Dr. Vivien Adamski

Übertragung strafbewehrter Arbeitgeberpflichten durch ausdrückliche Beauftragung gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB

Anm. zu BGH, Beschl. v. 12.09.2012 – 5 StR 363/12

Die Frage, ob ein Mitarbeiter ausdrücklich beauftragt wurde, in eigener Verantwortung Aufgaben des Betriebsinhabers wahrzunehmen, hat grundlegende Bedeutung für die Strafbarkeit dieses Mitarbeiters. Nur eine wirksame Beauftragung bewirkt eine Gleichstellung mit dem Betriebsinhaber und somit eine mögliche Bestrafung als Täter eines Sonderdelikts.

Der BGH hatte in seiner Entscheidung darüber zu befinden, ob die Feststellungen des LG Hamburg dazu ausreichen konnten, die Ehefrau eines Geschäftsführers eines Reinigungsunternehmens als Täterin des § 266a StGB zu qualifizieren. In seinem Beschluss nimmt der BGH daneben zu den grundsätzlichen Voraussetzungen Stellung, unter denen eine Arbeitgeberstellung durch ausdrückliche Beauftragung gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB zugerechnet werden kann und betont, dass diesbezüglich ein strenger Maßstab anzusetzen ist.

I. Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Die Angeklagte M. war die Ehefrau des ebenfalls angeklagten Geschäftsführers einer Reinigungsfirma. Diese Reinigungsfirma hatte vertraglich die Reinigung und Überwachung von mehreren Toilettenanlagen in großen Kaufhäusern übernommen. Der Reinigungsfirma oblag es, die Toiletten in den Warenhäusern ständig in einem sauberen und hygienisch einwandfreien Zustand zu halten. Hierzu sollten auftretende Verschmutzungen unverzüglich beseitigt und die Toilettenanlagen desinfiziert werden. Diese Tätigkeit erforderte die ständige Präsenz eines Mitarbeiters vor Ort. Das durch die Reinigungsfirma eingesetzte Personal wurde zunächst nach dem für das Gebäudereinigerhandwerk geltenden Mindestlohn beschäftigt. Um Lohnkosten zu sparen, entschied man sich schließlich für eine Regelung, nach der lediglich die tatsächliche „Putzzeit“ des jeweiligen Mitarbeiters als Arbeitszeit zählte, nicht jedoch seine Anwesenheitszeit. Diese Putzzeit wurde durch die Reinigungsfirma pauschal bestimmt und mit 125,00 € bzw. 128,00 € pro Monat vergütet. Darüber hinaus erhielten die Arbeitnehmer einen Teil des Ihnen durch die Benutzer der Toiletten freiwillig hinterlassenen „Tellergeldes“. Die Arbeitnehmer wurden bei der Minijob-Zentrale angemeldet und die Sozialversicherungsbeiträge auf Basis der offiziell gewährten Entlohnung abgeführt.

Das Landgericht Hamburg verurteilte beide Angeklagte wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gem. § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB in 50 Fällen, da sie über einen Zeitraum von zwei Jahren unzutreffende Meldungen abgegeben und somit Sozialversicherungsbeträge in Höhe von insgesamt knapp EUR 128.000,00 verkürzt hatten. Für die Berechnung der Abgabe sei der Mindestlohn entsprechend den im Gebäudereinigungsgewerbe geltenden Tarifen zugrunde zu legen gewesen.

Die Täterschaft des Ehemannes ergebe sich dabei aus seiner Stellung als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Reinigungsgesellschaft. Als solcher sei er Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB. Aber auch die Angeklagte M. sei als Täterin zu bestrafen. Gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB unterliege sie den gleichen Pflichten wie ihr Ehemann, da sie von diesem beauftragt worden sei, den Personalsektor eigenverantwortlich allein abzuwickeln. Die Personalverhältnisse seien dabei in enger Abstimmung zwischen den Eheleuten geregelt worden.

Dem stimmt der BGH nur teilweise zu. Es sei richtig, dass die Arbeitnehmer des Reinigungsunternehmens dem Mindestlohn für Gebäudereiniger unterliegen. Zugrunde zu legen sei außerdem die gesamte von den Arbeitnehmern vor Ort abgeleistete Zeit. Diese sei in vollem Umfang als Arbeitszeit zu werten, da die durch die Warenhäuser abverlangte Toilettenpflege von den Arbeitnehmern eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsbelastung verlange. Bei Tariflohnunterschreitungen sei die Höhe der Beitragsschuld – wie durch das Landgericht geschehen – außerdem richtigerweise nicht nach dem vereinbarten, sondern nach dem geschuldeten Lohn zu berechnen. Ob auch das sog. „Tellergeld“ vom Landgericht hätte berücksichtigt werden müssen, lässt der BGH offen. Es spreche jedoch Einiges dafür, dass das Tellergeld Lohncharakter aufweise und einen aus dem Arbeitsverhältnis vermittelten Vermögenszuwachs darstelle.

Zu einem vom Landgericht abweichenden Ergebnis kommt der BGH allerdings hinsichtlich der Feststellungen zur Zurechnung der Arbeitgeberstellung zu Lasten der Angeklagten M. Es sei bereits zweifelhaft, ob eine ausdrückliche Beauftragung der Angeklagten M. überhaupt stattgefunden habe. Zwar könne ein Auftrag im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB auch formfrei geschehen, die Beauftragung müsse jedoch zweifelsfrei erfolgen und ausreichend konkret sein, damit für den Beauftragten das Ausmaß der von ihm zu erfüllenden Pflichten eindeutig erkennbar sei. Hierzu habe das Landgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

An das Vorliegen einer Beauftragung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB seien darüber hinaus aber auch strenge Anforderungen zu stellen. Schließlich werde mit der Beauftragung eine persönliche Normadressatenstellung des Beauftragten begründet, die diesem strafbewehrt die Erfüllung betriebsbezogener Pflichten überbürde. Es komme zu einer jedenfalls partiellen Verlagerung strafbewehrter Pflichten vom primär zuständigen Organ auf nachgeordnete Mitarbeiter. Aus diesem Grunde dürfe nicht ohne weiteres von der Übertragung von Leitungsbefugnissen auf die Begründung einer Normadressatenstellung geschlossen werden.

Entscheidend sei, dass gesetzliche Arbeitgeberpflichten in die eigenverantwortliche Entscheidungsgewalt des Beauftragten übergehen. Für die Prüfung sei von indizieller Bedeutung, ob der Betrieb aufgrund seiner Größe überhaupt eine personelle Aufteilung der Verantwortlichkeitsbereiche erforderlich mache. Zu prüfen sei außerdem, ob eine sachliche Notwendigkeit für eine derart weitgehende Aufgabenübertragung bestehe. Je weniger eine solche erkennbar sei, umso ferner liege es, eine Übertragung der Arbeitgeberpflichten anzunehmen.

Fehle dem mit einem bestimmten Aufgabenbereich betrauten Mitarbeiter die notwendige Selbstständigkeit und eigene Entscheidungsfreiheit, so handle er nicht wie ein organschaftlicher Vertreter, sondern allenfalls als dessen Gehilfe.

Im vorliegenden Falle lasse die Einräumung einer Leitungsbefugnis an die Angeklagte M. durch ihren Ehemann nicht den Schluss zu, dass sie damit sämtliche mit den Personalangelegenheiten zusammenhängenden betrieblichen Pflichten übernommen habe. Hiergegen spreche vor allem, dass dem Ehemann die „Büroarbeit“ vorbehalten blieb, zu der insbesondere auch die Erfüllung der Arbeitgeberpflichten gegenüber den Sozialversicherungen zählte. Die Angeklagte M. sei daher allenfalls als fachliche Vorgesetzte gegenüber dem Reinigungspersonal zu qualifizieren. Dies genüge jedoch ausdrücklich nicht den Anforderungen an eine Beauftragung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Eheleuten sei hierfür kein Kriterium.

Im Übrigen sei die Angeklagte M. auch nicht etwa „Teilbetriebsleiterin“ im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Auf Grundlage der durch das Landgericht getroffenen Feststellungen sei jedoch eine Beihilfe der Angeklagten M. anzunehmen.

II. Anmerkung

Juristische Personen nehmen als eigene Rechtspersönlichkeiten am Wirtschaftsleben teil. Sie treten im Geschäftsverkehr als Vertragspartner auf, können Arbeitgeber, Fahrzeughalter und Schuldner sein. Adressaten von Strafnormen sind sie jedoch nicht. Das deutsche Strafrecht kennt kein Unternehmensstrafrecht, eine „Schuld“ juristischer Personen ist nicht vorgesehen. Die Normbefehle des Strafrechts richten sich ausschließlich an natürliche Personen. Dies gilt auch für die sog. Sonderdelikte des StGB. Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach Delikten wie beispielsweise § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt), § 283 StGB (Bankrott) oder § 264 StGB (Subventionsbetrug) ist das Vorliegen besonderer persönlicher Merkmale. So muss der Täter des § 266a StGB „Arbeitgeber“, der des § 283 StGB „Schuldner“ und derjenige des § 264 StGB „Subventionsnehmer“ sein. Um zu verhindern, dass sich der Normbefehl solcher Delikte an eine zwar grundsätzlich qualifizierte, jedoch deliktsunfähige juristische Person richtet und damit ins Leere geht, führt § 14 Abs. 1 StGB als Strafausdehnungsvorschrift.[1]zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Vertretungsberechtigten der jeweiligen Gesellschaft. Dies folgt im Übrigen dem allgemeinen Grundsatz, dass juristische Personen durch ihre Organe vertreten werden. Darüber hinaus können aber gem. § 14 Abs. 2 StGB auch durch beispielsweise den Betriebsinhaber Beauftragte zu Normadressaten von Sonderdelikten werden. Dies trägt u.a. der Tatsache Rechnung, dass die Arbeitsteilung zu einem wichtigen Instrument der modernen Wirtschaft geworden ist, mit dem organisatorischen Herausforderungen sowie Haftungsrisiken begegnet werden soll. Eine wirksame Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität muss daher auch die Möglichkeit der (Um-)Verteilung von Verantwortung im Blick haben. In Betracht kommen hier nicht nur nachgeordnete Arbeitnehmer, sondern auch Personen, die nicht Angehörige des Betriebes sind. Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 StGB gilt damit nicht nur für innerbetriebliche, sondern auch für zwischenbetriebliche Arbeitsteilung.

1. Eigenverantwortlichkeit als zentrales Kriterium

Die strafrechtlichen Folgen einer wirksamen Beauftragung für den Beauftragten sind gravierend. Nachgeordnete Arbeitnehmer werden in ihrer strafrechtlichen Verantwortung den Organen der Gesellschaft oder dem Betriebsleiter gleichgestellt. Es verdient daher Zustimmung, wenn der BGH eine solche Überwälzung[2]strafrechtlicher Verantwortlichkeiten nur unter engen Voraussetzungen und auf Grundlage umfangreicher Feststellungen erlaubt. Besonders wichtig ist danach, dass der Beauftragte ausdrücklich mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Aufgaben betraut ist. Im Falle des § 266a StGB muss es sich hierbei um gesetzliche Arbeitgeberpflichten handeln. Dies ist konsequent. Denn nur wer über entsprechende Befugnisse und Entscheidungskompetenzen verfügt, erfüllt (wenn auch nur in einem jeweils abgesteckten Bereich) Aufgaben des Inhabers und kann diesem gleichgestellt werden.

Die vom BGH geforderte Eigenverantwortlichkeit setzt jedenfalls eine freie Entscheidungsbefugnis voraus. Es muss dem Beauftragten möglich sein, ohne vorherige Abstimmung selbstständig eine Beurteilung der Situation vornehmen und entsprechende Maßnahmen treffen zu können.[3] Indizielle Wirkung schreibt der BGH in diesem Zusammenhang der Frage zu, ob der Betrieb aufgrund seiner Größe überhaupt eine personelle Aufteilung von Verantwortungsbereichen erforderlich macht. Hierzu solle mit Blick auf die Gesetzesbegründung auch der Gedanke der Sozialadäquanz fruchtbar gemacht werden. Fraglich sei demnach, ob etwa im Hinblick auf die betriebliche Struktur eine sachliche Notwendigkeit für eine derart weitgehende Aufgabenübertragung bestanden habe. Nach der Gesetzesbegründung zum EGOWiG[4] soll hierfür ausschlaggebend sein, ob die Übertragung sich im Rahmen des in der modernen Wirtschaft allgemein Üblichen hält. Dies dürfte insbesondere bei Kleinbetrieben zweifelhaft sein und ist vor allem dann abzulehnen, wenn die Verantwortung auch für den betroffenen Teilbereich noch beim Betriebsinhaber liegt. Im vorliegenden Falle war der Ehemann der Angeklagten beispielsweise immer noch für die „Büroarbeit“ zuständig, zu der auch die Erfüllung der Arbeitgeberpflichten gegenüber den Sozialversicherungsträgern gehörte. Der BGH schlussfolgert hieraus ausdrücklich, dass auf dieser Grundlage nicht davon auszugehen sei, dass die Angeklagte sämtliche mit den Personalangelegenheiten zusammenhängende betriebliche Pflichten übernommen habe.

Teilweise wird zusätzlich darauf abgestellt, inwieweit der Vertreter nach in der Gesellschaft akzeptierten Maßstäben überhaupt als solcher verstanden werden kann. Schulbeispiel ist hier üblicherweise der Inhaber einer Verkaufsstelle, der ein Lehrmädchen damit beauftragt, eigenverantwortlich die Einhaltung der Ladenschlusszeiten zu gewährleisten.[5] Mangels ausreichender Bestimmtheit und der damit verbundenen Gefahr von Abgrenzungsschwierigkeiten wird die Heranziehung des Gedankens der Sozialadäquanz in der Literatur überwiegend ablehnend beurteilt.[6] Zu begrüßen ist aber jedenfalls, dass der BGH Anhaltspunkte für die Anwendung des Gedankens der Sozialadäquanz liefert und ausdrücklich eine „sinnvolle Aufgabenteilung“ fordert. Auch wenn auch dies kein ausreichend bestimmtes Kriterium darstellt, können etwaige Härten bei der Anwendung des § 14 StGB auf diese Weise ausgeglichen werden.

Der BGH stellt außerdem ausdrücklich fest, dass weder die Übertragung von Leitungsbefugnissen noch die Einbeziehung in unternehmerische Mitverantwortung zur Begründung einer Normadressatenstellung ausreichen könne (Rn. 14, 15). Dies ist vor allem für die aufgrund ihrer Bezeichnung und ihrer im Regelfalle höheren innerbetrieblichen Verantwortung besonders gefährdeten leitenden Angestellten von Belang. Auch in Bezug auf solche Mitarbeiter dürften nach den Grundsätzen des BGH zukünftig umfangreiche Feststellungen zu treffen sein. Zwar legen die in § 5 Abs. 3 BetrVG formulierten Kriterien eine auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten gegebene Leitungsbefugnis durchaus nahe; ein Automatismus kann sich hieraus jedoch nicht ergeben.[7] So kann es nach einer Entscheidung des OLG Hamm sogar einem Prokuristen an der notwendigen Eigenverantwortlichkeit fehlen.[8]

Kurz verhält sich der BGH auch zur Frage der Teilleitung gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Der Gesetzgeber fokussiert hier solche Mitarbeiter, die entweder eine Leitungsfunktion räumlich und organisatorisch vom Hauptbetrieb getrennter Betriebsteile (Zweigstellen, Filialen etc.) wahrnehmen oder Leitungsfunktionen sachlich abgegrenzter Teilbereiche ausüben (Abteilungen). Der BGH stellt klar, dass die Voraussetzungen für eine Pflichtenübertragung nach dieser Vorschrift – abgesehen von der Ausdrücklichkeit der Beauftragung – „jedenfalls nicht schwächer sein“ dürfen als diejenigen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Eine Strafbarkeit kann sich daher auch nicht über den „Umweg“ des § 14 Abs. 2 Nr. 1 ergeben, soweit eine solche über § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB ob der strengen Anforderungen nicht gegeben ist.

2. Ausdrücklichkeit

Aufgrund der gravierenden strafrechtlichen Folgen, die eine wirksame Beauftragung für den Beauftragten hat, betont der Senat noch einmal, was schon das Gesetz besagt: Die Beauftragung hat ausdrücklich zu erfolgen. Eine stillschweigende oder konkludente Pflichtenübertragung ist damit nicht ausreichend. Zwar muss der Auftrag nicht schriftlich erteilt werden, er muss jedoch zweifelsfrei erfolgen und so konkret sein, dass für den Beauftragten das Ausmaß der übernommenen Pflichten erkennbar ist.

3. Rechtsfolgen der wirksamen Beauftragung

Eine Delegation bestimmter Verantwortungsbereiche führt im Übrigen nicht etwa automatisch zur Straffreiheit des Delegierenden. Dieser kommt auch weiterhin als Zurechnungsobjekt in Frage.[9] Das Gesetz legt diesen Umstand bereits im Wortlaut fest. Dort heißt es ausdrücklich, die Sonderdelikte seien „auch“ auf den Vertreter/Beauftragten anzuwenden. Hieraus wird allgemein gefolgert, dass selbst die erfolgreiche Pflichtendelegation keine Befreiung des primär Verpflichteten bewirkt,[10] der Begriff der „Pflichtenüberwälzung“[11]also insoweit missverständlich ist. Entsprechend stellte sich auch im Rahmen der vorliegenden Entscheidung nicht die Frage einer möglichen Entlastung des Ehemannes durch eine wirksame Beauftragung der Angeklagten M. Es ging vielmehr lediglich darum, ob die Angeklagte M neben ihrem Mann als Täterin für die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge zur Verantwortung gezogen werden konnte. Dabei setzt eine Eigenverantwortung des Delegierenden jedoch selbstverständlich das Vorliegen sämtlicher Strafbarkeitsvoraussetzungen in seiner Person voraus.

Anders ist dies hingegen im Rahmen der Fahrlässigkeitshaftung. Dort bewirkt die arbeitsteilige Struktur durchaus eine zuständigkeitsbezogene Beschränkung von Sorgfaltspflichten.[12] Fraglich ist dann, ob dem Beauftragenden ein Pflichtverstoß im Hinblick auf die Auswahl und die Beaufsichtigung des Beauftragten vorzuwerfen ist. Für § 266a StGB gilt dies jedoch nicht und war damit für die Entscheidung des BGH nicht relevant.

Hingegen führt die nicht wirksame Beauftragung des Mitarbeiters aber auch nicht zu dessen Straffreiheit. Nach den allgemeinen Regeln der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme kommt hier vielmehr eine Strafbarkeit wegen Beihilfe in Betracht. Dies nahm der BGH im Hinblick auf die Angeklagte auch an.

III. Zusammenfassung/Fazit

Der restriktiven Anwendung des § 14 Abs. 2 StGB durch den BGH ist zuzustimmen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der gravierenden Folgen, die eine wirksame Beauftragung nach sich zieht. Auch wenn es sich bei den im Rahmen der Entscheidung aufgestellten Kriterien vor allem um solche mit lediglich indizieller Wirkung handelt, so hat der BGH dennoch deutliche Anhaltspunkte für die Auslegung der Vorschrift aufgezeigt. Diese werden im Übrigen auch bei der Organisation von arbeitsteiligen Betriebsabläufen Berücksichtigung finden müssen.

Maßstab für die Beantwortung der Frage nach einer wirksamen Beauftragung muss stets die Überlegung sein, ob die Befugnisse und Entscheidungskompetenzen des Beauftragten in dessen jeweiligem Teilbereich mit denen eines Organs oder Betriebsleiters derart vergleichbar sind, dass sich hieraus eine eigene Normadressatenstellung des Beauftragten ergeben muss. Zusätzlich wird man die Struktur des Unternehmens beleuchten müssen, um das durch den BGH aufgestellte Kriterium der sachlichen Notwendigkeit einer Aufgabenverteilung bewerten zu können. Zu beachten ist, dass die durch den Senat angeführten Einzelkriterien lediglich indizielle Wirkung haben. Die Feststellung einer wirksamen Beauftragung ist daher stets das Ergebnis einer fundierten Abwägung der tatsächlichen Gegebenheiten, die ihrerseits umfangreiche Feststellungen des Gerichts voraussetzt.

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Anm. zu BGH, Beschl. v. 12.09.2012 – 5 StR 363/12

Die Frage, ob ein Mitarbeiter ausdrücklich beauftragt wurde, in eigener Verantwortung Aufgaben des Betriebsinhabers wahrzunehmen, hat grundlegende Bedeutung für die Strafbarkeit dieses Mitarbeiters. Nur eine wirksame Beauftragung bewirkt eine Gleichstellung mit dem Betriebsinhaber und somit eine mögliche Bestrafung als Täter eines Sonderdelikts.

Der BGH hatte in seiner Entscheidung darüber zu befinden, ob die Feststellungen des LG Hamburg dazu ausreichen konnten, die Ehefrau eines Geschäftsführers eines Reinigungsunternehmens als Täterin des § 266a StGB zu qualifizieren. In seinem Beschluss nimmt der BGH daneben zu den grundsätzlichen Voraussetzungen Stellung, unter denen eine Arbeitgeberstellung durch ausdrückliche Beauftragung gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB zugerechnet werden kann und betont, dass diesbezüglich ein strenger Maßstab anzusetzen ist.

 

I. Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Die Angeklagte M. war die Ehefrau des ebenfalls angeklagten Geschäftsführers einer Reinigungsfirma. Diese Reinigungsfirma hatte vertraglich die Reinigung und Überwachung von mehreren Toilettenanlagen in großen Kaufhäusern übernommen. Der Reinigungsfirma oblag es, die Toiletten in den Warenhäusern ständig in einem sauberen und hygienisch einwandfreien Zustand zu halten. Hierzu sollten auftretende Verschmutzungen unverzüglich beseitigt und die Toilettenanlagen desinfiziert werden. Diese Tätigkeit erforderte die ständige Präsenz eines Mitarbeiters vor Ort. Das durch die Reinigungsfirma eingesetzte Personal wurde zunächst nach dem für das Gebäudereinigerhandwerk geltenden Mindestlohn beschäftigt. Um Lohnkosten zu sparen, entschied man sich schließlich für eine Regelung, nach der lediglich die tatsächliche „Putzzeit“ des jeweiligen Mitarbeiters als Arbeitszeit zählte, nicht jedoch seine Anwesenheitszeit. Diese Putzzeit wurde durch die Reinigungsfirma pauschal bestimmt und mit 125,00 € bzw. 128,00 € pro Monat vergütet. Darüber hinaus erhielten die Arbeitnehmer einen Teil des Ihnen durch die Benutzer der Toiletten freiwillig hinterlassenen „Tellergeldes“. Die Arbeitnehmer wurden bei der Minijob-Zentrale angemeldet und die Sozialversicherungsbeiträge auf Basis der offiziell gewährten Entlohnung abgeführt.

Das Landgericht Hamburg verurteilte beide Angeklagte wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gem. § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB in 50 Fällen, da sie über einen Zeitraum von zwei Jahren unzutreffende Meldungen abgegeben und somit Sozialversicherungsbeträge in Höhe von insgesamt knapp EUR 128.000,00 verkürzt hatten. Für die Berechnung der Abgabe sei der Mindestlohn entsprechend den im Gebäudereinigungsgewerbe geltenden Tarifen zugrunde zu legen gewesen.

Die Täterschaft des Ehemannes ergebe sich dabei aus seiner Stellung als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Reinigungsgesellschaft. Als solcher sei er Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB. Aber auch die Angeklagte M. sei als Täterin zu bestrafen. Gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB unterliege sie den gleichen Pflichten wie ihr Ehemann, da sie von diesem beauftragt worden sei, den Personalsektor eigenverantwortlich allein abzuwickeln. Die Personalverhältnisse seien dabei in enger Abstimmung zwischen den Eheleuten geregelt worden.

Dem stimmt der BGH nur teilweise zu. Es sei richtig, dass die Arbeitnehmer des Reinigungsunternehmens dem Mindestlohn für Gebäudereiniger unterliegen. Zugrunde zu legen sei außerdem die gesamte von den Arbeitnehmern vor Ort abgeleistete Zeit. Diese sei in vollem Umfang als Arbeitszeit zu werten, da die durch die Warenhäuser abverlangte Toilettenpflege von den Arbeitnehmern eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsbelastung verlange. Bei Tariflohnunterschreitungen sei die Höhe der Beitragsschuld – wie durch das Landgericht geschehen – außerdem richtigerweise nicht nach dem vereinbarten, sondern nach dem geschuldeten Lohn zu berechnen. Ob auch das sog. „Tellergeld“ vom Landgericht hätte berücksichtigt werden müssen, lässt der BGH offen. Es spreche jedoch Einiges dafür, dass das Tellergeld Lohncharakter aufweise und einen aus dem Arbeitsverhältnis vermittelten Vermögenszuwachs darstelle.

Zu einem vom Landgericht abweichenden Ergebnis kommt der BGH allerdings hinsichtlich der Feststellungen zur Zurechnung der Arbeitgeberstellung zu Lasten der Angeklagten M. Es sei bereits zweifelhaft, ob eine ausdrückliche Beauftragung der Angeklagten M. überhaupt stattgefunden habe. Zwar könne ein Auftrag im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB auch formfrei geschehen, die Beauftragung müsse jedoch zweifelsfrei erfolgen und ausreichend konkret sein, damit für den Beauftragten das Ausmaß der von ihm zu erfüllenden Pflichten eindeutig erkennbar sei. Hierzu habe das Landgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

An das Vorliegen einer Beauftragung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB seien darüber hinaus aber auch strenge Anforderungen zu stellen. Schließlich werde mit der Beauftragung eine persönliche Normadressatenstellung des Beauftragten begründet, die diesem strafbewehrt die Erfüllung betriebsbezogener Pflichten überbürde. Es komme zu einer jedenfalls partiellen Verlagerung strafbewehrter Pflichten vom primär zuständigen Organ auf nachgeordnete Mitarbeiter. Aus diesem Grunde dürfe nicht ohne weiteres von der Übertragung von Leitungsbefugnissen auf die Begründung einer Normadressatenstellung geschlossen werden.

Entscheidend sei, dass gesetzliche Arbeitgeberpflichten in die eigenverantwortliche Entscheidungsgewalt des Beauftragten übergehen. Für die Prüfung sei von indizieller Bedeutung, ob der Betrieb aufgrund seiner Größe überhaupt eine personelle Aufteilung der Verantwortlichkeitsbereiche erforderlich mache. Zu prüfen sei außerdem, ob eine sachliche Notwendigkeit für eine derart weitgehende Aufgabenübertragung bestehe. Je weniger eine solche erkennbar sei, umso ferner liege es, eine Übertragung der Arbeitgeberpflichten anzunehmen.

Fehle dem mit einem bestimmten Aufgabenbereich betrauten Mitarbeiter die notwendige Selbstständigkeit und eigene Entscheidungsfreiheit, so handle er nicht wie ein organschaftlicher Vertreter, sondern allenfalls als dessen Gehilfe.

Im vorliegenden Falle lasse die Einräumung einer Leitungsbefugnis an die Angeklagte M. durch ihren Ehemann nicht den Schluss zu, dass sie damit sämtliche mit den Personalangelegenheiten zusammenhängenden betrieblichen Pflichten übernommen habe. Hiergegen spreche vor allem, dass dem Ehemann die „Büroarbeit“ vorbehalten blieb, zu der insbesondere auch die Erfüllung der Arbeitgeberpflichten gegenüber den Sozialversicherungen zählte. Die Angeklagte M. sei daher allenfalls als fachliche Vorgesetzte gegenüber dem Reinigungspersonal zu qualifizieren. Dies genüge jedoch ausdrücklich nicht den Anforderungen an eine Beauftragung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Eheleuten sei hierfür kein Kriterium.

Im Übrigen sei die Angeklagte M. auch nicht etwa „Teilbetriebsleiterin“ im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Auf Grundlage der durch das Landgericht getroffenen Feststellungen sei jedoch eine Beihilfe der Angeklagten M. anzunehmen.

 

II. Anmerkung

Juristische Personen nehmen als eigene Rechtspersönlichkeiten am Wirtschaftsleben teil. Sie treten im Geschäftsverkehr als Vertragspartner auf, können Arbeitgeber, Fahrzeughalter und Schuldner sein. Adressaten von Strafnormen sind sie jedoch nicht. Das deutsche Strafrecht kennt kein Unternehmensstrafrecht, eine „Schuld“ juristischer Personen ist nicht vorgesehen. Die Normbefehle des Strafrechts richten sich ausschließlich an natürliche Personen. Dies gilt auch für die sog. Sonderdelikte des StGB. Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach Delikten wie beispielsweise § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt), § 283 StGB (Bankrott) oder § 264 StGB (Subventionsbetrug) ist das Vorliegen besonderer persönlicher Merkmale. So muss der Täter des § 266a StGB „Arbeitgeber“, der des § 283 StGB „Schuldner“ und derjenige des § 264 StGB „Subventionsnehmer“ sein. Um zu verhindern, dass sich der Normbefehl solcher Delikte an eine zwar grundsätzlich qualifizierte, jedoch deliktsunfähige juristische Person richtet und damit ins Leere geht, führt § 14 Abs. 1 StGB als Strafausdehnungsvorschrift.[1]zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Vertretungsberechtigten der jeweiligen Gesellschaft. Dies folgt im Übrigen dem allgemeinen Grundsatz, dass juristische Personen durch ihre Organe vertreten werden. Darüber hinaus können aber gem. § 14 Abs. 2 StGB auch durch beispielsweise den Betriebsinhaber Beauftragte zu Normadressaten von Sonderdelikten werden. Dies trägt u.a. der Tatsache Rechnung, dass die Arbeitsteilung zu einem wichtigen Instrument der modernen Wirtschaft geworden ist, mit dem organisatorischen Herausforderungen sowie Haftungsrisiken begegnet werden soll. Eine wirksame Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität muss daher auch die Möglichkeit der (Um-)Verteilung von Verantwortung im Blick haben. In Betracht kommen hier nicht nur nachgeordnete Arbeitnehmer, sondern auch Personen, die nicht Angehörige des Betriebes sind. Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 StGB gilt damit nicht nur für innerbetriebliche, sondern auch für zwischenbetriebliche Arbeitsteilung.

1. Eigenverantwortlichkeit als zentrales Kriterium

Die strafrechtlichen Folgen einer wirksamen Beauftragung für den Beauftragten sind gravierend. Nachgeordnete Arbeitnehmer werden in ihrer strafrechtlichen Verantwortung den Organen der Gesellschaft oder dem Betriebsleiter gleichgestellt. Es verdient daher Zustimmung, wenn der BGH eine solche Überwälzung[2]strafrechtlicher Verantwortlichkeiten nur unter engen Voraussetzungen und auf Grundlage umfangreicher Feststellungen erlaubt. Besonders wichtig ist danach, dass der Beauftragte ausdrücklich mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Aufgaben betraut ist. Im Falle des § 266a StGB muss es sich hierbei um gesetzliche Arbeitgeberpflichten handeln. Dies ist konsequent. Denn nur wer über entsprechende Befugnisse und Entscheidungskompetenzen verfügt, erfüllt (wenn auch nur in einem jeweils abgesteckten Bereich) Aufgaben des Inhabers und kann diesem gleichgestellt werden.

Die vom BGH geforderte Eigenverantwortlichkeit setzt jedenfalls eine freie Entscheidungsbefugnis voraus. Es muss dem Beauftragten möglich sein, ohne vorherige Abstimmung selbstständig eine Beurteilung der Situation vornehmen und entsprechende Maßnahmen treffen zu können.[3] Indizielle Wirkung schreibt der BGH in diesem Zusammenhang der Frage zu, ob der Betrieb aufgrund seiner Größe überhaupt eine personelle Aufteilung von Verantwortungsbereichen erforderlich macht. Hierzu solle mit Blick auf die Gesetzesbegründung auch der Gedanke der Sozialadäquanz fruchtbar gemacht werden. Fraglich sei demnach, ob etwa im Hinblick auf die betriebliche Struktur eine sachliche Notwendigkeit für eine derart weitgehende Aufgabenübertragung bestanden habe. Nach der Gesetzesbegründung zum EGOWiG[4] soll hierfür ausschlaggebend sein, ob die Übertragung sich im Rahmen des in der modernen Wirtschaft allgemein Üblichen hält. Dies dürfte insbesondere bei Kleinbetrieben zweifelhaft sein und ist vor allem dann abzulehnen, wenn die Verantwortung auch für den betroffenen Teilbereich noch beim Betriebsinhaber liegt. Im vorliegenden Falle war der Ehemann der Angeklagten beispielsweise immer noch für die „Büroarbeit“ zuständig, zu der auch die Erfüllung der Arbeitgeberpflichten gegenüber den Sozialversicherungsträgern gehörte. Der BGH schlussfolgert hieraus ausdrücklich, dass auf dieser Grundlage nicht davon auszugehen sei, dass die Angeklagte sämtliche mit den Personalangelegenheiten zusammenhängende betriebliche Pflichten übernommen habe.

Teilweise wird zusätzlich darauf abgestellt, inwieweit der Vertreter nach in der Gesellschaft akzeptierten Maßstäben überhaupt als solcher verstanden werden kann. Schulbeispiel ist hier üblicherweise der Inhaber einer Verkaufsstelle, der ein Lehrmädchen damit beauftragt, eigenverantwortlich die Einhaltung der Ladenschlusszeiten zu gewährleisten.[5] Mangels ausreichender Bestimmtheit und der damit verbundenen Gefahr von Abgrenzungsschwierigkeiten wird die Heranziehung des Gedankens der Sozialadäquanz in der Literatur überwiegend ablehnend beurteilt.[6] Zu begrüßen ist aber jedenfalls, dass der BGH Anhaltspunkte für die Anwendung des Gedankens der Sozialadäquanz liefert und ausdrücklich eine „sinnvolle Aufgabenteilung“ fordert. Auch wenn auch dies kein ausreichend bestimmtes Kriterium darstellt, können etwaige Härten bei der Anwendung des § 14 StGB auf diese Weise ausgeglichen werden.

Der BGH stellt außerdem ausdrücklich fest, dass weder die Übertragung von Leitungsbefugnissen noch die Einbeziehung in unternehmerische Mitverantwortung zur Begründung einer Normadressatenstellung ausreichen könne (Rn. 14, 15). Dies ist vor allem für die aufgrund ihrer Bezeichnung und ihrer im Regelfalle höheren innerbetrieblichen Verantwortung besonders gefährdeten leitenden Angestellten von Belang. Auch in Bezug auf solche Mitarbeiter dürften nach den Grundsätzen des BGH zukünftig umfangreiche Feststellungen zu treffen sein. Zwar legen die in § 5 Abs. 3 BetrVG formulierten Kriterien eine auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten gegebene Leitungsbefugnis durchaus nahe; ein Automatismus kann sich hieraus jedoch nicht ergeben.[7] So kann es nach einer Entscheidung des OLG Hamm sogar einem Prokuristen an der notwendigen Eigenverantwortlichkeit fehlen.[8]

Kurz verhält sich der BGH auch zur Frage der Teilleitung gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Der Gesetzgeber fokussiert hier solche Mitarbeiter, die entweder eine Leitungsfunktion räumlich und organisatorisch vom Hauptbetrieb getrennter Betriebsteile (Zweigstellen, Filialen etc.) wahrnehmen oder Leitungsfunktionen sachlich abgegrenzter Teilbereiche ausüben (Abteilungen). Der BGH stellt klar, dass die Voraussetzungen für eine Pflichtenübertragung nach dieser Vorschrift – abgesehen von der Ausdrücklichkeit der Beauftragung – „jedenfalls nicht schwächer sein“ dürfen als diejenigen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Eine Strafbarkeit kann sich daher auch nicht über den „Umweg“ des § 14 Abs. 2 Nr. 1 ergeben, soweit eine solche über § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB ob der strengen Anforderungen nicht gegeben ist.

2. Ausdrücklichkeit

Aufgrund der gravierenden strafrechtlichen Folgen, die eine wirksame Beauftragung für den Beauftragten hat, betont der Senat noch einmal, was schon das Gesetz besagt: Die Beauftragung hat ausdrücklich zu erfolgen. Eine stillschweigende oder konkludente Pflichtenübertragung ist damit nicht ausreichend. Zwar muss der Auftrag nicht schriftlich erteilt werden, er muss jedoch zweifelsfrei erfolgen und so konkret sein, dass für den Beauftragten das Ausmaß der übernommenen Pflichten erkennbar ist.

3. Rechtsfolgen der wirksamen Beauftragung

Eine Delegation bestimmter Verantwortungsbereiche führt im Übrigen nicht etwa automatisch zur Straffreiheit des Delegierenden. Dieser kommt auch weiterhin als Zurechnungsobjekt in Frage.[9] Das Gesetz legt diesen Umstand bereits im Wortlaut fest. Dort heißt es ausdrücklich, die Sonderdelikte seien „auch“ auf den Vertreter/Beauftragten anzuwenden. Hieraus wird allgemein gefolgert, dass selbst die erfolgreiche Pflichtendelegation keine Befreiung des primär Verpflichteten bewirkt,[10] der Begriff der „Pflichtenüberwälzung“[11]also insoweit missverständlich ist. Entsprechend stellte sich auch im Rahmen der vorliegenden Entscheidung nicht die Frage einer möglichen Entlastung des Ehemannes durch eine wirksame Beauftragung der Angeklagten M. Es ging vielmehr lediglich darum, ob die Angeklagte M neben ihrem Mann als Täterin für die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge zur Verantwortung gezogen werden konnte. Dabei setzt eine Eigenverantwortung des Delegierenden jedoch selbstverständlich das Vorliegen sämtlicher Strafbarkeitsvoraussetzungen in seiner Person voraus.

Anders ist dies hingegen im Rahmen der Fahrlässigkeitshaftung. Dort bewirkt die arbeitsteilige Struktur durchaus eine zuständigkeitsbezogene Beschränkung von Sorgfaltspflichten.[12] Fraglich ist dann, ob dem Beauftragenden ein Pflichtverstoß im Hinblick auf die Auswahl und die Beaufsichtigung des Beauftragten vorzuwerfen ist. Für § 266a StGB gilt dies jedoch nicht und war damit für die Entscheidung des BGH nicht relevant.

Hingegen führt die nicht wirksame Beauftragung des Mitarbeiters aber auch nicht zu dessen Straffreiheit. Nach den allgemeinen Regeln der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme kommt hier vielmehr eine Strafbarkeit wegen Beihilfe in Betracht. Dies nahm der BGH im Hinblick auf die Angeklagte auch an.

 

III. Zusammenfassung/Fazit

Der restriktiven Anwendung des § 14 Abs. 2 StGB durch den BGH ist zuzustimmen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der gravierenden Folgen, die eine wirksame Beauftragung nach sich zieht. Auch wenn es sich bei den im Rahmen der Entscheidung aufgestellten Kriterien vor allem um solche mit lediglich indizieller Wirkung handelt, so hat der BGH dennoch deutliche Anhaltspunkte für die Auslegung der Vorschrift aufgezeigt. Diese werden im Übrigen auch bei der Organisation von arbeitsteiligen Betriebsabläufen Berücksichtigung finden müssen.

Maßstab für die Beantwortung der Frage nach einer wirksamen Beauftragung muss stets die Überlegung sein, ob die Befugnisse und Entscheidungskompetenzen des Beauftragten in dessen jeweiligem Teilbereich mit denen eines Organs oder Betriebsleiters derart vergleichbar sind, dass sich hieraus eine eigene Normadressatenstellung des Beauftragten ergeben muss. Zusätzlich wird man die Struktur des Unternehmens beleuchten müssen, um das durch den BGH aufgestellte Kriterium der sachlichen Notwendigkeit einer Aufgabenverteilung bewerten zu können. Zu beachten ist, dass die durch den Senat angeführten Einzelkriterien lediglich indizielle Wirkung haben. Die Feststellung einer wirksamen Beauftragung ist daher stets das Ergebnis einer fundierten Abwägung der tatsächlichen Gegebenheiten, die ihrerseits umfangreiche Feststellungen des Gerichts voraussetzt.

[1] Fischer, StGB, § 14 Rn. 1b; Tsambikakis/Kretschmer in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 1. Aufl. 2011, § 14, Rn. 2.

[2] Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 14, Rn. 4.

[3] Radtke in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2011, § 14, Rn. 101 unter Hinweis auf Bottke, wistra 1991, 52, 53.

[4] BT-Drucks. V/1319.

[5] BT-Drucks. V/1319.

[6] Marxen/Böse in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl. 2010, § 14, Rn. 66; Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 14, Rn. 36; Radtke in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2011, § 14, Rn. 103 Marxen/Böse, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl. 2010, § 14, Rn. 66.

[7] Strenger und damit für eine regelmäßige Bejahung strafrechtlicher Verantwortung wohl Marxen/Böse in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl. 2010, § 14, Rn. 56; Radtke in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2011, § 14, Rn. 97.

[8] OLG Hamm MDR 1974, 425 (zum OWiG).

[9] Marxen/Böse in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl. 2010, § 14, Rn. 15 ff.

[10] Fischer, StGB, § 14, Rn. 16; Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 14, Rn. 7; Radtke in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2011, § 14, Rn. 127.

[11] Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 14, Rn. 4; vgl. auch BGH SStR 863/12, Rn. 15 (git. n. juris) der von einer „partiellen Verlagerung“ spricht.

[12] Marxen/Böse in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl. 2010, § 14, Rn. 67.

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Vivien Adamski
    Dr. Vivien Adamski ist Rechtsanwältin im strafrechtlichen Dezernat der Kanzlei Kapellmann und Partner am Standort Mönchengladbach. Sie berät Einzelpersonen und Unternehmen in strafrechtlichen Krisensituationen. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Bereich Criminal Compliance.

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