Dr. Christoph Skoupil

Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte als Compliance-Gesichtspunkt

I. Einleitung

Typischerweise ist die Wahrung der Menschenrechte eine staatliche Aufgabe. Unternehmen sind insofern bisher vorrangig ethisch und gesellschaftlich verpflichtet. Dabei stand zunächst die menschenrechtskonforme Organisation der Abläufe im eigenen Unternehmen im Vordergrund. Überdies gewann in der jüngeren Vergangenheit auch die Verpflichtung der Wertschöpfungskette in dieser Hinsicht an Bedeutung.[1] Dabei ging es oftmals primär um das Bestreben den eigenen „guten Ruf“ zu wahren[2] und Reputationsschäden zu vermeiden.[3] Über die beschriebenen Bindungsebenen hinaus könnte mittelfristig auch das nationale Recht um verbindliche Regelungen zum Umgang mit Menschenrechtsrisiken in der (internationalen) Wertschöpfungskette ergänzt werden. Ausgangspunkt jüngerer Überlegungen bzw. Bemühungen in diesem Bereich sind die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (siehe II.), deren nationale Transformation in Großbritannien begann (siehe III.). Dieser Prozess ist für Unternehmen unter Compliance-Gesichtspunkten bedeutsam (siehe IV.).

 

II. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte

 Im Juni 2011 wurden in Genf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vom UN-Menschenrechtsrat einstimmig verabschiedet. Die durch den UN-Sonderbeauftragten für Wirtschaft und Menschenrechte vorgelegten 31 Leitprinzipien[4] schaffen einen umfassenden Rahmen für die Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht und der unternehmerischen Verantwortung im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte. Aus den Leitprinzipien selbst ergibt sich allerdings noch keine unmittelbare rechtliche Bindung der adressierten Unternehmen.[5] Eine gesetzliche Verbindlichkeit der Leitlinien tritt erst in Folge einer innerstaatlichen Transformation der entsprechenden Regeln in nationales Recht ein. Dies dürfte einer der Gründe sein, weshalb die Leitprinzipien auch auf Unternehmensseite auf breite Zustimmung gestoßen sind. Gleichzeitig wird der Versuch einer unmittelbaren unternehmerischen Bindung für das Scheitern eines Vorläufers der Leitprinzipien, der sog. „draft norms“[6] aus dem Jahr 2003, verantwortlich gemacht.[7]

Die Leitprinzipien gründen den Schutz der Menschenrechte – dem bereits 2008 entwickelten Ansatz „protect, respect and remedy“[8] folgend – insbesondere auf drei Säulen:

1. The State duty to protect human rights

Als ersten Pfeiler enthalten die Leitprinzipien die „state duty to protect human rights“[9], also die Staatspflicht die eigenen Einwohner vor Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu schützen. Damit verbunden ist die Pflicht entsprechende Verletzungen aufzuklären, zu verfolgen und zu ahnden.

2. The corporate responsibility to respect human rights

Die zweite Säule der Leitprinzipien ist die „corporate responsibility to respect human rights“.[10] Insofern wird von den Unternehmen erwartet sich menschenrechtskonform zu Verhalten. Dabei sollen sie ihr Bekenntnis zu den Menschenrechten zunächst in einer öffentlichen Erklärung niederlegen.[11] Zudem sollen Wiedergutmachungsprozesse eingerichtet werden für den Fall, dass die Unternehmen zu Menschenrechtsverletzungen beigetragen haben.[12] Überdies – und dies dürfte der zentrale Gesichtspunkt im Hinblick auf die Unternehmensverantwortung sein – sollen die Unternehmen eine Menschenrechts-due diligence durchführen.[13] Nach der Idee der Leitprinzipien ist die due diligence in andere, bereits bestehende Risikomanagementsysteme der Unternehmen zu intergerieren. Die Prüfung soll nicht nur die unmittelbar mit den eigenen Aktivitäten zusammenhängenden Risiken erfassen, sondern vielmehr die gesamte Wertschöpfungskette mit einbeziehen. Sofern die Wertschöpfungskette eine zu große Anzahl von Lieferanten aufweist, um hinsichtlich aller eine due diligence durchzuführen, sollen die risikoträchtigsten Geschäftsbereiche, Produzenten bzw. Lieferanten und Produkte herausgefiltert werden, um diese vorrangig zu überprüfen. Die konkreten Anforderungen an den Prüfungsumfang bzw. die Prüfungstiefe sollen risikoorientiert variieren, u.a. abhängig von der Größe des Unternehmens und dem jeweiligen Geschäftsfeld.

3. Acces to remedy

Adressat des letzten tragenden Pfeilers ist wiederum der Staat. Dieser soll im Rahmen seiner Schutzpflicht den „acces to remedy“[14] sicherstellen, also dafür Sorge tragen, dass die von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen Zugang zu Beschwerdeverfahren und effektivem Rechtsschutz erhalten.[15]

III. Erste Umsetzung durch britische Regierung

Mit einem aktuellen Vorstoß versucht die britische Regierung nunmehr den durch die UN-Leitprinzipien vorgegebenen Rahmen auszufüllen: Sie veröffentlichte am 04.09.2013 einen Aktionsplan[16], der auf die Integration der Menschenrechte in die betrieblichen Unternehmensabläufe abzielt. Dabei bietet die britische Regierung einerseits verschiedene Hilfestellungen zur Implementierung an.[17] Diese reichen von der zentralen Bereitstellung relevanter Informationen bis hin zur Stärkung bzw. Moderation des Menschenrechtsdialogs zwischen Unternehmen, Parlamentariern und der Zivilgesellschaft. Andererseits formuliert sie ihre Erwartungen an die Unternehmen im Hinblick auf deren zukünftigen Umgang mit Menschenrechten.

1. Geäußerte Erwartungen[18]

Zunächst wird bekräftigt, dass sich die Unternehmen künftig im Sinne der Leitprinzipien verhalten sollen. Dabei bleiben die Forderungen der britischen Regierung teilweise recht allgemein. Seltener werden sie näher ausgestaltet: Die Unternehmen sollen die international anerkannten Menschenrechte – insbesondere auch im Konfliktfall – wahren und sich an alle maßgeblichen Gesetze halten. Die Verursachung von Menschenrechtsverletzungen oder der Beitrag hierzu soll als „legal compliance“-Thema begriffen werden. Deshalb sollen – entsprechend dem Gedanken der Leitlinien – angemessene due diligence policies verabschiedet werden, durch die das Risiko von Menschenrechtsverletzungen frühzeitig erkannt und so der eigentlichen Verletzung vorgebeugt wird. Ferner sollen sich die Unternehmen verpflichten die Umsetzung entsprechender policies zu überwachen und zu evaluieren. Ebenfalls präventiv sollen in allen Projektphasen diejenigen konsultiert werden, deren Menschenrechte potentiell betroffen sein könnten. Zudem soll die Bedeutung der Menschenrechte auch in den nationalen und internationalen Wertschöpfungsketten der Unternehmen hervorgehoben werden. Adäquate Maßnahmen könnten insofern z.B. vertragliche Vereinbarungen mit bzw. Training und Kontrolle von Lieferanten und Produzenten sein. Außerdem möchte die britische Regierung, dass die Unternehmen transparente und angemessene Beschwerdemechanismen implementieren, um so letztlich eine Beseitigung etwaiger Menschenrechtsverletzungen herbeizuführen. Schließlich wird von den Unternehmen erwartet, dass Sie über die von ihnen berührten Menschenrechtsbelange als Teil ihrer Geschäftsberichte Rechnung ablegen.

2. Erste rechtsverbindliche Umsetzung

Die in dem Aktionsplan benannten Erwartungen werden durch die britische Regierung bereits teilweise in rechtsverbindliche nationale Regelungen umgesetzt. So erfolgte zum 01.10.2013 eine Festschreibung des hier zuletzt aufgezählten Gesichtspunktes: Der Companies Act von 2006[19] wurde dahingehend geändert, dass größere Unternehmen die mit ihrer Geschäftstätigkeit zusammenhängenden Menschenrechtsbelange in ihre jährlichen Geschäftsberichte einbeziehen müssen.[20] Weitere vergleichbare gesetzliche Vorhaben wurden allerdings noch nicht bekannt gegeben. Angesichts des gezeigten Engagements der britischen Regierung, die sich selbst in einer Führungsrolle in diesem Bereich sieht,[21] dürfte das Fortschreiten der näheren und verbindlichen Ausgestaltung der geäußerten Erwartungen allerdings nur eine Frage der Zeit sein.

IV. Zusammenfassung und Ausblick

Durch die UN-Leitprinzipien und den Aktionsplan der britischen Regierung hat der internationale Menschenrechtsdiskurs eine Stärkung erfahren. Insbesondere für transnationale Konzerne wird die Achtung der Menschenrechte damit ein vordringliches Thema bleiben. Mittel- und langfristig dürften die in den Leitprinzipien aufgestellten Grundsätze weiter konkretisiert und in verbindliche nationale Regelungen transformiert werden: Es ist davon auszugehen, dass weitere Regierungen dem britischen Vorbild folgen und die rechtsverbindliche Ausgestaltung der UN-Leitprinzipien auch in der Fläche voranschreitet. Zur Vermeidung neu entstehender Haftungsrisiken und damit im Umsetzungsfall die erforderlich werdende Anpassung von Compliance-Programmen reibungsfrei und zeitnah erfolgen kann, ist deshalb die nationale und internationale Entwicklung aufmerksam zu beobachten. Insbesondere sollten schon jetzt Überlegungen dazu angestellt bzw. vertieft werden, wie die sorgfältige Auswahl und Überprüfung von Geschäftspartnern bewerkstelligt werden kann bzw. wie entsprechende Menschenrechtsrisiken – auch und gerade in der Wertschöpfungskette – vermieden werden können. Die Geschäftspartner-Due-Diligence sollte dabei in bereits bestehende Managementsysteme integriert werden.[22] Hinsichtlich der einzelnen Phasen des Managementprozesses kann eine Orientierung an den Vorgaben des Bundesverbandes der Materialwirtschaft Einkauf und Logistik (BME) erfolgen. Dieser hat am 01.11.2012 die „Anforderungen an einen Compliance-/CSR-Prozess im Lieferantenmanagement: Compliance-Risiko: Kinderarbeit“[23] formuliert. Danach hat u.a. eine Risikoklassifizierung anhand einer Segmentierung zu erfolgen. Taugliche Kriterien können insofern das Produktionsland (z.B.: „OECD-Land” oder „Nicht-OECD-Land“) sowie die verschiedenen Sektoren bzw. Produktarten (z.B.: Textilindustrie, Rohstoffabbau in Minen, Abbau von Natursteinen, Agrarindustrie) sein. Zudem dürften etwaige einschlägige Erfahrungen oder in der Vergangenheit bekanntgewordene Menschenrechtsverstöße des Geschäftspartners zu beachten sein.[24] Bei der praktischen Umsetzung der Vermeidung von Menschenrechtsrisiken dürfte zunächst die vertragliche Verpflichtung der Subunternehmer auf entsprechende Menschenrechtsstandards im Vordergrund stehen:[25] Dies kann z.B. durch die Verwendung von Compliance-Klauseln geschehen.[26] Die vertragliche Regelung sollte ferner entsprechende Überprüfungsrechte enthalten.[27] Zur Wahrnehmung derselben sind ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen bereitzustellen.[28] Parallel zur Kontrolle kann anhand einer risikoorientierten Auswahl ein Training der relevantesten Teile der Wertschöpfungskette erfolgen. Dadurch kann im Idealfall der langfristige Kontrollaufwand und die damit zusammenhängenden Kosten gemindert werden. Überdies sollte ein Kündigungsrecht für den Fall schwerwiegender Verstöße vorbehalten werden.[29] Schließlich ist eine Verpflichtung des Lieferanten/Produzenten, sich um die Weitergabe des „fremden“ CoC und dessen Einhaltung in der eigenen Lieferkette bestmöglich zu bemühen, sinnvoll.[30]


I. Einleitung

Typischerweise ist die Wahrung der Menschenrechte eine staatliche Aufgabe. Unternehmen sind insofern bisher vorrangig ethisch und gesellschaftlich verpflichtet. Dabei stand zunächst die menschenrechtskonforme Organisation der Abläufe im eigenen Unternehmen im Vordergrund. Überdies gewann in der jüngeren Vergangenheit auch die Verpflichtung der Wertschöpfungskette in dieser Hinsicht an Bedeutung.[1] Dabei ging es oftmals primär um das Bestreben den eigenen „guten Ruf“ zu wahren[2] und Reputationsschäden zu vermeiden.[3] Über die beschriebenen Bindungsebenen hinaus könnte mittelfristig auch das nationale Recht um verbindliche Regelungen zum Umgang mit Menschenrechtsrisiken in der (internationalen) Wertschöpfungskette ergänzt werden. Ausgangspunkt jüngerer Überlegungen bzw. Bemühungen in diesem Bereich sind die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (siehe II.), deren nationale Transformation in Großbritannien begann (siehe III.). Dieser Prozess ist für Unternehmen unter Compliance-Gesichtspunkten bedeutsam (siehe IV.).

 

II. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte

 Im Juni 2011 wurden in Genf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vom UN-Menschenrechtsrat einstimmig verabschiedet. Die durch den UN-Sonderbeauftragten für Wirtschaft und Menschenrechte vorgelegten 31 Leitprinzipien[4] schaffen einen umfassenden Rahmen für die Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht und der unternehmerischen Verantwortung im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte. Aus den Leitprinzipien selbst ergibt sich allerdings noch keine unmittelbare rechtliche Bindung der adressierten Unternehmen.[5] Eine gesetzliche Verbindlichkeit der Leitlinien tritt erst in Folge einer innerstaatlichen Transformation der entsprechenden Regeln in nationales Recht ein. Dies dürfte einer der Gründe sein, weshalb die Leitprinzipien auch auf Unternehmensseite auf breite Zustimmung gestoßen sind. Gleichzeitig wird der Versuch einer unmittelbaren unternehmerischen Bindung für das Scheitern eines Vorläufers der Leitprinzipien, der sog. „draft norms“[6] aus dem Jahr 2003, verantwortlich gemacht.[7]

Die Leitprinzipien gründen den Schutz der Menschenrechte – dem bereits 2008 entwickelten Ansatz „protect, respect and remedy“[8] folgend – insbesondere auf drei Säulen:

1. The State duty to protect human rights

Als ersten Pfeiler enthalten die Leitprinzipien die „state duty to protect human rights“[9], also die Staatspflicht die eigenen Einwohner vor Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu schützen. Damit verbunden ist die Pflicht entsprechende Verletzungen aufzuklären, zu verfolgen und zu ahnden.

2. The corporate responsibility to respect human rights

Die zweite Säule der Leitprinzipien ist die „corporate responsibility to respect human rights“.[10] Insofern wird von den Unternehmen erwartet sich menschenrechtskonform zu Verhalten. Dabei sollen sie ihr Bekenntnis zu den Menschenrechten zunächst in einer öffentlichen Erklärung niederlegen.[11] Zudem sollen Wiedergutmachungsprozesse eingerichtet werden für den Fall, dass die Unternehmen zu Menschenrechtsverletzungen beigetragen haben.[12] Überdies – und dies dürfte der zentrale Gesichtspunkt im Hinblick auf die Unternehmensverantwortung sein – sollen die Unternehmen eine Menschenrechts-due diligence durchführen.[13] Nach der Idee der Leitprinzipien ist die due diligence in andere, bereits bestehende Risikomanagementsysteme der Unternehmen zu intergerieren. Die Prüfung soll nicht nur die unmittelbar mit den eigenen Aktivitäten zusammenhängenden Risiken erfassen, sondern vielmehr die gesamte Wertschöpfungskette mit einbeziehen. Sofern die Wertschöpfungskette eine zu große Anzahl von Lieferanten aufweist, um hinsichtlich aller eine due diligence durchzuführen, sollen die risikoträchtigsten Geschäftsbereiche, Produzenten bzw. Lieferanten und Produkte herausgefiltert werden, um diese vorrangig zu überprüfen. Die konkreten Anforderungen an den Prüfungsumfang bzw. die Prüfungstiefe sollen risikoorientiert variieren, u.a. abhängig von der Größe des Unternehmens und dem jeweiligen Geschäftsfeld.

3. Acces to remedy

Adressat des letzten tragenden Pfeilers ist wiederum der Staat. Dieser soll im Rahmen seiner Schutzpflicht den „acces to remedy“[14] sicherstellen, also dafür Sorge tragen, dass die von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen Zugang zu Beschwerdeverfahren und effektivem Rechtsschutz erhalten.[15]

III. Erste Umsetzung durch britische Regierung

Mit einem aktuellen Vorstoß versucht die britische Regierung nunmehr den durch die UN-Leitprinzipien vorgegebenen Rahmen auszufüllen: Sie veröffentlichte am 04.09.2013 einen Aktionsplan[16], der auf die Integration der Menschenrechte in die betrieblichen Unternehmensabläufe abzielt. Dabei bietet die britische Regierung einerseits verschiedene Hilfestellungen zur Implementierung an.[17] Diese reichen von der zentralen Bereitstellung relevanter Informationen bis hin zur Stärkung bzw. Moderation des Menschenrechtsdialogs zwischen Unternehmen, Parlamentariern und der Zivilgesellschaft. Andererseits formuliert sie ihre Erwartungen an die Unternehmen im Hinblick auf deren zukünftigen Umgang mit Menschenrechten.

1. Geäußerte Erwartungen[18]

Zunächst wird bekräftigt, dass sich die Unternehmen künftig im Sinne der Leitprinzipien verhalten sollen. Dabei bleiben die Forderungen der britischen Regierung teilweise recht allgemein. Seltener werden sie näher ausgestaltet: Die Unternehmen sollen die international anerkannten Menschenrechte – insbesondere auch im Konfliktfall – wahren und sich an alle maßgeblichen Gesetze halten. Die Verursachung von Menschenrechtsverletzungen oder der Beitrag hierzu soll als „legal compliance“-Thema begriffen werden. Deshalb sollen – entsprechend dem Gedanken der Leitlinien – angemessene due diligence policies verabschiedet werden, durch die das Risiko von Menschenrechtsverletzungen frühzeitig erkannt und so der eigentlichen Verletzung vorgebeugt wird. Ferner sollen sich die Unternehmen verpflichten die Umsetzung entsprechender policies zu überwachen und zu evaluieren. Ebenfalls präventiv sollen in allen Projektphasen diejenigen konsultiert werden, deren Menschenrechte potentiell betroffen sein könnten. Zudem soll die Bedeutung der Menschenrechte auch in den nationalen und internationalen Wertschöpfungsketten der Unternehmen hervorgehoben werden. Adäquate Maßnahmen könnten insofern z.B. vertragliche Vereinbarungen mit bzw. Training und Kontrolle von Lieferanten und Produzenten sein. Außerdem möchte die britische Regierung, dass die Unternehmen transparente und angemessene Beschwerdemechanismen implementieren, um so letztlich eine Beseitigung etwaiger Menschenrechtsverletzungen herbeizuführen. Schließlich wird von den Unternehmen erwartet, dass Sie über die von ihnen berührten Menschenrechtsbelange als Teil ihrer Geschäftsberichte Rechnung ablegen.

2. Erste rechtsverbindliche Umsetzung

Die in dem Aktionsplan benannten Erwartungen werden durch die britische Regierung bereits teilweise in rechtsverbindliche nationale Regelungen umgesetzt. So erfolgte zum 01.10.2013 eine Festschreibung des hier zuletzt aufgezählten Gesichtspunktes: Der Companies Act von 2006[19] wurde dahingehend geändert, dass größere Unternehmen die mit ihrer Geschäftstätigkeit zusammenhängenden Menschenrechtsbelange in ihre jährlichen Geschäftsberichte einbeziehen müssen.[20] Weitere vergleichbare gesetzliche Vorhaben wurden allerdings noch nicht bekannt gegeben. Angesichts des gezeigten Engagements der britischen Regierung, die sich selbst in einer Führungsrolle in diesem Bereich sieht,[21] dürfte das Fortschreiten der näheren und verbindlichen Ausgestaltung der geäußerten Erwartungen allerdings nur eine Frage der Zeit sein.

IV. Zusammenfassung und Ausblick

Durch die UN-Leitprinzipien und den Aktionsplan der britischen Regierung hat der internationale Menschenrechtsdiskurs eine Stärkung erfahren. Insbesondere für transnationale Konzerne wird die Achtung der Menschenrechte damit ein vordringliches Thema bleiben. Mittel- und langfristig dürften die in den Leitprinzipien aufgestellten Grundsätze weiter konkretisiert und in verbindliche nationale Regelungen transformiert werden: Es ist davon auszugehen, dass weitere Regierungen dem britischen Vorbild folgen und die rechtsverbindliche Ausgestaltung der UN-Leitprinzipien auch in der Fläche voranschreitet. Zur Vermeidung neu entstehender Haftungsrisiken und damit im Umsetzungsfall die erforderlich werdende Anpassung von Compliance-Programmen reibungsfrei und zeitnah erfolgen kann, ist deshalb die nationale und internationale Entwicklung aufmerksam zu beobachten. Insbesondere sollten schon jetzt Überlegungen dazu angestellt bzw. vertieft werden, wie die sorgfältige Auswahl und Überprüfung von Geschäftspartnern bewerkstelligt werden kann bzw. wie entsprechende Menschenrechtsrisiken – auch und gerade in der Wertschöpfungskette – vermieden werden können. Die Geschäftspartner-Due-Diligence sollte dabei in bereits bestehende Managementsysteme integriert werden.[22] Hinsichtlich der einzelnen Phasen des Managementprozesses kann eine Orientierung an den Vorgaben des Bundesverbandes der Materialwirtschaft Einkauf und Logistik (BME) erfolgen. Dieser hat am 01.11.2012 die „Anforderungen an einen Compliance-/CSR-Prozess im Lieferantenmanagement: Compliance-Risiko: Kinderarbeit“[23] formuliert. Danach hat u.a. eine Risikoklassifizierung anhand einer Segmentierung zu erfolgen. Taugliche Kriterien können insofern das Produktionsland (z.B.: „OECD-Land” oder „Nicht-OECD-Land“) sowie die verschiedenen Sektoren bzw. Produktarten (z.B.: Textilindustrie, Rohstoffabbau in Minen, Abbau von Natursteinen, Agrarindustrie) sein. Zudem dürften etwaige einschlägige Erfahrungen oder in der Vergangenheit bekanntgewordene Menschenrechtsverstöße des Geschäftspartners zu beachten sein.[24] Bei der praktischen Umsetzung der Vermeidung von Menschenrechtsrisiken dürfte zunächst die vertragliche Verpflichtung der Subunternehmer auf entsprechende Menschenrechtsstandards im Vordergrund stehen:[25] Dies kann z.B. durch die Verwendung von Compliance-Klauseln geschehen.[26] Die vertragliche Regelung sollte ferner entsprechende Überprüfungsrechte enthalten.[27] Zur Wahrnehmung derselben sind ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen bereitzustellen.[28] Parallel zur Kontrolle kann anhand einer risikoorientierten Auswahl ein Training der relevantesten Teile der Wertschöpfungskette erfolgen. Dadurch kann im Idealfall der langfristige Kontrollaufwand und die damit zusammenhängenden Kosten gemindert werden. Überdies sollte ein Kündigungsrecht für den Fall schwerwiegender Verstöße vorbehalten werden.[29] Schließlich ist eine Verpflichtung des Lieferanten/Produzenten, sich um die Weitergabe des „fremden“ CoC und dessen Einhaltung in der eigenen Lieferkette bestmöglich zu bemühen, sinnvoll.[30]

[1] Hauschka/Herb, Corporate Compliance, 2. Auflage, 2010, § 19 Rn. 17; Gilch/Pelz, CCZ 2008, 131; Brouwer/Schreiner, CZZ 2010, 228.

[2] Görling/Inderst/Bannenberg/Soika, Compliance, 2010, Rn. 881.

[3] Brouwer/Schreiner, CZZ 2010, 228; Schröder, CCZ 2013, 74.

[4] Vgl. Guiding Principles on Business and Human Rights; abrufbar unter: http://www.business-humanrights.org/media/documents/ruggie/ruggie-guiding-principles-21-mar-2011.pdf.

[5] Die Leitlinien sind einfache Berichte eines UN-Sonderbeauftragten. Auch die Resolution des Menschenrechtsrates, durch die die Leitlinien begrüßt wurden, stellen lediglich unverbindliche Empfehlungen an die Staatengemeinschaft dar; Massoud, Die Guiding Principles on Business and Human Rights – eine absehbar begrenzte UN-Agenda, S. 3; abrufbar unter: http://www.kj.nomos.de/fileadmin/kj/doc/Aufsatz_KJ_13_01.pdf.

[6] Norms on the Responsibilities of Transnational Corporations and Other Business Enterprises with regard to Human Rights, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/2003/12/Rev.2 (2003) vom 26.08.2003.

[7] Vgl. Bernstorff, Die UN Guiding Principles on Business and Human Rights – Ein Kommentar aus völkerrechtlicher Sicht; abrufbar unter http://www.unesco.de/7390.html.

[8] Vgl. Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights; abrufbar unter: http://www.unglobalcompact.org/docs/issues_doc/human_rights/Human_Rights_Working_Group/29Apr08_7_Report_of_SRSG_to_HRC.pdf.

[9] Guiding Principles on Business and Human Rights, S. 6 ff.

[10] Guiding Principles on Business and Human Rights, S. 13 ff.

[11] Guiding Principles on Business and Human Rights, S. 15 f.

[12] Guiding Principles on Business and Human Rights, S. 20 f.

[13] Guiding Principles on Business and Human Rights, S. 16 ff.; Massoud, Die Guiding Principles on Business and Human Rights – eine absehbar begrenzte UN-Agenda, S. 5.

[14] Guiding Principles on Business and Human Rights, S. 22 ff.

[15] Bernstorff, Die UN Guiding Principles on Business and Human Rights – Ein Kommentar aus völkerrechtlicher Sicht.

[16] Vgl. Good Business: Implementing the UN Guiding Principles on Business and Human Rights; abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/236901/BHR_Action_Plan_-_final_online_version_1_.pdf.

[17] Vgl. Good Business: Implementing the UN Guiding Principles on Business and Human Rights, S. 14 ff.

[18] Good Business: Implementing the UN Guiding Principles on Business and Human Rights, S. 13.

[20] Good Business: Implementing the UN Guiding Principles on Business and Human Rights, S. 14.

[21] Vgl. die Rede des Außenministers William Hague anlässlich der Vorstellung des Aktionsplans; abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/speeches/uk-action-plan-on-business-and-human-rights–2.

[22] Schröder, CCZ 2013, 74.

[24] Vgl. zu den nachfolgenden Schritten der Lieferantenqualifizierung, der Lieferantenbewertung und der Lieferantenentwicklung die „Anforderungen an einen Compliance-/CSR-Prozess im Lieferantenmanagement: Compliance-Risiko: Kinderarbeit“ des BME.

[25] Moosmayer, Compliance, 2. Auflage, 2012, S. 77.

[26] Vgl. Gilch/Pelz, CCZ 2008, 131 ff. insb. auch zu Fragen der Wirksamkeit entsprechender Klauseln vor dem Hintergrund der §§ 305 ff. BGB. Hierzu auch knapp Hauschka/Herb, Corporate Compliance, § 19 Rn. 18 f. Im Falle der Kollision verschiedener Verhaltensregeln eines Einkäufers und eines Lieferanten können langwierige Verhandlungen über die Vergleichbarkeit der Regelungen ggf. durch eine (gegenseitige) Anerkennung vermieden werden (Moosmayer, Compliance, S. 78). Entsprechende Entwürfe stellt z.B. der BDI (http://www.bdi.eu/Anerkennungsvereinbarung.htm) und der BME (http://www.bme.de/compliance) bereit. Vgl. auch: Brouwer/Schreiner, CZZ 2010, 228 ff.

[27] Vgl. zur näheren vertraglichen und praktischen Ausgestaltung Moosmayer, Compliance, S. 77 f. Neben ihrem eigentlichen Zweck – der Überprüfung der Einhaltung der Regeln – dienen diese auch dem Schutz der Glaubwürdigkeit des eigenen Unternehmens; ähnlich Gilch/Pelz, CCZ 2008, 131, 134.

[28] Gilch/Pelz, CCZ 2008, 131, 134.

[29] Moosmayer, Compliance, S. 77. Vgl. zur Wirksamkeit Gilch/Pelz, CCZ 2008, 131, 136 und Hauschka/Herb, Corporate Compliance, § 19 Rn. 18 Fn. 48.

[30] Hauschka/Herb, Corporate Compliance, § 19 Rn. 19. Weitere mögliche Regelungsinhalte können z.B. die Zusicherung, dass der Vertragspartner (Lieferant/Produzent) keine Kenntnis von Menschenrechtsverstößen im Herstellungsprozess hat, die Durchführung von Selbsteinschätzungen des Lieferanten/Produzenten, eine Informationspflicht hinsichtlich bekannt gewordener Menschenrechtsverstöße sowie eine Verpflichtung zum Schadensersatz bzw. zur Freistellung im Falle des Verstoßes, sein.

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Christoph Skoupil
    Dr. Christoph Skoupil ist Rechtsanwalt der im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht spezialisierten Kanzlei Knierim |Huber. Sein Ta?tigkeitsspektrum umfasst neben der Individualverteidigung insbesondere die Beratung von Unternehmen im Zusammenhang mit Compliance-Fragen sowie die Begleitung von Internal Investigations.

WiJ

  • Dr. Carolin Raspé , Dr. Roland Stein

    Strafrechtliche Risiken bei der Sanktions- Compliance Teil 1

    Außenwirtschaftsrecht Kriegswaffenkontrollrecht

  • Sigrid Mehring-Zier

    Wirtschaftsvölkerstrafrecht in der europäischen Praxis – und Deutschland?

    Auslandsbezüge EU Internationales Strafrecht Rechtshilfe

  • Jakob Lehners

    Digitale Akteneinsicht in der Untersuchungshaft

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)