Renate Wimmer

„Gesetzliche Privilegierung“ von internal investigations durch externe Kanzleien?

Anm. zu LG Mannheim vom 03.07.2012 – 24 Qs 1/12 / 24 Qs 2/12 und zu v. Saucken, WiJ 2013, 30 ff.[1]

Spätestens seit dem Korruptionsfall „Siemens“ und der strafrechtlichen Aufarbeitung desselben haben unternehmensinterne Untersuchungen (internal investigations)[2]auch für deutsche Unternehmen eine wachsende Bedeutung. Einhergehend damit ist ein zunehmender Bedarf an privaten Untersuchungsführern. „Das Rennen um die Mandate ist eröffnet“ – schreibt JUVE in 4/2011. Ob nun unternehmensinterne Kräfte oder externe Kanzleien zur Aufklärung herangezogen werden, mag von vielen Aspekten abhängen.[3] Eine entscheidende Rolle könnte hierbei aber der Beschluss des LG Mannheim vom 03.07.2012[4] spielen, in dem grundsätzlich von der Beschlagnahmefreiheit von internen Untersuchungsergebnissen im Gewahrsam von extern durch die Unternehmen mandatierten Rechtsanwälten ausgegangen wird. Ob dieser gerichtlichen Entscheidung ohne weiteres gefolgt werden kann, soll im folgenden Beitrag näher erörtert werden.

Bereits im Jahr 2010 hatte sich das LG Hamburg[5] mit der Beschlagnahmefähigkeit von internen Untersuchungsergebnissen befasst. In ihrem Beschluss hatte die Kammer knapp zusammengefasst darüber zu befinden, ob Interviewprotokolle aus durch den Aufsichtsrat einer Bank beauftragten internal investigations in einem späteren Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Vorstandsmitglieder wegen Untreue u.a. in der externen, untersuchungsführenden Kanzlei beschlagnahmt werden können. Das LG hatte dies unter Verweis darauf, dass § 97 StPO, der vorrangig gegenüber § 160a StPO sei, nur das Verhältnis Beschuldigter – Berufsgeheimnisträger schütze, klar verneint. Ein mandatsähnliches oder gar Mandatsverhältnis zum Organ oder Mitarbeiter bestehe nicht, weshalb für ein Beschlagnahmeverbot kein Raum sei. Diese Entscheidung, die noch zur Rechtslage vor der gesetzlichen Neuregelung zu § 160a StPO ergangen war, löste – erwartungsgemäß – gerade unter den Individualverteidigern einen Sturm des Widerspruches aus.[6] Eine nähere Darstellung des Streitstandes würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen.[7] Einigkeit bestand jedenfalls weitgehend darin, dass die gerichtliche Argumentation für die Rechtslage nach dem 01.02.2011 nicht aufrecht zu erhalten sei.[8]

Dieser Meinung scheint sich das LG Mannheim in seinem Beschluss vom 03.07.2012[9]angeschlossen zu haben, wobei trotz der wortreichen Begründung letztlich offen bleibt, ob sich die Kammer generell oder nur im Hinblick auf die gesetzliche Neuregelung von der rechtlichen Bewertung des LG Hamburg distanziert.

Auf eine nähere Darstellung der Entscheidungsgründe darf an dieser Stelle verzichtet werden, da dies bereits Gegenstand des Beitrages von v. Saucken[10] war.

Im Einzelnen:

Beizupflichten ist v. Saucken darin, dass das Ergebnis des LG Mannheim, die identischen Unterlagen betreffend die durchgeführte interne Aufklärung unterlägen zwar beim Auftraggeber, nicht aber, wenn sie sich (zufällig oder bewusst) im Gewahrsam der ausführenden Rechtsanwaltskanzlei befinden, der Beschlagnahme, Befremden auslöst. Dieses Spannungsverhältnis ist jedoch auch nach geltender Rechtslage entgegen v. Saucken dahingehend aufzulösen, dass von einer Beschlagnahmefähigkeit grundsätzlich auch in der beauftragten Kanzlei ausgegangen werden muss.

Die Beurteilung der Beschlagnahmefähigkeit auch in der Rechtsanwaltskanzlei steht und fällt mit der vom LG Hamburg[11] zu Recht angenommenen Vorrangigkeit von § 97 StPO gegenüber § 160a StPO[12] und der Annahme, dass § 97 StPO mit der herrschenden Meinung[13] nur auf das Verhältnis Beschuldiger – Mandatsträger Anwendung findet. Nachvollziehbar führt das LG Mannheim hierzu aus, dass an der Vorrangigkeit des § 97 StPO die Aufnahme von Rechtsanwälten in den absoluten Schutzbereich des § 160a StPO nichts geändert hat. Jedoch verfolgt das LG Mannheim in seinem Beschluss diese Prämisse nicht stringent und kommt bezüglich der Beschlagnahmefähigkeit bei unternehmensexternen Rechtsanwälten daher zu einem unzutreffenden Ergebnis.

Im Ergebnis beizupflichten ist dem LG Mannheim, dass die internen Untersuchungsergebnisse im Unternehmen selbst der Beschlagnahme unterliegen. Jedoch vermag die Begründung der Kammer hier nicht zu überzeugen. Die Kammer stützt sich in den Beschlussgründen auf § 97 Abs. 2 S. 2 StPO, wonach die Beschlagnahmebeschränkungen dem Gesetzeswortlaut zufolge nur gelten, „wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind“ mit Ausnahme der durch die Rechtsprechung[14] entwickelten Grundsätze zu den Verteidigungsunterlagen im Gewahrsam des Beschuldigten. Sie verweist im Anschluss darauf, dass Unterlagen im Gewahrsam eines Zeugen oder drittbeteiligten Betroffenen erst recht nicht der Beschlagnahme unterliegen. Das LG Mannheim scheint damit grundsätzlich § 97 StPO in einem Ermittlungsverfahren gegen ein Organ oder Mitarbeiter des beauftragenden Unternehmens für anwendbar zu erachten und die Beschlagnahmefähigkeit im Unternehmen nur deshalb zu verneinen, weil sich die Unterlagen nicht im Gewahrsam des Berufsgeheimnisträgers befinden. Ob sich die Kammer von der herrschenden Meinung, wonach § 97 StPO richtigerweise nur auf das Verhältnis Beschuldigter – Mandatsträger anwendbar ist, distanziert oder aber hier ein Mandatsverhältnis zum beschuldigten Mitarbeiter oder Organ annimmt, wird nicht näher erörtert und bleibt letztlich offen.

Unter stringenter Anwendung der eingangs aufgezeigten Prämissen unterliegen die Untersuchungsergebnisse sowohl im Unternehmen als auch in der beauftragten externen Kanzlei der Beschlagnahme. § 97 StPO ist vorrangig gegenüber § 160a StPO (§ 160a Abs. 5 StPO) und findet nur dann Anwendung, wenn zu dem Beschuldigten des jeweiligen Ermittlungsverfahrens ein Mandatsverhältnis oder mandatsähnliches Verhältnis besteht. Dass letzteres in Fallkonstellationen der vorliegenden Art regelmäßig nicht der Fall ist, hat das LG Hamburg in seinem Beschluss vom 15.10.2010[15] in nachvollziehbarer Weise ausgeführt. Die Beauftragung der externen Untersuchungsführer erfolgt regelmäßig durch das Unternehmen selbst im Interesse desselben. Für eine Mandats- oder mandatsähnliche Beziehung zum Mitarbeiter oder Organ ist hier schon wegen einer drohenden Interessenkollision kein Raum. So erlaubt z.B. die Suche nach belastendem Material zur Vorbereitung von Schadenersatzansprüchen, basierend auf strafrechtlich relevantem Fehlverhalten des Mitarbeiters oder Organs, keine zeitgleiche „Verteidigung“ desselben gegen den staatlichen Strafanspruch. Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Ihre Stütze findet diese Meinung im Übrigen auch in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung.[16]

Unter Anwendung dieser Grundsätze stellt sich die durch das LG Mannheim ausführlich erörterte Frage, welche Unterlagen in der externen Kanzlei der Beschlagnahme unterliegen, nicht. V. Saucken ist in diesem Zusammenhang zuzustimmen, dass die landgerichtliche Begründung bzw. Differenzierung insoweit nicht zu überzeugen vermag und vor allem in der Praxis im Hinblick auf wohl kaum entscheidbare Abgrenzungsstreitigkeiten nicht umsetzbar sein dürfte. Dogmatisch darf dabei v.a. keine Rolle spielen, ob der Rechtsanwender die gesetzliche Neuregelung des § 160a StPO für zu weitgehend erachtet.[17]

Erörterungswürdig ist allerdings der von v. Saucken und auch schon von Schuster[18] ins Feld geführte Aspekt, dass das Unternehmen Betroffener im Rahmen eines § 30 OWiG-Verfahren oder eines Verfallsverfahrens sein könnte und diesem damit de facto Beschuldigtenrechte zukommen müssen. Dieser Einwand ist aus dogmatischer Sicht im Hinblick auf §§ 444, 432 Abs. 2 StPO richtig.[19] Greifen kann er jedoch erst dann, wenn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren oder die Nebenbeteiligung der Firma als Verfallsbeteiligte durch die Strafverfolgungsbehörden betrieben wird. Die bloße Möglichkeit der Einleitung eines solchen Verfahrens ist nicht ausreichend. Letztlich müssen hier die gleichen Grundsätze wie für den Beschuldigten gelten, bei dem alleine der Willensakt der Strafverfolgungsbehörde die Beschuldigteneigenschaft begründen kann.[20]

Festzuhalten bleibt damit, dass im Hinblick auf die Vorrangigkeit von § 97 StPO gegenüber § 160a StPO und den Umstand, dass § 97 StPO nur im Verhältnis Mandatsträger – Beschuldigter Anwendung findet, Unterlagen aus internal investigations sowohl im Unternehmen selbst als auch in der beauftragten externen Anwaltskanzlei der Beschlagnahme unterliegen. Eine „gesetzliche Privilegierung“ gegenüber internen Untersuchungen, die durch unternehmenseigen Kräfte durchgeführt und von daher ohne jeden Zweifel[21] der Beschlagnahme unterliegen, besteht von daher nicht. Eine differenzierte Betrachtung ist sicherlich dann anzustellen, wenn bereits ein Ordnungswidrigkeiten- bzw. Verfallsverfahren gegen die Firma eingeleitet ist.

[:en]

Anm. zu LG Mannheim vom 03.07.2012 – 24 Qs 1/12 / 24 Qs 2/12 und zu v. Saucken, WiJ 2013, 30 ff.[1]

Spätestens seit dem Korruptionsfall „Siemens“ und der strafrechtlichen Aufarbeitung desselben haben unternehmensinterne Untersuchungen (internal investigations)[2]auch für deutsche Unternehmen eine wachsende Bedeutung. Einhergehend damit ist ein zunehmender Bedarf an privaten Untersuchungsführern. „Das Rennen um die Mandate ist eröffnet“ – schreibt JUVE in 4/2011. Ob nun unternehmensinterne Kräfte oder externe Kanzleien zur Aufklärung herangezogen werden, mag von vielen Aspekten abhängen.[3] Eine entscheidende Rolle könnte hierbei aber der Beschluss des LG Mannheim vom 03.07.2012[4] spielen, in dem grundsätzlich von der Beschlagnahmefreiheit von internen Untersuchungsergebnissen im Gewahrsam von extern durch die Unternehmen mandatierten Rechtsanwälten ausgegangen wird. Ob dieser gerichtlichen Entscheidung ohne weiteres gefolgt werden kann, soll im folgenden Beitrag näher erörtert werden.

Bereits im Jahr 2010 hatte sich das LG Hamburg[5] mit der Beschlagnahmefähigkeit von internen Untersuchungsergebnissen befasst. In ihrem Beschluss hatte die Kammer knapp zusammengefasst darüber zu befinden, ob Interviewprotokolle aus durch den Aufsichtsrat einer Bank beauftragten internal investigations in einem späteren Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Vorstandsmitglieder wegen Untreue u.a. in der externen, untersuchungsführenden Kanzlei beschlagnahmt werden können. Das LG hatte dies unter Verweis darauf, dass § 97 StPO, der vorrangig gegenüber § 160a StPO sei, nur das Verhältnis Beschuldigter – Berufsgeheimnisträger schütze, klar verneint. Ein mandatsähnliches oder gar Mandatsverhältnis zum Organ oder Mitarbeiter bestehe nicht, weshalb für ein Beschlagnahmeverbot kein Raum sei. Diese Entscheidung, die noch zur Rechtslage vor der gesetzlichen Neuregelung zu § 160a StPO ergangen war, löste – erwartungsgemäß – gerade unter den Individualverteidigern einen Sturm des Widerspruches aus.[6] Eine nähere Darstellung des Streitstandes würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen.[7] Einigkeit bestand jedenfalls weitgehend darin, dass die gerichtliche Argumentation für die Rechtslage nach dem 01.02.2011 nicht aufrecht zu erhalten sei.[8]

Dieser Meinung scheint sich das LG Mannheim in seinem Beschluss vom 03.07.2012[9]angeschlossen zu haben, wobei trotz der wortreichen Begründung letztlich offen bleibt, ob sich die Kammer generell oder nur im Hinblick auf die gesetzliche Neuregelung von der rechtlichen Bewertung des LG Hamburg distanziert.

Auf eine nähere Darstellung der Entscheidungsgründe darf an dieser Stelle verzichtet werden, da dies bereits Gegenstand des Beitrages von v. Saucken[10] war.

Im Einzelnen:

Beizupflichten ist v. Saucken darin, dass das Ergebnis des LG Mannheim, die identischen Unterlagen betreffend die durchgeführte interne Aufklärung unterlägen zwar beim Auftraggeber, nicht aber, wenn sie sich (zufällig oder bewusst) im Gewahrsam der ausführenden Rechtsanwaltskanzlei befinden, der Beschlagnahme, Befremden auslöst. Dieses Spannungsverhältnis ist jedoch auch nach geltender Rechtslage entgegen v. Saucken dahingehend aufzulösen, dass von einer Beschlagnahmefähigkeit grundsätzlich auch in der beauftragten Kanzlei ausgegangen werden muss.

Die Beurteilung der Beschlagnahmefähigkeit auch in der Rechtsanwaltskanzlei steht und fällt mit der vom LG Hamburg[11] zu Recht angenommenen Vorrangigkeit von § 97 StPO gegenüber § 160a StPO[12] und der Annahme, dass § 97 StPO mit der herrschenden Meinung[13] nur auf das Verhältnis Beschuldiger – Mandatsträger Anwendung findet. Nachvollziehbar führt das LG Mannheim hierzu aus, dass an der Vorrangigkeit des § 97 StPO die Aufnahme von Rechtsanwälten in den absoluten Schutzbereich des § 160a StPO nichts geändert hat. Jedoch verfolgt das LG Mannheim in seinem Beschluss diese Prämisse nicht stringent und kommt bezüglich der Beschlagnahmefähigkeit bei unternehmensexternen Rechtsanwälten daher zu einem unzutreffenden Ergebnis.

Im Ergebnis beizupflichten ist dem LG Mannheim, dass die internen Untersuchungsergebnisse im Unternehmen selbst der Beschlagnahme unterliegen. Jedoch vermag die Begründung der Kammer hier nicht zu überzeugen. Die Kammer stützt sich in den Beschlussgründen auf § 97 Abs. 2 S. 2 StPO, wonach die Beschlagnahmebeschränkungen dem Gesetzeswortlaut zufolge nur gelten, „wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind“ mit Ausnahme der durch die Rechtsprechung[14] entwickelten Grundsätze zu den Verteidigungsunterlagen im Gewahrsam des Beschuldigten. Sie verweist im Anschluss darauf, dass Unterlagen im Gewahrsam eines Zeugen oder drittbeteiligten Betroffenen erst recht nicht der Beschlagnahme unterliegen. Das LG Mannheim scheint damit grundsätzlich § 97 StPO in einem Ermittlungsverfahren gegen ein Organ oder Mitarbeiter des beauftragenden Unternehmens für anwendbar zu erachten und die Beschlagnahmefähigkeit im Unternehmen nur deshalb zu verneinen, weil sich die Unterlagen nicht im Gewahrsam des Berufsgeheimnisträgers befinden. Ob sich die Kammer von der herrschenden Meinung, wonach § 97 StPO richtigerweise nur auf das Verhältnis Beschuldigter – Mandatsträger anwendbar ist, distanziert oder aber hier ein Mandatsverhältnis zum beschuldigten Mitarbeiter oder Organ annimmt, wird nicht näher erörtert und bleibt letztlich offen.

Unter stringenter Anwendung der eingangs aufgezeigten Prämissen unterliegen die Untersuchungsergebnisse sowohl im Unternehmen als auch in der beauftragten externen Kanzlei der Beschlagnahme. § 97 StPO ist vorrangig gegenüber § 160a StPO (§ 160a Abs. 5 StPO) und findet nur dann Anwendung, wenn zu dem Beschuldigten des jeweiligen Ermittlungsverfahrens ein Mandatsverhältnis oder mandatsähnliches Verhältnis besteht. Dass letzteres in Fallkonstellationen der vorliegenden Art regelmäßig nicht der Fall ist, hat das LG Hamburg in seinem Beschluss vom 15.10.2010[15] in nachvollziehbarer Weise ausgeführt. Die Beauftragung der externen Untersuchungsführer erfolgt regelmäßig durch das Unternehmen selbst im Interesse desselben. Für eine Mandats- oder mandatsähnliche Beziehung zum Mitarbeiter oder Organ ist hier schon wegen einer drohenden Interessenkollision kein Raum. So erlaubt z.B. die Suche nach belastendem Material zur Vorbereitung von Schadenersatzansprüchen, basierend auf strafrechtlich relevantem Fehlverhalten des Mitarbeiters oder Organs, keine zeitgleiche „Verteidigung“ desselben gegen den staatlichen Strafanspruch. Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Ihre Stütze findet diese Meinung im Übrigen auch in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung.[16]

Unter Anwendung dieser Grundsätze stellt sich die durch das LG Mannheim ausführlich erörterte Frage, welche Unterlagen in der externen Kanzlei der Beschlagnahme unterliegen, nicht. V. Saucken ist in diesem Zusammenhang zuzustimmen, dass die landgerichtliche Begründung bzw. Differenzierung insoweit nicht zu überzeugen vermag und vor allem in der Praxis im Hinblick auf wohl kaum entscheidbare Abgrenzungsstreitigkeiten nicht umsetzbar sein dürfte. Dogmatisch darf dabei v.a. keine Rolle spielen, ob der Rechtsanwender die gesetzliche Neuregelung des § 160a StPO für zu weitgehend erachtet.[17]

Erörterungswürdig ist allerdings der von v. Saucken und auch schon von Schuster[18] ins Feld geführte Aspekt, dass das Unternehmen Betroffener im Rahmen eines § 30 OWiG-Verfahren oder eines Verfallsverfahrens sein könnte und diesem damit de facto Beschuldigtenrechte zukommen müssen. Dieser Einwand ist aus dogmatischer Sicht im Hinblick auf §§ 444, 432 Abs. 2 StPO richtig.[19] Greifen kann er jedoch erst dann, wenn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren oder die Nebenbeteiligung der Firma als Verfallsbeteiligte durch die Strafverfolgungsbehörden betrieben wird. Die bloße Möglichkeit der Einleitung eines solchen Verfahrens ist nicht ausreichend. Letztlich müssen hier die gleichen Grundsätze wie für den Beschuldigten gelten, bei dem alleine der Willensakt der Strafverfolgungsbehörde die Beschuldigteneigenschaft begründen kann.[20]

Festzuhalten bleibt damit, dass im Hinblick auf die Vorrangigkeit von § 97 StPO gegenüber § 160a StPO und den Umstand, dass § 97 StPO nur im Verhältnis Mandatsträger – Beschuldigter Anwendung findet, Unterlagen aus internal investigations sowohl im Unternehmen selbst als auch in der beauftragten externen Anwaltskanzlei der Beschlagnahme unterliegen. Eine „gesetzliche Privilegierung“ gegenüber internen Untersuchungen, die durch unternehmenseigen Kräfte durchgeführt und von daher ohne jeden Zweifel[21] der Beschlagnahme unterliegen, besteht von daher nicht. Eine differenzierte Betrachtung ist sicherlich dann anzustellen, wenn bereits ein Ordnungswidrigkeiten- bzw. Verfallsverfahren gegen die Firma eingeleitet ist.

[1] Der folgende Text spiegelt die Privatmeinung der Verfasserin wieder und ist nicht als Stellungnahme der Staatsanwaltschaft München I zu verstehen.

[2] Die Verfasserin verwendet bewusst den Begriff „Untersuchungen“, nicht „Ermittlungen“, da letztere hoheitliches Handeln darstellen und ausschließlich staatlichen Organen vorbehalten sind.

[3] Vgl dazu: Görling, Compliance 2010, Kap 6 Rn. 11ff., S. 451 ff.

[4] LG Mannheim vom 03.07.2012, BeckRS 2012, 15309.

[5] LG Hamburg vom 15.10.2010, BeckRS 2011, 01653.

[6] Vgl. dazu exemplarisch: Jahn, Kirsch, StV 2011, 151 ff.; Anm. Knierim, FD-StrafR 2011, 314177 ff.; Anm v. Galen, NJW 2011, 942 ff.

[7] Vgl. dazu näher: Wimmer in FS für Imme Roxin, 2012, S. 537ff.

[8] Z.B. Anm v. Galen, NJW 2011, 942ff.; Schuster, NZWiSt 2012, 424 ff.; anders: Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 97 Rn. 10; Wimmer in FS für Imme Roxin, 2012, S. 537 ff.

[9] LG Mannheim vom 03.07.2012, BeckRS 2012, 15309.

[10] WiJ 2013, 30 ff.

[11] LG Hamburg vom 15.10.2010, BeckRS 2011, 01653.

[12] Vgl. dazu auch Meyer-Goßner, SHO, 55. Aufl. 2012, § 160a, Rn. 17.

[13] Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 97 Rn. 10; BVerfG NStZ-RR 2004, 83ff. zur Beauftragung des Berufsgeheimnisträgers durch eine juristische Person und den Umfang des damit verbundenen Schutzbereiches.

[14] Vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 97 Rn. 37.

[15] LG Hamburg vom 15.10.2010, BeckRS 2011, 01653.

[16] BVerfG NStZ-RR 2004, S. 83 ff.

[17] Dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 160a StPO über die Vorgaben des BVerfG hinaus ging und damit die Strafverfolgung nicht unerheblich erschwert hat, ist allerdings richtig und wird von Siegrist (wistra 2010, 427 ff.) zutreffend dargestellt.

[18] Schuster, NZWiSt 2012, 424ff.

[19] Vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 444 Rd. 3.

[20] Vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 97 Rd. 10, Einl. Rn. 76.

[21] Vgl. die sog. Akzo-Nobel-Entscheidung des EuGH, Urteil vom 14.09.2010, C-550/07, Celex-Nr. 62007CJ0550; kritisch dazu: Moosmayer, NJW 2010, 3548 f.

Autorinnen und Autoren

  • Renate Wimmer
    Oberstaatsanwältin Renate Wimmer leitet seit 01.09.2012 die Abteilung XII der Staatsanwaltschaft München I, zuständig für Korruptionsbekämpfung. Zuvor war sie bei der Generalstaatsanwaltschaft München tätig und dort für Wirtschaftsstrafsachen, insbesondere Korruption und ärztlichen Abrechnungsbetrug zuständig. Sie leitete von März 2011 bis August 2012 die Abteilung XI der Staatsanwaltschaft München I, zuständig für die Verfolgung von Betrug, Untreue, Geldwäsche.

WiJ

  • Dr. Simon Ulc , Marc Neuhaus

    Übernahme von Kosten für Verteidiger und Zeugenbeistände – eine Praxisübersicht

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Ricarda Schelzke

    BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23

    Individual- und Unternehmenssanktionen

  • Dr. Marius Haak , Joshua Pawel LL.M.

    Umweltkriminalität im Visier der EU – Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Rat beschlossen

    Produkthaftung, Umwelt, Fahrlässigkeit und Zurechnung