Gegen eine steuerliche Relevanz der Untreue hinsichtlich des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG spricht jedoch auch der Vergleich des jeweils geschützten Rechtsgutes bzw. die Qualifikation der Delikte: geschütztes Rechtsgut der Bestechung ist der freie Wettbewerb,[12] geschütztes Rechtsgut der Untreue ist allein das fremder Hand anvertraute individuelle Vermögen[13] und nicht die Funktionsfähigkeit der Wirtschaftsordnung,[14] sprich der freie Wettbewerb, den § 299 StGB schützt.[15]
Ebenso spricht für eine unterschiedliche steuerliche Beurteilung und Behandlung der Bestechung und Untreue die Stellung im Gesetz: § 266 StGB findet sich im 22. Abschnitt „Betrug und Untreue“; demgegenüber ist der Bestechungstatbestand im 26. Abschnitt „Straftaten gegen den Wettbewerb“ zu finden. Zudem ist Untreue ein Vermögensdelikt, wie z.B. der Diebstahl[16] und (auch) damit keine Straftat gegen den Wettbewerb.
IV. Zuwendung eines Vorteils i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG
Die Prüfung der Vorteilszuwendung i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG erfolgt zweistufig, d.h.
1) liegt die Zuwendung eines Vorteils vor?
2) erfüllt die Zuwendung des Vorteils einen Straftat- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand?
1. Vorteil
Vorteil ist jede Zuwendung, auf die der Empfänger keinen rechtlich begründeten Anspruch hat, und der Vorteil muss den Empfänger in seiner wirtschaftlichen, persönlichen und/oder rechtlichen Position besser stellen.[17] Das Abzugsverbot bezieht sich demnach auf alle tatsächlich zugewandten Geld- und Sachleistungen,[18] soweit sie nicht vergeblich angeboten oder versprochen wurden.[19]
2. Zuwendung eines Vorteils als Straftat- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand
Das Abzugsverbot gilt jedoch nicht für jegliche Geld- oder Sachleistung. Weitere Voraussetzung des Abzugsverbotes ist, dass die Zuwendung des Vorteils eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, dass die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.[20] In der Folge ist die Anwendung der Nr. 10 ausgeschlossen, wenn die Zuwendung des Vorteils nicht unter den Tatbestand einer Straf- oder Bußgeldnorm fällt.[21]
V. Tatbestandsmerkmal „Zuwendung“ bei der Untreue
Es wurde eingangs darauf hingewiesen, dass dem Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist, ob auch die Verwirklichung des Untreuetatbestandes nach § 266 StGB unter das Abzugsverbot der Vorschrift fällt. Das liegt daran, dass auch der Untreuetäter bei der eigennützigen Untreue oder der Empfänger veruntreuten Vermögens bei der fremdnützigen Untreue[22] – analog dem Bestechungs- oder Schmiergeldempfänger – einen Vorteil erhält, auf den er keinen rechtlich begründeten Anspruch hat und der ihn in seiner wirtschaftlichen Position besser stellt. Hier fehlt es am Tatbestandsmerkmal „Zuwendung“ des Vorteils: der Untreuetäter ist Zuwendender und Zuwendungsempfänger zugleich, weil die „Zuwendung an sich selbst“ erfolgt, und zwar aus dem Vermögen eines Dritten, nämlich desjenigen, zu dessen Gunsten die Vermögensbetreuungspflicht besteht.
Demgegenüber erfolgt die Zuwendung bei der Bestechung typischerweise aus eigenem Vermögen des Täters.[23] Der Vorteil bei der Bestechung stellt eine Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung des Bestechungsempfängers dar.[24] An einer solchen Gegenleistung fehlt es bei der Untreue.
Andererseits gibt es Fallkonstellationen der fremdnützigen Untreue, in denen sich Untreue und Bestechung „vermischen“. Vereinbart beispielsweise ein Angestellter eines Unternehmens ohne Wissen des Inhabers mit Kunden die Zahlung eines überhöhten Entgeltes, damit das Unternehmen einen Auftrag überhaupt erhält, und erfolgt diese Zahlung dann auch, stellt der überhöhte Teil der Zahlung ein Bestechungs- bzw. Schmiergeld dar. Erhält der Angestellte sodann für die erfolgreiche Auftragsakquise eine Bonuszahlung, kann darin eine Untreuehandlung zum Nachteil des Inhabers liegen.[25] Gleiches gilt, wenn die Bestechungsgeldzahlung an den Kunden oder Mitarbeiter des Kunden über den Preis auf den Kunden umgelegt wird.[26]
1. Eigennützige Untreue
Relativ klar liegt der Fall bei eigennütziger (unmittelbarer) Untreue: ein Angestellter (auch Fremdgeschäftsführer) veruntreut Gelder dadurch, dass er „in die Kasse greift“ oder Überweisungen auf Konten tätigt, die er extra für „fiktive“ Kunden eingerichtet und auf die er selbst direkten Zugriff hat.[27] Die veruntreuten Gelder fließen so direkt an ihn, ohne dass der Geschädigte (Unternehmensinhaber) hiervon Kenntnis hat bzw. dies (im Nachhinein) billigt. Deshalb fehlt es hierbei an der Zuwendung eines Vorteils als Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung des (Bestechungsgeld-)Empfängers.[28]
2. Fremdnützige Untreue
Anders hingegen im Fall der fremdnützigen („mittelbaren“) Untreue:[29] ist der „Griff in die Kasse“ aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, weil z.B. im Fall des untreuen Finanzbeamten[30] eine Kasse „körperlich“ nicht vorhanden ist oder der Untreuetäter keinen Zugriff auf die Kasse hat oder kommt eine direkte Überweisung auf ein eigens eingerichtetes Konto nicht in Betracht, muss bzw. wird sich der Untreuetäter eines Dritten bedienen. Der Dritte handelt regelmäßig „nur“ als Gehilfe, weil ihn selbst mangels Anstellungsverhältnis keine Vermögensbetreuungspflicht trifft. Zum besseren Verständnis sollen folgende (tatsächlich verwirklichte) zwei Sachverhalte dienen:
SV 1: Ehemann M betreibt als Einzelunternehmer eine Marketingagentur und Ehefrau F arbeitet als städtische Angestellte. F ist u.a. für das städtische Marketing zuständig. F beauftragt M mit der Ausarbeitung eines Marketingkonzeptes für die Stadt, welches die Stadt ohnehin extern vergeben will. M und F kommen überein, dass M für seine Leistung überhöhte Rechnungen stellt, die zunächst durch die Stadt auf Anweisung der F ohne Beanstandungen bezahlt werden. Nach interner Revision bei der Stadt kommen Zweifel an der Werthaltigkeit bzw. Marktüblichkeit der Leistungen von M auf und daraufhin räumen M und F ein, zur Deckung privater Liquiditätsengpässe der Eheleute gehandelt zu haben.
SV 2: I erarbeitet und entwickelt als Einzelunternehmer Internetseiten sowie internetbasierte Projekte und Anwendungen. Nachdem er mehrere Projekte bzw. Aufträge für einen Kunden erfolgreich erledigt hat, kommt er mit dem Fremdgeschäftsführer G des Kunden überein, bei zukünftiger Auftragserteilung zum Teil überhöhte Rechnungen und zum Teil Rechnungen für fiktive, tatsächlich nicht durchgeführte Projekte zu stellen. Die so generierten Mehreinnahmen teilen G und I absprachegemäß so, dass I einen Teil der vereinnahmten Gelder an G weiterleitet und von G dafür fiktive, nicht leistungshinterlegte Rechnungen erhält, damit I seinerseits in Höhe der weitergeleiteten Gelder Betriebsausgaben geltend machen kann. Nach interner Revision beim Arbeitgeber des G fällt der Sachverhalt auf und G und I räumen ein, dass zum Teil überhöhte und zum Teil nicht leistungshinterlegte Rechnungen gestellt wurden.
Die Vermögensverschiebung erfolgt in beiden Sachverhalten so, dass jeweils ein Dritter – M und I – dem Unternehmen, in dem der Angestellte/Fremdgeschäftsführer als der eigentliche Untreuetäter beschäftigt ist, nicht oder nur teilweise erbrachte Leistungen in Rechnung stellt, nachdem er mit der Erbringung (vermeintlicher) Leistungen durch den Angestellten/Fremdgeschäftsführer beauftragt wurde und die Leistungen – jedenfalls in Teilen – auch erfolgt sind.
Nach Rechnungsstellung durch den Dritten erfolgt der Rechnungsausgleich (was nicht zwingend durch den Angestellten/Fremdgeschäftsführer persönlich erfolgen muss), und sodann leitet der Dritte die vereinnahmten Gelder (oder einen Teil davon) an den Untreuetäter weiter.
Untreuetäter können in beiden Sachverhaltsvarianten nur F und G sein, nicht hingegen die Dritten M und I. Letztere können durch die Weiterleitung der überhöhten bzw. nicht leistungshinterlegten Gelder mangels Vermögensbetreuungspflicht nur Beihilfe zur Untreue leisten.
Im Unterschied zum ersten Sachverhalt stellt in der zweiten Sachverhaltsvariante der Untreutetäter (G) dem Gehilfen (I) (vermeintliche) Leistungen in Rechnung, nämlich in Höhe der an ihn weitergeleiteten Gelder. Aus Sicht des Dritten stellen die so weitergeleiteten Gelder Fremdleistungen dar, die er als Betriebsausgaben gegenüber dem Finanzamt (gewinnmindernd) erklärt.
Der Grund hierfür liegt darin, dass der Dritte (I) im Gegensatz zum ersten Sachverhalt die veruntreuten Gelder nicht im Rahmen der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft verbrauchen kann. Je nach Verteilungsabrede könnte es deshalb sein, dass der Dritte mehr Steuern abführen müsste, als ihm tatsächlich an Liquidität bliebe, wenn er keinen Betriebsausgabenabzug hätte. Dies wird an folgendem vereinfachten (Rechen-)Beispiel deutlich, wenn die Verteilungsabrede 1/3 zu 2/3 zu Gunsten des Untreuetäters lautet: hat der Dritte aus der Beauftragung Einnahmen i.H.v. 100 € (Nettoeinnahme ohne Berücksichtigung von Umsatzsteuer), muss er aufgrund der Verteilungsabrede 66 € (gerundet) an den Untreuetäter weiterleiten, so dass dem Dritten tatsächlich (an Liquidität) „nur“ 33 € verbleiben. Ohne Betriebsausgabenabzug müsste der Dritte die insgesamt vereinnahmten 100 € als Einkünfte nach § 15 EStG versteuern. Bei unterstelltem Spitzensteuersatz von 42 % (§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 EStG) verbleiben dem Dritten 58 € (100 € abzgl. 42 € Einkommensteuer ohne Berücksichtigung von Solidaritätszuschlag und evtl. Kirchensteuer). Bei Weiterleitung der 66 € an den Untreuetäter aufgrund der Verteilungsabrede 1/3 zu 2/3 ergibt bzw. ergäbe sich zu Lasten des Dritten ein Liquiditätsnachteil von 8 €, d.h. der Dritte würde „draufzahlen“. Macht der Dritte dagegen die weitergeleiteten 66 € als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) geltend, mindert sich die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer um diese 66 €, so dass er nur die tatsächlich bei ihm verbliebenen 34 € (100 € abzgl. 66 €) versteuert und damit keinen „Liquiditätsnachteil“ erleidet.
Schließlich ist im Zusammenhang mit den dargestellten Sachverhalten auf das mit einer Vielzahl von Zweifelsfragen in der praktischen Anwendung behaftete Problem sog. Kick-Back-Zahlungen hinzuweisen: in beiden Fällen (und in gleichgelagerten) können Bestechungsgeldzahlungen i.S.d. § 299 Abs. 2 StGB vorliegen, zumindest dann, wenn es sich bei den weitergeleiteten Geldern (auch) um eine Gegenleistung für die Auftragserteilung handelt.[31] Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann nur für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden und hängt im Wesentlichen von der Motivation und Einlassung der Beteiligten ab.[32] Wäre die Auftragserteilung in jedem Fall erfolgt, weil der Auftraggeber die Leistung nicht selbst erbringen kann, sondern zwingend durch den Dritten erbringen lassen muss, liegt der Schwerpunkt eher in der Veruntreuung als in einer Bestechung durch Kick-Back-Zahlungen. Regelmäßig liegt die Motivation aber auf beiden Seiten, was die Beurteilung zugegeben nicht erleichtert: der Dritte = Auftragnehmer ist regelmäßig auch immer an einer Auftragserteilung interessiert, selbst wenn die Auftragserteilung ohnehin erfolgt wäre; andererseits wird es dem Zuwendungsempfänger eher darauf ankommen, überhaupt Zahlungen zu erhalten, zumal sich die im vorherigen Absatz angesprochene Frage des Betriebsausgabenabzugs für ihn nicht stellen dürfte.
VI. Steuerliche Behandlung
Kommt es nun typischerweise im Rahmen einer Betriebsprüfung[33] oder wie in den Beispielsfällen aufgrund interner Ermittlungen zur Aufdeckung der Untreue, stellt sich neben der strafrechtlichen Aufarbeitung auch die Frage der steuerlichen Behandlung, insbesondere auch die eingangs aufgeworfene, ob die Weiterleitung durch den Dritten an den Untreuetäter dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG unterliegt, wenn die weitergeleiteten Beträge als Betriebsausgaben deklariert wurden. „Auf den ersten Blick“ ja, da der Dritte Betriebsausgaben aus einer strafbaren Handlung geltend macht. Jedoch stellen diese Betriebsausgaben keine Zuwendung eines Vorteils dar, weil der Dritte keine Gegenleistung i.S.d. § 299 StGB erhält,[34] sondern die Weiterleitung stellt lediglich einen „Reflex“ aus der Untreuehandlung dar, d.h. die weitergeleiteten Gelder sind im Ergebnis als die vom Untreuetäter erlangten Gelder zu qualifizieren. Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG missbilligt nämlich nicht den Empfang von Vorteilen, sondern lediglich die Zuwendung.[35] Die bloße Weiterleitung durch den Dritten (aufgrund vorheriger Abrede mit dem Untreuetäter) stellt auch deshalb keine dem Untreuetäter zuzurechnende Vorteilszuwendung dar, weil es sich dabei ausschließlich um Beuteweiterleitung oder -verteilung handelt. Insoweit erfolgt auch keine Zurechnung als Handlung analog der Handlung eines Angestellten oder vertretungsberechtigten Personen.[36] Bestätigung findet dies auch durch BGH v. 13.9.2010:[37]
„Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG würde…im Ergebnis zu einer Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und des in § 40 AO verankerten Grundsatzes der Wertneutralität der Besteuerung (Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG, 201. Aktualisierung September 2009, § 4 Rn. Q 15) führen. Dies gebietet eine restriktive Auslegung des Abzugsverbots. Namentlich dann, wenn – wie hier – die Zuwendung i.S.v. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG unter Zwischenschaltung eines Dritten gewährt wird, der selbst mit der Zuwendung und bei deren Weiterleitung keine weitergehenden Ziele verfolgt als der eigentliche Vorteilsgeber, greift das Abzugsverbot lediglich bei diesem, nicht aber bei dem – letztlich als (Geld-)Bote fungierenden – Mittler. In solchen Fällen ist die Vorteilszuwendung allein dem eigentlichen Vorteilsgeber zuzurechnen, in dessen Interesse sie auch erfolgt. Nur so kann zudem verhindert werden, dass es zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung des für die Zuwendung aufgewandten Betrages kommt. Ein anderes Ergebnis ist auch im Hinblick auf den Zweck des Abzugsverbotes i.S.v. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG – die Bekämpfung der Korruption (BT-Drucks. 13/1686 S. 18; 14/265 S. 170) – nicht geboten. Diesem wird vielmehr hinreichend durch das Abzugsverbot bei dem eigentlichen Vorteilsgeber Rechnung getragen.“
VII. Finanzgerichtliche Rechtsprechung
Zu Untreuefällen existieren bislang vergleichsweise wenig finanzgerichtliche Entscheidungen. Als grundlegend angesehen werden kann die Entscheidung des FG München aus dem Jahr 1984:[38] Hiernach sind Einnahmen aus Untreue nicht steuerbar, wenn ein Arbeitnehmer Geldüberweisungen vom Bankkonto seines Arbeitgebers ohne dessen Wissen auf ein eigenes veranlasst. Der Arbeitnehmer erfüllt dabei, so das FG München, keinen Einkünftetatbestand des EStG. Bei den Überweisungen handelt es sich weder um Arbeitslohn, da der Arbeitgeber den veruntreuten Betrag nicht willentlich zugewandt und damit nicht i.S.d. § 19 Abs. 1 EStG „gewährt“ hat. Ebenso wenig handelt es sich um eine sonstige Leistung i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG, da es an einem auf Einkommens- bzw. Vermögensmehrung durch Leistungsaustausch gerichteten wirtschaftlichen Verhalten fehlt.
Der BFH hat die Beurteilung des FG München in seiner Entscheidung vom 19.3.1987[39] bestätigt: Einnahmen aus Untreue sind nicht steuerbar, da die Veruntreuung von verwaltetem Vermögen kein Betriebsvorgang sei, so dass veruntreute Gelder weder Betriebseinnahmen sind, noch Einnahmen aus Leistungen i.S.d. § 22 Abs. 3 EStG.
Diese Beurteilung ist für die Fälle der eigennützigen Untreue, d.h. den „direkten Griff in die Kasse“, noch gut nachvollziehbar.
Probleme in der Beurteilung ergeben sich in der Praxis hingegen in den oben beschriebenen Fällen mit „Drittbeteiligung“, in denen sich eine Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr jedenfalls dann nicht verneinen lässt, wenn ein Leistungsaustausch erfolgt, allein die Gegenleistung in Form eines überhöhten, nicht marktüblichen Entgeltes erfolgt.
Mit Urteil vom 3.7.1991[40] hat der BFH zu einem solchen Fall wie folgt ausgeführt:
„Der erkennende Senat weicht von diesen Entscheidungen [BFH v. 19.3.1987 und FG München v. 29.8.1984, Anm. d. Verf.] nicht ab. Es ist zu unterscheiden, ob Untreue dadurch begangen wird, dass der Täter auf anvertrautes Vermögen unmittelbar zugreift oder wie hier die Wirkungen aus Rechtsgeschäften, die sich als Beteiligung am allgemeinen Wirtschaftsverkehr darstellen, auf sich überleitet“.
Der Entscheidung des BFH lag ein Sachverhalt zugrunde, der den oben zur fremdnützigen Untreue dargestellten entspricht. Ein Bankangestellter hatte unter Ausnutzung seiner Vertrauensstellung fortgesetzt unter Einschaltung von Mittelsmännern und Mitwirkung weiterer Wertpapierhändler unter dem Namen der Bank Wertpapier- und Depotgeschäfte auf eigene Rechnung abgewickelt. Der Bankangestellte rechnete die Geschäfte über die Bank ab und leitete die erzielten Überschüsse auf eigene Konten weiter. Die eingeschalteten Mittelsmänner und Wertpapierhändler erhielten von dem Bankangestellten Provisionen (Rückvergütungen).
Entgegen seinem o.g. Urteil aus dem Jahr 1987 qualifizierte der BGH die Einnahmen des Bankangestellten als Betriebseinnahmen und damit als steuerbar. Der Bankangestellte habe den nicht steuerbaren Bereich der Vermögensverwaltung verlassen, weil er fortgesetzt fremdes Vermögen zur Gewinnerzielung eingesetzt habe. Jedoch – und dies ist der entscheidende Punkt – sind Aufwendungen, die zur Erzielung der Einnahmen aus Untreue getätigt werden, zu berücksichtigen. Im Entscheidungsfall wurde die zu erwartende Schadensersatzverpflichtung gegenüber der Bank als (gewinnmindernde) Betriebsausgabe berücksichtigt.
Entscheidend ist daher, dass § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG dem Betriebsausgabenabzug nicht entgegensteht.
Derzeit ist beim BFH ein Revisionsverfahren zu vorliegender Thematik anhängig. Dem liegt eine Entscheidung des FG des Saarlandes vom 29.2.2012[41] zugrunde, die im Ergebnis der rechtlichen Beurteilung des BFH-Urteils aus 1991 entspricht: Gelangen veruntreute Beträge durch Gutschrift auf dem betrieblichen Konto in das Betriebsvermögen, ist – im Gegensatz zur privat veranlassten Untreue im Fall des Vermögenspflegers gem. dem Fall des BGH aus dem Jahr 1987 – ein betrieblicher Zusammenhang von Anfang an gegeben. Deshalb stellen von einem Rechtsanwalt vereinnahmte, als durchlaufende Posten behandelte Fremdgelder Betriebseinnahmen dar, wenn die Fremdgelder nicht unverzüglich weitergeleitet und zum Teil zur Bestreitung von Betriebsausgaben und Lebenshaltungskosten verwendet werden. Darauf, dass die Untreue nur „gelegentlich“ vorgenommen werde, komme es nicht an.
Freilich, und daher im Sinne der bisherigen Rechtsprechung auch nicht dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG unterworfen, stellen die Fremdgelder im Zeitpunkt der (tatsächlichen) Weiterleitung Betriebsausgaben dar. Damit scheidet auch eine steuerstrafrechtliche Relevanz in Form zu Unrecht erklärter Betriebsausgaben aus.
VIII. Zusammenfassung
Die vorangegangenen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass nicht nur die strafrechtliche Beurteilung der Untreue eine Vielzahl von Zweifelsfragen aufwirft, sondern ebenso die steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen. Festhalten lässt sich aber, dass untreuebehaftete Geldflüsse, gleich ob eigen- oder fremdnützige Untreue nicht dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG unterliegen. Hierbei ist als Abgrenzungskriterium zur (nicht abzugsfähigen) Bestechung bei den zu beurteilenden Zahlungen immer nach dem zugrunde liegenden wirtschaftlichen Gehalt bzw. Hintergrund zu fragen. Vor allem in den Fällen der fremdnützigen Untreue unter Beteiligung Dritter wird es vor allem darauf ankommen, ob und in welcher Höhe Zahlungen (auch) für die reine Auftragserteilung erfolgt sind und somit ggf. die angesprochenen sog. Kick-Back-Zahlungen als nicht abzugsfähige Bestechungsgelder vorliegen.
[:en]
I. Einleitung
Vor Einführung des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG im Jahr 1996 konnten Schmier- bzw. Bestechungsgelder bis einschließlich für den Veranlagungszeitraum 1995 problemlos als Betriebsausgaben abgezogen werden.[1] Deshalb war bis dahin im Hinblick auf Schmiergelder auch aus steuer- und steuerstrafrechtlicher Sicht die Unterscheidung zwischen Bestechung (insb. §§ 299 Abs. 2, 333, 334 StGB) und (bloßer) Untreue (§ 266 StGB) von vergleichsweise geringer Bedeutung. Vielmehr galt die aus § 40 AO abgeleitete Wertneutralität des Steuerrechts, wonach Zahlungen von Schmier- oder Bestechungsgeldern uneingeschränkt betrieblich veranlasst und dementsprechend abzugsfähig waren.[2]
Ab dem Veranlagungszeitraum 1996 war der Betriebsausgabenabzug nur noch unter eingeschränkten Voraussetzungen möglich. Durch nochmalige Gesetzesänderung wurden die Voraussetzungen für den Betriebsausgabenabzug ab dem Veranlagungszeitraum 1999 nochmals verschärft.[3] So greift seither das Abzugsverbot bereits dann, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die objektiv den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines anderen Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt. Es kommt nach heute aktueller Gesetzeslage für das Abzugsverbot deshalb nicht (mehr) darauf an, dass der Zuwendende und/oder der Empfänger wegen der Zuwendung rechtskräftig verurteilt oder gegen ihn/diese ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wurde; es genügt allein die objektive Erfüllung des rechtswidrigen Tatbestandes.[4]
Probleme in der praktischen Anwendung ergeben sich aufgrund des Gesetzeswortlautes regelmäßig deshalb, weil das Gesetz keine Straftatbestände konkret benennt, die unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG fallen, sondern lediglich von der „Zuwendung der Vorteile aus einer rechtswidrigen Handlung“ spricht, „die objektiv den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines anderen Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt“.
Daher ist allein anhand des Gesetzeswortlautes nicht ersichtlich, ob auch die Verwirklichung des Untreuetatbestandes nach § 266 StGB unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG fällt; einmal in Form der fremdnützigen Untreue, weil auch hier der Empfänger veruntreuter Vermögenswerte Vorteile aus einer rechtswidrigen Handlung erhält; ebenso könnte bei der eigennützigen Untreue die Auffassung vertreten werden, dass als Kehrseite der strafbaren Minderung geschützten Vermögens eine Mehrung des tätereigenen Vermögens eintritt.
Nachfolgend soll dem nachgegangen werden, wobei sich der Beitrag auch mit der steuerlichen (und in der Folge steuerstrafrechtlichen) Behandlung der Untreue auseinandersetzt.[5] Insbesondere die prominenten Fälle aus jüngerer Vergangenheit zeigen, dass Untreue und Beihilfe zur Untreue (auch i.V.m. Bestechungsdelikten) nicht von untergeordneter Bedeutung im Beratungsalltag sind[6] und immer auch mit steuer- und steuerstrafrechtlichen Fragestellungen einhergehen.
II. Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG
Gegen eine steuerliche Relevanz der Untreue spricht zunächst, dass der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG nach h.M. als abschließende Aufzählung[7] nur folgende Straftatbestände umfasst:
– Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB)
– Vorteilsgewährung (§ 333 StGB)
– Bestechung (§ 334 StGB)
– Verstöße gegen das GeldwäscheG
sowie die in der Praxis weniger relevanten Tatbestände
– Wählerbestechung (§ 108b StGB)
– Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB)
– Vorteilsgewährung in Bezug auf Betriebsratswahlen (§ 119 Abs. 1 BetrVG)
– Vorteilsgewährung für wettbewerbsbeschränkendes Verhalten (§ 21 Abs. 2 GWB)
– Vorteilsgewährung in Bezug auf das Stimmverhalten in der Hauptversammlung bzw. Generalversammlung (§ 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG und § 152 Abs. 1 Nr. 2 GenG)
– Vorteilsgewährung in Bezug auf die Abstimmung in einer Haupt- oder Gläubigerversammlung.[8]
Bestätigung findet die abschließende Aufzählung auch durch das BMF-Schreiben v. 10.10.2002[9] (sog. Schmiergelderlass) sowie H 24 EStH: „H 24 (Zuwendungen) EStH [jetzt H 4.14 EStH, Anm. d. Verf.] enthält eine zurzeit abschließende Aufzählung der in Betracht kommenden Tatbestände des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts.“
Gemäß dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung[10] kommt eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG über die vorgenannten Tatbestände hinaus nicht ohne Weiteres in Betracht.
III. Abgrenzung der Untreue und Bestechung nach dem geschützten Rechtsgut und der Stellung im Gesetz
Zwar können Untreue und Bestechung tateinheitlich verwirklicht werden und entsprechend zu einer Verurteilung führen.[11] Gegen eine steuerliche Relevanz der Untreue hinsichtlich des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG spricht jedoch auch der Vergleich des jeweils geschützten Rechtsgutes bzw. die Qualifikation der Delikte: geschütztes Rechtsgut der Bestechung ist der freie Wettbewerb,[12] geschütztes Rechtsgut der Untreue ist allein das fremder Hand anvertraute individuelle Vermögen[13] und nicht die Funktionsfähigkeit der Wirtschaftsordnung,[14] sprich der freie Wettbewerb, den § 299 StGB schützt.[15]
Ebenso spricht für eine unterschiedliche steuerliche Beurteilung und Behandlung der Bestechung und Untreue die Stellung im Gesetz: § 266 StGB findet sich im 22. Abschnitt „Betrug und Untreue“; demgegenüber ist der Bestechungstatbestand im 26. Abschnitt „Straftaten gegen den Wettbewerb“ zu finden. Zudem ist Untreue ein Vermögensdelikt, wie z.B. der Diebstahl[16] und (auch) damit keine Straftat gegen den Wettbewerb.
IV. Zuwendung eines Vorteils i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG
Die Prüfung der Vorteilszuwendung i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG erfolgt zweistufig, d.h.
1) liegt die Zuwendung eines Vorteils vor?
2) erfüllt die Zuwendung des Vorteils einen Straftat- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand?
1. Vorteil
Vorteil ist jede Zuwendung, auf die der Empfänger keinen rechtlich begründeten Anspruch hat, und der Vorteil muss den Empfänger in seiner wirtschaftlichen, persönlichen und/oder rechtlichen Position besser stellen.[17] Das Abzugsverbot bezieht sich demnach auf alle tatsächlich zugewandten Geld- und Sachleistungen,[18] soweit sie nicht vergeblich angeboten oder versprochen wurden.[19]
2. Zuwendung eines Vorteils als Straftat- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand
Das Abzugsverbot gilt jedoch nicht für jegliche Geld- oder Sachleistung. Weitere Voraussetzung des Abzugsverbotes ist, dass die Zuwendung des Vorteils eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, dass die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.[20] In der Folge ist die Anwendung der Nr. 10 ausgeschlossen, wenn die Zuwendung des Vorteils nicht unter den Tatbestand einer Straf- oder Bußgeldnorm fällt.[21]
V. Tatbestandsmerkmal „Zuwendung“ bei der Untreue
Es wurde eingangs darauf hingewiesen, dass dem Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist, ob auch die Verwirklichung des Untreuetatbestandes nach § 266 StGB unter das Abzugsverbot der Vorschrift fällt. Das liegt daran, dass auch der Untreuetäter bei der eigennützigen Untreue oder der Empfänger veruntreuten Vermögens bei der fremdnützigen Untreue[22] – analog dem Bestechungs- oder Schmiergeldempfänger – einen Vorteil erhält, auf den er keinen rechtlich begründeten Anspruch hat und der ihn in seiner wirtschaftlichen Position besser stellt. Hier fehlt es am Tatbestandsmerkmal „Zuwendung“ des Vorteils: der Untreuetäter ist Zuwendender und Zuwendungsempfänger zugleich, weil die „Zuwendung an sich selbst“ erfolgt, und zwar aus dem Vermögen eines Dritten, nämlich desjenigen, zu dessen Gunsten die Vermögensbetreuungspflicht besteht.
Demgegenüber erfolgt die Zuwendung bei der Bestechung typischerweise aus eigenem Vermögen des Täters.[23] Der Vorteil bei der Bestechung stellt eine Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung des Bestechungsempfängers dar.[24] An einer solchen Gegenleistung fehlt es bei der Untreue.
Andererseits gibt es Fallkonstellationen der fremdnützigen Untreue, in denen sich Untreue und Bestechung „vermischen“. Vereinbart beispielsweise ein Angestellter eines Unternehmens ohne Wissen des Inhabers mit Kunden die Zahlung eines überhöhten Entgeltes, damit das Unternehmen einen Auftrag überhaupt erhält, und erfolgt diese Zahlung dann auch, stellt der überhöhte Teil der Zahlung ein Bestechungs- bzw. Schmiergeld dar. Erhält der Angestellte sodann für die erfolgreiche Auftragsakquise eine Bonuszahlung, kann darin eine Untreuehandlung zum Nachteil des Inhabers liegen.[25] Gleiches gilt, wenn die Bestechungsgeldzahlung an den Kunden oder Mitarbeiter des Kunden über den Preis auf den Kunden umgelegt wird.[26]
1. Eigennützige Untreue
Relativ klar liegt der Fall bei eigennütziger (unmittelbarer) Untreue: ein Angestellter (auch Fremdgeschäftsführer) veruntreut Gelder dadurch, dass er „in die Kasse greift“ oder Überweisungen auf Konten tätigt, die er extra für „fiktive“ Kunden eingerichtet und auf die er selbst direkten Zugriff hat.[27] Die veruntreuten Gelder fließen so direkt an ihn, ohne dass der Geschädigte (Unternehmensinhaber) hiervon Kenntnis hat bzw. dies (im Nachhinein) billigt. Deshalb fehlt es hierbei an der Zuwendung eines Vorteils als Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung des (Bestechungsgeld-)Empfängers.[28]
2. Fremdnützige Untreue
Anders hingegen im Fall der fremdnützigen („mittelbaren“) Untreue:[29] ist der „Griff in die Kasse“ aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, weil z.B. im Fall des untreuen Finanzbeamten[30] eine Kasse „körperlich“ nicht vorhanden ist oder der Untreuetäter keinen Zugriff auf die Kasse hat oder kommt eine direkte Überweisung auf ein eigens eingerichtetes Konto nicht in Betracht, muss bzw. wird sich der Untreuetäter eines Dritten bedienen. Der Dritte handelt regelmäßig „nur“ als Gehilfe, weil ihn selbst mangels Anstellungsverhältnis keine Vermögensbetreuungspflicht trifft. Zum besseren Verständnis sollen folgende (tatsächlich verwirklichte) zwei Sachverhalte dienen:
SV 1: Ehemann M betreibt als Einzelunternehmer eine Marketingagentur und Ehefrau F arbeitet als städtische Angestellte. F ist u.a. für das städtische Marketing zuständig. F beauftragt M mit der Ausarbeitung eines Marketingkonzeptes für die Stadt, welches die Stadt ohnehin extern vergeben will. M und F kommen überein, dass M für seine Leistung überhöhte Rechnungen stellt, die zunächst durch die Stadt auf Anweisung der F ohne Beanstandungen bezahlt werden. Nach interner Revision bei der Stadt kommen Zweifel an der Werthaltigkeit bzw. Marktüblichkeit der Leistungen von M auf und daraufhin räumen M und F ein, zur Deckung privater Liquiditätsengpässe der Eheleute gehandelt zu haben.
SV 2: I erarbeitet und entwickelt als Einzelunternehmer Internetseiten sowie internetbasierte Projekte und Anwendungen. Nachdem er mehrere Projekte bzw. Aufträge für einen Kunden erfolgreich erledigt hat, kommt er mit dem Fremdgeschäftsführer G des Kunden überein, bei zukünftiger Auftragserteilung zum Teil überhöhte Rechnungen und zum Teil Rechnungen für fiktive, tatsächlich nicht durchgeführte Projekte zu stellen. Die so generierten Mehreinnahmen teilen G und I absprachegemäß so, dass I einen Teil der vereinnahmten Gelder an G weiterleitet und von G dafür fiktive, nicht leistungshinterlegte Rechnungen erhält, damit I seinerseits in Höhe der weitergeleiteten Gelder Betriebsausgaben geltend machen kann. Nach interner Revision beim Arbeitgeber des G fällt der Sachverhalt auf und G und I räumen ein, dass zum Teil überhöhte und zum Teil nicht leistungshinterlegte Rechnungen gestellt wurden.
Die Vermögensverschiebung erfolgt in beiden Sachverhalten so, dass jeweils ein Dritter – M und I – dem Unternehmen, in dem der Angestellte/Fremdgeschäftsführer als der eigentliche Untreuetäter beschäftigt ist, nicht oder nur teilweise erbrachte Leistungen in Rechnung stellt, nachdem er mit der Erbringung (vermeintlicher) Leistungen durch den Angestellten/Fremdgeschäftsführer beauftragt wurde und die Leistungen – jedenfalls in Teilen – auch erfolgt sind.
Nach Rechnungsstellung durch den Dritten erfolgt der Rechnungsausgleich (was nicht zwingend durch den Angestellten/Fremdgeschäftsführer persönlich erfolgen muss), und sodann leitet der Dritte die vereinnahmten Gelder (oder einen Teil davon) an den Untreuetäter weiter.
Untreuetäter können in beiden Sachverhaltsvarianten nur F und G sein, nicht hingegen die Dritten M und I. Letztere können durch die Weiterleitung der überhöhten bzw. nicht leistungshinterlegten Gelder mangels Vermögensbetreuungspflicht nur Beihilfe zur Untreue leisten.
Im Unterschied zum ersten Sachverhalt stellt in der zweiten Sachverhaltsvariante der Untreutetäter (G) dem Gehilfen (I) (vermeintliche) Leistungen in Rechnung, nämlich in Höhe der an ihn weitergeleiteten Gelder. Aus Sicht des Dritten stellen die so weitergeleiteten Gelder Fremdleistungen dar, die er als Betriebsausgaben gegenüber dem Finanzamt (gewinnmindernd) erklärt.
Der Grund hierfür liegt darin, dass der Dritte (I) im Gegensatz zum ersten Sachverhalt die veruntreuten Gelder nicht im Rahmen der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft verbrauchen kann. Je nach Verteilungsabrede könnte es deshalb sein, dass der Dritte mehr Steuern abführen müsste, als ihm tatsächlich an Liquidität bliebe, wenn er keinen Betriebsausgabenabzug hätte. Dies wird an folgendem vereinfachten (Rechen-)Beispiel deutlich, wenn die Verteilungsabrede 1/3 zu 2/3 zu Gunsten des Untreuetäters lautet: hat der Dritte aus der Beauftragung Einnahmen i.H.v. 100 € (Nettoeinnahme ohne Berücksichtigung von Umsatzsteuer), muss er aufgrund der Verteilungsabrede 66 € (gerundet) an den Untreuetäter weiterleiten, so dass dem Dritten tatsächlich (an Liquidität) „nur“ 33 € verbleiben. Ohne Betriebsausgabenabzug müsste der Dritte die insgesamt vereinnahmten 100 € als Einkünfte nach § 15 EStG versteuern. Bei unterstelltem Spitzensteuersatz von 42 % (§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 EStG) verbleiben dem Dritten 58 € (100 € abzgl. 42 € Einkommensteuer ohne Berücksichtigung von Solidaritätszuschlag und evtl. Kirchensteuer). Bei Weiterleitung der 66 € an den Untreuetäter aufgrund der Verteilungsabrede 1/3 zu 2/3 ergibt bzw. ergäbe sich zu Lasten des Dritten ein Liquiditätsnachteil von 8 €, d.h. der Dritte würde „draufzahlen“. Macht der Dritte dagegen die weitergeleiteten 66 € als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) geltend, mindert sich die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer um diese 66 €, so dass er nur die tatsächlich bei ihm verbliebenen 34 € (100 € abzgl. 66 €) versteuert und damit keinen „Liquiditätsnachteil“ erleidet.
Schließlich ist im Zusammenhang mit den dargestellten Sachverhalten auf das mit einer Vielzahl von Zweifelsfragen in der praktischen Anwendung behaftete Problem sog. Kick-Back-Zahlungen hinzuweisen: in beiden Fällen (und in gleichgelagerten) können Bestechungsgeldzahlungen i.S.d. § 299 Abs. 2 StGB vorliegen, zumindest dann, wenn es sich bei den weitergeleiteten Geldern (auch) um eine Gegenleistung für die Auftragserteilung handelt.[31] Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann nur für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden und hängt im Wesentlichen von der Motivation und Einlassung der Beteiligten ab.[32] Wäre die Auftragserteilung in jedem Fall erfolgt, weil der Auftraggeber die Leistung nicht selbst erbringen kann, sondern zwingend durch den Dritten erbringen lassen muss, liegt der Schwerpunkt eher in der Veruntreuung als in einer Bestechung durch Kick-Back-Zahlungen. Regelmäßig liegt die Motivation aber auf beiden Seiten, was die Beurteilung zugegeben nicht erleichtert: der Dritte = Auftragnehmer ist regelmäßig auch immer an einer Auftragserteilung interessiert, selbst wenn die Auftragserteilung ohnehin erfolgt wäre; andererseits wird es dem Zuwendungsempfänger eher darauf ankommen, überhaupt Zahlungen zu erhalten, zumal sich die im vorherigen Absatz angesprochene Frage des Betriebsausgabenabzugs für ihn nicht stellen dürfte.
VI. Steuerliche Behandlung
Kommt es nun typischerweise im Rahmen einer Betriebsprüfung[33] oder wie in den Beispielsfällen aufgrund interner Ermittlungen zur Aufdeckung der Untreue, stellt sich neben der strafrechtlichen Aufarbeitung auch die Frage der steuerlichen Behandlung, insbesondere auch die eingangs aufgeworfene, ob die Weiterleitung durch den Dritten an den Untreuetäter dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG unterliegt, wenn die weitergeleiteten Beträge als Betriebsausgaben deklariert wurden. „Auf den ersten Blick“ ja, da der Dritte Betriebsausgaben aus einer strafbaren Handlung geltend macht. Jedoch stellen diese Betriebsausgaben keine Zuwendung eines Vorteils dar, weil der Dritte keine Gegenleistung i.S.d. § 299 StGB erhält,[34] sondern die Weiterleitung stellt lediglich einen „Reflex“ aus der Untreuehandlung dar, d.h. die weitergeleiteten Gelder sind im Ergebnis als die vom Untreuetäter erlangten Gelder zu qualifizieren. Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG missbilligt nämlich nicht den Empfang von Vorteilen, sondern lediglich die Zuwendung.[35] Die bloße Weiterleitung durch den Dritten (aufgrund vorheriger Abrede mit dem Untreuetäter) stellt auch deshalb keine dem Untreuetäter zuzurechnende Vorteilszuwendung dar, weil es sich dabei ausschließlich um Beuteweiterleitung oder -verteilung handelt. Insoweit erfolgt auch keine Zurechnung als Handlung analog der Handlung eines Angestellten oder vertretungsberechtigten Personen.[36] Bestätigung findet dies auch durch BGH v. 13.9.2010:[37]
„Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG würde…im Ergebnis zu einer Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und des in § 40 AO verankerten Grundsatzes der Wertneutralität der Besteuerung (Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG, 201. Aktualisierung September 2009, § 4 Rn. Q 15) führen. Dies gebietet eine restriktive Auslegung des Abzugsverbots. Namentlich dann, wenn – wie hier – die Zuwendung i.S.v. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG unter Zwischenschaltung eines Dritten gewährt wird, der selbst mit der Zuwendung und bei deren Weiterleitung keine weitergehenden Ziele verfolgt als der eigentliche Vorteilsgeber, greift das Abzugsverbot lediglich bei diesem, nicht aber bei dem – letztlich als (Geld-)Bote fungierenden – Mittler. In solchen Fällen ist die Vorteilszuwendung allein dem eigentlichen Vorteilsgeber zuzurechnen, in dessen Interesse sie auch erfolgt. Nur so kann zudem verhindert werden, dass es zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung des für die Zuwendung aufgewandten Betrages kommt. Ein anderes Ergebnis ist auch im Hinblick auf den Zweck des Abzugsverbotes i.S.v. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG – die Bekämpfung der Korruption (BT-Drucks. 13/1686 S. 18; 14/265 S. 170) – nicht geboten. Diesem wird vielmehr hinreichend durch das Abzugsverbot bei dem eigentlichen Vorteilsgeber Rechnung getragen.“
VII. Finanzgerichtliche Rechtsprechung
Zu Untreuefällen existieren bislang vergleichsweise wenig finanzgerichtliche Entscheidungen. Als grundlegend angesehen werden kann die Entscheidung des FG München aus dem Jahr 1984:[38] Hiernach sind Einnahmen aus Untreue nicht steuerbar, wenn ein Arbeitnehmer Geldüberweisungen vom Bankkonto seines Arbeitgebers ohne dessen Wissen auf ein eigenes veranlasst. Der Arbeitnehmer erfüllt dabei, so das FG München, keinen Einkünftetatbestand des EStG. Bei den Überweisungen handelt es sich weder um Arbeitslohn, da der Arbeitgeber den veruntreuten Betrag nicht willentlich zugewandt und damit nicht i.S.d. § 19 Abs. 1 EStG „gewährt“ hat. Ebenso wenig handelt es sich um eine sonstige Leistung i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG, da es an einem auf Einkommens- bzw. Vermögensmehrung durch Leistungsaustausch gerichteten wirtschaftlichen Verhalten fehlt.
Der BFH hat die Beurteilung des FG München in seiner Entscheidung vom 19.3.1987[39] bestätigt: Einnahmen aus Untreue sind nicht steuerbar, da die Veruntreuung von verwaltetem Vermögen kein Betriebsvorgang sei, so dass veruntreute Gelder weder Betriebseinnahmen sind, noch Einnahmen aus Leistungen i.S.d. § 22 Abs. 3 EStG.
Diese Beurteilung ist für die Fälle der eigennützigen Untreue, d.h. den „direkten Griff in die Kasse“, noch gut nachvollziehbar.
Probleme in der Beurteilung ergeben sich in der Praxis hingegen in den oben beschriebenen Fällen mit „Drittbeteiligung“, in denen sich eine Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr jedenfalls dann nicht verneinen lässt, wenn ein Leistungsaustausch erfolgt, allein die Gegenleistung in Form eines überhöhten, nicht marktüblichen Entgeltes erfolgt.
Mit Urteil vom 3.7.1991[40] hat der BFH zu einem solchen Fall wie folgt ausgeführt:
„Der erkennende Senat weicht von diesen Entscheidungen [BFH v. 19.3.1987 und FG München v. 29.8.1984, Anm. d. Verf.] nicht ab. Es ist zu unterscheiden, ob Untreue dadurch begangen wird, dass der Täter auf anvertrautes Vermögen unmittelbar zugreift oder wie hier die Wirkungen aus Rechtsgeschäften, die sich als Beteiligung am allgemeinen Wirtschaftsverkehr darstellen, auf sich überleitet“.
Der Entscheidung des BFH lag ein Sachverhalt zugrunde, der den oben zur fremdnützigen Untreue dargestellten entspricht. Ein Bankangestellter hatte unter Ausnutzung seiner Vertrauensstellung fortgesetzt unter Einschaltung von Mittelsmännern und Mitwirkung weiterer Wertpapierhändler unter dem Namen der Bank Wertpapier- und Depotgeschäfte auf eigene Rechnung abgewickelt. Der Bankangestellte rechnete die Geschäfte über die Bank ab und leitete die erzielten Überschüsse auf eigene Konten weiter. Die eingeschalteten Mittelsmänner und Wertpapierhändler erhielten von dem Bankangestellten Provisionen (Rückvergütungen).
Entgegen seinem o.g. Urteil aus dem Jahr 1987 qualifizierte der BGH die Einnahmen des Bankangestellten als Betriebseinnahmen und damit als steuerbar. Der Bankangestellte habe den nicht steuerbaren Bereich der Vermögensverwaltung verlassen, weil er fortgesetzt fremdes Vermögen zur Gewinnerzielung eingesetzt habe. Jedoch – und dies ist der entscheidende Punkt – sind Aufwendungen, die zur Erzielung der Einnahmen aus Untreue getätigt werden, zu berücksichtigen. Im Entscheidungsfall wurde die zu erwartende Schadensersatzverpflichtung gegenüber der Bank als (gewinnmindernde) Betriebsausgabe berücksichtigt.
Entscheidend ist daher, dass § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG dem Betriebsausgabenabzug nicht entgegensteht.
Derzeit ist beim BFH ein Revisionsverfahren zu vorliegender Thematik anhängig. Dem liegt eine Entscheidung des FG des Saarlandes vom 29.2.2012[41] zugrunde, die im Ergebnis der rechtlichen Beurteilung des BFH-Urteils aus 1991 entspricht: Gelangen veruntreute Beträge durch Gutschrift auf dem betrieblichen Konto in das Betriebsvermögen, ist – im Gegensatz zur privat veranlassten Untreue im Fall des Vermögenspflegers gem. dem Fall des BGH aus dem Jahr 1987 – ein betrieblicher Zusammenhang von Anfang an gegeben. Deshalb stellen von einem Rechtsanwalt vereinnahmte, als durchlaufende Posten behandelte Fremdgelder Betriebseinnahmen dar, wenn die Fremdgelder nicht unverzüglich weitergeleitet und zum Teil zur Bestreitung von Betriebsausgaben und Lebenshaltungskosten verwendet werden. Darauf, dass die Untreue nur „gelegentlich“ vorgenommen werde, komme es nicht an.
Freilich, und daher im Sinne der bisherigen Rechtsprechung auch nicht dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG unterworfen, stellen die Fremdgelder im Zeitpunkt der (tatsächlichen) Weiterleitung Betriebsausgaben dar. Damit scheidet auch eine steuerstrafrechtliche Relevanz in Form zu Unrecht erklärter Betriebsausgaben aus.
VIII. Zusammenfassung
Die vorangegangenen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass nicht nur die strafrechtliche Beurteilung der Untreue eine Vielzahl von Zweifelsfragen aufwirft, sondern ebenso die steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen. Festhalten lässt sich aber, dass untreuebehaftete Geldflüsse, gleich ob eigen- oder fremdnützige Untreue nicht dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG unterliegen. Hierbei ist als Abgrenzungskriterium zur (nicht abzugsfähigen) Bestechung bei den zu beurteilenden Zahlungen immer nach dem zugrunde liegenden wirtschaftlichen Gehalt bzw. Hintergrund zu fragen. Vor allem in den Fällen der fremdnützigen Untreue unter Beteiligung Dritter wird es vor allem darauf ankommen, ob und in welcher Höhe Zahlungen (auch) für die reine Auftragserteilung erfolgt sind und somit ggf. die angesprochenen sog. Kick-Back-Zahlungen als nicht abzugsfähige Bestechungsgelder vorliegen.
*Der Autor dankt Herrn RA Dr. Markus Rübenstahl für die konstruktiven Anregungen und Unterstützung.
[1] Kritisch zum Abzugsverbot Joecks DStR 1997, 1025, 1026, weil damit die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht mehr gewährleistet ist.
[5] Vgl. zu § 266 StGB und § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO BVerfG Beschl. v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09; BVerfG Beschl. v. 16.6.2011 – 2 BvR 542/09; Hüls NZWiSt 2012, 12.
[6] Mannesmann „Untreue in besonders schwerem Fall/Beihilfe“: LG Düsseldorf Urt. v. 22.7.2004 – XIV 5/03; NJW 2004, 3275, Rev. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04; NJW 2006, 522 = NStZ 2006, 214; Volkswagen „Untreue/Anstiftung/Beihilfe zum Betrug und Bestechung“: LG Braunschweig Urt. v. 25.1.2007 – 6 KLs 48/06 (Hartz); LG Braunschweig Urt. v. 22.2.2008 – 6 KLs 20/07; BeckRS 2009, 29834 (Volkert u. Gebauer), Rev. BGH v. 17.9.2009 – 5 StR 512/08; NJW 2010, 92 = NStZ 2009, 694; Allianz-Arena „Untreue/Beihilfe und Bestechung“: LG München I Urt. v. 13.5.2005 – 4 KLs 571 Js 50602/03; Klengel/Rübenstahl HRRS 2007, 52, nachfolgend BGH Urt. v. 9.8.2006 – 1 StR 50/06; NJW 2006, 3290 m. Anm. Gehrke/Wollschläger wistra 2008, 5 u. BGH Beschl. v. 6.11.2006 – 1 StR 50/06; NStZ-RR 2007, 57; siehe auchCorsten HRRS 2011, 247, 248 f.
[7]Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 235. Erg.-lief. Okt. 2012, § 4 Q 61; siehe auch Heinicke in Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 4 Rn. 611.
[8] Zu den Tatbeständen siehe Spatscheck/Wulf in Streck/Mack/Schwedhelm in Tax Compliance, 2010, Rn. 3.258.
[11] Ausführlich zur Frage, ob die Zahlung von Bestechungsgeldern auch den Untreuetatbestand erfüllen kann: Corsten HRRS 2011, 247; siehe auch Ransiek StV 2009, 321.
[15] Zu den unterschiedlichen Schutzrichtungen zwischen Untreue und Bestechung siehe Brand/Sperling AG 2011, 233, 238.
[17] Wied in Blümich, EStG, 116. Erg.-lief. Aug. 2012, § 4 Rn. 903; siehe auch Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, § 331 Rn. 11.
[18] Unter den Vorteilsbegriff fallen auch Nutzungen und Leistungen sowie auch immaterielle Vorteile, die keine Vermögensvorteile sind, siehe Stapf DB 2000, 1092.
[22] Zum Vorliegen von eigen- und fremdnütziger Untreue innerhalb einer Anklage/Strafverfahren anschaulich BGH Urt. v. 18.5.1999 – 5 StR 72/99; StV 2000, 485.
[23] Die Vermögenszuwendung bei der Bestechung muss nicht zwingend aus eigenem Vermögen des Täters erfolgen. Praxisrelevant sind insbesondere die Fälle, in denen die Zuwendung aus dem Vermögen einer (Kapital-) Gesellschaft erbracht wird.
[26] Siehe Schmid in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. 2011, § 31 Rn. 139 m.w.N.; siehe zur Thematik auch Lüderssen in FS für Müller-Dietz, 2001, S. 467.
[27] BGH Urt. v. 6.6.2007 – 5 StR 127/07; NStZ 2007, 596 m. Anm. Schmitz NJW 2007, 2864 (der untreue Finanzbeamte); Rolletschke wistra 2005, 250.
[28] Ist der Vermögensinhaber mit den Bestechungszahlungen einverstanden (oder hat Kenntnis), ist die Strafbarkeit nach § 266 StGB aufgrund seiner Einwilligung ausgeschlossen: Corsten HRRS 2011, 247 m.w.N.; Seier in Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl. 2008, Rn. 354.
[30] Siehe BGH Urt. v. 6.6.2007 – 5 StR 127/07; NStZ 2007, 596 m. Anm. Schmitz NJW 2007, 2864; Rolletschke wistra 2005, 250.
[31] Ausführlich zur Problematik „Kick-Back-Zahlungen als strafrechtliche Untreue“ Kraatz ZStW 2010, 521; siehe auch Spatscheck/Wulf in Streck/Mack/Schwedhelm in Tax Compliance, 2010, Rn. 3.277 f.
[32] So zutreffend Seier in Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl. 2008, Rn. 357 m.w.N.
[33] Solange das FA noch keine Kenntnis der Tat bzw. des Sachverhaltes „Betriebsausgabenabzug“ hat, sollte immer über eine Selbstanzeige nachgedacht werden. Meist lässt sich nämlich anfangs noch nicht sicher feststellen bzw. beurteilen, welche strafrechtliche Qualität die weitergeleiteten, als Betriebsausgaben deklarierten Gelder haben; möglicherweise liegt doch keine Untreue, sondern Bestechung vor und dann greift das Abzugsverbot des § 10 Abs. 5 Nr. 10 EStG. Mangels Selbstanzeige droht dann zusätzlich auch eine steuerstrafrechtliche Ahndung.
[34] Dies gilt jedenfalls dann, wenn die weitergeleiteten Gelder kein „Entgelt“ für die Auftragserteilung darstellen, was der Fall ist, wenn der Auftrag ohnehin an den Dritten (z.B. aufgrund besonderer Sachkunde) erteilt worden wäre und die beim Dritten verbliebenen (nicht weitergeleiteten) Gelder den marktüblichen Preis darstellen. Anderenfalls stellt sich immer auch die Frage nach der Verwirklichung der §§ 229, 333 f. StGB.
[37] BGH Beschl. v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09; NJW 2011, 88 = ZIP 2010, 2239 m. Anm. Brandt/Sperling AG 2011, 233 u. Corsten StraFO 2011, 69.