Organuntreue und gesetzeswidrige Zahlungen
I. Einleitung
Spätestens seit Rönnau vor der Mutation der Untreue (§ 266 StGB) zur „Superverbotsnorm“ gewarnt hat[1], ist ein Problem deutlich in den Fokus von Rechtswissenschaft und (Wirtschafts-)Strafverteidigung gerückt: Der Untreuetatbestand erfasst seinem weiten und unbestimmten Wortlaut[2] nach jede (irgendwie) pflichtwidrige Schädigung des Treugebervermögens durch einen vermögensbetreuungspflichtigen Täter. Damit kann § 266 StGB potentiell jede gesetzwidrige – und insoweit pflichtwidrige – Zahlung durch den Geschäftsleiter einer juristischen Person[3] erfassen, etwa Bestechungen (§ 299 StGB) oder verbotene Zahlungen an Betriebsräte (§ 119 BetrVG), obschon diese freilich (bereits auch) durch spezielle Vorschriften strafrechtlich sanktioniert werden. Dabei droht der Charakter der Vorschrift als Vermögensdelikt völlig zu verblassen.[4] Das lässt sich etwa beispielhaft anhand des Falles zeigen, in dem der Treunehmer durch eine Bestechungszahlung Aufträge akquiriert und so nicht nur für den Treugeber ein Vielfaches der gezahlten Summe als Gewinn erwirtschaftet, sondern darüber hinaus auch seine Marktposition festigt.[5] Angesichts der Tatsache, dass es nach wie vor Märkte gibt, auf denen korruptionsnahes Verhalten an der Tagesordnung und standortsichernder Faktor ist, sprechen wir also – insbesondere für international tätige Konzerne – über kein wirklichkeitsfremdes Szenario.[6] Wenn in einem solchen Fall (andere Delikte ausblendend) auch ein gegen das Treugebervermögen gerichtetes Vermögensdelikt angenommen werden soll, ist das zumindest in hohem Maße begründungsbedürftig.
Die vorstehend grob umrissene Problematik hat in der jüngsten Vergangenheit durch einige Judikate des BGH eine auffrischende Dynamik erhalten.[7] Die Entscheidungen betrafen dabei vor allem die Frage, ob § 266 StGB nur bejaht werden kann, wenn der an sich vermögensbetreuungspflichtige Täter gegen eine speziell das Treugebervermögen schützende Pflicht verstößt.[8] Diese Rechtsprechung wird im Folgenden in ihren wesentlichen Zügen dargestellt und kritisch gewürdigt (II.), wobei sie sich als uneinheitlich und für die (Verteidiger-)Praxis nur schwer prognostizierbar erweisen wird. Daran anschließend runden einige Bemerkungen zum Eintritt eines Vermögensnachteils in den einschlägigen Konstellationen den Beitrag ab (III.). Der Blick muss weitgehend auf eine Auswertung der für die Verteidigung maßgeblichen höchstrichterlichen Rechtsprechung beschränkt bleiben. Eine vollständige Berücksichtigung der inzwischen äußerst umfangreichen Literatur zum Thema ist hier weder zu leisten noch beabsichtigt.[9]
II. Das Merkmal des Vermögensbezuges in der jüngsten Rechtsprechung
Die aktuelle Entwicklung ist vor allem durch drei Entscheidungen geprägt worden.[10] Zunächst hat der erste Senat das Thema in der dem Siemens-Komplex zugehörigen „AUB/Schelsky-Entscheidung“ erörtert. In der Folgezeit judizierte derselbe Senatin Sachen „Kölner Parteispendenaffäre“. Den vorläufigen Schlusspunkt bildete zuletzt das Urteil des 2. BGH-Strafsenates zum Fall „DT-AG/Telekom-Spitzelaffäre“. An die Darstellung der relevanten Aspekte dieser Entscheidungen schließt die Schilderung der knappen Bemerkungen des Zweiten Senats am BVerfG zum Thema „Vermögensbezug“ an, der dieses Sujet in seinem großen „Juni-Beschluss“ zur Verfassungsmäßigkeit des § 266 StGB[11] jedoch eher am Rande behandelt hat. Die kritische Betrachtung dieser Rechtsprechung wird zwar einige lobenswerte Ansätze herausarbeiten, insgesamt aber ein uneinheitliches – und letztlich dem Deliktscharakter des § 266 StGB nicht gerecht werdendes – Bild zeichnen. Da die vorliegende Betrachtung sich auf Fälle der Organuntreue beschränkt, wird das grundsätzliche Vorhandensein einer Vermögensbetreuungspflicht der in Betracht kommenden Täter (GmbH-Geschäftsführer und AG-Vorstände) nicht weiter thematisiert.
1. Die Entscheidung in Sachen „AUB/Schelsky“
Der Angeklagte hatte in diesem Verfahren von einzelnen Mitgliedern der Siemens-Konzernleitung Zahlungen erhalten, um damit eine den Interessen der Konzernleitung gewogene Gewerkschaft (die „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger – AUB – die Unabhängigen e.V.”) zu fördern und so sukzessive die Kräfteverhältnisse im Konzernbetriebsrat zu Lasten der IG Metall zu verschieben. Die Zahlungen, die durch Scheinrechnungen verschleiert wurden, verstießen gegen die Strafnorm des § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Das LG hatte noch angenommen, dass die (mitangeklagten) Mitglieder der Konzernleitung sich infolgedessen durch diese Zahlungen auch wegen Untreue – und der Angeklagte wegen Beihilfe hierzu – strafbar gemacht hätten. Dem trat der 1. Strafsenat in seinem Beschluss in bemerkens- und (insoweit im Vorgriff auf die kritische Würdigung) begrüßenswerter Klarheit entgegen.[12] Der Senat erkannte zwar, dass das Aktienrecht dem Vorstand hinsichtlich der Beachtung von Recht und Gesetz keinerlei Entscheidungsspielräume für „profitable Pflichtverletzungen“ lässt (sog. Legalitätspflicht), weshalb Gesetzesverstöße immer auch eine aktienrechtliche Pflichtverletzung begründen.[13] Aber es könne „[i]m Hinblick auf die tatbestandliche Weite des § 266 Abs. 1 StGB […] nicht in jedem (strafbewehrten) Verstoß gegen die Rechtsordnung auch eine i.S. von § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich relevante Pflichtverletzung erblickt werden“.[14] Eine Gesetzesverletzung sei daher „in der Regel nur dann pflichtwidrig i.S. von § 266 StGB, wenn die verletzte Rechtsnorm ihrerseits – wenigstens auch, und sei es mittelbar – vermögensschützenden Charakter für das zu betreuende Vermögen hat, mag die Handlung auch nach anderen Normen pflichtwidrig sein und unter Umständen sogar Schadensersatzansprüche gegenüber dem Treuepflichtigen auslösen“.[15] Die aktienrechtliche Pflichtwidrigkeit soll nach Ansicht des Senats an diesem untreuespezifischen Prüfungsmaßstab nichts ändern. Maßgeblich sei der Charakter der „primär verletzten Rechtsnorm“.[16] Im Ergebnis nahm der BGH dann allerdings eine untreuerechtliche Pflichtwidrigkeit – in einer merklich diffuseren Passage der Entscheidungsgründe – an, indem er auf die fehlende inhaltliche Kontrolle der Geschäftsbeziehungen zwischen der Siemens AG und der AUB abstellte. Dies sei „mit den – insoweit fraglos vermögensschützenden – Pflichten, die [den Mitangeklagten] trafen, nicht zu vereinbaren“.[17]
2. Die Entscheidung zum sog. „Kölner Parteispendenskandal“
Gut ein halbes Jahr später äußerte sich derselbe Strafsenat erneut zur Frage des notwendigen Vermögensbezuges der konkret verletzten Pflicht.[18] Diesmal stand ein Verstoß gegen eine Norm des PartG in Rede, in der Vorgaben hinsichtlich der Abfassung von Rechenschaftsberichten formuliert waren, die der dortige Angeklagte nicht beachtet hatte. Der Senat griff zunächst seine zuvor ergangene Entscheidung auf. Da der einschlägige § 25 PartG a.F. „vornehmlich der Sicherstellung und Transparenz der staatlichen Parteienfinanzierung“ diene und nicht „das jeweilige Parteivermögen vor Regressansprüchen des Bundes schützen [soll]“, könne „ein Verstoß [gegen diese Vorschriften des Parteiengesetzes] für sich allein keine pflichtwidrige Handlung i.S. von § 266 Abs. 1 StGB darstellen“.[19] Im Anschluss schlägt der BGH jedoch eine – folgenschwere – Volte.[20] Denn, so der Senat, die Beachtung der entsprechenden (nicht vermögensschützenden!) Normen sei „Gegenstand einer selbstständigen, von der Partei statuierten Verpflichtung“; hierdurch werde „die Beachtung der Vorschriften des Parteiengesetzes für die mit den Parteienfinanzen befassten Funktionsträger der Partei zu einer fremdnützigen, das Parteivermögen schützenden Hauptpflicht i.S. von § 266 Abs. 1 StGB“.[21] So kann der Senat resümieren: „Nicht der Verstoß gegen die nicht vermögensschützenden Vorschriften des Parteiengesetzes, sondern die Verletzung der dem Angekl. B auf Grund seiner Funktion durch Rechtsgeschäft auferlegten Treuepflichten begründete damit die Pflichtwidrigkeit seines Tuns i.S. von § 266 Abs. 1 StGB“.[22]
3. Das Urteil in Sachen „DT-AG“
Im – soweit ersichtlich – jüngsten Judikat, das sich näher mit der Frage des Vermögensbezuges bei gesetzeswidrigen Zahlungen befasst, ging es um die strafrechtliche Aufarbeitung der sog. „Telekom-Spitzelaffäre“. Der vermögensbetreuungspflichtige Angeklagte zahlte einer Firma einen sechsstelligen Betrag, nachdem diese u.a. zuvor strafgesetzwidrig beschaffte Daten ausgewertet hatte, worin ein strafbewehrter Verstoß gegen die §§ 44 Abs. 1 i.V.m. 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG – seitens der auswertenden Firma – lag.[23] Jedenfalls soweit die erbrachten Zahlungen solche verbotenen und strafbewehrten Leistungen betrafen, seien die entsprechenden Verträge nichtig gewesen und der Angeklagte habe sich durch die Zahlungen wegen Untreue strafbar gemacht.[24] Zum Merkmal des Vermögensbezuges führt der zweite Strafsenat des BGH aus, es komme nicht auf die Auftragserteilung und den darin liegenden Verstoß gegen den nicht vermögensschützenden § 206 StGB an, sondern vielmehr darauf, dass der Angeklagte angesichts der Nichtigkeit des Vertrages eine rechtsgrundlose Zahlung aus dem Treugebervermögen geleistet habe.[25] Der zweite Strafsenat wähnt sich dabei im Einklang mit der bereits geschilderten Rechtsprechung des ersten Strafsenats, da auch dieser die Möglichkeit einer Untreue nicht gänzlich ausgeschlossen habe, obwohl (auch) ein Verstoß gegen eine nicht vermögensschützende Norm vorliegt. Entscheidend sei, ob „sich – ohne Rückgriff auf den Verstoß gegen die nicht vermögensschützende Norm – die Verletzung von Pflichten feststellen lässt, die das Vermögen des Treugebers schützen sollen“.[26]
4. Die Äußerungen des BVerfG
Auch die große Entscheidung des BVerfG zur Untreue aus dem Juni 2010 enthält einige -wenn auch eher beiläufige – knappe Ausführungen zum Merkmal des Vermögensbezuges.[27] Das Verfassungsgericht billigte den Umgang des BGH mit dem Merkmal der Pflichtverletzung in der – letztlich aufgrund der Behandlung des Nachteilsmerkmals aufgehobenen – Entscheidung zum sog. „Berliner Bankenskandal“. Dabei kommt kurz die Relevanz der im Rahmen der Pflichtwidrigkeitsprüfung bei der Kredituntreue zumindest als Indiz regelmäßig herangezogenen Vorschrift des § 18 KWG zur Sprache, zu der es heißt: „Auch der spezifische Vermögensbezug der § 18 KWG zu entnehmenden Pflichten liegt auf der Hand. Die Norm dient jedenfalls faktisch dem Schutz des Vermögens der Bank, unabhängig von der Frage, in wessen Interesse dies letztendlich liegt“.[28] Nähere Ausführungen zu diesem Aspekt hielt der Zweite Senat – womöglich wegen der angenommenen Selbstverständlichkeit des Ergebnisses – offenbar nicht für erforderlich.
5. Kritische Würdigung
Die Rechtsprechung ist insgesamt wenig konturenscharf. Das hängt zum einen damit zusammen, dass der Begriff des Vermögensbezuges dann kaum Restriktionspotential bietet, wenn man bereits einen mittelbaren oder – wie das BVerfG – sogar einen bloß faktisch vermögensschützenden Charakter ausreichen lässt.[29] Es bleibt offen, was hiermit gemeint ist.[30] Als mittelbar vermögensbezogen ließe sich jede Norm deuten, die den Umgang mit Vermögen betrifft.[31] Damit wäre dem Merkmal aber jede einschränkende Wirkung genommen. Zudem hat die Rechtsprechung die im Ansatz begrüßenswerte Präzisierung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals dadurch wieder entwertet, dass sie sowohl im Fall „AUB/Schelsky“ als auch in Sachen „DT-AG“ letztlich eine Untreuehandlung – unter unklaren Voraussetzungen – bejaht hat, nachdem zuvor zunächst ein Verstoß gegen eine nicht vermögensschützende Norm festgestellt wurde. Wenn die fehlende Greifbarkeit von Kriterien damit herausgearbeitet ist, unter denen gesetzliche Regelungen den Pflichtenmaßstab zu beeinflussen im Stande sein sollen, lohnt eine strenger am Rechtsgut der Untreue orientierte Betrachtung.
a) Wirtschaftliche Interpretation des Pflichtwidrigkeitsmerkmals
Die Norm des § 266 StGB ist als reines Vermögensdelikt zu entfalten.[32] Das ist spätestens seit der Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2010 in Stein gemeißelt. Auch wenn der Zweite Senat diesen Aspekt dort in erster Linie auf der Nachteilsebene fruchtbar gemacht hat, muss dieser für das Pflichtwidrigkeitsmerkmal gleichermaßen Geltung beanspruchen.[33] Dies hat der erste BGH-Strafsenat im „AUB/Schelsky-Beschluss“ wenigstens im Ausgangspunkt überzeugend umgesetzt. Es kann für die Frage, ob eine Zahlung pflichtwidrig i.S.d. § 266 StGB ist, nicht darauf ankommen, ob sie gegen ein Gesetz verstößt, dass dem Schutz öffentlicher Interessen oder sonstiger Dritter dient.[34] Auch der „Umweg“ über die gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen (§§ 43 GmbHG, 93 AktG) ist – wie der Senat ebenfalls zutreffend dargelegt hat – versperrt, mögen diese an sich auch vermögensschützend sein.[35] Angesichts der umfassenden gesellschaftsrechtlichen Legalitätspflicht wäre die Untreue anderenfalls doch wieder die „Superverbotsnorm“, die sie nach der Konzeption ihres Rechtsgutes nicht sein darf.
Der richtige Zugriff ergibt sich, wenn man § 266 StGB – bzw. die dieser Vorschrift zu Grunde liegende Verhaltensnorm – als Verbot der Schädigung des anvertrauten Vermögens begreift.[36] Das Vermögen ist hier im reinkulturlichen wirtschaftlichen Sinne gemeint. Bei dieser Betrachtung verliert die Frage nach einer konkret verletzten Pflicht ihre Bedeutung. Auf deren wie auch immer zu ermittelnden „Vermögensbezug“ kommt es nicht an.[37] Auch ist nicht ersichtlich, weshalb z.B. ein Verstoß gegen § 18 KWG, eine herrschend als vermögensbezogen aufgefasste Norm,[38] immer pflichtwidrig i.S.d. § 266 StGB sein soll, selbst wenn das getätigte Kreditgeschäft wirtschaftlich sinnvoll war.[39] Sehr vereinfacht ließe sich sagen, dass wirtschaftlich sinnvolles (oder besser: vertretbares) Handeln im Ausgangspunkt (zu einer Einschränkung sogleich unter b) niemals pflichtwidrig i.S.d. § 266 StGB ist. Denn wer eine Pflicht zur Wahrnehmung der wirtschaftlichen (Vermögens-)Interessen eines anderen übernommen hat, verhält sich pflichtenkonform, wenn er mit dem Vermögen wirtschaftlich sinnvoll umgeht,[40] mag die Frage, was im Einzelfall „wirtschaftlich sinnvoll“ ist, häufig auch schwer zu beantworten und über die Zeit verschiedenen Schlussfolgerungen zugänglich sein. Dabei kommt es jedenfalls stets auf die ex ante-Perspektive an, da hier das Handlungsunrecht des Tatbestandes betroffen ist.[41] Für die Frage der Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 266 StGB ist es somit irrelevant, ob eine Zahlung gegen § 299 StGB, § 119 BetrVG oder eine andere gesetzliche Vorschrift verstößt. Da es um eine Pflichtwidrigkeit speziell im Hinblick auf das im wirtschaftlichen Sinne zu verstehende Vermögen des Treugebers als Rechtsgut der Untreue geht, gibt allein die Wirtschaftlichkeit des Täterverhaltens den Ausschlag. Diese Betrachtung vergrößert die Unsicherheiten gegenüber der bisherigen Ansicht im Übrigen schon deshalb nicht, weil alles andere als eindeutig ist, was mit dem Schlagwort „Vermögensbezug“ gemeint ist, zumal wenn dieser auch als mittelbarer oder gar faktischer Vermögensbezug ausreichen soll.
Aus diesem Ansatz folgt auch keine Pflicht des Treunehmers, wirtschaftlich sinnvolle illegale Geschäfte vorzunehmen.[42] Eine gegen geltendes Recht verstoßende Zahlung bleibt verboten. Sie ist nicht allein deshalb erlaubt, und somit erst recht nicht geboten, weil sie aus dem Vermögensdelikt des § 266 StGB nicht bestraft wird.[43] Dogmatisch präzise lässt sich das hier Gemeinte als Zurechnungsausschluss erfassen. Die Pflichtverletzung wird nicht dem objektiven Tatbestand der Untreue zugerechnet, weil es am notwendigen (Schutzzweck-) Zusammenhang zwischen der verletzten Pflicht und dem Rechtsgut des Tatbestandes fehlt.[44]
Insgesamt hat der erste Strafsenat im Fall „AUB/Schelsky“ also den richtigen Ausgangspunkt gewählt. Ob die Entscheidung im Ergebnis (hinsichtlich der Frage der Pflichtwidrigkeit) auch überzeugend war, hängt davon ab, ob die fehlende Kontrolle über die eingesetzten Mittel zur Folge hatte, dass das Geschäft insgesamt wirtschaftlich unvertretbar war. Ob das angesichts der langen – und offensichtlich funktionierenden – Zusammenarbeit der Haupttäter mit dem Angeklagten der Fall war, kann durchaus bezweifelt werden. Nicht zugestimmt werden kann der Entscheidung des zweiten Strafsenats zum Fall „DT-AG“. Hier sind wirtschaftliche Erwägungen allein unter Hinweis darauf unterblieben, dass die Zahlung auf eine rechtsgrundlose – und damit nicht bestehende – Schuld erfolgte. Damit ist jedoch kein zwingender Befund verknüpft, dass die Zuwendung wirtschaftlich unsinnig war. Sofern sich die Leistungen, die von der beauftragten Firma erbracht wurden, als aus wirtschaftlicher Sicht für die DT-AG sinnvoll erweisen ließen, kann es nicht allein wegen der Rechtsgrundlosigkeit pflichtwidrig i.S.d. § 266 StGB sein, sie zu bezahlen. Hierzu wären daher jedenfalls nähere Erörterungen notwendig gewesen.[45]
Weniger einfach zu beantworten ist für die hier vorgeschlagene Sichtweise die Frage nach der Beurteilung der Entscheidung zum „Kölner Parteispendenskandal“. Das alleinige Abstellen auf die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Zahlung wäre verkürzt. Der dort vom ersten Senat aufgegriffene Gesichtspunkt der Relevanz vertraglicher Regelungen kann nicht völlig außen vor gelassen werden.
b) Zur Bedeutung von vertraglichen Vorgaben
Es ist im Grundsatz unstreitig, dass der Inhalt der Treuabrede bei der Ermittlung des Pflichtenmaßstabs eine zentrale Funktion hat.[46] Dass dies auch für die hier befürwortete, den wirtschaftlichen Charakter der vermögensbezogenen Treuepflicht in den Vordergrund rückende Ansicht gelten muss, folgt bereits daraus, dass sich ein Wirtschaftlichkeitsmaßstab häufig nicht ohne den Inhalt der Treuabrede wird feststellen lassen. Das gilt z.B. für die sog. Risikogeschäfte,[47] bei denen der Treugeber u.U. Vorgaben machen kann (möglichst geringes Risiko oder aber möglichst hohe Renditeerwartungen), die dann vom Treunehmer zwingend zu beachten sind, da es ein „wirtschaftliches“ Maß per se beim Eingehen von Risiken nicht gibt. Wem also z.B. Vermögen eines Dritten zur Sicherung von dessen Altersvorsorge anvertraut wird, der begeht eine Pflichtverletzung i.S.v. § 266 StGB, wenn er das Geld in hochspekulative Anlagen investiert, mögen die Investitionen auch an sich – angesichts der erworbenen Gewinnchancen – wirtschaftlich vertretbar sein. Es ist letztlich selbstverständlich, dass Vorgaben des Treugebers[48] hinsichtlich des Umgangs mit seinem Vermögen den Pflichtenmaßstab des Treunehmers beeinflussen.[49] Fraglich ist jedoch, welche Konsequenzen daraus für die hier behandelten Fälle der Organuntreue zu ziehen sind.
Zu weitgehend dürfte es sein, wenn jede vertragliche Pflicht zur Beachtung gesetzlicher Vorschriften diese zum Inhalt des untreuerechtlichen Pflichtenmaßstabs erhebt.[50] Denn Geschäftsleiter juristischer Personen sind regelmäßig – gegenüber der Gesellschaft (= dem Treugeber) – kraft ihres Anstellungsvertrages zur Beachtung von Recht und Gesetz verpflichtet, da die Organpflichten, zu denen die Legalitätspflicht zählt, durch den Anstellungsvertrag zugleich zu vertraglichen Pflichten werden.[51] Damit wäre die Pflicht zur Beachtung von Recht und Gesetz über den Umweg des Anstellungsvertrages doch wieder genuin untreuetatbestandlich installiert. Dieser Taschenspielertrick kann aber kein belastbares Ergebnis bedeuten. Im Übrigen wären die Erörterungen des ersten Senats zu § 119 BetrVG bei diesem Verständnis überflüssig gewesen, da auch die Beachtung dieser Vorschrift insoweit vertraglich geschuldet gewesen wäre.
Man wird daher unterscheiden müssen zwischen allgemeinen, ggf. als deklaratorisch zu verstehenden vertraglichen Regelungen[52] und spezifischen Vereinbarungen, durch die konkrete Vorgaben hinsichtlich des gestatteten Vermögensumgangs getroffen werden. Nur letztere können eine verbindliche Wirkung für den Pflichtenmaßstab des Geschäftsleiters entfalten. Welche Art von Regelung vorliegt, ist eine im Einzelfall im Wege der Auslegung zu beantwortende Frage. Bei der Siemens AG mag man z.B. angesichts der „Vorgeschichte“ erwägen, dass die aktuell geltenden Compliance-Vorschriften hinsichtlich des Verbots von Bestechungsgeldern nicht nur allgemeinen Charakter haben, sondern dass sie die handelnden Vorstände spezifisch i.S.d. § 266 StGB verpflichten sollen. Das muss aber keineswegs für alle Compliance-Richtlinien in allen Unternehmen gelten.[53] Für eine auf den untreuerechtlichen Pflichtenmaßstab zurückwirkende vertragliche Regelung spricht es, wenn die zuständigen Gremien sich explizit und intensiver mit bestimmten Formen des insoweit „unerwünschten“ Vermögensumgangs befasst haben. Eine routinemäßige Verabschiedung allgemein gehaltener Erklärungen wird dagegen für § 266 StGB i.d.R. unbeachtlich sein.
Es kann hier nicht abschließend beurteilt werden, in welche Kategorie die Ausführungen in der „Einleitung zum Leitfaden zum Abrechnungsbuch der CDU Deutschland“ fielen, auf die der 1. BGH-Strafsenat in der Entscheidung zum „Kölner Parteispendenskandal“ abgestellt hat. Keinesfalls selbstverständlich ist aber, dass die dortige Regelung die Beachtung der Rechenschaftspflichten zu einer solchen untreuerelevanten „Hauptpflicht“ erhebt, wie es der erste Senat erkannt hat.
c) Zusammenfassende und abschließende Überlegungen zum Pflichtwidrigkeitsmerkmal
Was hier also vorgeschlagen wird, ist die Übertragung der bislang weitgehend dem Nachteilsmerkmal vorbehaltenen wirtschaftlichen Perspektive auf die Tathandlungsebene. Wer einem anderen gegenüber zur Wahrnehmung von dessen wirtschaftlichen Interessen – und nichts anderes sind Vermögensinteressen angesichts des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs – verpflichtet ist, der verletzt diese Pflicht nur, wenn er mit dem ihm anvertrauen Vermögen unwirtschaftlich umgeht. Dass darin kein Freibrief für kriminelles Verhalten durch Unternehmensleiter liegt, ist bereits deshalb offenkundig, weil es zumeist um Fälle geht, die ohnehin nach speziellen Vorschriften strafbar sind. Ein Straftatbestand, der den Verstoß gegen vermögensbezogene Verhaltenspflichten sanktioniert, ist darüber hinaus nur anzuwenden, wenn speziell solche Pflichten verletzt wurden. Insofern können gesetzeswidrige Zahlungen zugleich unter den Untreuetatbestand fallen, sie müssen es aber nicht.[54]
Dabei bietet diese streng wirtschaftliche Betrachtung keine Gewähr für eine absolut sichere Handhabung in jedem denkbaren Einzelfall. Unter diesem Gerechtigkeitsvorbehalt für den Singularfall steht – den Rechtstaat trotz aller Bestimmtheitserfordernisse im Ergebnis auszeichnend – jede Betrachtung. Ob ein gesetzeswidriger Einsatz von Treugebervermögen (zusätzlich) einen Verstoß gegen eine Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. Untreue darstellt, wird vielmehr stets – sofern keine ausdrückliche vertragliche Vorgabe des Treugebers vorliegt (dazu oben b) – anhand einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände zu ermitteln sein. Insbesondere Gewinnchancen sowie sonstige mittelbare Vorteile einerseits, andererseits (z.B.) Entdeckungsrisiken, Imageverlust sowie fehlende Kontrolle und fehlende Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten in illegalen Märkten sind dabei zu berücksichtigen. Zeigen wird sich möglicherweise in concreto, dass kriminelles Verhalten für Wirtschaftsunternehmen generell eher selten wirtschaftlich sinnvoll ist. Wo aber z.B. der Marktzugang als solcher von der Zahlung von Bestechungsgeldern abhängt, kann durchaus etwas anderes gelten. Trotz aller verbleibenden Unsicherheiten bewirkt der hier vorgeschlagene Ansatz jedenfalls eines: Der Rechtsanwender muss bei gesetzeswidrigen Zahlungen – im Hinblick auf § 266 StGB – stets in eine Prüfung des Einzelfalles eintreten. Die schematische Bejahung einer Pflichtverletzung allein aufgrund eines Gesetzesverstoßes ist so verstellt und die Frage nach pönaler Reaktion auf ein Verhalten des Organs (auch) unter Rückgriff auf den Untreuetatbestand nach den dargestellten Maßgaben zu beantworten.
III. Gesetzeswidrige Zahlungen und Nachteilsbegriff
Hat der taugliche Täter durch eine gesetzeswidrige Zahlung seine Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt, setzt der Untreuetatbestand weiterhin den Eintritt eines Nachteils voraus. Dieses Merkmal, das im Kern mit demjenigen des Vermögensschadens aus § 263 StGB übereinstimmt, bedarf stets der eigenständigen Feststellung; der Nachteil darf nicht ohne weiteres aus der Pflichtverletzung geschlossen werden.[55] Maßgeblich ist eine Saldierung der betroffenen Vermögenspositionen bei wirtschaftlicher Betrachtung.[56] Das bedeutet für die hier behandelte Fallgruppe, dass ein Nachteil ausgeschlossen ist, wenn der Abfluss des gesetzeswidrig gezahlten Geldes in wirtschaftlich äquivalenter Weise kompensiert wird.[57]
Keine Schwierigkeiten bereitet die Saldierung im Grunde dann, wenn der Zahlung eine unmittelbare Gegenleistung gegenübersteht.[58] Dann ist lediglich zu bewerten, ob diese den Wert der geleisteten Zahlung erreicht.[59] So hätte der zweite Strafsenat im Fall „DT-AG“ prüfen müssen, ob die von der beauftragten Firma erbrachten Leistungen marktüblich vergütet wurden. War dies der Fall, liegt eine wirtschaftliche Kompensation vor. Dagegen ist es unzulässig, den Eintritt eines Nachteils allein unter Hinweis auf die Gesetzeswidrigkeit der Zahlung zu begründen.[60] Dadurch würden wirtschaftliche Erwägungen bei der Prüfung des Nachteilsmerkmals vollständig verdrängt, was das BVerfG in seiner Entscheidung zur Untreue ausdrücklich untersagt hat.[61] Schon in der Entscheidung zum sog. „Bundesligabestechungsskandal“ hat der BGH zu Recht darauf hingewiesen, dass die Kompensationstauglichkeit von Vermögenszuflüssen nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass diese „bemakelt“ sind.[62] Dem wird die Entscheidung des zweiten Senats zur „Telekom-Spitzelaffäre“ nicht gerecht. Der Senat stellt allein darauf ab, dass die Zahlung nicht durch den Wegfall einer Verbindlichkeit kompensiert wurde. Ob aber die erbrachten Leistungen kompensationstauglich sind, bleibt unerörtert. Damit wird der Sache nach aus der Rechtsgrundlosigkeit der Zahlung auf den Nachteil geschlossen. Das ist weder mit der erwähnten Entscheidung des BGH zum „Bundesliga-Bestechungsskandal“ noch mit der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG zu vereinbaren.
Aber auch dort, wo einer gesetzeswidrigen Zahlung keine unmittelbare Gegenleistung – gleich eines faktischen Synallagmas – gegenübersteht, bleibt eine Kompensation möglich. Ein Nachteil ist immer dann ausgeschlossen, wenn eine Zahlung – verkürzt gesprochen – aufgrund einer Gesamtbetrachtung noch als wirtschaftlich sinnvoll angesehen werden kann.[63] Das kann z.B. bei Bestechungszahlungen der Fall sein, die zwar nicht unmittelbar mit einem bestimmten Auftrag zusammenhängen, die aber mittelfristig die Marktposition des Unternehmens sichern oder ausbauen und so jedenfalls mittelbar zu Folgeaufträgen führen.[64] In diesem Sinne hat der erste Strafsenat im Fall „AUB/Schelsky“ zu Recht eine Kompensation der geleisteten Zahlungen erwogen. Es sei stets „zu prüfen, ob das verbotene Geschäft – wirtschaftlich betrachtet – nachteilig war“.[65] Dem ist vom hier vertretenen Standpunkt aus wenig hinzuzufügen.
Dabei ist es im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtung natürlich nicht per se unzulässig, Entdeckungs- sowie damit verbundene Sanktionsrisiken i.S.e. sog. Gefährdungsschadens in die Saldierung einzustellen.[66] Damit diesen aber vermögensmindernde Wirkung zukommt, muss es sich um konkrete Risiken handeln, die sich aus im Zeitpunkt der Tathandlung objektiv darstellbaren Umständen ergeben.[67] Ein bloß abstraktes Risiko, dass zu einem späteren Zeitpunkt womöglich die durch die Zahlung erlangten Vorteile dem Verfall unterliegen könnten oder dass Bußgelder verhängt werden,[68] genügt nicht.
IV. Zusammenfassung
Die Untreue ist ein reines Vermögensdelikt. Dieser Charakter muss sich auch und insbesondere durchsetzen, wo ein an sich vermögensbetreuungspflichtiger Täter im Umgang mit dem Treugebervermögen gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Die zunächst vielleicht naheliegende Intuition, es könne „nicht nicht pflichtwidrig“ sein, wenn ein zur Vermögensfürsorge Verpflichteter mit dem ihm anvertrauten Geld Straftaten begeht, erweist sich bei näherer Betrachtung als dogmatisch widerlegtes Bauchgefühl. Der Norm des § 266 StGB liegt ein am Rechtsgut orientierter und daher wirtschaftlicher Pflichtwidrigkeitsbegriffzugrunde. Wird das Merkmal der Pflichtverletzung verneint, besagt das keineswegs, dass der Vermögensumgang insgesamt nicht rechtswidrig oder erlaubt war. Es bedeutet allein, dass der Täter nicht gegen eine Pflicht zur Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen seines Auftraggebers verstoßen hat. Für die Sanktionierung weitergehender Verstöße gegen andere Vorschriften ist der Untreuetatbestand konzeptionell unzuständig.[69] Es bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung die teilweise in diese Richtung weisenden Ansätze aus der jüngeren Zeit weiter ausbaut sowie die gegenteiligen, dem Deliktscharakter des § 266 StGB z.T. offen widersprechenden Bestrebungen, verwirft.
[:en]
I. Einleitung
Spätestens seit Rönnau vor der Mutation der Untreue (§ 266 StGB) zur „Superverbotsnorm“ gewarnt hat[1], ist ein Problem deutlich in den Fokus von Rechtswissenschaft und (Wirtschafts-)Strafverteidigung gerückt: Der Untreuetatbestand erfasst seinem weiten und unbestimmten Wortlaut[2] nach jede (irgendwie) pflichtwidrige Schädigung des Treugebervermögens durch einen vermögensbetreuungspflichtigen Täter. Damit kann § 266 StGB potentiell jede gesetzwidrige – und insoweit pflichtwidrige – Zahlung durch den Geschäftsleiter einer juristischen Person[3] erfassen, etwa Bestechungen (§ 299 StGB) oder verbotene Zahlungen an Betriebsräte (§ 119 BetrVG), obschon diese freilich (bereits auch) durch spezielle Vorschriften strafrechtlich sanktioniert werden. Dabei droht der Charakter der Vorschrift als Vermögensdelikt völlig zu verblassen.[4] Das lässt sich etwa beispielhaft anhand des Falles zeigen, in dem der Treunehmer durch eine Bestechungszahlung Aufträge akquiriert und so nicht nur für den Treugeber ein Vielfaches der gezahlten Summe als Gewinn erwirtschaftet, sondern darüber hinaus auch seine Marktposition festigt.[5] Angesichts der Tatsache, dass es nach wie vor Märkte gibt, auf denen korruptionsnahes Verhalten an der Tagesordnung und standortsichernder Faktor ist, sprechen wir also – insbesondere für international tätige Konzerne – über kein wirklichkeitsfremdes Szenario.[6] Wenn in einem solchen Fall (andere Delikte ausblendend) auch ein gegen das Treugebervermögen gerichtetes Vermögensdelikt angenommen werden soll, ist das zumindest in hohem Maße begründungsbedürftig.
Die vorstehend grob umrissene Problematik hat in der jüngsten Vergangenheit durch einige Judikate des BGH eine auffrischende Dynamik erhalten.[7] Die Entscheidungen betrafen dabei vor allem die Frage, ob § 266 StGB nur bejaht werden kann, wenn der an sich vermögensbetreuungspflichtige Täter gegen eine speziell das Treugebervermögen schützende Pflicht verstößt.[8] Diese Rechtsprechung wird im Folgenden in ihren wesentlichen Zügen dargestellt und kritisch gewürdigt (II.), wobei sie sich als uneinheitlich und für die (Verteidiger-)Praxis nur schwer prognostizierbar erweisen wird. Daran anschließend runden einige Bemerkungen zum Eintritt eines Vermögensnachteils in den einschlägigen Konstellationen den Beitrag ab (III.). Der Blick muss weitgehend auf eine Auswertung der für die Verteidigung maßgeblichen höchstrichterlichen Rechtsprechung beschränkt bleiben. Eine vollständige Berücksichtigung der inzwischen äußerst umfangreichen Literatur zum Thema ist hier weder zu leisten noch beabsichtigt.[9]
II. Das Merkmal des Vermögensbezuges in der jüngsten Rechtsprechung
Die aktuelle Entwicklung ist vor allem durch drei Entscheidungen geprägt worden.[10] Zunächst hat der erste Senat das Thema in der dem Siemens-Komplex zugehörigen „AUB/Schelsky-Entscheidung“ erörtert. In der Folgezeit judizierte derselbe Senatin Sachen „Kölner Parteispendenaffäre“. Den vorläufigen Schlusspunkt bildete zuletzt das Urteil des 2. BGH-Strafsenates zum Fall „DT-AG/Telekom-Spitzelaffäre“. An die Darstellung der relevanten Aspekte dieser Entscheidungen schließt die Schilderung der knappen Bemerkungen des Zweiten Senats am BVerfG zum Thema „Vermögensbezug“ an, der dieses Sujet in seinem großen „Juni-Beschluss“ zur Verfassungsmäßigkeit des § 266 StGB[11] jedoch eher am Rande behandelt hat. Die kritische Betrachtung dieser Rechtsprechung wird zwar einige lobenswerte Ansätze herausarbeiten, insgesamt aber ein uneinheitliches – und letztlich dem Deliktscharakter des § 266 StGB nicht gerecht werdendes – Bild zeichnen. Da die vorliegende Betrachtung sich auf Fälle der Organuntreue beschränkt, wird das grundsätzliche Vorhandensein einer Vermögensbetreuungspflicht der in Betracht kommenden Täter (GmbH-Geschäftsführer und AG-Vorstände) nicht weiter thematisiert.
1. Die Entscheidung in Sachen „AUB/Schelsky“
Der Angeklagte hatte in diesem Verfahren von einzelnen Mitgliedern der Siemens-Konzernleitung Zahlungen erhalten, um damit eine den Interessen der Konzernleitung gewogene Gewerkschaft (die „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger – AUB – die Unabhängigen e.V.”) zu fördern und so sukzessive die Kräfteverhältnisse im Konzernbetriebsrat zu Lasten der IG Metall zu verschieben. Die Zahlungen, die durch Scheinrechnungen verschleiert wurden, verstießen gegen die Strafnorm des § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Das LG hatte noch angenommen, dass die (mitangeklagten) Mitglieder der Konzernleitung sich infolgedessen durch diese Zahlungen auch wegen Untreue – und der Angeklagte wegen Beihilfe hierzu – strafbar gemacht hätten. Dem trat der 1. Strafsenat in seinem Beschluss in bemerkens- und (insoweit im Vorgriff auf die kritische Würdigung) begrüßenswerter Klarheit entgegen.[12] Der Senat erkannte zwar, dass das Aktienrecht dem Vorstand hinsichtlich der Beachtung von Recht und Gesetz keinerlei Entscheidungsspielräume für „profitable Pflichtverletzungen“ lässt (sog. Legalitätspflicht), weshalb Gesetzesverstöße immer auch eine aktienrechtliche Pflichtverletzung begründen.[13] Aber es könne „[i]m Hinblick auf die tatbestandliche Weite des § 266 Abs. 1 StGB […] nicht in jedem (strafbewehrten) Verstoß gegen die Rechtsordnung auch eine i.S. von § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich relevante Pflichtverletzung erblickt werden“.[14] Eine Gesetzesverletzung sei daher „in der Regel nur dann pflichtwidrig i.S. von § 266 StGB, wenn die verletzte Rechtsnorm ihrerseits – wenigstens auch, und sei es mittelbar – vermögensschützenden Charakter für das zu betreuende Vermögen hat, mag die Handlung auch nach anderen Normen pflichtwidrig sein und unter Umständen sogar Schadensersatzansprüche gegenüber dem Treuepflichtigen auslösen“.[15] Die aktienrechtliche Pflichtwidrigkeit soll nach Ansicht des Senats an diesem untreuespezifischen Prüfungsmaßstab nichts ändern. Maßgeblich sei der Charakter der „primär verletzten Rechtsnorm“.[16] Im Ergebnis nahm der BGH dann allerdings eine untreuerechtliche Pflichtwidrigkeit – in einer merklich diffuseren Passage der Entscheidungsgründe – an, indem er auf die fehlende inhaltliche Kontrolle der Geschäftsbeziehungen zwischen der Siemens AG und der AUB abstellte. Dies sei „mit den – insoweit fraglos vermögensschützenden – Pflichten, die [den Mitangeklagten] trafen, nicht zu vereinbaren“.[17]
2. Die Entscheidung zum sog. „Kölner Parteispendenskandal“
Gut ein halbes Jahr später äußerte sich derselbe Strafsenat erneut zur Frage des notwendigen Vermögensbezuges der konkret verletzten Pflicht.[18] Diesmal stand ein Verstoß gegen eine Norm des PartG in Rede, in der Vorgaben hinsichtlich der Abfassung von Rechenschaftsberichten formuliert waren, die der dortige Angeklagte nicht beachtet hatte. Der Senat griff zunächst seine zuvor ergangene Entscheidung auf. Da der einschlägige § 25 PartG a.F. „vornehmlich der Sicherstellung und Transparenz der staatlichen Parteienfinanzierung“ diene und nicht „das jeweilige Parteivermögen vor Regressansprüchen des Bundes schützen [soll]“, könne „ein Verstoß [gegen diese Vorschriften des Parteiengesetzes] für sich allein keine pflichtwidrige Handlung i.S. von § 266 Abs. 1 StGB darstellen“.[19] Im Anschluss schlägt der BGH jedoch eine – folgenschwere – Volte.[20] Denn, so der Senat, die Beachtung der entsprechenden (nicht vermögensschützenden!) Normen sei „Gegenstand einer selbstständigen, von der Partei statuierten Verpflichtung“; hierdurch werde „die Beachtung der Vorschriften des Parteiengesetzes für die mit den Parteienfinanzen befassten Funktionsträger der Partei zu einer fremdnützigen, das Parteivermögen schützenden Hauptpflicht i.S. von § 266 Abs. 1 StGB“.[21] So kann der Senat resümieren: „Nicht der Verstoß gegen die nicht vermögensschützenden Vorschriften des Parteiengesetzes, sondern die Verletzung der dem Angekl. B auf Grund seiner Funktion durch Rechtsgeschäft auferlegten Treuepflichten begründete damit die Pflichtwidrigkeit seines Tuns i.S. von § 266 Abs. 1 StGB“.[22]
3. Das Urteil in Sachen „DT-AG“
Im – soweit ersichtlich – jüngsten Judikat, das sich näher mit der Frage des Vermögensbezuges bei gesetzeswidrigen Zahlungen befasst, ging es um die strafrechtliche Aufarbeitung der sog. „Telekom-Spitzelaffäre“. Der vermögensbetreuungspflichtige Angeklagte zahlte einer Firma einen sechsstelligen Betrag, nachdem diese u.a. zuvor strafgesetzwidrig beschaffte Daten ausgewertet hatte, worin ein strafbewehrter Verstoß gegen die §§ 44 Abs. 1 i.V.m. 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG – seitens der auswertenden Firma – lag.[23] Jedenfalls soweit die erbrachten Zahlungen solche verbotenen und strafbewehrten Leistungen betrafen, seien die entsprechenden Verträge nichtig gewesen und der Angeklagte habe sich durch die Zahlungen wegen Untreue strafbar gemacht.[24] Zum Merkmal des Vermögensbezuges führt der zweite Strafsenat des BGH aus, es komme nicht auf die Auftragserteilung und den darin liegenden Verstoß gegen den nicht vermögensschützenden § 206 StGB an, sondern vielmehr darauf, dass der Angeklagte angesichts der Nichtigkeit des Vertrages eine rechtsgrundlose Zahlung aus dem Treugebervermögen geleistet habe.[25] Der zweite Strafsenat wähnt sich dabei im Einklang mit der bereits geschilderten Rechtsprechung des ersten Strafsenats, da auch dieser die Möglichkeit einer Untreue nicht gänzlich ausgeschlossen habe, obwohl (auch) ein Verstoß gegen eine nicht vermögensschützende Norm vorliegt. Entscheidend sei, ob „sich – ohne Rückgriff auf den Verstoß gegen die nicht vermögensschützende Norm – die Verletzung von Pflichten feststellen lässt, die das Vermögen des Treugebers schützen sollen“.[26]
4. Die Äußerungen des BVerfG
Auch die große Entscheidung des BVerfG zur Untreue aus dem Juni 2010 enthält einige -wenn auch eher beiläufige – knappe Ausführungen zum Merkmal des Vermögensbezuges.[27] Das Verfassungsgericht billigte den Umgang des BGH mit dem Merkmal der Pflichtverletzung in der – letztlich aufgrund der Behandlung des Nachteilsmerkmals aufgehobenen – Entscheidung zum sog. „Berliner Bankenskandal“. Dabei kommt kurz die Relevanz der im Rahmen der Pflichtwidrigkeitsprüfung bei der Kredituntreue zumindest als Indiz regelmäßig herangezogenen Vorschrift des § 18 KWG zur Sprache, zu der es heißt: „Auch der spezifische Vermögensbezug der § 18 KWG zu entnehmenden Pflichten liegt auf der Hand. Die Norm dient jedenfalls faktisch dem Schutz des Vermögens der Bank, unabhängig von der Frage, in wessen Interesse dies letztendlich liegt“.[28] Nähere Ausführungen zu diesem Aspekt hielt der Zweite Senat – womöglich wegen der angenommenen Selbstverständlichkeit des Ergebnisses – offenbar nicht für erforderlich.
5. Kritische Würdigung
Die Rechtsprechung ist insgesamt wenig konturenscharf. Das hängt zum einen damit zusammen, dass der Begriff des Vermögensbezuges dann kaum Restriktionspotential bietet, wenn man bereits einen mittelbaren oder – wie das BVerfG – sogar einen bloß faktisch vermögensschützenden Charakter ausreichen lässt.[29] Es bleibt offen, was hiermit gemeint ist.[30] Als mittelbar vermögensbezogen ließe sich jede Norm deuten, die den Umgang mit Vermögen betrifft.[31] Damit wäre dem Merkmal aber jede einschränkende Wirkung genommen. Zudem hat die Rechtsprechung die im Ansatz begrüßenswerte Präzisierung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals dadurch wieder entwertet, dass sie sowohl im Fall „AUB/Schelsky“ als auch in Sachen „DT-AG“ letztlich eine Untreuehandlung – unter unklaren Voraussetzungen – bejaht hat, nachdem zuvor zunächst ein Verstoß gegen eine nicht vermögensschützende Norm festgestellt wurde. Wenn die fehlende Greifbarkeit von Kriterien damit herausgearbeitet ist, unter denen gesetzliche Regelungen den Pflichtenmaßstab zu beeinflussen im Stande sein sollen, lohnt eine strenger am Rechtsgut der Untreue orientierte Betrachtung.
a) Wirtschaftliche Interpretation des Pflichtwidrigkeitsmerkmals
Die Norm des § 266 StGB ist als reines Vermögensdelikt zu entfalten.[32] Das ist spätestens seit der Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2010 in Stein gemeißelt. Auch wenn der Zweite Senat diesen Aspekt dort in erster Linie auf der Nachteilsebene fruchtbar gemacht hat, muss dieser für das Pflichtwidrigkeitsmerkmal gleichermaßen Geltung beanspruchen.[33] Dies hat der erste BGH-Strafsenat im „AUB/Schelsky-Beschluss“ wenigstens im Ausgangspunkt überzeugend umgesetzt. Es kann für die Frage, ob eine Zahlung pflichtwidrig i.S.d. § 266 StGB ist, nicht darauf ankommen, ob sie gegen ein Gesetz verstößt, dass dem Schutz öffentlicher Interessen oder sonstiger Dritter dient.[34] Auch der „Umweg“ über die gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen (§§ 43 GmbHG, 93 AktG) ist – wie der Senat ebenfalls zutreffend dargelegt hat – versperrt, mögen diese an sich auch vermögensschützend sein.[35] Angesichts der umfassenden gesellschaftsrechtlichen Legalitätspflicht wäre die Untreue anderenfalls doch wieder die „Superverbotsnorm“, die sie nach der Konzeption ihres Rechtsgutes nicht sein darf.
Der richtige Zugriff ergibt sich, wenn man § 266 StGB – bzw. die dieser Vorschrift zu Grunde liegende Verhaltensnorm – als Verbot der Schädigung des anvertrauten Vermögens begreift.[36] Das Vermögen ist hier im reinkulturlichen wirtschaftlichen Sinne gemeint. Bei dieser Betrachtung verliert die Frage nach einer konkret verletzten Pflicht ihre Bedeutung. Auf deren wie auch immer zu ermittelnden „Vermögensbezug“ kommt es nicht an.[37] Auch ist nicht ersichtlich, weshalb z.B. ein Verstoß gegen § 18 KWG, eine herrschend als vermögensbezogen aufgefasste Norm,[38] immer pflichtwidrig i.S.d. § 266 StGB sein soll, selbst wenn das getätigte Kreditgeschäft wirtschaftlich sinnvoll war.[39] Sehr vereinfacht ließe sich sagen, dass wirtschaftlich sinnvolles (oder besser: vertretbares) Handeln im Ausgangspunkt (zu einer Einschränkung sogleich unter b) niemals pflichtwidrig i.S.d. § 266 StGB ist. Denn wer eine Pflicht zur Wahrnehmung der wirtschaftlichen (Vermögens-)Interessen eines anderen übernommen hat, verhält sich pflichtenkonform, wenn er mit dem Vermögen wirtschaftlich sinnvoll umgeht,[40] mag die Frage, was im Einzelfall „wirtschaftlich sinnvoll“ ist, häufig auch schwer zu beantworten und über die Zeit verschiedenen Schlussfolgerungen zugänglich sein. Dabei kommt es jedenfalls stets auf die ex ante-Perspektive an, da hier das Handlungsunrecht des Tatbestandes betroffen ist.[41] Für die Frage der Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 266 StGB ist es somit irrelevant, ob eine Zahlung gegen § 299 StGB, § 119 BetrVG oder eine andere gesetzliche Vorschrift verstößt. Da es um eine Pflichtwidrigkeit speziell im Hinblick auf das im wirtschaftlichen Sinne zu verstehende Vermögen des Treugebers als Rechtsgut der Untreue geht, gibt allein die Wirtschaftlichkeit des Täterverhaltens den Ausschlag. Diese Betrachtung vergrößert die Unsicherheiten gegenüber der bisherigen Ansicht im Übrigen schon deshalb nicht, weil alles andere als eindeutig ist, was mit dem Schlagwort „Vermögensbezug“ gemeint ist, zumal wenn dieser auch als mittelbarer oder gar faktischer Vermögensbezug ausreichen soll.
Aus diesem Ansatz folgt auch keine Pflicht des Treunehmers, wirtschaftlich sinnvolle illegale Geschäfte vorzunehmen.[42] Eine gegen geltendes Recht verstoßende Zahlung bleibt verboten. Sie ist nicht allein deshalb erlaubt, und somit erst recht nicht geboten, weil sie aus dem Vermögensdelikt des § 266 StGB nicht bestraft wird.[43] Dogmatisch präzise lässt sich das hier Gemeinte als Zurechnungsausschluss erfassen. Die Pflichtverletzung wird nicht dem objektiven Tatbestand der Untreue zugerechnet, weil es am notwendigen (Schutzzweck-) Zusammenhang zwischen der verletzten Pflicht und dem Rechtsgut des Tatbestandes fehlt.[44]
Insgesamt hat der erste Strafsenat im Fall „AUB/Schelsky“ also den richtigen Ausgangspunkt gewählt. Ob die Entscheidung im Ergebnis (hinsichtlich der Frage der Pflichtwidrigkeit) auch überzeugend war, hängt davon ab, ob die fehlende Kontrolle über die eingesetzten Mittel zur Folge hatte, dass das Geschäft insgesamt wirtschaftlich unvertretbar war. Ob das angesichts der langen – und offensichtlich funktionierenden – Zusammenarbeit der Haupttäter mit dem Angeklagten der Fall war, kann durchaus bezweifelt werden. Nicht zugestimmt werden kann der Entscheidung des zweiten Strafsenats zum Fall „DT-AG“. Hier sind wirtschaftliche Erwägungen allein unter Hinweis darauf unterblieben, dass die Zahlung auf eine rechtsgrundlose – und damit nicht bestehende – Schuld erfolgte. Damit ist jedoch kein zwingender Befund verknüpft, dass die Zuwendung wirtschaftlich unsinnig war. Sofern sich die Leistungen, die von der beauftragten Firma erbracht wurden, als aus wirtschaftlicher Sicht für die DT-AG sinnvoll erweisen ließen, kann es nicht allein wegen der Rechtsgrundlosigkeit pflichtwidrig i.S.d. § 266 StGB sein, sie zu bezahlen. Hierzu wären daher jedenfalls nähere Erörterungen notwendig gewesen.[45]
Weniger einfach zu beantworten ist für die hier vorgeschlagene Sichtweise die Frage nach der Beurteilung der Entscheidung zum „Kölner Parteispendenskandal“. Das alleinige Abstellen auf die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Zahlung wäre verkürzt. Der dort vom ersten Senat aufgegriffene Gesichtspunkt der Relevanz vertraglicher Regelungen kann nicht völlig außen vor gelassen werden.
b) Zur Bedeutung von vertraglichen Vorgaben
Es ist im Grundsatz unstreitig, dass der Inhalt der Treuabrede bei der Ermittlung des Pflichtenmaßstabs eine zentrale Funktion hat.[46] Dass dies auch für die hier befürwortete, den wirtschaftlichen Charakter der vermögensbezogenen Treuepflicht in den Vordergrund rückende Ansicht gelten muss, folgt bereits daraus, dass sich ein Wirtschaftlichkeitsmaßstab häufig nicht ohne den Inhalt der Treuabrede wird feststellen lassen. Das gilt z.B. für die sog. Risikogeschäfte,[47] bei denen der Treugeber u.U. Vorgaben machen kann (möglichst geringes Risiko oder aber möglichst hohe Renditeerwartungen), die dann vom Treunehmer zwingend zu beachten sind, da es ein „wirtschaftliches“ Maß per se beim Eingehen von Risiken nicht gibt. Wem also z.B. Vermögen eines Dritten zur Sicherung von dessen Altersvorsorge anvertraut wird, der begeht eine Pflichtverletzung i.S.v. § 266 StGB, wenn er das Geld in hochspekulative Anlagen investiert, mögen die Investitionen auch an sich – angesichts der erworbenen Gewinnchancen – wirtschaftlich vertretbar sein. Es ist letztlich selbstverständlich, dass Vorgaben des Treugebers[48] hinsichtlich des Umgangs mit seinem Vermögen den Pflichtenmaßstab des Treunehmers beeinflussen.[49] Fraglich ist jedoch, welche Konsequenzen daraus für die hier behandelten Fälle der Organuntreue zu ziehen sind.
Zu weitgehend dürfte es sein, wenn jede vertragliche Pflicht zur Beachtung gesetzlicher Vorschriften diese zum Inhalt des untreuerechtlichen Pflichtenmaßstabs erhebt.[50] Denn Geschäftsleiter juristischer Personen sind regelmäßig – gegenüber der Gesellschaft (= dem Treugeber) – kraft ihres Anstellungsvertrages zur Beachtung von Recht und Gesetz verpflichtet, da die Organpflichten, zu denen die Legalitätspflicht zählt, durch den Anstellungsvertrag zugleich zu vertraglichen Pflichten werden.[51] Damit wäre die Pflicht zur Beachtung von Recht und Gesetz über den Umweg des Anstellungsvertrages doch wieder genuin untreuetatbestandlich installiert. Dieser Taschenspielertrick kann aber kein belastbares Ergebnis bedeuten. Im Übrigen wären die Erörterungen des ersten Senats zu § 119 BetrVG bei diesem Verständnis überflüssig gewesen, da auch die Beachtung dieser Vorschrift insoweit vertraglich geschuldet gewesen wäre.
Man wird daher unterscheiden müssen zwischen allgemeinen, ggf. als deklaratorisch zu verstehenden vertraglichen Regelungen[52] und spezifischen Vereinbarungen, durch die konkrete Vorgaben hinsichtlich des gestatteten Vermögensumgangs getroffen werden. Nur letztere können eine verbindliche Wirkung für den Pflichtenmaßstab des Geschäftsleiters entfalten. Welche Art von Regelung vorliegt, ist eine im Einzelfall im Wege der Auslegung zu beantwortende Frage. Bei der Siemens AG mag man z.B. angesichts der „Vorgeschichte“ erwägen, dass die aktuell geltenden Compliance-Vorschriften hinsichtlich des Verbots von Bestechungsgeldern nicht nur allgemeinen Charakter haben, sondern dass sie die handelnden Vorstände spezifisch i.S.d. § 266 StGB verpflichten sollen. Das muss aber keineswegs für alle Compliance-Richtlinien in allen Unternehmen gelten.[53] Für eine auf den untreuerechtlichen Pflichtenmaßstab zurückwirkende vertragliche Regelung spricht es, wenn die zuständigen Gremien sich explizit und intensiver mit bestimmten Formen des insoweit „unerwünschten“ Vermögensumgangs befasst haben. Eine routinemäßige Verabschiedung allgemein gehaltener Erklärungen wird dagegen für § 266 StGB i.d.R. unbeachtlich sein.
Es kann hier nicht abschließend beurteilt werden, in welche Kategorie die Ausführungen in der „Einleitung zum Leitfaden zum Abrechnungsbuch der CDU Deutschland“ fielen, auf die der 1. BGH-Strafsenat in der Entscheidung zum „Kölner Parteispendenskandal“ abgestellt hat. Keinesfalls selbstverständlich ist aber, dass die dortige Regelung die Beachtung der Rechenschaftspflichten zu einer solchen untreuerelevanten „Hauptpflicht“ erhebt, wie es der erste Senat erkannt hat.
c) Zusammenfassende und abschließende Überlegungen zum Pflichtwidrigkeitsmerkmal
Was hier also vorgeschlagen wird, ist die Übertragung der bislang weitgehend dem Nachteilsmerkmal vorbehaltenen wirtschaftlichen Perspektive auf die Tathandlungsebene. Wer einem anderen gegenüber zur Wahrnehmung von dessen wirtschaftlichen Interessen – und nichts anderes sind Vermögensinteressen angesichts des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs – verpflichtet ist, der verletzt diese Pflicht nur, wenn er mit dem ihm anvertrauen Vermögen unwirtschaftlich umgeht. Dass darin kein Freibrief für kriminelles Verhalten durch Unternehmensleiter liegt, ist bereits deshalb offenkundig, weil es zumeist um Fälle geht, die ohnehin nach speziellen Vorschriften strafbar sind. Ein Straftatbestand, der den Verstoß gegen vermögensbezogene Verhaltenspflichten sanktioniert, ist darüber hinaus nur anzuwenden, wenn speziell solche Pflichten verletzt wurden. Insofern können gesetzeswidrige Zahlungen zugleich unter den Untreuetatbestand fallen, sie müssen es aber nicht.[54]
Dabei bietet diese streng wirtschaftliche Betrachtung keine Gewähr für eine absolut sichere Handhabung in jedem denkbaren Einzelfall. Unter diesem Gerechtigkeitsvorbehalt für den Singularfall steht – den Rechtstaat trotz aller Bestimmtheitserfordernisse im Ergebnis auszeichnend – jede Betrachtung. Ob ein gesetzeswidriger Einsatz von Treugebervermögen (zusätzlich) einen Verstoß gegen eine Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. Untreue darstellt, wird vielmehr stets – sofern keine ausdrückliche vertragliche Vorgabe des Treugebers vorliegt (dazu oben b) – anhand einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände zu ermitteln sein. Insbesondere Gewinnchancen sowie sonstige mittelbare Vorteile einerseits, andererseits (z.B.) Entdeckungsrisiken, Imageverlust sowie fehlende Kontrolle und fehlende Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten in illegalen Märkten sind dabei zu berücksichtigen. Zeigen wird sich möglicherweise in concreto, dass kriminelles Verhalten für Wirtschaftsunternehmen generell eher selten wirtschaftlich sinnvoll ist. Wo aber z.B. der Marktzugang als solcher von der Zahlung von Bestechungsgeldern abhängt, kann durchaus etwas anderes gelten. Trotz aller verbleibenden Unsicherheiten bewirkt der hier vorgeschlagene Ansatz jedenfalls eines: Der Rechtsanwender muss bei gesetzeswidrigen Zahlungen – im Hinblick auf § 266 StGB – stets in eine Prüfung des Einzelfalles eintreten. Die schematische Bejahung einer Pflichtverletzung allein aufgrund eines Gesetzesverstoßes ist so verstellt und die Frage nach pönaler Reaktion auf ein Verhalten des Organs (auch) unter Rückgriff auf den Untreuetatbestand nach den dargestellten Maßgaben zu beantworten.
III. Gesetzeswidrige Zahlungen und Nachteilsbegriff
Hat der taugliche Täter durch eine gesetzeswidrige Zahlung seine Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt, setzt der Untreuetatbestand weiterhin den Eintritt eines Nachteils voraus. Dieses Merkmal, das im Kern mit demjenigen des Vermögensschadens aus § 263 StGB übereinstimmt, bedarf stets der eigenständigen Feststellung; der Nachteil darf nicht ohne weiteres aus der Pflichtverletzung geschlossen werden.[55] Maßgeblich ist eine Saldierung der betroffenen Vermögenspositionen bei wirtschaftlicher Betrachtung.[56] Das bedeutet für die hier behandelte Fallgruppe, dass ein Nachteil ausgeschlossen ist, wenn der Abfluss des gesetzeswidrig gezahlten Geldes in wirtschaftlich äquivalenter Weise kompensiert wird.[57]
Keine Schwierigkeiten bereitet die Saldierung im Grunde dann, wenn der Zahlung eine unmittelbare Gegenleistung gegenübersteht.[58] Dann ist lediglich zu bewerten, ob diese den Wert der geleisteten Zahlung erreicht.[59] So hätte der zweite Strafsenat im Fall „DT-AG“ prüfen müssen, ob die von der beauftragten Firma erbrachten Leistungen marktüblich vergütet wurden. War dies der Fall, liegt eine wirtschaftliche Kompensation vor. Dagegen ist es unzulässig, den Eintritt eines Nachteils allein unter Hinweis auf die Gesetzeswidrigkeit der Zahlung zu begründen.[60] Dadurch würden wirtschaftliche Erwägungen bei der Prüfung des Nachteilsmerkmals vollständig verdrängt, was das BVerfG in seiner Entscheidung zur Untreue ausdrücklich untersagt hat.[61] Schon in der Entscheidung zum sog. „Bundesligabestechungsskandal“ hat der BGH zu Recht darauf hingewiesen, dass die Kompensationstauglichkeit von Vermögenszuflüssen nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass diese „bemakelt“ sind.[62] Dem wird die Entscheidung des zweiten Senats zur „Telekom-Spitzelaffäre“ nicht gerecht. Der Senat stellt allein darauf ab, dass die Zahlung nicht durch den Wegfall einer Verbindlichkeit kompensiert wurde. Ob aber die erbrachten Leistungen kompensationstauglich sind, bleibt unerörtert. Damit wird der Sache nach aus der Rechtsgrundlosigkeit der Zahlung auf den Nachteil geschlossen. Das ist weder mit der erwähnten Entscheidung des BGH zum „Bundesliga-Bestechungsskandal“ noch mit der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG zu vereinbaren.
Aber auch dort, wo einer gesetzeswidrigen Zahlung keine unmittelbare Gegenleistung – gleich eines faktischen Synallagmas – gegenübersteht, bleibt eine Kompensation möglich. Ein Nachteil ist immer dann ausgeschlossen, wenn eine Zahlung – verkürzt gesprochen – aufgrund einer Gesamtbetrachtung noch als wirtschaftlich sinnvoll angesehen werden kann.[63] Das kann z.B. bei Bestechungszahlungen der Fall sein, die zwar nicht unmittelbar mit einem bestimmten Auftrag zusammenhängen, die aber mittelfristig die Marktposition des Unternehmens sichern oder ausbauen und so jedenfalls mittelbar zu Folgeaufträgen führen.[64] In diesem Sinne hat der erste Strafsenat im Fall „AUB/Schelsky“ zu Recht eine Kompensation der geleisteten Zahlungen erwogen. Es sei stets „zu prüfen, ob das verbotene Geschäft – wirtschaftlich betrachtet – nachteilig war“.[65] Dem ist vom hier vertretenen Standpunkt aus wenig hinzuzufügen.
Dabei ist es im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtung natürlich nicht per se unzulässig, Entdeckungs- sowie damit verbundene Sanktionsrisiken i.S.e. sog. Gefährdungsschadens in die Saldierung einzustellen.[66] Damit diesen aber vermögensmindernde Wirkung zukommt, muss es sich um konkrete Risiken handeln, die sich aus im Zeitpunkt der Tathandlung objektiv darstellbaren Umständen ergeben.[67] Ein bloß abstraktes Risiko, dass zu einem späteren Zeitpunkt womöglich die durch die Zahlung erlangten Vorteile dem Verfall unterliegen könnten oder dass Bußgelder verhängt werden,[68] genügt nicht.
IV. Zusammenfassung
Die Untreue ist ein reines Vermögensdelikt. Dieser Charakter muss sich auch und insbesondere durchsetzen, wo ein an sich vermögensbetreuungspflichtiger Täter im Umgang mit dem Treugebervermögen gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Die zunächst vielleicht naheliegende Intuition, es könne „nicht nicht pflichtwidrig“ sein, wenn ein zur Vermögensfürsorge Verpflichteter mit dem ihm anvertrauten Geld Straftaten begeht, erweist sich bei näherer Betrachtung als dogmatisch widerlegtes Bauchgefühl. Der Norm des § 266 StGB liegt ein am Rechtsgut orientierter und daher wirtschaftlicher Pflichtwidrigkeitsbegriffzugrunde. Wird das Merkmal der Pflichtverletzung verneint, besagt das keineswegs, dass der Vermögensumgang insgesamt nicht rechtswidrig oder erlaubt war. Es bedeutet allein, dass der Täter nicht gegen eine Pflicht zur Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen seines Auftraggebers verstoßen hat. Für die Sanktionierung weitergehender Verstöße gegen andere Vorschriften ist der Untreuetatbestand konzeptionell unzuständig.[69] Es bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung die teilweise in diese Richtung weisenden Ansätze aus der jüngeren Zeit weiter ausbaut sowie die gegenteiligen, dem Deliktscharakter des § 266 StGB z.T. offen widersprechenden Bestrebungen, verwirft.
[1]Rönnau, in: FS fürTiedemann, 2008, S. 713, 719 (dort im Zusammenhang mit der hier nicht näher vertieften Problematik der Wirksamkeit eines Einverständnisses des Treugebers).
[2] Zur Kritik unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 2 GG etwa Dierlamm, in: Münchener Kommentar, StGB, 2006, § 266 Rn. 3 ff.; zur grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit nunmehr (für die Praxis insoweit gewiss abschließend) BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209 m. Bspr. u.a. von Saliger, NJW 2010, 3195 ff.; Becker, HRRS 2010, 383 ff.; Kuhlen, JR 2011, 246 ff.; Wessing/Krawczyk, NZG 2010, 1121 ff.
[3] Die hier behandelte Problematik betrifft selbstverständlich andere taugliche Untreuetäter gleichermaßen, wird aber wegen der erhöhten praktischen Relevanz hier auf die Organuntreue beschränkt.
[4] Frühzeitig auf dieses Problem hinweisend (und in den Ergebnissen weitgehend wie hier) Taschke, in: FS für Lüderssen, 2002, S. 663 ff.; zum ebenfalls bereits im Grundsatz seit längerem bekannten Kriterium eines funktionalen oder inneren Zusammenhangs zwischen der konkret verletzten Pflicht und der Vermögensbetreuungspflicht Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 113, 114 m.w.N.
[5] Vgl. auch Dierlamm, in: FS für Widmaier, 2008, S. 607, 609: Untreue wird zum Auffangdelikt im Korruptionsstrafrecht umfunktioniert.
[6] Siehe auch Rönnau, in: FS für Tiedemann, 2008, S. 713, der die Abwicklung von Schmiergeldzahlungen über „Schwarze Kassen“ als in der Privatwirtschaft „durchaus üblich“ bezeichnet; zu anderen Beispielen auch Taschke, in: FS für Lüderssen, 2002, S. 663 f. Ob und inwieweit sich dabei nach den Skandalen der jüngeren Vergangenheit – und den z.T. beträchtlichen Bußgeldzahlungen – tatsächlich etwas geändert hat, ist keineswegs sicher.
[7] Angesprochen sind hier BGH NJW 2013, 401 („Telekom-Spitzelaffäre“); BGHSt 56, 203 = BGH NJW 2011, 1747 m. Anm. Brand („Kölner Parteispendenaffäre“) sowie BGHSt 55, 288 = BGH NJW 2011, 88 m. Anm. Bittmann = JR 2011, 394 m. Anm. Brand („AUB/Schelsky“).
[8] Zu diesem Kriterium des Fremdvermögensbezuges zuvor etwa bereits Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, 2009, § 266 Rn. 32 m.w.N.
[10] Nachw. in BGH NJW 2013, 401 („Telekom-Spitzelaffäre“); BGHSt 56, 203 = BGH NJW 2011, 1747 m. Anm. Brand („Kölner Parteispendenaffäre“) sowie BGHSt 55, 288 = BGH NJW 2011, 88 m. Anm. Bittmann = JR 2011, 394 m. Anm. Brand („AUB/Schelsky“).
[23] Die vorherige Beschaffung der Daten durch den Angeklagten verstieß gegen § 206 Abs. 1 StGB sowie gegen § 88 Abs. 3 TKG.
[29] Zu Recht krit. hinsichtlich der Bestimmtheit des Merkmals daher Brand/Sperling, AG 2011, 233, 239 f.; enger als die h.M. Corsten, wistra 2010, 206, 207, der einen „unmittelbaren“ und „primären“ Vermögensbezug fordert, dagegen aber Rönnau, StV 2011, 753, 754.
[30] Darauf, dass die Schutzrichtung einer Vorschrift häufig umstritten sein wird, weist auch hin Rönnau, StV 2011, 753, 754 a.E.
[31] Darauf läuft m.E. in der Sache die Auffassung von Brand, JR 2011, 400 ff. sowie Brand/Sperling, AG 2011, 233 ff. hinaus, wonach Verstöße gegen alle Vorschriften untreuerelevant sein sollen, die (in tatsächlicher Hinsicht) den Einsatz bzw. die Weggabe von Treugebervermögen voraussetzen, siehe dazu unten (Fn. 37).
[32] Zum im Ausgangspunkt unstreitigen Deliktscharakter siehe etwa Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, 2009, § 266 Rn. 32 m.w.N., § 266 Rn. 1; Fischer, StGB, 60. Aufl. 2013, § 266 Rn. 2.
[33] Zu entsprechenden Erwägungen zuvor bereits (dies letztlich ablehnend) Rönnau, in: FS für Tiedemann, 2008, S. 725 ff. m.w.N.
[34] Überzeugend insoweit bereits Schünemann, NStZ 2006, 196, 198 f.: Schmiergeldzahlungen können, müssen aber nicht untreurelevant sein.
[36] So Schünemann, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl. 2012, § 266 Rn. 94; z.T. ähnlich auch Taschke, in: FS für Lüderssen, 2002, S. 669.
[37] Insoweit anders Rönnau, in: FS für Tiedemann, 2008, S. 722; ders., StV 2011, 753, 754 f.; Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, 2009, § 266 Rn. 32 m.w.N.; Dierlamm, in: FS für Widmaier, 2008, S. 612; wohl auch Kempf, in: FS für Hamm, 2008, S. 255, 259 m. Fn. 25; krit. gegenüber dem Merkmal des Vermögensbezuges Brand/Sperling, AG 2011, 233 ff. sowie Brand, JR 2011, 400 ff., wobei dort im Ergebnis jeder gesetzeswidrige Umgang mit Treugebervermögen als pflichtwidrig angesehen wird. Das überzeugt aber nicht und geht deutlich zu weit. Eine gesetzeswidrige Zahlung ist nicht allein deshalb untreuerechtlich pflichtwidrig, weil sie faktisch aus Mitteln des Treugebers getätigt wird. Ist die Zahlung für den Treugeber wirtschaftlich sinnvoll (oder zumindest vertretbar), ist kein Grund dafür zu erkennen, sie als Verstoß gegen eine den wirtschaftlichen Interessen des Treugebers dienende Pflicht zu qualifizieren.
[39] Jedenfalls insoweit in der Sache zutreffend daher BGHSt 46, 30 = NJW 2000, 2364 sowie (davon allerdings z.T. wieder abweichend) BGHSt 47, 148 = NJW 2002, 1211, wo dem Verstoß gegen § 18 KWG lediglich indizieller Charakter zugesprochen wurde; zum Ganzen vertiefend und z.T. krit. Knauer, NStZ 2002, 399 ff.
[40] Ähnlich Kubiciel, NStZ 2005, 353, 359 f.; Taschke, in: FS für Lüderssen, 2002, S. 669 f.; teilw. auch Schünemann, NStZ 2006, 296, 298 f.; für Kick Back-Zahlungen ebenfalls noch BGH wistra 1984, 226; teilw. auch OLG Frankfurt NStZ-RR 2004, 244, 245; krit. aber Rönnau, in: FS für Tiedemann, 2008, S. 725 ff. m.w.N. zur Diskussion.
[42] Das ist der Haupteinwand gegen eine wirtschaftliche Betrachtung auf der Ebene der Pflichtwidrigkeit bei Rönnau, in: FS für Tiedemann, 2008, S. 726 f.
[43] Dazu Ransiek, StV 2009, 321: „Daß etwas verboten ist, heißt [also] nicht automatisch, daß es auch im Verhältnis des Agenten zum Prinzipal unzulässig ist“; wie hier auch Taschke, in: FS für Lüderssen, 2002, S. 669.
[44] Ebenso Ransiek, StV 2009, 321; zum Kriterium des Schutzzweckzusammenhangs bei der Untreue näher Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, 2009, § 266 Rn. 82 f. m.w.N., der aber insoweit das Merkmal des Fremdvermögensbezuges für ausreichend und systematisch adäquater hält; weitgehend wie hier dagegen Corsten, wistra 2010, 206, 207 f. m.w.N.
[45] Erwähnt sei an dieser Stelle, dass die hier vorgeschlagene Betrachtung rückblickend auch eine Neubewertung der Untreuestrafbarkeit in der sog. „VW-Affäre“ erforderlich machen könnte, da es jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass die Zahlungen zu Gunsten des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden (um dessen „Wohlwollen“ zu erhalten) letztlich dem wirtschaftlichen Interesse des Konzerns dienlich waren, dazu BGHSt 54, 148 = BGH NJW 2010, 92 m. Bspr. Corsten, wistra 2010, 206 ff., der im Ergebnis jedoch eine Pflichtwidrigkeit bejaht. Ich werte das – mit Interna des Sachverhalts vertraut – anders.
[48] Sofern diese allerdings ein bestimmtes Ausmaß annehmen, können sie zum Wegfall der Vermögensbetreuungspflicht führen.
[60] Taschke, in: FS für Lüderssen, 2002, S. 668; Dierlamm, in: FS für Widmaier, 2008, S. 613; vgl. zur teilweise gegenteiligen Rechtsprechung des Reichsgerichts Ransiek, StV 2009, 321, 322 f. m.w.N.
[63] Dahingehend der BGH im Urteil zum “Bundesliga-Bestechungsskandal”, BGH NJW 1975, 1234, 1235; weitere Nachw. aus der Rspr. zur möglichen Gesamtbetrachtung bei der Saldierung bei Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, 2009, § 266 Rn. 59; ferner Dierlamm, in: FS für Widmaier, 2008, S. 613 m.w.N.; vgl. auch Kempf, in: FS für Hamm, 2008, S. 259: „eine Art ‚Projektkalkulation‘“.
[66] So auch Ransiek, StV 2009, 321, 323; Kempf, in: FS für Hamm, 2008, S. 258 m.w.N.; zu diesem Thema eingehend Jäger, in: FS für Otto, 2007, S. 593 ff.; für die Implementierung eines einschränkenden Unmittelbarkeitsprinzips in diesem Zusammenhang Rönnau, StV 2011, 753, 761 f.
[67] Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung von Gefährdungsschäden allgemein BVerfG NJW 2010, 3209, 3219 f.