Russack, Die Revision in der strafrechtlichen Assessorklausur
8. Auflage 2013; 177 Seiten; 20,95 €
Als der Rezensent im Jahre 2005 vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Köln erstmals damit beauftragt wurde, als Rechtsanwalt eine Fortgeschrittenen-Arbeitsgemeinschaft für Referendare auf dem Gebiet des Strafrechts zu leiten, stellte sich die Frage, wie man den Referendaren das Revisionsrecht näherbringt. Erfahrungen von anwaltlichen Kollegen gab es nicht, weil die Anwälte bis dahin nicht in die Ausbildung in Form der Leitung von Arbeitsgemeinschaften eingebunden waren. Das Oberlandesgericht selbst verwies (und verweist auch heute noch) auf die im Internet veröffentlichten Ausbildungspläne. Die Ausbildungspläne helfen jedoch nicht wirklich weiter. Dort wird nicht erklärt, wie man den Referendaren den Prüfungsstoff näherbringt, sondern eine solche Masse von Ausbildungsgegenständen aufgezählt, die unmöglich in zwei bzw. drei Vortragsmodulen gelehrt werden können (Stellung prozessualer Anträge, Verteidigungsstrategie, Verständigung im Strafverfahren, Aufbau einer Verteidigungsschrift, prozessualer Tatbegriff, Beweiserhebung und Beweiswürdigung, besondere Verfahrensarten, Klageerzwingungsverfahren, Nebenklage, Privatklage, Wiederaufnahmeverfahren, Aufbau und notwendiger Inhalt strafgerichtlicher Entscheidungen, Berufung, Beschwerde, Revisionsrecht). Auf der Suche nach geeigneter Literatur stieß der Rezensent u. a. auf „den Russack“, der damals in der 1. Auflage erschienen war. Nach Auswertung verschiedener Lehrbücher und Skripten mehrerer Anbieter von Repetitorien stellte sich heraus, dass „der Russack“ in geradezu herausragender, einzigartiger Weise geeignet ist, Referendare auf die Revision in der strafrechtlichen Assessorklausur vorzubereiten. Russack holt die Referendare dort ab, wo sie sich revisionsrechtlich befinden, nämlich bei null.
Die in der Regel fehlenden Vorkenntnisse der Referendare sind darauf zurückzuführen, dass im Studium allenfalls die Grundzüge des Verfahrensrechts gelehrt werden, wozu die Spezifika der Revision nicht gehören.
Russack gelingt es vorbildlich, die hochkomplexe Materie des Revisionsrechtes so zu entschlacken, dass er auf 171 Seiten alle klausurrelevanten Probleme der strafrechtlichen Assessorklausur in einfacher Sprache klar, verständlich und nachvollziehbar darstellt.
Das Buch ist kein Lehrbuch im klassischen Sinne. Es ist ein reines Anleitungsbuch zur Fertigung einer Klausur im Assessorexamen. Diesem Ansatz folgend hat der Autor sich darauf beschränkt, im Wesentlichen nur zwei Kommentare zu zitieren, nämlich Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 55. Auflage und Fischer, Strafgesetzbuch, 60. Auflage. Wissenschaftlich wäre diese Vorgehensweise zu beanstanden. Für ein Anleitungsbuch ist diese Beschränkung sinnvoll, ja geradezu zwingend, weil die Referendare im Examen auch nur diese beiden Kommentare zur Verfügung haben.
Auch thematisch beschränkt sich Russack darauf, nur die Punkte anzusprechen, die tatsächlich klausurrelevant sind. Gefunden hat er diese Punkte durch eine Auswertung von rd. 100 Original-Examensklausuren. Das Buch bildet damit exakt den Stoff ab, der bisher examensrelevant war. Auch hierdurch unterscheidet es sich von anderen Lehrbüchern. So wird beispielsweise die in der Revisionspraxis (nicht in der Klausurpraxis!) bedeutsame Problematik des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO, nach der bei der Rüge der Verletzung formellen Rechts die den Mangel enthaltenen Tatsachen angegeben werden müssen, komplett ausgeblendet, weil sie bisher kaum examensrelevant war.
Es gibt – worauf Russack hinweist – nur einen einzigen Fall aus dem Jahre 2006, bei dem das LJPA NRW auch eine Revisionsbegründung gefordert hat. Soweit Russack hierzu ausführt, „Wer den Umgang mit dem StPO-Kommentar von Meyer-Goßner eingeübt hat, wird auf diese exotische Ausnahmekonstellation auch ohne spezielle Vorbereitung sicher reagieren können“ (Rn. 6), besteht für einen solchen Optimismus kein Anlass. Der Rezensent hat die besagte Klausur zweimal in der Fortgeschrittenen-Arbeitsgemeinschaft schreiben lassen und seitdem nicht mehr angerührt. Die Ergebnisse waren desaströs. Die Bearbeiter waren weit überwiegend nicht in der Lage, eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechende Revisionsbegründung zu fertigen. Ein solches Ergebnis ist schon deshalb ärgerlich, weil es in der Praxis dazu führt, dass ein falsches Urteil rechtskräftig wird, nur weil der Revisionsführer nicht in der Lage ist, die Formalia einzuhalten.
Hieraus den Schluss zu ziehen, es müsste gerade deshalb § 344 Abs. 2 S. 2 StPO vermehrt gelehrt und geprüft werden, wäre jedoch falsch. Hierzu fehlt im Referendariat – so wie es derzeit aufgebaut ist – schlicht die Zeit. Man muss bei der derzeitigen Konzeption der Ausbildung damit leben, dass auch derjenige, der gute Revisionsklausuren schreiben kann, damit noch nicht automatisch in der Lage ist, im Einzelfall eine Revision formgerecht zu begründen.
Es ist daher richtig und ausdrücklich zu begrüßen, dass Russack die Problematik des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bewusst ausblendet.
Der besondere Clou des Buches besteht darin, dass der Leser an die Hand genommen und durch die verschiedenen Prüfungsstufen einer Examensklausur geführt wird. Dabei ist das Buch exakt so gegliedert wie eine Examensklausur (Zulässigkeit, Begründetheit, Zweckmäßigkeitserwägungen, Revisionsanträge). Es werden sämtliche examensrelevanten Probleme angesprochen, so dass es bisher keine Klausur gab, die nicht mit Hilfe „des Russacks“ hätte gelöst werden können.
Eine weitere Besonderheit des Buches ist, dass an verschiedenen Stellen Tipps gegeben werden, wie man klausurtechnisch am besten mit bestimmten Problemen umgeht. Dabei geht die Hilfestellung sogar so weit, dass konkrete Formulierungen für die Klausur vorgeschlagen werden. Mehr kann man beim besten Willen nicht machen.
Neben den vielen Vorzügen des Buches sind nur wenige kritische Anmerkungen veranlasst. So empfiehlt der Autor die absoluten vor den relativen Revisionsgründen zu prüfen (Rn. 80), wobei sprachlich sogar der Eindruck erweckt wird, diese Prüfungsreihenfolge sei zwingend.
Beidem ist zu widersprechen. Man kann die absoluten vor den relativen Revisionsgründen prüfen, muss es jedoch nicht. Empfehlenswert ist es, die Rechtsfehler in chronologischer Reihenfolge zu prüfen. Dieser Aufbau gibt eine größere Gewähr dafür, dass Fehler nicht übersehen werden. Entscheidend ist, dass die Rechtsfehler und vor allem die verletzte Norm, die § 338 StPO nicht sein kann, gefunden werden.
Der von Russack empfohlene Aufbau verleitet zu einem falschen Obersatz. Viele Bearbeiter beginnen – dem Aufbauschema Russacks folgend – etwa wie folgt: „Es könnte § 338 Nr. 5 StPO verletzt sein, weil in der Hauptverhandlung ein Verteidiger nicht anwesend gewesen ist.“
Dieser Obersatz ist schon deshalb falsch, weil § 338 Nr. 5 StPO zu der Frage, ob ein Verteidiger anwesend sein musste, nichts sagt. Unter § 338 Nr. 5 StPO kann man den Sachverhalt nicht subsumieren. Besser ist es, wenn die Bearbeiter die verletzte Norm suchen (z.B. § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und die Einordnung, absoluter oder relativer Revisionsgrund, im Rahmen der Beruhensprüfung vornehmen.
Hinsichtlich der Zweckmäßigkeitserwägungen formuliert Russack, dass es sich bei diesem Klausurteil um ein bloßes Anhängsel handele, das besondere inhaltliche Anforderungen kaum aufweise (Rn. 616). Dem ist energisch zu widersprechen. Bei den Zweckmäßigkeitserwägungen handelt es sich um „das Salz in der Suppe“. Hier kann und muss der Bearbeiter zeigen, ob er in der Lage ist, die gefundenen Ergebnisse auch in zweckmäßige Handlungen umzusetzen.
Aus anwaltlicher Sicht trennt sich hier die Spreu vom Weizen. Derjenige, der zwar in der Lage ist, die Sach- und Rechtslage zutreffend zu klären, dem aber die Begabung und/oder Kenntnis fehlt, das gefundene Ergebnis auch in praxisnahe und zweckmäßige Handlungen umzusetzen, ist schlechterdings als Anwalt nicht brauchbar.
Wenn man beispielsweise bei der Bearbeitung festgestellt hat, dass das Urteil an formellen Fehlern leidet, die zwingend zur Aufhebung führen müssen, ist damit noch nicht gesagt, dass automatisch die Revision durchgeführt werden müsste.
Kommt man nämlich beispielsweise in der materiellen Prüfung zu dem Ergebnis, dass das Urteil richtig ist oder aber dass das Urteil zu Gunsten des Mandanten falsch ist (Verurteilung wegen Totschlags statt wegen Mordes) stellt sich die Frage, warum dann Revision eingelegt werden soll. In solchen Situationen würde die Durchführung der Revision nur Zeit und Geld kosten, ohne dass der Mandant irgendwelche Vorteile hätte.
Von daher muss man von einem Referendar in einer solchen Situation erwarten, dass er im Rahmen der Zweckmäßigkeit vorschlägt, die eingelegte Revision zurückzunehmen, weil – trotz der festgestellten formellen und möglicherweise auch materiellen Fehler – für den Mandanten kein günstigeres Ergebnis zu erreichen ist.
Die Revision ist kein Selbstzweck. Sie sollte nur dann durchgeführt werden, wenn für den Mandanten auch ein zählbarer Erfolg herauskommt.
Aus diesem Grund sollten auch bei der Prüfung der materiellen Rechtslage nicht nur die Tatbestände erörtert werden, die zur Verurteilung geführt haben. Vielmehr sollten auch alle weiteren Tatbestände mitgeprüft werden, um beurteilen zu können, ob eine Revision wirklich sinnvoll ist.
Wenn statt einer Verurteilung wegen Diebstahls eine Verurteilung wegen Betruges herauskommt, wird sich am Strafmaß nichts ändern, so dass die Durchführung des Revisionsverfahrens nicht zweckmäßig erscheint.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, was im Rahmen der Prüfung der materiellen Rechtslage zu erörtern ist. In einem sehr konstruktiven Disput mit einem richterlichen AG-Leiter war diese Frage aufgetaucht, weil der richterliche AG-Leiter den Referendaren beigebracht hatte, im Rahmen der Prüfung der Verletzung materiellen Rechtes nur die Tatbestände zu erörtern, die im Urteil angesprochen sind, während der anwaltliche AG-Leiter der Auffassung war, es müssten sämtliche in Betracht kommende Tatbestände erörtert werden. Die unterschiedliche Auffassung ergibt sich aus der unterschiedlichen Vorgehensweise von Richtern und Anwälten. Für den Revisionsrichter ist einzig und allein die Frage entscheidend, ob die im Urteil besprochenen Straftatbestände tatsächlich vorliegen oder nicht. Ob weitergehende Tatbestände verwirklicht wurden, hat den Revisionsrichter nicht zu interessieren. Von daher erscheint es aus der Sicht eines Revisionsrichters geradezu fernliegend zu sein, im Rahmen der Prüfung der Verletzung materiellen Rechts Dinge zu erörtern, die im Urteil selbst nicht angesprochen worden sind.
Der anwaltliche AG-Leiter hat bei der Prüfung der materiellen Rechtslage das „Ganze“ im Kopf. Für ihn kommt es nicht nur darauf an, das Urteil zu Fall zu bringen. Der Anwalt prüft bereits weiter, was denn bei einer „Neuauflage“ herauskommen könnte. Von daher ist es aus anwaltlicher Sicht geradezu zwingend, sämtliche in Betracht kommenden Straftatbestände zu erörtern, gleichviel ob sie im Urteil erörtert werden oder nicht.
„Im Russack“ ist dieser Konflikt beiläufig angesprochen. Russack weist darauf hin, dass jedenfalls in jüngerer Zeit das Justizprüfungsamt in dem Bearbeitervermerk darauf hinweist, dass sämtliche Straftatbestände zu prüfen sind.
Man merkt aber den Ausführungen von Russack an, dass er aus seiner richterlichen Sicht wenig Verständnis für eine solche Vorgehensweise hat.
Aus der richterlichen Sicht hat er dabei sogar Recht. Da die Revisionsklausuren häufig Anwaltsklausuren sind, kommt es aber entscheidend auf die Sicht des Revisionsführers an.
Auch wenn ein Mandant durch die Verurteilung wegen Totschlages statt Mordes nicht beschwert ist und auch bei Durchführung des Revisionsverfahrens gem. § 358 Abs. 2 S. 1 StPO keine Verschlimmerung des Strafmaßes zu befürchten ist, macht die Durchführung des Revisionsverfahrens keinen Sinn, wobei sogar noch darauf hinzuweisen ist, dass eine Veränderung des Schuldspruchs von Totschlag auf Mord möglich wäre.
Der Rezensent arbeitet seit dem Jahre 2005 mit „dem Russack“. Es ist erfreulich, dass das Buch jedes Jahr auf den aktuellen Stand gebracht wurde, wobei der Umfang des Buches in dieser Zeit nicht allzu sehr zugenommen hat. Die nunmehr vorliegende 8. Auflage befindet sich auf dem Stand des Jahres 2013. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass neun neue Examensklausuren aus dem Jahre 2012 eingearbeitet worden sind.
Dies zeigt, dass das Buch auch jetzt wieder auf dem neuesten Stand und hochaktuell ist.
Dieser für Referendare ausgesprochen erfreuliche Umstand ist für die AG-Leiter allerdings sehr problematisch.
Es ist nämlich so, dass offensichtlich Russack die freigegebenen Klausuren früher erhält als die AG-Leiter, die auch heute noch nicht auf neun Klausuren aus dem Jahre 2012 zurückgreifen können. Damit muss zwangsläufig die Ausbildung im Referendariat hinter dem zurückbleiben, was „der Russack“ bietet. Schon dies ist aus ausbildungstechnischen Gründen nicht unproblematisch. Schlimmer noch ist, dass man als AG-Leiter keine Klausur stellen kann, die nicht schon „im Russack“ verarbeitet ist. Russack hat sämtliche Klausuren, die in Nordrhein-Westfalen gestellt worden sind, ausgewertet. Dies bedeutet, dass die AG-Leiter keine einzige Original-Klausur zur Verfügung haben, deren Lösung man nicht schon „im Russack“ nachlesen kann.
Dies wiederum bedeutet, dass die AG-Leiter, die Klausuren stellen, zwangsläufig immer hinter „dem Russack“ hinterherlaufen. Es ist wenig sinnvoll, Original-Klausuren auszugeben, deren Lösung die Referendare entweder in Form „des Russacks“ in der Tasche oder aber unmittelbar vorbereitet haben.
Besser wäre der umgekehrte Weg: Das Buch würde keinen Schaden nehmen, wenn zunächst die AG-Leiter einen Vorsprung erhielten, so dass sie wenigstens in der Lage wären, Klausuren zu stellen, deren Lösung noch nicht veröffentlicht worden ist und somit die Referendare sich „eigene“ Gedanken machen müssen. Auch der Respekt vor der Leistung der AG-Leiter sollte es gebieten, sie nicht schlechter zu behandeln als einen (auch) kommerziellen Anbieter.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Buch von Russack ein absolutes Muss für jeden Referendar ist. Wer glaubt, auf die Lektüre verzichten zu können, macht bei der Examensvorbereitung einen Fehler. Wer „den Russack“ durchgearbeitet hat, braucht die Revision in der strafrechtlichen Assessorklausur nicht zu fürchten. Im Gegenteil: Man kann sich darauf freuen.
[:en]
8. Auflage 2013; 177 Seiten; 20,95 €
Als der Rezensent im Jahre 2005 vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Köln erstmals damit beauftragt wurde, als Rechtsanwalt eine Fortgeschrittenen-Arbeitsgemeinschaft für Referendare auf dem Gebiet des Strafrechts zu leiten, stellte sich die Frage, wie man den Referendaren das Revisionsrecht näherbringt. Erfahrungen von anwaltlichen Kollegen gab es nicht, weil die Anwälte bis dahin nicht in die Ausbildung in Form der Leitung von Arbeitsgemeinschaften eingebunden waren. Das Oberlandesgericht selbst verwies (und verweist auch heute noch) auf die im Internet veröffentlichten Ausbildungspläne. Die Ausbildungspläne helfen jedoch nicht wirklich weiter. Dort wird nicht erklärt, wie man den Referendaren den Prüfungsstoff näherbringt, sondern eine solche Masse von Ausbildungsgegenständen aufgezählt, die unmöglich in zwei bzw. drei Vortragsmodulen gelehrt werden können (Stellung prozessualer Anträge, Verteidigungsstrategie, Verständigung im Strafverfahren, Aufbau einer Verteidigungsschrift, prozessualer Tatbegriff, Beweiserhebung und Beweiswürdigung, besondere Verfahrensarten, Klageerzwingungsverfahren, Nebenklage, Privatklage, Wiederaufnahmeverfahren, Aufbau und notwendiger Inhalt strafgerichtlicher Entscheidungen, Berufung, Beschwerde, Revisionsrecht). Auf der Suche nach geeigneter Literatur stieß der Rezensent u. a. auf „den Russack“, der damals in der 1. Auflage erschienen war. Nach Auswertung verschiedener Lehrbücher und Skripten mehrerer Anbieter von Repetitorien stellte sich heraus, dass „der Russack“ in geradezu herausragender, einzigartiger Weise geeignet ist, Referendare auf die Revision in der strafrechtlichen Assessorklausur vorzubereiten. Russack holt die Referendare dort ab, wo sie sich revisionsrechtlich befinden, nämlich bei null.
Die in der Regel fehlenden Vorkenntnisse der Referendare sind darauf zurückzuführen, dass im Studium allenfalls die Grundzüge des Verfahrensrechts gelehrt werden, wozu die Spezifika der Revision nicht gehören.
Russack gelingt es vorbildlich, die hochkomplexe Materie des Revisionsrechtes so zu entschlacken, dass er auf 171 Seiten alle klausurrelevanten Probleme der strafrechtlichen Assessorklausur in einfacher Sprache klar, verständlich und nachvollziehbar darstellt.
Das Buch ist kein Lehrbuch im klassischen Sinne. Es ist ein reines Anleitungsbuch zur Fertigung einer Klausur im Assessorexamen. Diesem Ansatz folgend hat der Autor sich darauf beschränkt, im Wesentlichen nur zwei Kommentare zu zitieren, nämlich Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 55. Auflage und Fischer, Strafgesetzbuch, 60. Auflage. Wissenschaftlich wäre diese Vorgehensweise zu beanstanden. Für ein Anleitungsbuch ist diese Beschränkung sinnvoll, ja geradezu zwingend, weil die Referendare im Examen auch nur diese beiden Kommentare zur Verfügung haben.
Auch thematisch beschränkt sich Russack darauf, nur die Punkte anzusprechen, die tatsächlich klausurrelevant sind. Gefunden hat er diese Punkte durch eine Auswertung von rd. 100 Original-Examensklausuren. Das Buch bildet damit exakt den Stoff ab, der bisher examensrelevant war. Auch hierdurch unterscheidet es sich von anderen Lehrbüchern. So wird beispielsweise die in der Revisionspraxis (nicht in der Klausurpraxis!) bedeutsame Problematik des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO, nach der bei der Rüge der Verletzung formellen Rechts die den Mangel enthaltenen Tatsachen angegeben werden müssen, komplett ausgeblendet, weil sie bisher kaum examensrelevant war.
Es gibt – worauf Russack hinweist – nur einen einzigen Fall aus dem Jahre 2006, bei dem das LJPA NRW auch eine Revisionsbegründung gefordert hat. Soweit Russack hierzu ausführt, „Wer den Umgang mit dem StPO-Kommentar von Meyer-Goßner eingeübt hat, wird auf diese exotische Ausnahmekonstellation auch ohne spezielle Vorbereitung sicher reagieren können“ (Rn. 6), besteht für einen solchen Optimismus kein Anlass. Der Rezensent hat die besagte Klausur zweimal in der Fortgeschrittenen-Arbeitsgemeinschaft schreiben lassen und seitdem nicht mehr angerührt. Die Ergebnisse waren desaströs. Die Bearbeiter waren weit überwiegend nicht in der Lage, eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechende Revisionsbegründung zu fertigen. Ein solches Ergebnis ist schon deshalb ärgerlich, weil es in der Praxis dazu führt, dass ein falsches Urteil rechtskräftig wird, nur weil der Revisionsführer nicht in der Lage ist, die Formalia einzuhalten.
Hieraus den Schluss zu ziehen, es müsste gerade deshalb § 344 Abs. 2 S. 2 StPO vermehrt gelehrt und geprüft werden, wäre jedoch falsch. Hierzu fehlt im Referendariat – so wie es derzeit aufgebaut ist – schlicht die Zeit. Man muss bei der derzeitigen Konzeption der Ausbildung damit leben, dass auch derjenige, der gute Revisionsklausuren schreiben kann, damit noch nicht automatisch in der Lage ist, im Einzelfall eine Revision formgerecht zu begründen.
Es ist daher richtig und ausdrücklich zu begrüßen, dass Russack die Problematik des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bewusst ausblendet.
Der besondere Clou des Buches besteht darin, dass der Leser an die Hand genommen und durch die verschiedenen Prüfungsstufen einer Examensklausur geführt wird. Dabei ist das Buch exakt so gegliedert wie eine Examensklausur (Zulässigkeit, Begründetheit, Zweckmäßigkeitserwägungen, Revisionsanträge). Es werden sämtliche examensrelevanten Probleme angesprochen, so dass es bisher keine Klausur gab, die nicht mit Hilfe „des Russacks“ hätte gelöst werden können.
Eine weitere Besonderheit des Buches ist, dass an verschiedenen Stellen Tipps gegeben werden, wie man klausurtechnisch am besten mit bestimmten Problemen umgeht. Dabei geht die Hilfestellung sogar so weit, dass konkrete Formulierungen für die Klausur vorgeschlagen werden. Mehr kann man beim besten Willen nicht machen.
Neben den vielen Vorzügen des Buches sind nur wenige kritische Anmerkungen veranlasst. So empfiehlt der Autor die absoluten vor den relativen Revisionsgründen zu prüfen (Rn. 80), wobei sprachlich sogar der Eindruck erweckt wird, diese Prüfungsreihenfolge sei zwingend.
Beidem ist zu widersprechen. Man kann die absoluten vor den relativen Revisionsgründen prüfen, muss es jedoch nicht. Empfehlenswert ist es, die Rechtsfehler in chronologischer Reihenfolge zu prüfen. Dieser Aufbau gibt eine größere Gewähr dafür, dass Fehler nicht übersehen werden. Entscheidend ist, dass die Rechtsfehler und vor allem die verletzte Norm, die § 338 StPO nicht sein kann, gefunden werden.
Der von Russack empfohlene Aufbau verleitet zu einem falschen Obersatz. Viele Bearbeiter beginnen – dem Aufbauschema Russacks folgend – etwa wie folgt: „Es könnte § 338 Nr. 5 StPO verletzt sein, weil in der Hauptverhandlung ein Verteidiger nicht anwesend gewesen ist.“
Dieser Obersatz ist schon deshalb falsch, weil § 338 Nr. 5 StPO zu der Frage, ob ein Verteidiger anwesend sein musste, nichts sagt. Unter § 338 Nr. 5 StPO kann man den Sachverhalt nicht subsumieren. Besser ist es, wenn die Bearbeiter die verletzte Norm suchen (z.B. § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und die Einordnung, absoluter oder relativer Revisionsgrund, im Rahmen der Beruhensprüfung vornehmen.
Hinsichtlich der Zweckmäßigkeitserwägungen formuliert Russack, dass es sich bei diesem Klausurteil um ein bloßes Anhängsel handele, das besondere inhaltliche Anforderungen kaum aufweise (Rn. 616). Dem ist energisch zu widersprechen. Bei den Zweckmäßigkeitserwägungen handelt es sich um „das Salz in der Suppe“. Hier kann und muss der Bearbeiter zeigen, ob er in der Lage ist, die gefundenen Ergebnisse auch in zweckmäßige Handlungen umzusetzen.
Aus anwaltlicher Sicht trennt sich hier die Spreu vom Weizen. Derjenige, der zwar in der Lage ist, die Sach- und Rechtslage zutreffend zu klären, dem aber die Begabung und/oder Kenntnis fehlt, das gefundene Ergebnis auch in praxisnahe und zweckmäßige Handlungen umzusetzen, ist schlechterdings als Anwalt nicht brauchbar.
Wenn man beispielsweise bei der Bearbeitung festgestellt hat, dass das Urteil an formellen Fehlern leidet, die zwingend zur Aufhebung führen müssen, ist damit noch nicht gesagt, dass automatisch die Revision durchgeführt werden müsste.
Kommt man nämlich beispielsweise in der materiellen Prüfung zu dem Ergebnis, dass das Urteil richtig ist oder aber dass das Urteil zu Gunsten des Mandanten falsch ist (Verurteilung wegen Totschlags statt wegen Mordes) stellt sich die Frage, warum dann Revision eingelegt werden soll. In solchen Situationen würde die Durchführung der Revision nur Zeit und Geld kosten, ohne dass der Mandant irgendwelche Vorteile hätte.
Von daher muss man von einem Referendar in einer solchen Situation erwarten, dass er im Rahmen der Zweckmäßigkeit vorschlägt, die eingelegte Revision zurückzunehmen, weil – trotz der festgestellten formellen und möglicherweise auch materiellen Fehler – für den Mandanten kein günstigeres Ergebnis zu erreichen ist.
Die Revision ist kein Selbstzweck. Sie sollte nur dann durchgeführt werden, wenn für den Mandanten auch ein zählbarer Erfolg herauskommt.
Aus diesem Grund sollten auch bei der Prüfung der materiellen Rechtslage nicht nur die Tatbestände erörtert werden, die zur Verurteilung geführt haben. Vielmehr sollten auch alle weiteren Tatbestände mitgeprüft werden, um beurteilen zu können, ob eine Revision wirklich sinnvoll ist.
Wenn statt einer Verurteilung wegen Diebstahls eine Verurteilung wegen Betruges herauskommt, wird sich am Strafmaß nichts ändern, so dass die Durchführung des Revisionsverfahrens nicht zweckmäßig erscheint.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, was im Rahmen der Prüfung der materiellen Rechtslage zu erörtern ist. In einem sehr konstruktiven Disput mit einem richterlichen AG-Leiter war diese Frage aufgetaucht, weil der richterliche AG-Leiter den Referendaren beigebracht hatte, im Rahmen der Prüfung der Verletzung materiellen Rechtes nur die Tatbestände zu erörtern, die im Urteil angesprochen sind, während der anwaltliche AG-Leiter der Auffassung war, es müssten sämtliche in Betracht kommende Tatbestände erörtert werden. Die unterschiedliche Auffassung ergibt sich aus der unterschiedlichen Vorgehensweise von Richtern und Anwälten. Für den Revisionsrichter ist einzig und allein die Frage entscheidend, ob die im Urteil besprochenen Straftatbestände tatsächlich vorliegen oder nicht. Ob weitergehende Tatbestände verwirklicht wurden, hat den Revisionsrichter nicht zu interessieren. Von daher erscheint es aus der Sicht eines Revisionsrichters geradezu fernliegend zu sein, im Rahmen der Prüfung der Verletzung materiellen Rechts Dinge zu erörtern, die im Urteil selbst nicht angesprochen worden sind.
Der anwaltliche AG-Leiter hat bei der Prüfung der materiellen Rechtslage das „Ganze“ im Kopf. Für ihn kommt es nicht nur darauf an, das Urteil zu Fall zu bringen. Der Anwalt prüft bereits weiter, was denn bei einer „Neuauflage“ herauskommen könnte. Von daher ist es aus anwaltlicher Sicht geradezu zwingend, sämtliche in Betracht kommenden Straftatbestände zu erörtern, gleichviel ob sie im Urteil erörtert werden oder nicht.
„Im Russack“ ist dieser Konflikt beiläufig angesprochen. Russack weist darauf hin, dass jedenfalls in jüngerer Zeit das Justizprüfungsamt in dem Bearbeitervermerk darauf hinweist, dass sämtliche Straftatbestände zu prüfen sind.
Man merkt aber den Ausführungen von Russack an, dass er aus seiner richterlichen Sicht wenig Verständnis für eine solche Vorgehensweise hat.
Aus der richterlichen Sicht hat er dabei sogar Recht. Da die Revisionsklausuren häufig Anwaltsklausuren sind, kommt es aber entscheidend auf die Sicht des Revisionsführers an.
Auch wenn ein Mandant durch die Verurteilung wegen Totschlages statt Mordes nicht beschwert ist und auch bei Durchführung des Revisionsverfahrens gem. § 358 Abs. 2 S. 1 StPO keine Verschlimmerung des Strafmaßes zu befürchten ist, macht die Durchführung des Revisionsverfahrens keinen Sinn, wobei sogar noch darauf hinzuweisen ist, dass eine Veränderung des Schuldspruchs von Totschlag auf Mord möglich wäre.
Der Rezensent arbeitet seit dem Jahre 2005 mit „dem Russack“. Es ist erfreulich, dass das Buch jedes Jahr auf den aktuellen Stand gebracht wurde, wobei der Umfang des Buches in dieser Zeit nicht allzu sehr zugenommen hat. Die nunmehr vorliegende 8. Auflage befindet sich auf dem Stand des Jahres 2013. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass neun neue Examensklausuren aus dem Jahre 2012 eingearbeitet worden sind.
Dies zeigt, dass das Buch auch jetzt wieder auf dem neuesten Stand und hochaktuell ist.
Dieser für Referendare ausgesprochen erfreuliche Umstand ist für die AG-Leiter allerdings sehr problematisch.
Es ist nämlich so, dass offensichtlich Russack die freigegebenen Klausuren früher erhält als die AG-Leiter, die auch heute noch nicht auf neun Klausuren aus dem Jahre 2012 zurückgreifen können. Damit muss zwangsläufig die Ausbildung im Referendariat hinter dem zurückbleiben, was „der Russack“ bietet. Schon dies ist aus ausbildungstechnischen Gründen nicht unproblematisch. Schlimmer noch ist, dass man als AG-Leiter keine Klausur stellen kann, die nicht schon „im Russack“ verarbeitet ist. Russack hat sämtliche Klausuren, die in Nordrhein-Westfalen gestellt worden sind, ausgewertet. Dies bedeutet, dass die AG-Leiter keine einzige Original-Klausur zur Verfügung haben, deren Lösung man nicht schon „im Russack“ nachlesen kann.
Dies wiederum bedeutet, dass die AG-Leiter, die Klausuren stellen, zwangsläufig immer hinter „dem Russack“ hinterherlaufen. Es ist wenig sinnvoll, Original-Klausuren auszugeben, deren Lösung die Referendare entweder in Form „des Russacks“ in der Tasche oder aber unmittelbar vorbereitet haben.
Besser wäre der umgekehrte Weg: Das Buch würde keinen Schaden nehmen, wenn zunächst die AG-Leiter einen Vorsprung erhielten, so dass sie wenigstens in der Lage wären, Klausuren zu stellen, deren Lösung noch nicht veröffentlicht worden ist und somit die Referendare sich „eigene“ Gedanken machen müssen. Auch der Respekt vor der Leistung der AG-Leiter sollte es gebieten, sie nicht schlechter zu behandeln als einen (auch) kommerziellen Anbieter.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Buch von Russack ein absolutes Muss für jeden Referendar ist. Wer glaubt, auf die Lektüre verzichten zu können, macht bei der Examensvorbereitung einen Fehler. Wer „den Russack“ durchgearbeitet hat, braucht die Revision in der strafrechtlichen Assessorklausur nicht zu fürchten. Im Gegenteil: Man kann sich darauf freuen.