Oliver Schmitt, Manuel Köchel

Jäger, Examens-Repetitorium Strafrecht Allgemeiner Teil und Besonderer Teil

Allgemeiner Teil, 6. Auflage (2013), 21,95 €, 366 Seiten

Besonderer Teil, 5. Auflage (2013), 22,95 €, 433 Seiten

Mit der 6. bzw. 5. Auflage des Examens-Repetitoriums zum Allgemeinen und Besonderen Teil des Strafrechts sind in diesem Jahr zwei Bücher erschienen, die für fortgeschrittene Studenten der Rechtswissenschaften sehr interessant sein könnten. Die Neuauflagen führen die erfolgreiche Konzeption der fallbasierten Didaktik Jägers in gewohnter Manier fort, sodass man sie schon länger zum etablierten Kreis der Standardwerke in diesem Bereich zählen kann und diese insoweit auch kaum noch wegzudenken sind. Die überzeugende Kombination aus Kommentar, Fall- und Lehrbuch rundet den positiven Gesamteindruck ab. Nach Auffassung der Rezensenten (deren Vorbereitung für die Erste Juristische Staatsprüfung in nicht allzu ferner Vergangenheit liegt und in deren Rahmen die beiden Bücher einen festen Bestandteil der materiellen strafrechtlichen Vorbereitung ausmachten) geht beim Erklimmen des Examensbergs eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Exemplaren kaum ein Weg vorbei. Aus diesem Grund soll im Folgenden eine Durchsicht und Bewertung beider Werke erfolgen.

I. Inhalt

Inhaltlich wird in 11 Kapiteln im AT und 22 Kapiteln im BT das gesamte examensrelevante Wissen im Strafrecht auf knapp 700 Seiten abgedeckt. Der Schwerpunk der Überarbeitung in den Neuauflagen ist zwar in die Einarbeitung der neusten Rechtsprechung gelegt worden, aber auch nicht unbedeutende Gesetzgebungsentwicklungen (beispielsweise die heftig diskutierte Erweiterung des Schutzbereichs des § 114 StGB durch einen neuen Abs. 3, vgl. Besonderer Teil, § 3, Rn. 132a) haben ihren Niederschlag gefunden.

So wurde die hochaktuelle und damit höchst examensrelevante BGH-Entscheidung „Hells Angels“ (BGH NStZ 2012, 272) zur Verdeutlichung der Ausführungen zum Erlaubnistatbestandsirrtum eingefügt. In dieser Entscheidung prüft der BGH geradezu schulmäßig zunächst in der Rechtswidrigkeit die objektive Rechtfertigungslage, ehe er sodann im Rahmen der Schuld untersucht, ob sich der Täter rechtfertigende Umstände vorgestellt hat. Auch der „Mobbing-Fall“ (BGHSt 57, 42 ff.) ergänzt in der neuesten Auflage zum Strafrecht AT ab sofort das Kapitel zum vorsätzlichen Unterlassungsdelikt. Dieser Entscheidung liegt eine ausführliche Prüfung des BGH zugrunde, ob eine Garantenstellung des Täters anzunehmen ist oder nicht. Die Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen wird schließlich mit dem Fall „Winnenden“ (BGH StraFo 2012, 173 ff.) vervollständigt. Diese aktuelle Rechtsprechung überzeugt nicht nur durch eine lehrbuchartige Abgrenzung, sondern zeigt auch, dass es im Einzelfall (insbesondere in der Examenklausur) schwerpunktmäßig lediglich auf eine gute Argumentation ankommt, da im Zweifel beide Ansichten vertretbar sind.

Zu Beginn des Exemplars für den Allgemeinen Teil finden sich ca. 20 Seiten Ausführungen zu den Grundlagen des Strafrechts. Ob diese Passagen nicht in einem reinen Lehrbuch besser aufgehoben wären, kann aufgrund der Kürze dahingestellt bleiben. Zumindest für die Vorbereitung auf den mündlichen Teil der Juristischen Staatsprüfung kann ein kurzer Blick in dieses Kapitel nicht schaden. Hervorzuheben ist in der AT Variante weiterhin der ergänzte Exkurs hinsichtlich ausgewählter echter Unterlassungsdelikte (namentlich die offensichtlich examensrelevanten §§ 138 und 323c StGB), welche als Pendant zu den unechten Unterlassungsdelikten bewusst kurz erläutert werden.

Beispielhaft ergänzt im BT nicht nur der „Drohversuch-Fall“ (BGH StV 2012, 153) die Ausführungen zum Tatbestand des schweren Raubes, sondern auch der „Bilddateien-Fall“ (BGH StV 2012, 465) den subjektiven Tatbestand zum Raub. In den universitären Veranstaltungen weist Jäger zudem stets auf den „Mobiltelefonfall“ (BGH NStZ 2011, 36) hin, der nach seiner Auffassung irgendwann im Examen „abgefragt werden muss“. Dieser Stoff des Besonderen Teils wird dabei in drei umfangreiche Oberkapitel untergliedert: Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter, Delikte gegen das Vermögen und weitere examensrelevante Deliktsgruppen. Bereits im Rahmen dieser Aufteilung wird erkennbar, dass das Buch neben der klausurtaktischen Ausrichtung v.a. auf das Systemverständnis der Materie ausgelegt ist. Die unter § 21 des BT Bandes besprochenen Delikte des Umweltstrafrechts sind zwar kein Pflichtstoff in der Ersten Juristischen Staatsprüfung, sodass die Ausführungen dazu im Hinblick auf eine Examensvorbereitung auch hätten weggelassen werden können; anlässlich der kurzen Darstellung und der Tatsache, dass an manchen Universitäten ein Schwerpunkt zu eben jenem Bereich angeboten wird, fällt dieser Aspekt nicht unbedingt negativ ins Gewicht.

Alle Fälle werden dabei nicht nur gutachterlich und somit klausurähnlich gelöst, sondern in knappen Bemerkungen kritisch hinterfragt und ggf. ergänzt.

Kritisch zu beurteilen und auch erst auf den zweiten Blick erkennbar ist, dass zwar häufig Sonderprobleme den jeweiligen Diskussionsstand komplettieren, allerdings gewisse Bereiche, von denen ein Examenskandidat zumindest einmal Notiz genommen haben sollte, nicht erörtert werden. So wurden im Examen beispielsweise bereits Fallgestaltungen wie die fahrlässige Mittäterschaft abgeprüft, zu der dogmatische Ausführungen jedoch in den Büchern fehlen. Um die Seitenzahl nicht übermäßig zu erhöhen, wäre zumindest ein kurzer Verweis auf jene Problematiken in einer Fußnote mit weiteren Fundstellen angebracht. Ob eine vertiefte Auseinandersetzung mit der jeweiligen Problematik erfolgt, ist dann dem Leser selbst überlassen.

Was inhaltlich hiernach dagegen sofort auffällt, ist, dass Ausführungen zur Strafprozessordnung vollständig ausgespart worden sind. Für die Examensvorbereitung sehr zu empfehlen ist an dieser Stelle (ebenfalls aus der Unirep Jura Reihe) das Examens-Repetitorium von Engländer, das ebenfalls in diesem Jahr in der 6. Auflage erschienen ist. Dieses Buch rundet die strafrechtliche Wissensvermittlung auf lediglich gut 100 Seiten prozessrechtlich ab.

II. Darstellung

Auch unter formalen Aspekten gleichen sich die Werke, da sie beide in Abgrenzung zur sonstigen Literatur den Inhalt geradezu abwechslungsreich darstellen. Denn im Unterschied zu den klassischen Lehrbüchern legt der Autor nicht nur besonderen Wert auf allgemeine Aufbauhinweise, indem er übersichtliche und einprägsame Schemata integriert, die Ausgangspunkt und Leitfaden für jede Klausurbearbeitung darstellen, sondern es fällt auch auf, dass mit examensnahen Klausur- und Problemhinweisen in prägnantester Form die Vermeidung von typischen Fehlerquellen vermittelt werden soll. Diese Tipps beziehen sich dabei nicht nur auf spezifische Einzelfallfragen, sondern greifen auch allgemeine klausurtaktische Aufbauratschläge auf.

Mit diesem Konzept erreichen beide Bände das Ziel der Unirep Jura Reihe des C.F. Müller Verlages, eine gezielte Vorbereitung auf die Erste Juristische Staatsprüfung. Hilfreich wirken dabei auch nicht nur die in kursiv abgedruckten Klausurhinweise („Achtung Klausur“ bzw. „Hinweis für die Klausurbearbeitung“), sondern auch die klare Sprache. Was für den Klausurverfasser umso dankbarer ist, sind die häufig kurz und auf das Wesentliche reduzierten Aufbereitungen der Streitstände, die jedem Examenskandidaten bekannt sein müssen. Exemplarisch kann das anhand der Aufbereitung des Erlaubnistatbestandsirrtums und der Abgrenzung des dolus eventualis von der bewussten Fahrlässigkeit festgemacht werden (Allgemeiner Teil, § 3, Rn. 75 ff. sowie § 5, Rn. 212 ff.): Während zunächst die jeweilige Strömung mit zwei bis drei Sätzen prägnant erläutert wird, folgt im unmittelbaren Anschluss neben der systematischen Verortung im Prüfungsaufbau ein Argument gegen die entsprechende Deutungsmöglichkeit. Häufig gewährt einem die strafrechtliche Examensklausur nicht den notwendigen zeitlichen Rahmen eine andere Auffassung mit mehr als ein bis zwei Argumenten zu entkräften. Vervollständigt wird diese methodische Herangehensweise mit dem bereits oben erwähnten „Hells Angels-Fall“.

Es gelingt Jäger zudem des Öfteren, vermeintlich Kompliziertes verständlich zu vermitteln. Mithilfe einer analytischen Aufschlüsselung der Regelungsstufung der examensträchtigen Brandstiftungsdelikte (vgl. Besonderer Teil, § 16, Rn. 502) wird die Unterscheidung in Grunddelikt, Qualifikation, Erfolgsqualifikation und abstraktes Gefährdungsdelikt trennscharf herausgearbeitet. Mittels drei typischen Klausurkonstellationen (vgl. Besonderer Teil, § 11, Rn. 381 ff.) wird die in schriftlichen Arbeiten häufig unzutreffende Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung kurz aber entsprechend fundiert erläutert. Gerade die tabellenartige Gegenüberstellung der divergierenden Rechtsfolgen für die BGH- und die Literaturlösung beschränken den aktuellen Forschungsstand auf die wesentlichen Punkte.

Zur abwechslungsreichen Darstellung tragen schließlich die vielen kleinen Fälle bei. Diese sind in den Text integriert und greifen den zuvor vermittelten Examensstoff unmittelbar auf. Nach Auffassung der Rezensenten schafft kein anderes Lehrbuch eine so flüssige Integration der Fälle in die Vermittlung des abstrakten Lernstoffes. Die Sachverhalte sind dabei meistens Entscheidungen des BGH nachempfunden und bilden dadurch gleichzeitig potentielle Examenssachverhalte. Im Anschluss an den grau hinterlegten Sachverhalten folgt eine sorgfältig ausformulierte Lösung. Diese wird dabei, abweichend vom Urteilstil des BGH, unter Einbeziehung des strafrechtlichen Gesamtsystems derart aufbereitet, dass sie als Gutachten für eine Examensklausur dienen könnte.

Abschließend sei noch auf eine Selbstverständlichkeit hingewiesen: Um einem Repetitoriumsbuch gerecht zu werden, bleibt es nicht aus, Grundlagenwissen in knapper Form darzustellen und gewisse Vorkenntnisse vorauszusetzen. Aus diesem Grund kann das Buch nicht für Studenten in den ersten Semestern empfohlen werden.

III. Zusammenhang

Der immanente Vorteil der beiden Bände ist darin zu sehen, dass beide von dem gleichen Verfasser geschrieben worden sind. Jäger unternimmt damit den Versuch, mit Verweisungen (Beispielsweise Allgemeiner Teil, § 3, Rn. 82a sowie Besonderer Teil, § 15, Rn. 489 und gleicher Band § 8, Rn. 272) zwischen den Bänden die Bezüge zwischen AT und BT herzustellen und eine einheitliche Darstellung zu ermöglichen. Im Ergebnis ergänzen sich die Bücher damit gegenseitig. Zwar mag es z.T. etwas Überwindung kosten, den jeweiligen anderen Band aufzuschlagen und die entsprechende Stelle nachzulesen. Allerdings kann nur über diesen Weg der notwendige „Examensinstinkt“ für die typisch unbekannten Fälle in den Klausuren geschärft werden. Mithin ist es gerade im Bereich des Besonderen Teils des Strafrechts von entscheidender Relevanz, den rechtsgutsbezogenen Charakter der einzelnen Delikte zu erkennen und damit das womöglich unbekannte Problem mit juristisch sauberer Methodenlehre zu lösen. Über die jeweiligen Verweise zwischen den beiden Exemplaren wird schließlich noch gewährleistet, dass der Student nicht nur am Einzelproblem hängen bleibt, sondern die Problematik im Gesamtzusammenhang einzuordnen vermag.

IV. Vergleich

Abschließend soll noch vergleichend eine Alternative zu den Werken von Jäger aufgezeigt werden. Mit dem Klausurenkurs im Strafrecht richtet sich Beulke mit einem auf drei Bände ausgelegten Gesamtwerk ebenfalls an Examenskandidaten. Während Teil I und II für Anfänger bzw. Fortgeschrittene konzipiert ist, wendet sich Teil III speziell an Studenten, die sich gezielt fallorientiert und repetitoriumsartig auf das Examen im Strafrecht vorbereiten wollen. Inhaltlich verfolgt dieses 2013 nunmehr in 4. Auflage erschienene Werk ein anderes Konzept, indem es anhand von 15 klausurnahen Fällen den gesamten examensrelevanten Stoff abdecken will. Die Fälle sind dabei vom Schwierigkeitsgrad her durchaus anspruchsvoll, aber nicht examensfern. Im Rahmen der Lösungen werden dabei 160 Hauptprobleme herausgegriffen und optisch so hervorgehoben, dass ein späteres kurzes Überfliegen leicht möglich ist. Mit 600 Seiten ist das Werk ähnlich umfangreich, behandelt allerdings mit 29 Problemen zusätzlich auch das Strafprozessrecht in seinen wesentlichen Zügen. Positiv hervorzuheben sei noch, dass dieses Werk nicht auf den ersten beiden Bänden aufbaut, aber dennoch natürlich wie auch bei den Werken von Jäger als Repetitoriumsbuch Grundkenntnisse voraussetzt.

V. Fazit

Als Fazit lässt sich konstatieren, dass die Werke eine Lücke zwischen den meist knappen Repetitoriumsskripten und den für die Examensvorbereitung zu ausführlichen Lehrbüchern bestmöglich ausfüllen, indem der strafrechtlich relevante Stoff konzentriert dargestellt wird. Dadurch erhält man die Möglichkeit, das Strafrechtswissen aus den beiden Büchern in einem Schnelldurchlauf einige Wochen vor dem Examen noch einmal Revue passieren zu lassen, indem die wichtigsten Probleme in relativ kurzer Zeit durch die formale Hervorhebung überflogen werden können.

Mit einem Preis von jeweils um die 22 Euro stellen sie damit eine erschwingliche und gute Alternative zur sonstigen Fachliteratur dar. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass durch die Einbettung der neuen Entscheidungen der Umfang der Bücher beibehalten werden konnte, indem einige ältere Fälle als Beispiele fortgeführt werden. Empfehlen kann man dieses Buch also allen Jurastudenten, die den Examensberg vor Augen haben und ihr Wissen über den Allgemeinen und Besonderen Teil des StGB auffrischen möchten und eine sehr gute Lektüre suchen. Aber auch für Referendare kann ein kurzer Blick in die aktuellen Auflagen für die Wiederholung des materiellen Rechts eine gelungene Abwechslung sein.


[:en]

Allgemeiner Teil, 6. Auflage (2013), 21,95 €, 366 Seiten

Besonderer Teil, 5. Auflage (2013), 22,95 €, 433 Seiten

Mit der 6. bzw. 5. Auflage des Examens-Repetitoriums zum Allgemeinen und Besonderen Teil des Strafrechts sind in diesem Jahr zwei Bücher erschienen, die für fortgeschrittene Studenten der Rechtswissenschaften sehr interessant sein könnten. Die Neuauflagen führen die erfolgreiche Konzeption der fallbasierten Didaktik Jägers in gewohnter Manier fort, sodass man sie schon länger zum etablierten Kreis der Standardwerke in diesem Bereich zählen kann und diese insoweit auch kaum noch wegzudenken sind. Die überzeugende Kombination aus Kommentar, Fall- und Lehrbuch rundet den positiven Gesamteindruck ab. Nach Auffassung der Rezensenten (deren Vorbereitung für die Erste Juristische Staatsprüfung in nicht allzu ferner Vergangenheit liegt und in deren Rahmen die beiden Bücher einen festen Bestandteil der materiellen strafrechtlichen Vorbereitung ausmachten) geht beim Erklimmen des Examensbergs eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Exemplaren kaum ein Weg vorbei. Aus diesem Grund soll im Folgenden eine Durchsicht und Bewertung beider Werke erfolgen.

I. Inhalt

Inhaltlich wird in 11 Kapiteln im AT und 22 Kapiteln im BT das gesamte examensrelevante Wissen im Strafrecht auf knapp 700 Seiten abgedeckt. Der Schwerpunk der Überarbeitung in den Neuauflagen ist zwar in die Einarbeitung der neusten Rechtsprechung gelegt worden, aber auch nicht unbedeutende Gesetzgebungsentwicklungen (beispielsweise die heftig diskutierte Erweiterung des Schutzbereichs des § 114 StGB durch einen neuen Abs. 3, vgl. Besonderer Teil, § 3, Rn. 132a) haben ihren Niederschlag gefunden.

So wurde die hochaktuelle und damit höchst examensrelevante BGH-Entscheidung „Hells Angels“ (BGH NStZ 2012, 272) zur Verdeutlichung der Ausführungen zum Erlaubnistatbestandsirrtum eingefügt. In dieser Entscheidung prüft der BGH geradezu schulmäßig zunächst in der Rechtswidrigkeit die objektive Rechtfertigungslage, ehe er sodann im Rahmen der Schuld untersucht, ob sich der Täter rechtfertigende Umstände vorgestellt hat. Auch der „Mobbing-Fall“ (BGHSt 57, 42 ff.) ergänzt in der neuesten Auflage zum Strafrecht AT ab sofort das Kapitel zum vorsätzlichen Unterlassungsdelikt. Dieser Entscheidung liegt eine ausführliche Prüfung des BGH zugrunde, ob eine Garantenstellung des Täters anzunehmen ist oder nicht. Die Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen wird schließlich mit dem Fall „Winnenden“ (BGH StraFo 2012, 173 ff.) vervollständigt. Diese aktuelle Rechtsprechung überzeugt nicht nur durch eine lehrbuchartige Abgrenzung, sondern zeigt auch, dass es im Einzelfall (insbesondere in der Examenklausur) schwerpunktmäßig lediglich auf eine gute Argumentation ankommt, da im Zweifel beide Ansichten vertretbar sind.

Zu Beginn des Exemplars für den Allgemeinen Teil finden sich ca. 20 Seiten Ausführungen zu den Grundlagen des Strafrechts. Ob diese Passagen nicht in einem reinen Lehrbuch besser aufgehoben wären, kann aufgrund der Kürze dahingestellt bleiben. Zumindest für die Vorbereitung auf den mündlichen Teil der Juristischen Staatsprüfung kann ein kurzer Blick in dieses Kapitel nicht schaden. Hervorzuheben ist in der AT Variante weiterhin der ergänzte Exkurs hinsichtlich ausgewählter echter Unterlassungsdelikte (namentlich die offensichtlich examensrelevanten §§ 138 und 323c StGB), welche als Pendant zu den unechten Unterlassungsdelikten bewusst kurz erläutert werden.

Beispielhaft ergänzt im BT nicht nur der „Drohversuch-Fall“ (BGH StV 2012, 153) die Ausführungen zum Tatbestand des schweren Raubes, sondern auch der „Bilddateien-Fall“ (BGH StV 2012, 465) den subjektiven Tatbestand zum Raub. In den universitären Veranstaltungen weist Jäger zudem stets auf den „Mobiltelefonfall“ (BGH NStZ 2011, 36) hin, der nach seiner Auffassung irgendwann im Examen „abgefragt werden muss“. Dieser Stoff des Besonderen Teils wird dabei in drei umfangreiche Oberkapitel untergliedert: Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter, Delikte gegen das Vermögen und weitere examensrelevante Deliktsgruppen. Bereits im Rahmen dieser Aufteilung wird erkennbar, dass das Buch neben der klausurtaktischen Ausrichtung v.a. auf das Systemverständnis der Materie ausgelegt ist. Die unter § 21 des BT Bandes besprochenen Delikte des Umweltstrafrechts sind zwar kein Pflichtstoff in der Ersten Juristischen Staatsprüfung, sodass die Ausführungen dazu im Hinblick auf eine Examensvorbereitung auch hätten weggelassen werden können; anlässlich der kurzen Darstellung und der Tatsache, dass an manchen Universitäten ein Schwerpunkt zu eben jenem Bereich angeboten wird, fällt dieser Aspekt nicht unbedingt negativ ins Gewicht.

Alle Fälle werden dabei nicht nur gutachterlich und somit klausurähnlich gelöst, sondern in knappen Bemerkungen kritisch hinterfragt und ggf. ergänzt.

Kritisch zu beurteilen und auch erst auf den zweiten Blick erkennbar ist, dass zwar häufig Sonderprobleme den jeweiligen Diskussionsstand komplettieren, allerdings gewisse Bereiche, von denen ein Examenskandidat zumindest einmal Notiz genommen haben sollte, nicht erörtert werden. So wurden im Examen beispielsweise bereits Fallgestaltungen wie die fahrlässige Mittäterschaft abgeprüft, zu der dogmatische Ausführungen jedoch in den Büchern fehlen. Um die Seitenzahl nicht übermäßig zu erhöhen, wäre zumindest ein kurzer Verweis auf jene Problematiken in einer Fußnote mit weiteren Fundstellen angebracht. Ob eine vertiefte Auseinandersetzung mit der jeweiligen Problematik erfolgt, ist dann dem Leser selbst überlassen.

Was inhaltlich hiernach dagegen sofort auffällt, ist, dass Ausführungen zur Strafprozessordnung vollständig ausgespart worden sind. Für die Examensvorbereitung sehr zu empfehlen ist an dieser Stelle (ebenfalls aus der Unirep Jura Reihe) das Examens-Repetitorium von Engländer, das ebenfalls in diesem Jahr in der 6. Auflage erschienen ist. Dieses Buch rundet die strafrechtliche Wissensvermittlung auf lediglich gut 100 Seiten prozessrechtlich ab.

II. Darstellung

Auch unter formalen Aspekten gleichen sich die Werke, da sie beide in Abgrenzung zur sonstigen Literatur den Inhalt geradezu abwechslungsreich darstellen. Denn im Unterschied zu den klassischen Lehrbüchern legt der Autor nicht nur besonderen Wert auf allgemeine Aufbauhinweise, indem er übersichtliche und einprägsame Schemata integriert, die Ausgangspunkt und Leitfaden für jede Klausurbearbeitung darstellen, sondern es fällt auch auf, dass mit examensnahen Klausur- und Problemhinweisen in prägnantester Form die Vermeidung von typischen Fehlerquellen vermittelt werden soll. Diese Tipps beziehen sich dabei nicht nur auf spezifische Einzelfallfragen, sondern greifen auch allgemeine klausurtaktische Aufbauratschläge auf.

Mit diesem Konzept erreichen beide Bände das Ziel der Unirep Jura Reihe des C.F. Müller Verlages, eine gezielte Vorbereitung auf die Erste Juristische Staatsprüfung. Hilfreich wirken dabei auch nicht nur die in kursiv abgedruckten Klausurhinweise („Achtung Klausur“ bzw. „Hinweis für die Klausurbearbeitung“), sondern auch die klare Sprache. Was für den Klausurverfasser umso dankbarer ist, sind die häufig kurz und auf das Wesentliche reduzierten Aufbereitungen der Streitstände, die jedem Examenskandidaten bekannt sein müssen. Exemplarisch kann das anhand der Aufbereitung des Erlaubnistatbestandsirrtums und der Abgrenzung des dolus eventualis von der bewussten Fahrlässigkeit festgemacht werden (Allgemeiner Teil, § 3, Rn. 75 ff. sowie § 5, Rn. 212 ff.): Während zunächst die jeweilige Strömung mit zwei bis drei Sätzen prägnant erläutert wird, folgt im unmittelbaren Anschluss neben der systematischen Verortung im Prüfungsaufbau ein Argument gegen die entsprechende Deutungsmöglichkeit. Häufig gewährt einem die strafrechtliche Examensklausur nicht den notwendigen zeitlichen Rahmen eine andere Auffassung mit mehr als ein bis zwei Argumenten zu entkräften. Vervollständigt wird diese methodische Herangehensweise mit dem bereits oben erwähnten „Hells Angels-Fall“.

Es gelingt Jäger zudem des Öfteren, vermeintlich Kompliziertes verständlich zu vermitteln. Mithilfe einer analytischen Aufschlüsselung der Regelungsstufung der examensträchtigen Brandstiftungsdelikte (vgl. Besonderer Teil, § 16, Rn. 502) wird die Unterscheidung in Grunddelikt, Qualifikation, Erfolgsqualifikation und abstraktes Gefährdungsdelikt trennscharf herausgearbeitet. Mittels drei typischen Klausurkonstellationen (vgl. Besonderer Teil, § 11, Rn. 381 ff.) wird die in schriftlichen Arbeiten häufig unzutreffende Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung kurz aber entsprechend fundiert erläutert. Gerade die tabellenartige Gegenüberstellung der divergierenden Rechtsfolgen für die BGH- und die Literaturlösung beschränken den aktuellen Forschungsstand auf die wesentlichen Punkte.

Zur abwechslungsreichen Darstellung tragen schließlich die vielen kleinen Fälle bei. Diese sind in den Text integriert und greifen den zuvor vermittelten Examensstoff unmittelbar auf. Nach Auffassung der Rezensenten schafft kein anderes Lehrbuch eine so flüssige Integration der Fälle in die Vermittlung des abstrakten Lernstoffes. Die Sachverhalte sind dabei meistens Entscheidungen des BGH nachempfunden und bilden dadurch gleichzeitig potentielle Examenssachverhalte. Im Anschluss an den grau hinterlegten Sachverhalten folgt eine sorgfältig ausformulierte Lösung. Diese wird dabei, abweichend vom Urteilstil des BGH, unter Einbeziehung des strafrechtlichen Gesamtsystems derart aufbereitet, dass sie als Gutachten für eine Examensklausur dienen könnte.

Abschließend sei noch auf eine Selbstverständlichkeit hingewiesen: Um einem Repetitoriumsbuch gerecht zu werden, bleibt es nicht aus, Grundlagenwissen in knapper Form darzustellen und gewisse Vorkenntnisse vorauszusetzen. Aus diesem Grund kann das Buch nicht für Studenten in den ersten Semestern empfohlen werden.

III. Zusammenhang

Der immanente Vorteil der beiden Bände ist darin zu sehen, dass beide von dem gleichen Verfasser geschrieben worden sind. Jäger unternimmt damit den Versuch, mit Verweisungen (Beispielsweise Allgemeiner Teil, § 3, Rn. 82a sowie Besonderer Teil, § 15, Rn. 489 und gleicher Band § 8, Rn. 272) zwischen den Bänden die Bezüge zwischen AT und BT herzustellen und eine einheitliche Darstellung zu ermöglichen. Im Ergebnis ergänzen sich die Bücher damit gegenseitig. Zwar mag es z.T. etwas Überwindung kosten, den jeweiligen anderen Band aufzuschlagen und die entsprechende Stelle nachzulesen. Allerdings kann nur über diesen Weg der notwendige „Examensinstinkt“ für die typisch unbekannten Fälle in den Klausuren geschärft werden. Mithin ist es gerade im Bereich des Besonderen Teils des Strafrechts von entscheidender Relevanz, den rechtsgutsbezogenen Charakter der einzelnen Delikte zu erkennen und damit das womöglich unbekannte Problem mit juristisch sauberer Methodenlehre zu lösen. Über die jeweiligen Verweise zwischen den beiden Exemplaren wird schließlich noch gewährleistet, dass der Student nicht nur am Einzelproblem hängen bleibt, sondern die Problematik im Gesamtzusammenhang einzuordnen vermag.

IV. Vergleich

Abschließend soll noch vergleichend eine Alternative zu den Werken von Jäger aufgezeigt werden. Mit dem Klausurenkurs im Strafrecht richtet sich Beulke mit einem auf drei Bände ausgelegten Gesamtwerk ebenfalls an Examenskandidaten. Während Teil I und II für Anfänger bzw. Fortgeschrittene konzipiert ist, wendet sich Teil III speziell an Studenten, die sich gezielt fallorientiert und repetitoriumsartig auf das Examen im Strafrecht vorbereiten wollen. Inhaltlich verfolgt dieses 2013 nunmehr in 4. Auflage erschienene Werk ein anderes Konzept, indem es anhand von 15 klausurnahen Fällen den gesamten examensrelevanten Stoff abdecken will. Die Fälle sind dabei vom Schwierigkeitsgrad her durchaus anspruchsvoll, aber nicht examensfern. Im Rahmen der Lösungen werden dabei 160 Hauptprobleme herausgegriffen und optisch so hervorgehoben, dass ein späteres kurzes Überfliegen leicht möglich ist. Mit 600 Seiten ist das Werk ähnlich umfangreich, behandelt allerdings mit 29 Problemen zusätzlich auch das Strafprozessrecht in seinen wesentlichen Zügen. Positiv hervorzuheben sei noch, dass dieses Werk nicht auf den ersten beiden Bänden aufbaut, aber dennoch natürlich wie auch bei den Werken von Jäger als Repetitoriumsbuch Grundkenntnisse voraussetzt.

V. Fazit

Als Fazit lässt sich konstatieren, dass die Werke eine Lücke zwischen den meist knappen Repetitoriumsskripten und den für die Examensvorbereitung zu ausführlichen Lehrbüchern bestmöglich ausfüllen, indem der strafrechtlich relevante Stoff konzentriert dargestellt wird. Dadurch erhält man die Möglichkeit, das Strafrechtswissen aus den beiden Büchern in einem Schnelldurchlauf einige Wochen vor dem Examen noch einmal Revue passieren zu lassen, indem die wichtigsten Probleme in relativ kurzer Zeit durch die formale Hervorhebung überflogen werden können.

Mit einem Preis von jeweils um die 22 Euro stellen sie damit eine erschwingliche und gute Alternative zur sonstigen Fachliteratur dar. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass durch die Einbettung der neuen Entscheidungen der Umfang der Bücher beibehalten werden konnte, indem einige ältere Fälle als Beispiele fortgeführt werden. Empfehlen kann man dieses Buch also allen Jurastudenten, die den Examensberg vor Augen haben und ihr Wissen über den Allgemeinen und Besonderen Teil des StGB auffrischen möchten und eine sehr gute Lektüre suchen. Aber auch für Referendare kann ein kurzer Blick in die aktuellen Auflagen für die Wiederholung des materiellen Rechts eine gelungene Abwechslung sein.


Autorinnen und Autoren

  • Oliver Schmitt
    Oliver Schmitt ist zurzeit Rechtsreferendar am Oberlandesgericht Bamberg. Neben seiner Vorbereitung auf die Zweite Juristische Staatsprüfung ist er für das Juristische Repetitorium Hemmer tätig.
  • Manuel Köchel
    Manuel Köchel promoviert über die Verjährung von Wirtschaftsstraftaten bei Prof. Nikolaus Bosch. Daneben ist er als juristischer Mitarbeiter im Bereich Internationales Steuerrecht bei der internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young in Frankfurt/Main tätig.

WiJ

  • Dr. Carolin Raspé , Dr. Roland Stein

    Strafrechtliche Risiken bei der Sanktions- Compliance Teil 1

    Außenwirtschaftsrecht Kriegswaffenkontrollrecht

  • Sigrid Mehring-Zier

    Wirtschaftsvölkerstrafrecht in der europäischen Praxis – und Deutschland?

    Auslandsbezüge EU Internationales Strafrecht Rechtshilfe

  • Jakob Lehners

    Digitale Akteneinsicht in der Untersuchungshaft

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)