Die Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden mit der Wirtschaft
Tagungsbericht zur 11. Internationale Korruptionsfachtagung auf Schloss Raesfeld vom 6. bis 8. Oktober 2013
Vom 6. bis 8. Oktober 2013 fand auf Schloss Raesfeld in Nordrhein-Westfalen die 11. Internationale Korruptionsfachtagung statt. Im Fokus der dreitägigen Tagung standen die Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden mit der Wirtschaft sowie die Korruption im Gesundheitswesen. Der nachfolgende Beitrag widmet sich den Diskussionen zur Kooperation von Unternehmen und Ermittlungsbehörden, denen angesichts ihrer praktischen Relevanz zu recht eine besondere Bedeutung zukam.
Nach der Begrüßung durch den Organisationsleiter Leysieffer, den stellvertretenden Vorstand des Wupperverbandes Wulf und den Direktor des Landeskriminalamtes NRW Gatzke berichteten die Tagungsteilnehmer aus den Landeskriminalämtern sowie dem Bundeskriminalamt von ihrer Tätigkeit im Bereich der Korruptionsbekämpfung. Länderübergreifend konnte festgestellt werden, dass die Verfolgung von Amtsträgerbestechung – im In- und Ausland – eine zentrale Rolle in den Ermittlungen korruptiver Sachverhalte einnimmt. Positiv hervorgehoben wurde besonders eine effiziente Zusammenarbeit mit der Steuerfahndung, die teilweise durch feste Verbindungsbeamte, Hospitationen oder Schulungsmaßnahmen für die Betriebs- und Konzernprüfer der Finanzbehörden unterstützt wird. Eine besondere Rolle kommt der Steuerverwaltung auch bei der Kenntniserlangung von korruptionsrelevanten Sachverhalten zu. Neben Hinweisen über Meldesysteme wie dem BKMS erhalten die Ermittlungsbehörden notwendige Informationen maßgeblich über die Betriebsprüfungen, was nach Auskunft der Vertreter der beteiligten Landeskriminalämter zu einem signifikantem Anstieg der Erkenntnisse über Fälle internationaler Korruption führte. Als Hindernisse für eine erfolgreiche Korruptionsbekämpfung erkannten die Teilnehmer den erheblichen zeitlichen und personellen Ermittlungsaufwand vor allem bei der Ermittlung struktureller Korruption.
Im ersten Vortrag des Tages lenkte Spindler vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen den Blick auf das Verhältnis interner Verwaltungsermittlungen und Strafverfolgung. Aus der Sicht der Innenrevision identifizierte er drei wesentliche Bausteine der Korruptionsbekämpfung: die Verhinderung von Korruption durch geschulte Ansprechpersonen und eine vertrauliche Behandlung von Informationen; die offene und transparente Überprüfung kritischer Sachverhalte sowie die auf einer Schwachstellenanalyse beruhende Korrektur verwaltungsinterner Fehlentwicklungen. Spindler vertrat die Auffassung, dass das Strafrecht einzig dann das beste Mittel zur Prävention darstellen könne, wenn jede Krise als Chance zur Sensibilisierung und Optimierung der Organisationsstrukturen genutzt wird.
Im nachfolgenden Vortrag beleuchtete Kubica von Transparency International die Schnittstellen von „internen (Korruptions-) Untersuchungen in Unternehmen und staatlicher Strafverfolgung. Kubica sprach sich hierbei deutlich für die Beauftragung externer Kanzleien mit der Untersuchung unternehmensinterner Korruptionsfälle aus. Im Gegensatz zu internen Compliance-Abteilungen verfügten Kanzleien über ein höheres Maß an Neutralität und Unbefangenheit, aber auch an Spezialisierung und Erfahrung. In einem zweiten Schritt wandte sich Kubica Fragen der Kooperation von Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden zu. Als Anreize für eine Zusammenarbeit mit den Ermittlern benannte Kubica die Vermeidung eigener Haftung und von Rufschädigungen. Vor diesem Hintergrund sah Kubica die Erstattung einer Strafanzeige als nicht notwendig konträr zum Unternehmensinteresse. Neben der Geltendmachung eigener Regressansprüche gegen Mitarbeiter könne das Unternehmen durch die Selbstanzeige Handlungsinitiative zeigen. So sei der Zeitpunkt des Zugehens auf die Ermittlungsbehörden ein erster Gradmesser für die Bereitschaft des Unternehmens zur authentischen Aufarbeitung des Korruptionsfalles. Strafverfolger sollten sich gleichwohl vor Augen führen, dass Unternehmen als Marktakteure an das Prinzip des do ut des gewöhnt seien und Kooperationsbereitschaft daher regelmäßig mit Erwartungen auf Gegenleistung – wie z.B. einer Begrenzung des Ermittlungsumfangs und der Anklagevorwürfe, Teileinstellungen oder der Reduzierung einer Unternehmensgeldbuße – verbunden seien. Den Ermittlungsbehörden riet Kubica, weder ungeprüft interne Untersuchungsberichte zu übernehmen noch sich bereits im Frühstadium auf Verständigungen einzulassen.
Einen weiteren Schwerpunkt legte Kubica auf die Frage des Zugriffs der Strafverfolgungsbehörden auf unternehmensinterne Untersuchungsberichte sowie das sich daran anknüpfende Problem der strafprozessualen Verwertbarkeit (§§ 160 a, 97 StPO). Insbesondere die Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus Protokollen von Mitarbeiterbefragungen erschienen unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipsum accusare) problematisch. Ausgehend von der unsicheren Rechtslage und der fehlenden höchstrichterlichen Rechtsprechung empfahl Kubica die Einführung eines Verfahrensrechts für interne Untersuchung unter Einbeziehung eines – arbeitsrechtlich gesicherten – Aussageverweigerungsrechts.
Die von Kubica aufgeworfenen Fragen griff Prinz am folgenden Tag in seinem Vortrag zu den „Herausforderungen für Unternehmen bei der Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden“ wieder auf. Ausgehend von seinen Erfahrungen in der Compliance-Abteilung der Fraport AG nahm Prinz eine aus Unternehmensperspektive wesentliche Differenzierung für die Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden vor. Während in Fällen der Bestechlichkeit von Mitarbeitern zum Nachteil des Unternehmens naturgemäß eine größere Bereitschaft zur aktiven Zusammenarbeit bestehe, stelle sich die Situation in Fällen der aktiven Korruption komplizierter dar. Wenngleich das Unternehmen auch in dieser Konstellation regelmäßig geschädigt sei (zu denken ist an eine Untreue zum Nachteil des Unternehmens gem. § 266 StGB), sehe es sich stets auch den Risiken von strafrechtlichen Gewinnabschöpfungsmaßnahmen und einer Unternehmensgeldbuße ausgesetzt.
Hier unterschied Prinz zwei Konstellationen. Richte sich der Verdacht gegen den Inhaber bei eigengeführten Unternehmen oder auf die Annahme einer strukturellen Korruption, bestehe kaum eine Möglichkeit zur Kooperation. Würde der Widerspruch zwischen den – legitimen – Beschuldigteninteressen und einer Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden nicht durch einen Wechsel der Geschäftsführung aufgelöst, bliebe das Unternehmen in der Praxis auf eine – nicht kooperationsfähige – Verteidigung beschränkt. Handele es sich hingegen um mittlere oder große Unternehmen mit grundsätzlich legalen Vertriebsmodellen, sieht Prinz keine Alternative zur Aufklärung der Korruptionstaten. Ein nicht zu unterschätzendes Risiko bei fehlender Kooperationsbereitschaft stelle die Gefährdung eigener Regressansprüche des Unternehmens dar; ausgehend von der Mannesmann-Entscheidung des BGH (BGH 3 StR 470/04) käme sogar eine Untreuestrafbarkeit durch die verantwortlichen Organe in Betracht.
Anders als Kubica sprach sich Prinz explizit für die interne Durchführung von Untersuchungen aus. Die Einschaltung einer externen Kanzlei sei kostspielig und daher nur in Fällen struktureller Korruption unter Beteiligung der alten Unternehmensführung, welche Zweifel an der Geeignetheit einer rein internen Aufklärung begründeten, ratsam. Grundsätzlich plädierte Prinz für ein besseres, wechselseitiges Verständnis zwischen Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden. Unternehmen sollten Ermittlungsmaßnahmen nicht als Zeichen des Misstrauens werten. Im Gegenzug müsse das Unternehmen in seiner Rolle als Verfahrensbeteiligte von den Ermittlungsbehörden ernster genommen werden.
Anschließend griff Prinz die Diskussion über die Verwertbarkeit von Mitarbeiterbefragungen auf. Auf Grundlage der bestehenden Rechtslage erkannte Prinz keine Möglichkeit für ein Beweisverwertungsverbot, sah das Problem jedoch faktisch relativiert: seiner Einschätzung nach würden Mitarbeiter, denen eine Strafverfolgung drohe, in den Interviews mitunter die Unwahrheit sagen.
Im letzten Teil seines Vortrages wandte sich Prinz den durch das Bundesdatenschutzgesetz begründeten Einschränkungen der Zusammenarbeit mit den Ermittlern zu. Als wesentliche Hürde für eine nachhaltige Compliance bezeichnete Prinz die Pflicht zur Vernichtung aller Aufzeichnungen bei Nichtbeweisbarkeit des Tatvorwurfs gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 2 BDSG. Dergestalt würde bei Auftreten neuer Verdachtsmomente ein Abgleich mit früheren Erkenntnissen verhindert. Das gegenwärtige Datenschutzrecht erlaube es den Compliance-Abteilungen ferner nicht, den Strafverfolgungsbehörden sämtliche Unterlagen, wie bspw. die gesamten Festplatten, zur Verfügung zu stellen. Im Interesse einer effizienten Kooperation müsse das Bundesdatenschutzgesetz „radikal zusammengestrichen“ werden.
Im Anschluss an eine spannende Diskussion über die von Prinz thematisierten Herausforderungen der Zusammenarbeit widmete sich Oberstaatsanwalt Winter (Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltshaft des Landes Brandenburg für Korruption in Neuruppin) den „Besonderheiten der Aufdeckung und Verfolgung von Wirtschaftskorruption in kleinen und mittleren Unternehmen“. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stünden nach den Erfahrungen der Staatsanwaltschaft Neuruppin im Fokus der Korruptionsbekämpfung. Nach kriminalistischen Erkenntnissen steige das Risiko für Straftaten zwar zunächst mit der Größe des Unternehmens, jedoch in gleichem Maße in Abhängigkeit von seiner ökonomischen Lage. Da ein Auftragsverlust KMU in besonderer Weise belaste, seien die Anreize für eine Absicherung der wirtschaftlichen Beziehungen – auch mit unlauteren Mitteln – deutlich größer. Die Kooperation mit KMU weise aus Perspektive der Staatsanwaltschaft besondere Herausforderungen auf. Bestechungen seien gerade in kleinen Unternehmen der Geschäftsführung bekannt und oftmals systemischer Teil der Auftragsakquise. Zudem existierten in KMU nur in Ausnahmefällen Kontrollstrukturen und Compliance-Abteilungen, die einen wirksamen Schutz gegen korruptive Praktiken gewährleisten könnten.
Winter äußerte darüber hinaus grundlegende Bedenken an der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden. Die hohe Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaften dürfe nicht zu einer „Privatisierung der Justiz“ durch Übernahme interner Untersuchungsberichte führen. Es bliebe notwendige Aufgabe der Staatsanwaltschaft auch bei Kooperationsbereitschaft des Unternehmens selbständige Ermittlungen durchzuführen. Eine konsequente Strafverfolgung erfordere eine effiziente Nutzung von Ressourcen und Strukturen, bspw. durch die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften sowie die Vernetzung der Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften der Bundesländer. Ein für die Zukunft bedeutsamer Punkt sei die Auswertung großer Datenmengen, den die Ermittlungsbehörden häufig selbst nicht leisten könnten. Als weiteren Lösungsansatz nannte Winter die Sensibilisierung der Wirtschaft durch präventive Maßnahmen sowie die Steigerung des Anzeigenaufkommens durch Vernetzung von Kontrollinstanzen (wie Finanzämtern und Rechnungshöfen) und Schulungen von Betriebsprüfern. Ein Unternehmensstrafrecht, ein wirksamer Hinweisgeberschutz sowie die Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters könnten wichtige Instrumente bei der Vermeidung und Verfolgung von Bestechungen sein.
Auch in der Zusammenarbeit von Unternehmen und Polizeidienststellen bei der Ermittlung von Korruptionsfällen können Schwierigkeiten auftreten. In seinem Vortrag wies Eck darauf hin, dass Unternehmen interne Straftaten oftmals nicht konsequent zu Ende ermitteln würden, um aufreibende arbeitsrechtliche Verfahren zu vermeiden. Auf diese Weise gelinge es den Unternehmen jedoch nicht, den Sachverhalt restlos aufzuklären und die interne Kontrollstruktur zu verbessern. Eck beobachtete ferner, dass die Justiz nicht hinreichend zeitnah auf die von Unternehmen erstatteten Anzeigen reagiere. Hierdurch verringere sich der Anreiz für Unternehmen, sich mit den Ergebnissen der internen Feststellungen an die Ermittlungsbehörden zu wenden. Abschließend appellierte Eck an die Bereitschaft von Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden, intensiver miteinander zu kommunizieren.
Am Nachmittag setzten sich die spannenden Diskussionen, die durch die Vorträge in Gang gebracht worden waren, in einer Arbeitsgruppe im kleineren Kreise fort. In der von Weber (LKA Schleswig-Holstein) und Vosskühler (LKA Nordrhein-Westfalen) gelungen strukturierten Sitzung berichteten die Teilnehmer zunächst von eigenen Erfahrungen in der Korruptionsbekämpfung und identifizierten anschließend die dringlichsten Herausforderungen und Probleme in der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Ermittlungsbehörden. Nach einer interessanten Debatte über die Bedeutung von Compliance-Abteilungen – Feigenblatt oder tatsächliches Kontrollinstrument? – sowie die Realitäten der Auslandsbestechung – ist zur Auftragserlangung in bestimmten Staaten Bestechung unentbehrlich? – wurden Ansätze zur Vermeidung von Korruption und mögliche Kooperationsstrategien entwickelt. Vorschläge zur Verbesserung der wechselseitigen Zusammenarbeit können sowohl auf präventiver als auch auf repressiver Ebene ansetzen.
Zur Vermeidung von Korruption wurden Arbeitskreise unter Beteiligung von Unternehmen und Ermittlungsbehörden, nach dem Vorbild des vom Bundeskriminalamt initiierten Modells „Global Players“, ins Spiel gebracht. Als entscheidend wurde eine Sensibilisierung des Unternehmens angesehen, da der „tone of the top“ für eine tatsächliche Umsetzung von Compliance-Maßnahmen zentral sei.
In repressiver Hinsicht wurde die Möglichkeit einer vertraulichen Kommunikation zwischen betroffenen Unternehmen und Ermittlungsbehörden diskutiert. Während einige Teilnehmer den Einsatz von Ansprechpartnern für den anonymen Austausch und die Abklärung von Tatvorwürfen befürworteten, verwiesen insbesondere Vertreter der Staatsanwaltschaften auf die durch das Legalitätsprinzip gesetzten Grenzen.
Im Ergebnis wurde die Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden mit der Wirtschaft differenziert betrachtet. Eine ernsthafte Bereitschaft des Unternehmens zur Aufarbeitung der Korruptionssachverhalte ermögliche eine für beide Seiten gewinnbringende Kooperation. Angesichts der begrenzten Ressourcen der Ermittlungsbehörden sowie der erheblichen Verfolgungsschwierigkeiten bei „opferlosen“ Bestechungsfällen sei die Staatsanwaltschaft nicht selten auf eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaft angewiesen. Gleichwohl dürften sich die Ermittlungsbeamten nicht ausschließlich auf die Kooperation des Unternehmens, bspw. durch die Überlassung interner Untersuchungsberichte, verlassen. Insbesondere bei KMU bestünden aufgrund der oftmals widerstreitenden Interessen sowie der Beteiligung von Beschuldigten auf oberster Unternehmenshierarchie erhebliche Herausforderungen für eine sinnvolle Zusammenarbeit. So resümierte ein Staatsanwalt, dass trotz der Vorteile von Kooperation im präventiven und repressiven Bereich manchmal nur „die Mittel der StPO helfen“.
Der interessante Teilnehmerkreis sowie die gelungene Auswahl der Referenten gewährleisteten lebhafte Diskussionen und einen fruchtbaren Erfahrungsaustausch. Ab 2014 soll für diese erfolgreiche Internationale Korruptionsfachtagung wieder (wie bereits in früheren Jahren) die EU-Antibetrugsbehörde OLAF als Mitveranstalter gewonnen werden. Für kommendes Jahr wird daher als Schwerpunktthema „Finanzielle Interessen der Europäischen Union“ ins Auge gefasst.
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Tagungsbericht zur 11. Internationale Korruptionsfachtagung auf Schloss Raesfeld vom 6. bis 8. Oktober 2013
Vom 6. bis 8. Oktober 2013 fand auf Schloss Raesfeld in Nordrhein-Westfalen die 11. Internationale Korruptionsfachtagung statt. Im Fokus der dreitägigen Tagung standen die Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden mit der Wirtschaft sowie die Korruption im Gesundheitswesen. Der nachfolgende Beitrag widmet sich den Diskussionen zur Kooperation von Unternehmen und Ermittlungsbehörden, denen angesichts ihrer praktischen Relevanz zu recht eine besondere Bedeutung zukam.
Nach der Begrüßung durch den Organisationsleiter Leysieffer, den stellvertretenden Vorstand des Wupperverbandes Wulf und den Direktor des Landeskriminalamtes NRW Gatzke berichteten die Tagungsteilnehmer aus den Landeskriminalämtern sowie dem Bundeskriminalamt von ihrer Tätigkeit im Bereich der Korruptionsbekämpfung. Länderübergreifend konnte festgestellt werden, dass die Verfolgung von Amtsträgerbestechung – im In- und Ausland – eine zentrale Rolle in den Ermittlungen korruptiver Sachverhalte einnimmt. Positiv hervorgehoben wurde besonders eine effiziente Zusammenarbeit mit der Steuerfahndung, die teilweise durch feste Verbindungsbeamte, Hospitationen oder Schulungsmaßnahmen für die Betriebs- und Konzernprüfer der Finanzbehörden unterstützt wird. Eine besondere Rolle kommt der Steuerverwaltung auch bei der Kenntniserlangung von korruptionsrelevanten Sachverhalten zu. Neben Hinweisen über Meldesysteme wie dem BKMS erhalten die Ermittlungsbehörden notwendige Informationen maßgeblich über die Betriebsprüfungen, was nach Auskunft der Vertreter der beteiligten Landeskriminalämter zu einem signifikantem Anstieg der Erkenntnisse über Fälle internationaler Korruption führte. Als Hindernisse für eine erfolgreiche Korruptionsbekämpfung erkannten die Teilnehmer den erheblichen zeitlichen und personellen Ermittlungsaufwand vor allem bei der Ermittlung struktureller Korruption.
Im ersten Vortrag des Tages lenkte Spindler vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen den Blick auf das Verhältnis interner Verwaltungsermittlungen und Strafverfolgung. Aus der Sicht der Innenrevision identifizierte er drei wesentliche Bausteine der Korruptionsbekämpfung: die Verhinderung von Korruption durch geschulte Ansprechpersonen und eine vertrauliche Behandlung von Informationen; die offene und transparente Überprüfung kritischer Sachverhalte sowie die auf einer Schwachstellenanalyse beruhende Korrektur verwaltungsinterner Fehlentwicklungen. Spindler vertrat die Auffassung, dass das Strafrecht einzig dann das beste Mittel zur Prävention darstellen könne, wenn jede Krise als Chance zur Sensibilisierung und Optimierung der Organisationsstrukturen genutzt wird.
Im nachfolgenden Vortrag beleuchtete Kubica von Transparency International die Schnittstellen von „internen (Korruptions-) Untersuchungen in Unternehmen und staatlicher Strafverfolgung. Kubica sprach sich hierbei deutlich für die Beauftragung externer Kanzleien mit der Untersuchung unternehmensinterner Korruptionsfälle aus. Im Gegensatz zu internen Compliance-Abteilungen verfügten Kanzleien über ein höheres Maß an Neutralität und Unbefangenheit, aber auch an Spezialisierung und Erfahrung. In einem zweiten Schritt wandte sich Kubica Fragen der Kooperation von Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden zu. Als Anreize für eine Zusammenarbeit mit den Ermittlern benannte Kubica die Vermeidung eigener Haftung und von Rufschädigungen. Vor diesem Hintergrund sah Kubica die Erstattung einer Strafanzeige als nicht notwendig konträr zum Unternehmensinteresse. Neben der Geltendmachung eigener Regressansprüche gegen Mitarbeiter könne das Unternehmen durch die Selbstanzeige Handlungsinitiative zeigen. So sei der Zeitpunkt des Zugehens auf die Ermittlungsbehörden ein erster Gradmesser für die Bereitschaft des Unternehmens zur authentischen Aufarbeitung des Korruptionsfalles. Strafverfolger sollten sich gleichwohl vor Augen führen, dass Unternehmen als Marktakteure an das Prinzip des do ut des gewöhnt seien und Kooperationsbereitschaft daher regelmäßig mit Erwartungen auf Gegenleistung – wie z.B. einer Begrenzung des Ermittlungsumfangs und der Anklagevorwürfe, Teileinstellungen oder der Reduzierung einer Unternehmensgeldbuße – verbunden seien. Den Ermittlungsbehörden riet Kubica, weder ungeprüft interne Untersuchungsberichte zu übernehmen noch sich bereits im Frühstadium auf Verständigungen einzulassen.
Einen weiteren Schwerpunkt legte Kubica auf die Frage des Zugriffs der Strafverfolgungsbehörden auf unternehmensinterne Untersuchungsberichte sowie das sich daran anknüpfende Problem der strafprozessualen Verwertbarkeit (§§ 160 a, 97 StPO). Insbesondere die Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus Protokollen von Mitarbeiterbefragungen erschienen unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipsum accusare) problematisch. Ausgehend von der unsicheren Rechtslage und der fehlenden höchstrichterlichen Rechtsprechung empfahl Kubica die Einführung eines Verfahrensrechts für interne Untersuchung unter Einbeziehung eines – arbeitsrechtlich gesicherten – Aussageverweigerungsrechts.
Die von Kubica aufgeworfenen Fragen griff Prinz am folgenden Tag in seinem Vortrag zu den „Herausforderungen für Unternehmen bei der Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden“ wieder auf. Ausgehend von seinen Erfahrungen in der Compliance-Abteilung der Fraport AG nahm Prinz eine aus Unternehmensperspektive wesentliche Differenzierung für die Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden vor. Während in Fällen der Bestechlichkeit von Mitarbeitern zum Nachteil des Unternehmens naturgemäß eine größere Bereitschaft zur aktiven Zusammenarbeit bestehe, stelle sich die Situation in Fällen der aktiven Korruption komplizierter dar. Wenngleich das Unternehmen auch in dieser Konstellation regelmäßig geschädigt sei (zu denken ist an eine Untreue zum Nachteil des Unternehmens gem. § 266 StGB), sehe es sich stets auch den Risiken von strafrechtlichen Gewinnabschöpfungsmaßnahmen und einer Unternehmensgeldbuße ausgesetzt.
Hier unterschied Prinz zwei Konstellationen. Richte sich der Verdacht gegen den Inhaber bei eigengeführten Unternehmen oder auf die Annahme einer strukturellen Korruption, bestehe kaum eine Möglichkeit zur Kooperation. Würde der Widerspruch zwischen den – legitimen – Beschuldigteninteressen und einer Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden nicht durch einen Wechsel der Geschäftsführung aufgelöst, bliebe das Unternehmen in der Praxis auf eine – nicht kooperationsfähige – Verteidigung beschränkt. Handele es sich hingegen um mittlere oder große Unternehmen mit grundsätzlich legalen Vertriebsmodellen, sieht Prinz keine Alternative zur Aufklärung der Korruptionstaten. Ein nicht zu unterschätzendes Risiko bei fehlender Kooperationsbereitschaft stelle die Gefährdung eigener Regressansprüche des Unternehmens dar; ausgehend von der Mannesmann-Entscheidung des BGH (BGH 3 StR 470/04) käme sogar eine Untreuestrafbarkeit durch die verantwortlichen Organe in Betracht.
Anders als Kubica sprach sich Prinz explizit für die interne Durchführung von Untersuchungen aus. Die Einschaltung einer externen Kanzlei sei kostspielig und daher nur in Fällen struktureller Korruption unter Beteiligung der alten Unternehmensführung, welche Zweifel an der Geeignetheit einer rein internen Aufklärung begründeten, ratsam. Grundsätzlich plädierte Prinz für ein besseres, wechselseitiges Verständnis zwischen Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden. Unternehmen sollten Ermittlungsmaßnahmen nicht als Zeichen des Misstrauens werten. Im Gegenzug müsse das Unternehmen in seiner Rolle als Verfahrensbeteiligte von den Ermittlungsbehörden ernster genommen werden.
Anschließend griff Prinz die Diskussion über die Verwertbarkeit von Mitarbeiterbefragungen auf. Auf Grundlage der bestehenden Rechtslage erkannte Prinz keine Möglichkeit für ein Beweisverwertungsverbot, sah das Problem jedoch faktisch relativiert: seiner Einschätzung nach würden Mitarbeiter, denen eine Strafverfolgung drohe, in den Interviews mitunter die Unwahrheit sagen.
Im letzten Teil seines Vortrages wandte sich Prinz den durch das Bundesdatenschutzgesetz begründeten Einschränkungen der Zusammenarbeit mit den Ermittlern zu. Als wesentliche Hürde für eine nachhaltige Compliance bezeichnete Prinz die Pflicht zur Vernichtung aller Aufzeichnungen bei Nichtbeweisbarkeit des Tatvorwurfs gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 2 BDSG. Dergestalt würde bei Auftreten neuer Verdachtsmomente ein Abgleich mit früheren Erkenntnissen verhindert. Das gegenwärtige Datenschutzrecht erlaube es den Compliance-Abteilungen ferner nicht, den Strafverfolgungsbehörden sämtliche Unterlagen, wie bspw. die gesamten Festplatten, zur Verfügung zu stellen. Im Interesse einer effizienten Kooperation müsse das Bundesdatenschutzgesetz „radikal zusammengestrichen“ werden.
Im Anschluss an eine spannende Diskussion über die von Prinz thematisierten Herausforderungen der Zusammenarbeit widmete sich Oberstaatsanwalt Winter (Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltshaft des Landes Brandenburg für Korruption in Neuruppin) den „Besonderheiten der Aufdeckung und Verfolgung von Wirtschaftskorruption in kleinen und mittleren Unternehmen“. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stünden nach den Erfahrungen der Staatsanwaltschaft Neuruppin im Fokus der Korruptionsbekämpfung. Nach kriminalistischen Erkenntnissen steige das Risiko für Straftaten zwar zunächst mit der Größe des Unternehmens, jedoch in gleichem Maße in Abhängigkeit von seiner ökonomischen Lage. Da ein Auftragsverlust KMU in besonderer Weise belaste, seien die Anreize für eine Absicherung der wirtschaftlichen Beziehungen – auch mit unlauteren Mitteln – deutlich größer. Die Kooperation mit KMU weise aus Perspektive der Staatsanwaltschaft besondere Herausforderungen auf. Bestechungen seien gerade in kleinen Unternehmen der Geschäftsführung bekannt und oftmals systemischer Teil der Auftragsakquise. Zudem existierten in KMU nur in Ausnahmefällen Kontrollstrukturen und Compliance-Abteilungen, die einen wirksamen Schutz gegen korruptive Praktiken gewährleisten könnten.
Winter äußerte darüber hinaus grundlegende Bedenken an der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden. Die hohe Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaften dürfe nicht zu einer „Privatisierung der Justiz“ durch Übernahme interner Untersuchungsberichte führen. Es bliebe notwendige Aufgabe der Staatsanwaltschaft auch bei Kooperationsbereitschaft des Unternehmens selbständige Ermittlungen durchzuführen. Eine konsequente Strafverfolgung erfordere eine effiziente Nutzung von Ressourcen und Strukturen, bspw. durch die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften sowie die Vernetzung der Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften der Bundesländer. Ein für die Zukunft bedeutsamer Punkt sei die Auswertung großer Datenmengen, den die Ermittlungsbehörden häufig selbst nicht leisten könnten. Als weiteren Lösungsansatz nannte Winter die Sensibilisierung der Wirtschaft durch präventive Maßnahmen sowie die Steigerung des Anzeigenaufkommens durch Vernetzung von Kontrollinstanzen (wie Finanzämtern und Rechnungshöfen) und Schulungen von Betriebsprüfern. Ein Unternehmensstrafrecht, ein wirksamer Hinweisgeberschutz sowie die Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters könnten wichtige Instrumente bei der Vermeidung und Verfolgung von Bestechungen sein.
Auch in der Zusammenarbeit von Unternehmen und Polizeidienststellen bei der Ermittlung von Korruptionsfällen können Schwierigkeiten auftreten. In seinem Vortrag wies Eck darauf hin, dass Unternehmen interne Straftaten oftmals nicht konsequent zu Ende ermitteln würden, um aufreibende arbeitsrechtliche Verfahren zu vermeiden. Auf diese Weise gelinge es den Unternehmen jedoch nicht, den Sachverhalt restlos aufzuklären und die interne Kontrollstruktur zu verbessern. Eck beobachtete ferner, dass die Justiz nicht hinreichend zeitnah auf die von Unternehmen erstatteten Anzeigen reagiere. Hierdurch verringere sich der Anreiz für Unternehmen, sich mit den Ergebnissen der internen Feststellungen an die Ermittlungsbehörden zu wenden. Abschließend appellierte Eck an die Bereitschaft von Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden, intensiver miteinander zu kommunizieren.
Am Nachmittag setzten sich die spannenden Diskussionen, die durch die Vorträge in Gang gebracht worden waren, in einer Arbeitsgruppe im kleineren Kreise fort. In der von Weber (LKA Schleswig-Holstein) und Vosskühler (LKA Nordrhein-Westfalen) gelungen strukturierten Sitzung berichteten die Teilnehmer zunächst von eigenen Erfahrungen in der Korruptionsbekämpfung und identifizierten anschließend die dringlichsten Herausforderungen und Probleme in der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Ermittlungsbehörden. Nach einer interessanten Debatte über die Bedeutung von Compliance-Abteilungen – Feigenblatt oder tatsächliches Kontrollinstrument? – sowie die Realitäten der Auslandsbestechung – ist zur Auftragserlangung in bestimmten Staaten Bestechung unentbehrlich? – wurden Ansätze zur Vermeidung von Korruption und mögliche Kooperationsstrategien entwickelt. Vorschläge zur Verbesserung der wechselseitigen Zusammenarbeit können sowohl auf präventiver als auch auf repressiver Ebene ansetzen.
Zur Vermeidung von Korruption wurden Arbeitskreise unter Beteiligung von Unternehmen und Ermittlungsbehörden, nach dem Vorbild des vom Bundeskriminalamt initiierten Modells „Global Players“, ins Spiel gebracht. Als entscheidend wurde eine Sensibilisierung des Unternehmens angesehen, da der „tone of the top“ für eine tatsächliche Umsetzung von Compliance-Maßnahmen zentral sei.
In repressiver Hinsicht wurde die Möglichkeit einer vertraulichen Kommunikation zwischen betroffenen Unternehmen und Ermittlungsbehörden diskutiert. Während einige Teilnehmer den Einsatz von Ansprechpartnern für den anonymen Austausch und die Abklärung von Tatvorwürfen befürworteten, verwiesen insbesondere Vertreter der Staatsanwaltschaften auf die durch das Legalitätsprinzip gesetzten Grenzen.
Im Ergebnis wurde die Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden mit der Wirtschaft differenziert betrachtet. Eine ernsthafte Bereitschaft des Unternehmens zur Aufarbeitung der Korruptionssachverhalte ermögliche eine für beide Seiten gewinnbringende Kooperation. Angesichts der begrenzten Ressourcen der Ermittlungsbehörden sowie der erheblichen Verfolgungsschwierigkeiten bei „opferlosen“ Bestechungsfällen sei die Staatsanwaltschaft nicht selten auf eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaft angewiesen. Gleichwohl dürften sich die Ermittlungsbeamten nicht ausschließlich auf die Kooperation des Unternehmens, bspw. durch die Überlassung interner Untersuchungsberichte, verlassen. Insbesondere bei KMU bestünden aufgrund der oftmals widerstreitenden Interessen sowie der Beteiligung von Beschuldigten auf oberster Unternehmenshierarchie erhebliche Herausforderungen für eine sinnvolle Zusammenarbeit. So resümierte ein Staatsanwalt, dass trotz der Vorteile von Kooperation im präventiven und repressiven Bereich manchmal nur „die Mittel der StPO helfen“.
Der interessante Teilnehmerkreis sowie die gelungene Auswahl der Referenten gewährleisteten lebhafte Diskussionen und einen fruchtbaren Erfahrungsaustausch. Ab 2014 soll für diese erfolgreiche Internationale Korruptionsfachtagung wieder (wie bereits in früheren Jahren) die EU-Antibetrugsbehörde OLAF als Mitveranstalter gewonnen werden. Für kommendes Jahr wird daher als Schwerpunktthema „Finanzielle Interessen der Europäischen Union“ ins Auge gefasst.