Dr. Sibylle von Coelln

Tofahrn: Strafprozessrecht – JURIQ-Erfolgstraining

2. Auflage 2012, C.F. Müller, € 14,95, 114 S.

Das im Jahr 2012 in 2. Auflage erschienene Buch „Strafprozessrecht“ von Rechtsanwältin Sabine Tofahrn ist Teil der Reihe „JURIQ-Erfolgstraining“. Bei dieser handelt es sich um eine vom C.F. Müller-Verlag herausgegebene Skriptensammlung, die sich in erster Linie an Studenten richtet – ausweislich des Selbstverständnisses der Herausgeber an Studienanfänger gleichermaßen wie an Examenskandidaten. Hinter der Aufmachung eines klassischen Lehrbuchs verbirgt sich ein durch Schaubilder und Comic-Zeichnungen aufgelockertes Lernskript, an dessen Anfang auf 4 Seiten „Tipps vom Lerncoach“ abgedruckt sind. Über einen „Online-Wissens-Check“ kann der Leser am Ende eines Kapitels den eigenen Lernfortschritt überprüfen.

I. Aufbau und Inhalt

Das Buch ist untergliedert in 3 Teile: Im ersten verschafft es dem Leser einen Überblick über das Strafverfahren als solches, im zweiten befasst es sich mit dem Erkenntnisverfahren der ersten Instanz und im dritten streift es die Rechtsbehelfe der StPO.

Der erste Teil fällt mit 4 Seiten sehr kurz aus und beinhaltet die Punkte „Funktion des Strafverfahrens“, „Gesetzliche Grundlagen des Strafverfahrens“ sowie „Gliederung des Strafverfahrens“.

Der zweite Teil stellt entsprechend der Zielsetzung der Autorin, die Leser auf die Prüfung des ersten Staatsexamens vorzubereiten, den Schwerpunkt des Buches dar. Die Verfasserin vermittelt hier einen guten ersten Überblick über den Ablauf des Erkenntnisverfahrens sowie über die Funktionen und rechtlichen Stellungen der verschiedenen Verfahrensbeteiligten. In diesem Teil des Buches werden zudem die Verfahrensprinzipien erläutert und die als klausurrelevant erachteten Zwangsmittel dargestellt. Der Abschnitt schließt mit Ausführungen zu den Beweisverboten, wobei bereits in den Überschriften deutlich zwischen Beweiserhebungs- und -verwertungsverboten sowie der Fernwirkung von Beweisverboten differenziert wird.

Am Ende des Buches steht eine Übersicht über die Rechtsbehelfe der StPO. Da es im ersten Teil noch heißt, man werde sich auf die Darstellung des klausurrelevanten Erkenntnisverfahrens beschränken, erscheinen die 11 Seiten zum Thema Rechtsbehelfe vergleichsweise umfangreich. Der hier vorgenommene kursorische Streifzug durch die §§ 296 ff. StPO gibt dem Studenten zumindest einen Anhaltspunkt für weiteres selbständiges Lernen, da das Grundprinzip der strafprozessualen Rechtsbehelfe aufgrund der Übersicht bereits verstanden werden sollte.

II. Kritische Würdigung

Das Buch stellt insgesamt einen brauchbaren Einstieg in die Materie des Strafprozessrechts dar.

Positiv fallen die vielen praktischen Fallbeispiele auf, die sich auf nahezu jeder Buchseite finden und die dem Leser die Anwendungsmöglichkeiten der Vorschrift sowie deren Folgen unmittelbar vor Augen führen. Da die Fallbeispiele häufig aktuelle Bezüge haben, die den Studenten von der täglichen Zeitungslektüre bekannt sein sollten, wird ein greifbarer Bezug zum realen Leben hergestellt. Hier sei etwa das Beispiel der Blogger-Affäre um den ehem. Bundespräsidenten Wulff genannt oder die strafprozessualen Schwierigkeiten im Prozess gegen den Vater des Mannes, der in Winnenden Amok gelaufen war und sich anschließend selbst tötete. Auf diese Weise wird dem Leser, der sich anhand des Buches wohl regelmäßig zum ersten Mal mit der StPO beschäftigen wird, deutlich vor Augen geführt, dass er eben nicht nur für die nächste Klausur lernt, sondern auch für sein späteres Berufsleben als Jurist.

Dass die sich stets wiederholenden „Klausurtipps“ in die gegenteilige Richtung weisen, ist dabei nicht weiter verwunderlich, da das Buch seine Leser zumindest auch auf die Prüfungssituation vorbereiten möchte. Hinweise zu typischen Prüfungsfragen ermöglichen dabei deren Antizipation, Schaubilder erleichtern die Orientierung des Lesers zu Beginn oder am Ende einer Textpassage sowie die Wiederholung der skizzierten Themenkreise. Dass einzelne Definitionen gesondert graphisch hervorgehoben werden, rundet das didaktische Konzept für Studenten ab.

Allerdings überzeugen der Aufbau, die Struktur sowie die Sprachgenauigkeit des Buches nicht durchgehend.

So vermisst der Leser beispielsweise bereits im ersten Teil die Darstellung und Erläuterung der strafprozessualen Maximen, die für das Verständnis des Strafverfahrens wesentlich sind. Diese finden sich überraschenderweise erst in der Mitte des Werks an einer Stelle, an der man eigentlich schon gar nicht mehr mit ihrer Darstellung gerechnet hätte: Nach den Ausführungen zu den Voraussetzungen des Strafverfahrens und zum Ablauf des Erkenntnisverfahrens, zwischen dem Kapitel über die Verfahrensbeteiligten und dem Kapitel über die Zwangsmittel. Das hinterlässt zumindest bei Studenten, die sich das erste Mal dem Strafprozessrecht widmen, einen völlig falschen Eindruck von Wesen und Stellenwert der Prozessrechtsgrundsätze.

Das Skript zeigt auch Schwächen bei einzelnen Formulierungen, bei denen man zu mehrfachem Lesen sowie zur Lektüre der Folgeabsätze gezwungen ist, bevor deutlich wird, was die Autorin sagen möchte. So heißt es etwa im Kapitel zur Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens: „Der BGH sowie Teile der Literatur bejahen eine Bindungswirkung der Staatsanwaltschaft, da die rechtsprechende Gewalt nach Art. 92 GG den Gerichten übertragen worden sei.“ Weder existiert der Terminus „Bindungswirkung der Staatsanwaltschaft“ noch wäre dieser als Neuschöpfung aus sich selbst heraus verständlich: Bindet die Staatsanwaltschaft Dritte oder ist sie selbst an deren Handlungen bzw. Äußerungen gebunden?

Ähnliches gilt für die schaubildliche Aufzählung der Rechte des Beschuldigten, innerhalb deren das „Aufklärungsrecht“ genannt wird, über das belehrt werden müsse: Bedeutet „Aufklärungsrecht“ nun, dass der Beschuldigte über die ihm zur Last gelegte Tat aufgeklärt werden muss oder dass er an der Aufklärung der Tat mitwirken darf? Auf diese Frage gibt die Verfasserin im weiteren Verlauf des Textes zwar eine Antwort: Dem Beschuldigten sei mitzuteilen, welche Tat ihm zur Last gelegt werde und welche Strafvorschriften in Betracht kämen. Dass eine Belehrung des Beschuldigten über dieses Recht erforderlich ist, ist indes unzutreffend: Der Beschuldigte ist schlicht über die genannten Aspekte zu informieren, eine Belehrung ist nur im Rahmen der Sätze 2 bis 4 des § 136 Abs. 1 StPO erforderlich. Soweit die Verfasserin zur Begründung des „Aufklärungsrechts“ u.a. auf § 136 Abs. 4 S. 1 StPO verweist, geht die Verweisung ins Leere, da diese Vorschrift nicht existiert.

Teilweise wird das Buch den selbst gesetzten Ansprüchen nicht gerecht. So wird der Leser bei den Lerntipps am Anfang des Buches darauf hingewiesen, dass er ein Fachbuch nicht wie einen Roman von vorn bis hinten lesen solle, weil ein Fachbuch anders aufgebaut sei. Dennoch vermisst man im Skript selbst den einen oder anderen hilfreichen Querverweis, der den Leser ermuntert, auch einmal zu anderen Kapiteln zu blättern. Im Kapitel „Verfahrensbeteiligte“ finden sich etwa beim Beschuldigten mit gerade einmal 2 Sätzen nur sehr knappe Ausführungen zum Anspruch auf rechtliches Gehör. Dafür, wie dieses Recht prozessual umgesetzt wird, wird mit dem „letzten Wort des Angeklagten“, das naturgemäß am Ende der Hauptverhandlung steht, ein eher unglückliches Beispiel gewählt. Hier hätte sich für nähere Informationen ein Verweis auf das Kapitel „Verfahrensprinzipien“ angeboten, in dem zum Anspruch auf rechtliches Gehör etwas umfangreicher Stellung genommen wird. Eine entsprechende Verweisungsmethode findet sich z.B. bei den Beschlagnahmeverboten, bei denen auf das Folgeproblem „Beweisverwertungsverbot“ in einem späteren Kapitel verwiesen wird. Bei den heimlichen Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden wird hingegen dem Leser nur vage angekündigt, dass er an anderer Stelle mehr erfährt: „[…] wie wir später sehen werden“. Eine solche Formulierung impliziert doch wieder, dass das Buch von vorn bis hinten gelesen werden sollte, und steht somit nicht im Einklang mit den zuvor erteilten Lerntipps.

An manchen Stellen sind die Ausführungen ungenau bzw. unvollständig. Dabei resultiert die Unvollständigkeit nicht daraus, dass die Ausführungen des Buches bewusst kurz gehalten sind. Vielmehr werden z.B. Regelungsausnahmen dargestellt, die dem Leser als abschließend erscheinen. Bei genauerer Lektüre des Gesetzestextes muss er jedoch feststellen, dass nicht alle Ausnahmen genannt sind. Das verunsichert und schränkt das Vertrauen in die Aussagen des Buches ein. Ein entsprechendes Beispiel findet sich etwa im Kapitel zur Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung. Hier liest man zunächst, dass ohne den Angeklagten eine Hauptverhandlung nicht stattfindet. Weiter heißt es: „Beachten Sie jedoch die Ausnahmeregelungen des § 233 StPO.“ Dass sich auch in § 231 Abs. 2 sowie in den §§ 231a bis 232 StPO Ausnahmen von diesem Grundsatz finden, erwähnt die Verfasserin nicht.

Ähnliche Lücken lassen sich in dem Kapitel über das „Prinzip des gesetzlichen Richters“ finden. Hier fehlen jegliche Hinweise zum Thema „Geschäftsverteilungsplan“, die auch bei einem Kurzlehrbuch bzw. Skript erwartet werden dürfen.

Bei der Thematik des „verdeckten Ermittlers“ entdeckt man gleich zwei Ungenauigkeiten: § 110b Abs. 1 S. 2 StPO wird ohne die Angabe des dort relevanten Hs. 1 zitiert. Dabei ist es wichtig, gerade den Studenten jüngerer Semester die Wichtigkeit des exakten Zitierens zu verdeutlichen. Zudem heißt es, die Zustimmung der Staatsanwaltschaft zum Einsatz eines verdeckten Ermittlers sei bei Gefahr im Verzug unverzüglich „nachzuholen“. Die Zustimmung der Staatsanwaltschaft kann von deren Ermittlungspersonen jedoch nicht nachgeholt werden; vielmehr ist sie „herbeizuführen“. Unterbleibt diese Zustimmung, ist die Maßnahme gem. § 110b Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO zu beenden.

Auf die Darstellung der Zwangsmaßnahmen folgen sinnvollerweise Ausführungen zum Rechtsschutz gegen dieselben. Hier erwähnt die Verfasserin zu Recht, dass neben der Beschwerde nach § 304 StPO noch die Möglichkeit der Anrufung des Richters nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO existiert. Diese Vorschrift biete zwar unmittelbar nur Rechtsschutz gegen die Anordnung der Beschlagnahme, für die anderen Zwangsmaßnahmen sei sie aber analog anwendbar. Die Erklärung dafür, warum dies der Fall ist, bleibt die Autorin schuldig, obgleich sie für das Systemverständnis wichtig wäre.

Das Literaturverzeichnis schließlich ist – wie von einem Skript, das keinen hohen wissenschaftlichen Anspruch erhebt, nicht anders zu erwarten – sehr kurz. Unerfreulich ist jedoch, dass selbst dieses kurze Verzeichnis noch unvollständig ist: Es fehlen zwei der drei in den Fußnoten zitierten Kommentare: der Karlsruher Kommentar (der zudem noch in veralteter 5. Auflage 2003 statt in der 6. Auflage 2008 zitiert wird – die 7. aus 2013 konnte 2012 noch nicht berücksichtigt werden) sowie der Schönke/Schröder (der in den Fußnoten ebenfalls in veralteter Auflage, nämlich in der 27. Auflage aus 2006 statt in der 28. Auflage aus 2010 herangezogen wird). Da es für Studenten nicht nur wichtig ist, vollständiges Zitieren zu erlernen, sondern auch mit aktueller Literatur zu arbeiten, erweist sich das Buch hier als schlechtes Vorbild.

III. Fazit

Zusammenfassend lässt sich trotz der Monita festhalten, dass sich ein Student mit dem vorliegenden Skript einen guten ersten Überblick über den klausurrelevanten Stoff bis zum ersten Examen verschaffen kann. Wer jedoch fundierte Kenntnisse im Strafprozessrecht anstrebt und ein tieferes Verständnis für das Zusammenspiel von StPO, GG, GVG, StGB und OWiG erlangen möchte, dem sei die Lektüre eines ausführlicheren Lehrbuchs empfohlen.

Für Praktiker ist das Buch nicht geeignet, da es kein über die Grundkenntnisse bzw. teilweise noch nicht einmal über den Gesetzestext hinausgehendes Wissen vermittelt. Dies entspricht allerdings schon ausweislich des Vorworts und des Buchumfangs dem Anspruch der Verfasserin: Sie möchte dem interessierten Studenten lediglich Grundzüge des Strafprozessrechts vermitteln. Das gelingt ihr unzweifelhaft. Daneben animiert sie den Leser immer wieder, sich genau mit den zitierten Vorschriften auseinanderzusetzen sowie die Ausführungen des Buches an der einen oder anderen Stelle durch weitergehende Lektüre zu vertiefen. Mehr kann von einem Skript wie diesem nicht erwartet werden – es ist im Gegenteil in dieser Hinsicht sogar mehr als die meisten Skripten bieten.

[:en]

2. Auflage 2012, C.F. Müller, € 14,95, 114 S.

Das im Jahr 2012 in 2. Auflage erschienene Buch „Strafprozessrecht“ von Rechtsanwältin Sabine Tofahrn ist Teil der Reihe „JURIQ-Erfolgstraining“. Bei dieser handelt es sich um eine vom C.F. Müller-Verlag herausgegebene Skriptensammlung, die sich in erster Linie an Studenten richtet – ausweislich des Selbstverständnisses der Herausgeber an Studienanfänger gleichermaßen wie an Examenskandidaten. Hinter der Aufmachung eines klassischen Lehrbuchs verbirgt sich ein durch Schaubilder und Comic-Zeichnungen aufgelockertes Lernskript, an dessen Anfang auf 4 Seiten „Tipps vom Lerncoach“ abgedruckt sind. Über einen „Online-Wissens-Check“ kann der Leser am Ende eines Kapitels den eigenen Lernfortschritt überprüfen.

 

I. Aufbau und Inhalt

Das Buch ist untergliedert in 3 Teile: Im ersten verschafft es dem Leser einen Überblick über das Strafverfahren als solches, im zweiten befasst es sich mit dem Erkenntnisverfahren der ersten Instanz und im dritten streift es die Rechtsbehelfe der StPO.

Der erste Teil fällt mit 4 Seiten sehr kurz aus und beinhaltet die Punkte „Funktion des Strafverfahrens“, „Gesetzliche Grundlagen des Strafverfahrens“ sowie „Gliederung des Strafverfahrens“.

Der zweite Teil stellt entsprechend der Zielsetzung der Autorin, die Leser auf die Prüfung des ersten Staatsexamens vorzubereiten, den Schwerpunkt des Buches dar. Die Verfasserin vermittelt hier einen guten ersten Überblick über den Ablauf des Erkenntnisverfahrens sowie über die Funktionen und rechtlichen Stellungen der verschiedenen Verfahrensbeteiligten. In diesem Teil des Buches werden zudem die Verfahrensprinzipien erläutert und die als klausurrelevant erachteten Zwangsmittel dargestellt. Der Abschnitt schließt mit Ausführungen zu den Beweisverboten, wobei bereits in den Überschriften deutlich zwischen Beweiserhebungs- und -verwertungsverboten sowie der Fernwirkung von Beweisverboten differenziert wird.

Am Ende des Buches steht eine Übersicht über die Rechtsbehelfe der StPO. Da es im ersten Teil noch heißt, man werde sich auf die Darstellung des klausurrelevanten Erkenntnisverfahrens beschränken, erscheinen die 11 Seiten zum Thema Rechtsbehelfe vergleichsweise umfangreich. Der hier vorgenommene kursorische Streifzug durch die §§ 296 ff. StPO gibt dem Studenten zumindest einen Anhaltspunkt für weiteres selbständiges Lernen, da das Grundprinzip der strafprozessualen Rechtsbehelfe aufgrund der Übersicht bereits verstanden werden sollte.

 

II. Kritische Würdigung

Das Buch stellt insgesamt einen brauchbaren Einstieg in die Materie des Strafprozessrechts dar.

Positiv fallen die vielen praktischen Fallbeispiele auf, die sich auf nahezu jeder Buchseite finden und die dem Leser die Anwendungsmöglichkeiten der Vorschrift sowie deren Folgen unmittelbar vor Augen führen. Da die Fallbeispiele häufig aktuelle Bezüge haben, die den Studenten von der täglichen Zeitungslektüre bekannt sein sollten, wird ein greifbarer Bezug zum realen Leben hergestellt. Hier sei etwa das Beispiel der Blogger-Affäre um den ehem. Bundespräsidenten Wulff genannt oder die strafprozessualen Schwierigkeiten im Prozess gegen den Vater des Mannes, der in Winnenden Amok gelaufen war und sich anschließend selbst tötete. Auf diese Weise wird dem Leser, der sich anhand des Buches wohl regelmäßig zum ersten Mal mit der StPO beschäftigen wird, deutlich vor Augen geführt, dass er eben nicht nur für die nächste Klausur lernt, sondern auch für sein späteres Berufsleben als Jurist.

Dass die sich stets wiederholenden „Klausurtipps“ in die gegenteilige Richtung weisen, ist dabei nicht weiter verwunderlich, da das Buch seine Leser zumindest auch auf die Prüfungssituation vorbereiten möchte. Hinweise zu typischen Prüfungsfragen ermöglichen dabei deren Antizipation, Schaubilder erleichtern die Orientierung des Lesers zu Beginn oder am Ende einer Textpassage sowie die Wiederholung der skizzierten Themenkreise. Dass einzelne Definitionen gesondert graphisch hervorgehoben werden, rundet das didaktische Konzept für Studenten ab.

Allerdings überzeugen der Aufbau, die Struktur sowie die Sprachgenauigkeit des Buches nicht durchgehend.

So vermisst der Leser beispielsweise bereits im ersten Teil die Darstellung und Erläuterung der strafprozessualen Maximen, die für das Verständnis des Strafverfahrens wesentlich sind. Diese finden sich überraschenderweise erst in der Mitte des Werks an einer Stelle, an der man eigentlich schon gar nicht mehr mit ihrer Darstellung gerechnet hätte: Nach den Ausführungen zu den Voraussetzungen des Strafverfahrens und zum Ablauf des Erkenntnisverfahrens, zwischen dem Kapitel über die Verfahrensbeteiligten und dem Kapitel über die Zwangsmittel. Das hinterlässt zumindest bei Studenten, die sich das erste Mal dem Strafprozessrecht widmen, einen völlig falschen Eindruck von Wesen und Stellenwert der Prozessrechtsgrundsätze.

Das Skript zeigt auch Schwächen bei einzelnen Formulierungen, bei denen man zu mehrfachem Lesen sowie zur Lektüre der Folgeabsätze gezwungen ist, bevor deutlich wird, was die Autorin sagen möchte. So heißt es etwa im Kapitel zur Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens: „Der BGH sowie Teile der Literatur bejahen eine Bindungswirkung der Staatsanwaltschaft, da die rechtsprechende Gewalt nach Art. 92 GG den Gerichten übertragen worden sei.“ Weder existiert der Terminus „Bindungswirkung der Staatsanwaltschaft“ noch wäre dieser als Neuschöpfung aus sich selbst heraus verständlich: Bindet die Staatsanwaltschaft Dritte oder ist sie selbst an deren Handlungen bzw. Äußerungen gebunden?

Ähnliches gilt für die schaubildliche Aufzählung der Rechte des Beschuldigten, innerhalb deren das „Aufklärungsrecht“ genannt wird, über das belehrt werden müsse: Bedeutet „Aufklärungsrecht“ nun, dass der Beschuldigte über die ihm zur Last gelegte Tat aufgeklärt werden muss oder dass er an der Aufklärung der Tat mitwirken darf? Auf diese Frage gibt die Verfasserin im weiteren Verlauf des Textes zwar eine Antwort: Dem Beschuldigten sei mitzuteilen, welche Tat ihm zur Last gelegt werde und welche Strafvorschriften in Betracht kämen. Dass eine Belehrung des Beschuldigten über dieses Recht erforderlich ist, ist indes unzutreffend: Der Beschuldigte ist schlicht über die genannten Aspekte zu informieren, eine Belehrung ist nur im Rahmen der Sätze 2 bis 4 des § 136 Abs. 1 StPO erforderlich. Soweit die Verfasserin zur Begründung des „Aufklärungsrechts“ u.a. auf § 136 Abs. 4 S. 1 StPO verweist, geht die Verweisung ins Leere, da diese Vorschrift nicht existiert.

Teilweise wird das Buch den selbst gesetzten Ansprüchen nicht gerecht. So wird der Leser bei den Lerntipps am Anfang des Buches darauf hingewiesen, dass er ein Fachbuch nicht wie einen Roman von vorn bis hinten lesen solle, weil ein Fachbuch anders aufgebaut sei. Dennoch vermisst man im Skript selbst den einen oder anderen hilfreichen Querverweis, der den Leser ermuntert, auch einmal zu anderen Kapiteln zu blättern. Im Kapitel „Verfahrensbeteiligte“ finden sich etwa beim Beschuldigten mit gerade einmal 2 Sätzen nur sehr knappe Ausführungen zum Anspruch auf rechtliches Gehör. Dafür, wie dieses Recht prozessual umgesetzt wird, wird mit dem „letzten Wort des Angeklagten“, das naturgemäß am Ende der Hauptverhandlung steht, ein eher unglückliches Beispiel gewählt. Hier hätte sich für nähere Informationen ein Verweis auf das Kapitel „Verfahrensprinzipien“ angeboten, in dem zum Anspruch auf rechtliches Gehör etwas umfangreicher Stellung genommen wird. Eine entsprechende Verweisungsmethode findet sich z.B. bei den Beschlagnahmeverboten, bei denen auf das Folgeproblem „Beweisverwertungsverbot“ in einem späteren Kapitel verwiesen wird. Bei den heimlichen Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden wird hingegen dem Leser nur vage angekündigt, dass er an anderer Stelle mehr erfährt: „[…] wie wir später sehen werden“. Eine solche Formulierung impliziert doch wieder, dass das Buch von vorn bis hinten gelesen werden sollte, und steht somit nicht im Einklang mit den zuvor erteilten Lerntipps.

An manchen Stellen sind die Ausführungen ungenau bzw. unvollständig. Dabei resultiert die Unvollständigkeit nicht daraus, dass die Ausführungen des Buches bewusst kurz gehalten sind. Vielmehr werden z.B. Regelungsausnahmen dargestellt, die dem Leser als abschließend erscheinen. Bei genauerer Lektüre des Gesetzestextes muss er jedoch feststellen, dass nicht alle Ausnahmen genannt sind. Das verunsichert und schränkt das Vertrauen in die Aussagen des Buches ein. Ein entsprechendes Beispiel findet sich etwa im Kapitel zur Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung. Hier liest man zunächst, dass ohne den Angeklagten eine Hauptverhandlung nicht stattfindet. Weiter heißt es: „Beachten Sie jedoch die Ausnahmeregelungen des § 233 StPO.“ Dass sich auch in § 231 Abs. 2 sowie in den §§ 231a bis 232 StPO Ausnahmen von diesem Grundsatz finden, erwähnt die Verfasserin nicht.

Ähnliche Lücken lassen sich in dem Kapitel über das „Prinzip des gesetzlichen Richters“ finden. Hier fehlen jegliche Hinweise zum Thema „Geschäftsverteilungsplan“, die auch bei einem Kurzlehrbuch bzw. Skript erwartet werden dürfen.

Bei der Thematik des „verdeckten Ermittlers“ entdeckt man gleich zwei Ungenauigkeiten: § 110b Abs. 1 S. 2 StPO wird ohne die Angabe des dort relevanten Hs. 1 zitiert. Dabei ist es wichtig, gerade den Studenten jüngerer Semester die Wichtigkeit des exakten Zitierens zu verdeutlichen. Zudem heißt es, die Zustimmung der Staatsanwaltschaft zum Einsatz eines verdeckten Ermittlers sei bei Gefahr im Verzug unverzüglich „nachzuholen“. Die Zustimmung der Staatsanwaltschaft kann von deren Ermittlungspersonen jedoch nicht nachgeholt werden; vielmehr ist sie „herbeizuführen“. Unterbleibt diese Zustimmung, ist die Maßnahme gem. § 110b Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO zu beenden.

Auf die Darstellung der Zwangsmaßnahmen folgen sinnvollerweise Ausführungen zum Rechtsschutz gegen dieselben. Hier erwähnt die Verfasserin zu Recht, dass neben der Beschwerde nach § 304 StPO noch die Möglichkeit der Anrufung des Richters nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO existiert. Diese Vorschrift biete zwar unmittelbar nur Rechtsschutz gegen die Anordnung der Beschlagnahme, für die anderen Zwangsmaßnahmen sei sie aber analog anwendbar. Die Erklärung dafür, warum dies der Fall ist, bleibt die Autorin schuldig, obgleich sie für das Systemverständnis wichtig wäre.

Das Literaturverzeichnis schließlich ist – wie von einem Skript, das keinen hohen wissenschaftlichen Anspruch erhebt, nicht anders zu erwarten – sehr kurz. Unerfreulich ist jedoch, dass selbst dieses kurze Verzeichnis noch unvollständig ist: Es fehlen zwei der drei in den Fußnoten zitierten Kommentare: der Karlsruher Kommentar (der zudem noch in veralteter 5. Auflage 2003 statt in der 6. Auflage 2008 zitiert wird – die 7. aus 2013 konnte 2012 noch nicht berücksichtigt werden) sowie der Schönke/Schröder (der in den Fußnoten ebenfalls in veralteter Auflage, nämlich in der 27. Auflage aus 2006 statt in der 28. Auflage aus 2010 herangezogen wird). Da es für Studenten nicht nur wichtig ist, vollständiges Zitieren zu erlernen, sondern auch mit aktueller Literatur zu arbeiten, erweist sich das Buch hier als schlechtes Vorbild.

 

III. Fazit

Zusammenfassend lässt sich trotz der Monita festhalten, dass sich ein Student mit dem vorliegenden Skript einen guten ersten Überblick über den klausurrelevanten Stoff bis zum ersten Examen verschaffen kann. Wer jedoch fundierte Kenntnisse im Strafprozessrecht anstrebt und ein tieferes Verständnis für das Zusammenspiel von StPO, GG, GVG, StGB und OWiG erlangen möchte, dem sei die Lektüre eines ausführlicheren Lehrbuchs empfohlen.

Für Praktiker ist das Buch nicht geeignet, da es kein über die Grundkenntnisse bzw. teilweise noch nicht einmal über den Gesetzestext hinausgehendes Wissen vermittelt. Dies entspricht allerdings schon ausweislich des Vorworts und des Buchumfangs dem Anspruch der Verfasserin: Sie möchte dem interessierten Studenten lediglich Grundzüge des Strafprozessrechts vermitteln. Das gelingt ihr unzweifelhaft. Daneben animiert sie den Leser immer wieder, sich genau mit den zitierten Vorschriften auseinanderzusetzen sowie die Ausführungen des Buches an der einen oder anderen Stelle durch weitergehende Lektüre zu vertiefen. Mehr kann von einem Skript wie diesem nicht erwartet werden – es ist im Gegenteil in dieser Hinsicht sogar mehr als die meisten Skripten bieten.

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Sibylle von Coelln
    Dr. Sibylle von Coelln ist Rechtsanwältin in der Sozietät HEUKING ? VON COELLN Rechtsanwälte in Düsseldorf. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf der klassischen Strafverteidigung von Individualpersonen und Unternehmen in allen Bereichen des Wirtschafts-, Steuer- und Insolvenzstrafrechts sowie auf der Erstellung strafrechtlicher Gutachten.

WiJ

  • Dr. Carolin Raspé , Dr. Roland Stein

    Strafrechtliche Risiken bei der Sanktions- Compliance Teil 1

    Außenwirtschaftsrecht Kriegswaffenkontrollrecht

  • Sigrid Mehring-Zier

    Wirtschaftsvölkerstrafrecht in der europäischen Praxis – und Deutschland?

    Auslandsbezüge EU Internationales Strafrecht Rechtshilfe

  • Jakob Lehners

    Digitale Akteneinsicht in der Untersuchungshaft

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)