Max Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess
6. Aufl., Köln 2013, Carl Heymanns Verlag, 711 Seiten, EUR 119
Nach einer kurzen Einleitung, die die Rechtsentwicklung seit dem 19. Jahrhundert referiert, wenden sich die Autoren zunächst den Grundlagen des Beweisantragsrechts zu. Sie erläutern hier etwa die Unterschiede zu der Sachaufklärungspflicht des Gerichts und geben ausführliche Hinweise zu der Formulierung und der Substantiierung eines Beweisantrags. Die Darstellung beschränkt sich dabei nicht etwa nur darauf, die aktuelle Rechtsprechung und Literatur zu referieren: Es finden sich, wie überall im Buch an geeigneten Stellen, auch sehr dezidierte Stellungnahmen und umfangreiche Lösungsvorschläge, z.B. zu dem seit fast 20 Jahren diskutierten Streitthema der Darstellung von Konnexität zwischen Beweismitteln und Beweistatsachen (Rn. 121 ff., insbes. 135 ff.). Im zweiten – dem umfangreichsten – Teil beleuchten die Verfasser das Beweisantragsrecht im Ermittlungs- und im Zwischenverfahren sowie in der Hauptverhandlung. Die forensische Praxis belegt gerade hier, wie hoch der entsprechende Informationsbedarf auf Seiten mancher Rechtsbeistände ist, zumal dann, wenn sie Verteidigungen nur gelegentlich übernehmen. Die gerichtliche Fürsorgepflicht (Rn. 740 ff.) vermag formale Mängel und fehlende Rechtskenntnisse hier nur unzureichend zu kompensieren. Dies zeigt sich vor allem in den Entscheidungen, mit denen die Gerichte die gesetzlichen Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO konsequent umsetzen: Missachtet der Antragsteller etwa das Verbot der Beweisantizipation (Rn. 768 ff.) oder stellt er unzulässige Beweisanträge (Rn. 786 ff.), macht er dem Gericht ablehnende Entscheidungen leicht. Gleiches gilt, wenn der Verteidiger die Grundlagen zur Erhebung präsenter Beweismittel (§ 245 StPO) falsch interpretiert, die in den Rn. 1465 ff. erschöpfend dargestellt werden. Abgeschlossen wird der zweite Teil des Handbuchs im Übrigen durch Ausführungen zu Besonderheiten der Beweiserhebung in speziellen Verfahrensarten, wie dem Privatklageverfahren, dem beschleunigten Verfahren oder dem OWi-Verfahren (Rn. 1559 ff.). Der letzte Teil des Buches befasst sich mit der Prüfung von Beweisantragsfragen durch das Revisionsgericht. Hier werden etwa die Darlegungspflichten des Revisionsführers (Rn. 1627 ff.) und der revisionsgerichtliche Prüfungsumfang, insbesondere zur Beruhensfrage (Rn. 1671 ff.) eingehend geschildert.
Zu mäkeln bliebt angesichts der hohen Aktualität der Ausführungen nicht viel: Ich hätte mir lediglich ein etwas ausführlicheres Stichwortverzeichnis gewünscht. Auch sollten Verfasser und Lektorat überlegen, ob die bislang bevorzugte Zitierung von BGH-Entscheidungen allein nach der amtlichen Sammlung nicht durch Hinweise auf andere verbreitetere strafrechtliche Publikationen ersetzt oder zumindest erweitert werden sollte; die Angabe der jeweiligen Aktenzeichen in den Fußnoten würde überdies die Recherche in juristischen Datenbanken erleichtern.
Ein empfehlenswertes Buch. Jeder Anwalt, der als Verteidiger tätig ist, sollte es seiner Handbibliothek hinzufügen. Es tritt gleichrangig neben den bislang solitären Spezialkommentar von Eisenberg, der künftig nicht mehr das einzige Standardwerk zu diesem Thema sein wird. Dabei bleibt zu hoffen, dass eine Folgeauflage nicht wieder Jahrzehnte auf sich warten lässt. Die von den Verfassern im Vorwort als beständige „Innovationen“ im Beweisantragsrecht charakterisierten höchstrichterlichen Rechtsschöpfungen werden sich sicherlich weiter fortentwickeln. Der stets aktuelle Informationsbedarf zu diesem „Zentralproblem des Strafprozesses“ bleibt daher auch künftig hoch.
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6. Aufl., Köln 2013, Carl Heymanns Verlag, 711 Seiten, EUR 119
Nach einer kurzen Einleitung, die die Rechtsentwicklung seit dem 19. Jahrhundert referiert, wenden sich die Autoren zunächst den Grundlagen des Beweisantragsrechts zu. Sie erläutern hier etwa die Unterschiede zu der Sachaufklärungspflicht des Gerichts und geben ausführliche Hinweise zu der Formulierung und der Substantiierung eines Beweisantrags. Die Darstellung beschränkt sich dabei nicht etwa nur darauf, die aktuelle Rechtsprechung und Literatur zu referieren: Es finden sich, wie überall im Buch an geeigneten Stellen, auch sehr dezidierte Stellungnahmen und umfangreiche Lösungsvorschläge, z.B. zu dem seit fast 20 Jahren diskutierten Streitthema der Darstellung von Konnexität zwischen Beweismitteln und Beweistatsachen (Rn. 121 ff., insbes. 135 ff.). Im zweiten – dem umfangreichsten – Teil beleuchten die Verfasser das Beweisantragsrecht im Ermittlungs- und im Zwischenverfahren sowie in der Hauptverhandlung. Die forensische Praxis belegt gerade hier, wie hoch der entsprechende Informationsbedarf auf Seiten mancher Rechtsbeistände ist, zumal dann, wenn sie Verteidigungen nur gelegentlich übernehmen. Die gerichtliche Fürsorgepflicht (Rn. 740 ff.) vermag formale Mängel und fehlende Rechtskenntnisse hier nur unzureichend zu kompensieren. Dies zeigt sich vor allem in den Entscheidungen, mit denen die Gerichte die gesetzlichen Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO konsequent umsetzen: Missachtet der Antragsteller etwa das Verbot der Beweisantizipation (Rn. 768 ff.) oder stellt er unzulässige Beweisanträge (Rn. 786 ff.), macht er dem Gericht ablehnende Entscheidungen leicht. Gleiches gilt, wenn der Verteidiger die Grundlagen zur Erhebung präsenter Beweismittel (§ 245 StPO) falsch interpretiert, die in den Rn. 1465 ff. erschöpfend dargestellt werden. Abgeschlossen wird der zweite Teil des Handbuchs im Übrigen durch Ausführungen zu Besonderheiten der Beweiserhebung in speziellen Verfahrensarten, wie dem Privatklageverfahren, dem beschleunigten Verfahren oder dem OWi-Verfahren (Rn. 1559 ff.). Der letzte Teil des Buches befasst sich mit der Prüfung von Beweisantragsfragen durch das Revisionsgericht. Hier werden etwa die Darlegungspflichten des Revisionsführers (Rn. 1627 ff.) und der revisionsgerichtliche Prüfungsumfang, insbesondere zur Beruhensfrage (Rn. 1671 ff.) eingehend geschildert.
Zu mäkeln bliebt angesichts der hohen Aktualität der Ausführungen nicht viel: Ich hätte mir lediglich ein etwas ausführlicheres Stichwortverzeichnis gewünscht. Auch sollten Verfasser und Lektorat überlegen, ob die bislang bevorzugte Zitierung von BGH-Entscheidungen allein nach der amtlichen Sammlung nicht durch Hinweise auf andere verbreitetere strafrechtliche Publikationen ersetzt oder zumindest erweitert werden sollte; die Angabe der jeweiligen Aktenzeichen in den Fußnoten würde überdies die Recherche in juristischen Datenbanken erleichtern.
Ein empfehlenswertes Buch. Jeder Anwalt, der als Verteidiger tätig ist, sollte es seiner Handbibliothek hinzufügen. Es tritt gleichrangig neben den bislang solitären Spezialkommentar von Eisenberg, der künftig nicht mehr das einzige Standardwerk zu diesem Thema sein wird. Dabei bleibt zu hoffen, dass eine Folgeauflage nicht wieder Jahrzehnte auf sich warten lässt. Die von den Verfassern im Vorwort als beständige „Innovationen“ im Beweisantragsrecht charakterisierten höchstrichterlichen Rechtsschöpfungen werden sich sicherlich weiter fortentwickeln. Der stets aktuelle Informationsbedarf zu diesem „Zentralproblem des Strafprozesses“ bleibt daher auch künftig hoch.