Mag. Katrin Ehrbar, Mag. Phillip Bischof, MMag. Dr. Michael Dohr, LL.M., LL.M.

Länderbericht Österreich zum Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

I. Der Kampf um Sachverständigengutachten geht weiter

Bereits seit Inkrafttreten des österreichischen Strafprozessreformgesetzes hat die Bestellung von Sachverständigen in (Wirtschafts-)Strafverfahren für Diskussionen gesorgt. Die hitzige Debatte nimmt kein Ende.

Im Februar 2013 lehnten die Anwälte im ersten großen Telekom-Prozess den Gerichtsgutachter ab. Dieser habe schon während der Ermittlungen für den Staatsanwalt gearbeitet. Nun werde dieser vom Gericht sozusagen als „Zeuge der Anklage“ übernommen. Dies sei im Sinne eines fairen Verfahrens bedenklich. Einer der Verteidiger im damaligen Prozess war Univ. Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter. Seit 16.12.2013 ist Univ. Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter nun Justizminister von Österreich. Als einen der ersten öffentlichen Auftritte eröffnete er am 28.1.2014 ein Symposium zu eben diesem Thema: „Der Sachverständige im Strafverfahren“.

Die Grundproblematik sehen die Verteidiger seit dem Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes darin, dass der Staatsanwalt als Leiter der Ermittlungen auch den Gutachter bestellt. Nach Abschluss der Ermittlungen wird in aller Regel der Gutachter – also jene Person, die dem Staatsanwalt das Verfassen einer Anklage überhaupt erst ermöglichte – vom Gericht zum offiziellen Gerichtsgutachter bestellt. Der österreichische Gesetzgeber scheint sich in weiser Voraussicht gegen die Proteste der Verteidiger abgesichert zu haben. Im § 126 StPO heißt es: „Im Hauptverfahren kann die Befangenheit eines Sachverständigen oder Dolmetschers nicht bloß mit der Begründung geltend gemacht werden, dass er bereits im Ermittlungsverfahren tätig gewesen ist.“

Genau das wird aber ständig getan. Kaum ein großes Verfahren kommt ohne konzentrierte Ablehnungsfront der Anwälte aus. Der diesbezügliche Antrag auf Ablehnung wird vom Gericht mit Verweis auf die Rechtslage aber genauso regelmäßig abgewiesen.

Nun macht der Oberste Gerichtshof mit einer brisanten Entscheidung (12 Os 90/13x) von sich reden: Wenn ein vom Staatsanwalt bestellter Gutachter keinen klaren Auftrag hat und daher erst nach Verdachtsmomenten suchen muss, wird er quasi zu einem Ermittlungsorgan. Diese Art der Vorbefassung ist sehr wohl ein Befangenheitsgrund. Das Gericht muss dann das entstandene Ungleichgewicht austarieren und für den Prozess einen neuen Sachverständigen bestellen.

Aus der Entscheidung 12 Os 90/13x: „[..] Ausgangspunkt der daran anschließenden Überlegungen ist die Frage, ob § 126 Abs 4 letzter Satz StPO deswegen verfassungswidrig ist, weil der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren eine beherrschende Position bei der Bestimmung eines Auftrags für eine Befundung und Gutachtenserstellung zukommt und aufbauend auf dieser Stellung eines Ermittlungsorgan[s] iSd § 98 Abs 1 StPO im Vorverfahrensstadium einem[n] von ihm bestellten Sachverständigen zulässigerweise auch mit der Durchführung von Erkundungsbeweisen beauftragen kann.

Ein Beschuldigter, welcher gegebenenfalls über § 106 StPO einen von ihm gestellten Beweisantrag durchsetzen will, ist hingegen an die Beweisantragskriterien des § 55 StPO gebunden, die gerade keine Erkundungsbeweisführung zulassen. Dies schafft allenfalls ein Ungleichgewicht, welches dem Gebot der Führung eines fairen Verfahrens nach Art 6 EMRK widersprechen könnte.

Wäre die Bestimmung des § 126 Abs 4 letzter Satz StPO als nicht verfassungskonform anzusehen, dann käme im Fall ihrer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof im Hauptverfahren dem – auf keine weiteren Erwägungen gestützten – Einwand einer Befangenheit einzig mit der Behauptung Berechtigung zu, dass der Sachverständige im Ermittlungsverfahren (und damit über Auftrag der Staatsanwaltschaft) tätig gewesen ist. Ein solches Ergebnis brächte es mit sich, dass jedes von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene Gutachten aus dem Ermittlungsverfahren (also der weitaus überwiegende Teil dieser Beweismittel) im Hauptverfahren bei entsprechender Relevanz über einen inhaltlich nicht weiter determinierten Widerspruch des Angeklagten durch einen neuen, vom Gericht bestellten Sachverständigen zu wiederholen wäre.

Vorweg ist dazu festzuhalten, dass die Bestellung eines Sachverständigen durch die Staatsanwaltschaft nur unter bestimmten, im Gesetz festgelegten Prämissen unter Einräumung von Kontrollrechten durch den Beschuldigten möglich ist:

Der Sachverständige ist nach der geltenden Rechtslage zur Objektivität gegenüber den Verfahrensparteien verpflichtet und hat sowohl Befundaufnahme als auch Gutachtenserstattung nur nach den Regeln seiner Wissenschaft vorzunehmen (§§ 125 Z 1, 126 Abs 1 und Abs 2 StPO).

Der Sachverständige ist organisatorisch von der Staatsanwaltschaft getrennt.

Der Sachverständige erhält seine Gebühren ungeachtet vom Verfahrensausgang (§ 25 GebAG).

Grundsätzlich sind nicht beliebige, sondern in eine Sachverständigen-Liste eingetragene Personen (§ 2 Abs 1 SDG) zu bestellen, die schon deswegen über die erforderliche Fachkenntnis und Objektivität verfügen (RV Strafprozessreformgesetz 25 BlgNR 22. GP 176).

Gegen die Bestellung können vom Beschuldigten Einwände erhoben werden; die Entscheidung über die Ablehnung des Sachverständigen unterliegt auch im Ermittlungsverfahren der gerichtlichen Kontrolle (§§ 106 ff StPO).

Die Entlohnung des Sachverständigen erfolgt immer von der öffentlichen Hand. Erhebt der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren Einspruch gegen die von der Staatsanwaltschaft festgesetzten Gebühren, bestimmt diese ein Richter nach dem GebAG.

Die Befund- und Gutachtenswahrheit wird durch Befangenheitsbestimmungen (§ 126 Abs 4 erster Satz StPO), vor allem aber auch durch die Strafnorm der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB abgesichert.

Der Beschuldigte hat auch im Ermittlungsverfahren das Recht, den Sachverständigen mit seinem Standpunkt zu befassen und sich dabei von Privatsachverständigen unterstützen zu lassen (Riffel, RZ 2013, 242).

Wird eine Anklage erhoben, kann der Beschuldigte das Anklagesubstrat, damit auch das dazu beitragende Gutachten des von der Staatsanwaltschaft bestellten Experten, gegebenenfalls unterstützt von einem Privatsachverständigen mittels Anklageeinspruchs gerichtlich prüfen lassen (Riffel, RZ 2013, 242).

Der bestellte Sachverständige muss, um den Kriterien des Art 6 EMRK zu genügen, unabhängig sein, dh im Sinne einer neutralen Beweisperson agieren können (vgl Grabenwarter in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 6 EMRK Rz 99). Dies wird bloß durch seine Bestellung durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren nach den dargelegten Kriterien nicht in Frage gestellt (Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 56; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 370; Riffl, RZ 2013, 23; kritisch und tlw ablehnend dazu aber Todor-Kostic, AnwBl 2011, 133 f; Moringer in Miklau-FS, 353 ff und nunmehr Ratz, AnwBl 2013, 277).

Aus der Rechtsprechung des EGMR ist jedenfalls nicht abzuleiten, dass eine im Ermittlungsstadium erfolgte Bestellung des Sachverständigen durch die Staatsanwaltschaft – wie sie in anderen Mitgliedsländern der Konvention, etwa in der Bundesrepublik Deutschland seit langem möglich ist – und dessen nachfolgende abermalige, diesmal aber vom Gericht vorgenommene Bestellung im Hauptverfahren (in der Bundesrepublik Deutschland nach der dort hM zulässig; vgl Krause in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. A. § 73 Rz 2 und § 74 Rz 9; Rogall in SK-StPO § 74 Rz 26 mwN; Meyer-Goßner, StPO, 56. A. § 74 Rz 5; Brauer in HK-StPO, 5. A. § 74 Rz 3; BGH NStZ 2008, 50) per se konventionswidrig wäre.

Der Straßburger Judikatur (und zwar auch der Entscheidung vom 4. 4. 2013, C. B. gegen Österreich, Nr 30465/06) ist nicht zu entnehmen, dass die in Art 6 Abs 3 lit d EMRK vorgegebene Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen so auszulegen wäre, dass im Fall einer (von der Staatsanwaltschaft vorgenommenen) Sachverständigenbestellung die zusätzliche Beweiserhebung durch einen von der Verteidigung nominierten Privatsachverständigen verpflichtend wäre.

Vielmehr muss – wie der Fall Bönisch gegen Österreich (EGMR, Urteil vom 6. 5. 1985, Nr 8658/79 EuGRZ 1986, 127) dokumentiert – die Sachverständigenbestellung dann zu hinterfragen sein, wenn „Zweifel an der Neutralität des Sachverständigen aufkommen“.

Insoweit ist der Entscheidung des EGMR im Fall Brandstetter gegen Österreich (EGMR, Urteil vom 28. 8. 1991, Nr 11170/84, 12876/87, 13468/87 ÖJZ 1992, 97) diesbezüglich die Klarstellung zu entnehmen, dass Befürchtungen vorliegen müssen, dass der Sachverständige bei der Befundung und der Gutachtenserstellung „nicht in der Lage sein werde, mit der gebotenen Neutralität vorzugehen“. In dem genannten Fall wurde selbst die enge berufliche Verflechtung des vom Gericht bestellten Sachverständigen mit der anzeigenden Stelle als für sich allein nicht ausreichend gewertet, um eine solche Befürchtung zu hegen.

Problematisch in diesem Zusammenhang erscheinen daher jene Fälle, in denen das eingangs erwähnte Ungleichgewicht bei der Beweisaufnahme durch eine inhaltliche Ermittlungstätigkeit des von der Staatsanwaltschaft bestellten Sachverständigen schlagend wird, also Verdachtsmomente erst gewonnen werden sollten und die Anklage erst auf den Ergebnissen derartiger Gutachten aufbaut, weil das solcherart zum Ausdruck kommende Näheverhältnis zu den Ermittlungsorganen der gebotenen Neutralität des Sachverständigen widerstreitet (Grabenwarter in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 6 EMRK Rz 101).

Wenn ein Sachverständiger bei einem sehr allgemeinen Anfangsverdacht von der Staatsanwaltschaft mit nicht weiter determinierten Erhebungen zu einer Straftat, insbesondere ohne Nennung eines konkreten Beweisthemas beauftragt wird und das vorhandene, nicht ohne weiteres aussagekräftige Beweismaterial aufarbeitet und auf ein strafrechtliches Verdachtssubstrat hin untersucht, dann mutiert er von einem unabhängig agierenden Experten, der bei bestehender konkreter Verdachtslage zu einem Problemfeld mit Fachwissen Stellung nehmen soll, zu einem verlängerten Arm der Ermittlungsbehörden und damit funktional zu einem Organ der Ermittlungsbehörde (zur vergleichbaren Ausgangslage in der Bundesrepublik Deutschland siehe Krause in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. A. § 74 Rz 6 f; Rogall in SK-StPO § 74 Rz 19 f; BGHSt 18, 214). Je unbestimmter daher der Anfangsverdacht, je unkonkreter der Auftrag der Staatsanwaltschaft an den beigezogenen Experten, also je weniger der Beweiserhebungsauftrag den Kriterien des § 55 StPO entspricht, desto eher muss die darauf aufbauende Befundaufnahme als inhaltlich als Ermittlungstätigkeit des beauftragten Gutachters gewertet werden.

Insoweit wäre der solcherart eingesetzte Sachverständige mit einem „Anzeigegutachter“ (iSd Entscheidungen des VfGH VfSlg 10701/1985 und des EGMR im Fall Bönisch gegen Österreich) vergleichbar. Dass auch die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei zur Objektivität verpflichtet sind (§ 3 StPO), vermag daran nichts zu ändern, weil die vorangegangene funktionale Ermittlungstätigkeit für eine Verfahrensbeteiligte im nachfolgenden Hauptverfahren (§ 210 Abs 2 StPO) mit der Aufgabe, in der Hauptverhandlung als neutrale Beweisperson zu agieren, nicht in Einklang zu bringen ist (vgl Rogall in SK-StPO § 74 Rz 18).

Dies wird im § 126 Abs 4 erster Satz StPO durch die dort angeordnete sinngemäße Heranziehung des § 47 Abs 1 Z 2 StPO verdeutlicht. Wer in derselben Strafsache als Kriminalbeamter tätig war, darf nicht später als Staatsanwalt agieren und umgekehrt. Wer daher inhaltlich als Ermittlungsorgan gewirkt hat, darf nicht später als Sachverständiger einschreiten; vielmehr bewirkt eine solche funktional als Ermittlungsorgan erfolgte Vorbefassung als Befangenheitsgrund. Auf dieser Basis besteht für das erkennende Gericht eine Pflicht, das im Ermittlungsverfahren durch einen von der Staatsanwaltschaft bestellten, nicht an die Grundsätze des § 55 StPO gebundenen, einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt erst ermittelnden Experten hervorgerufene prozessuale Ungleichgewicht durch die Bestellung eines neuen Sachverständigen für das Hauptverfahren auszutarieren und damit ein faires Verfahren zu sichern. Solcherart bestehen keine verfassungsmäßigen Bedenken gegen § 126 Abs 4 letzter Satz StPO.

Dieses Neutralitätsgebot wird aber nicht schon durch jede Recherche des Sachverständigen in Frage gestellt, zumal jeder Gutachtensauftrag auf eine erst durch entsprechendes Fachwissen mögliche Klärung von Beweisfragen abzielt (Rogall in SK-StPO § 74 Rz 25). Die fundierte Gutachtenserstellung erfordert im Regelfall sogar eine eigenständige Erhebung im Rahmen der Befundaufnahme (etwa durch Beischaffung von Krankengeschichten oder eigene psychiatrische Untersuchung des Betroffenen), um eine fachkundige Aussage zu einem bereits bestehenden Verdacht betreffend eine entscheidende Tatsache (zB Schwere der Verletzung, Zurechnungsfähigkeit; Gefährlichkeit) oder zu einen[m] erheblichen Umstand (zB Aussagetüchtigkeit eines Zeugen) treffen zu können (vgl Rogall in SK-StPO § 74 Rz 25).“ Eine durchaus spannende Entscheidung. Es bleibt abzuwarten, wie in der Praxis damit umgegangen wird.

 

II. Hausarrest statt Strafvollzugsanstalt

Eine jüngste Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien hat aufhorchen lassen: Erstmals wurde in Österreich festgestellt, dass die bisher äußerst stiefmütterlich behandelte Möglichkeit, die Untersuchungshaft im Hausarrest fortzusetzen (derzeit gibt es in Österreich nur drei Personen, welchen diese Möglichkeit geboten wurde), auch dann möglich ist, wenn erstinstanzlich eine Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe vorliegt und der Sicherungszweck der Untersuchungshaft nicht durch gelindere Mittel erreicht werden kann. Im Konkreten wurde einem wegen eines Wirtschaftsdeliktes zu einer mehrjährigen Haftstrafe erstinstanzlich Verurteilten trotz bestehender Fluchtgefahr der elektronisch überwachte Hausarrest gewährt. Die Untersuchungshaft wurde im gegenständlichen Fall bereits mehrfach verhängt und wieder aufgehoben. Bereits vor seiner ersten Verurteilung wurde die Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr verhängt, allerdings gegen eine Kaution und Abgabe von Reisedokumenten wieder aufgehoben. Nach der ersten Verurteilung wurde er neuerlich in Untersuchungshaft genommen, da er trotz einer dem Gericht angekündigten, aber von diesem nicht genehmigten, Auslandsreise für 48 Stunden verreiste, wiewohl er sich nach der Rückkehr sofort bei der Polizei meldete. Dennoch ging das Gericht von einem Weisungsbruch aus und verhängte neuerlich die Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin auch den Verfall der Kaution. Die Verteidigung stellte daraufhin den Antrag nach § 173a StPO, den Vollzug der Untersuchungshaft im elektronisch überwachten Hausarrest fortzusetzen. Dem Antrag wurde Folge gegeben, der Beschuldigte kam auch in den elektronisch überwachten Hausarrest, jedoch legte die Staatsanwaltschaft dagegen Beschwerde ein, im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Fußfessel nur denjenigen sozial integrierten Personen zu gewähren sei, die eine voraussichtlich zwölf Monate nicht übersteigende Strafzeit zu verbüßen haben. Die mit Spannung erwartete Entscheidung des OLG Wien gab der Beschwerde keine Folge und stellte erstmalig klar, dass der Anwendung des Hausarrestes nach § 173a StPO keine formalen Gründe entgegenstünden, da die Bestimmung des § 156c Abs 1 StVG, wonach der Vollzug einer Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes nur bewilligt werden könne wenn die verbüßende Strafzeit zwölf Monate nicht übersteige, sich ausschließlich auf den Strafvollzug beziehe, womit ein rechtskräftiges Urteil vorliegen müsse. Der Beschwerde wegen des Verfalls der Kaution wurde deshalb nicht Folge gegeben, da durch die freiwillige Rückkehr des Beschuldigten sowie der sofortigen Meldung bei der Polizei kein Versuch, sich dem Verfahren zu entziehen vorgelegen habe.

Mit dieser Entscheidung soll und kann es nunmehr ermöglicht werden, dass sich in Untersuchungshaft befindliche, zu mehrjährigen Haftstrafen erstinstanzlich Verurteilte, die Untersuchungshaft im elektronisch überwachten Hausarrest verbringen können. Dies hat den entscheidenden Vorteil, dass diese die rechtskräftige Entscheidung des gerade in Wirtschaftsstrafsachen lange dauernden Rechtsmittelverfahrens nicht in einer Justizvollzugsanstalt abwarten müssen, bzw durch die Anrechnung der Vorhaftzeit möglicherweise überhaupt nicht mehr in Strafhaft müssen, da diese „in Freiheit“ durch die Fußfessel bereits verbüßt wurde. (Michael Dohr war an dem Verfahren als Verteidiger beteiligt.)

III. Aktuelle Rechtsprechung Strafrecht

1. § 5 StGB (§§ 9, 302 Abs. 1 StGB)

Irrtum über normatives Tatbestandsmerkmal schließt Vorsatz aus. = EvBl -LS 2013/116

Irrt der Täter über den sozialen Bedeutungsgehalt des normativen Tatbestandsmerkmals „Befugnismissbrauch“, kommt wissentlicher Befugnismissbrauch, mithin die Erfüllung des Tatbestands, nicht in Betracht. Ob der Irrtum vorwerfbar ist, spielt keine Rolle. (OGH 27. 5. 2013, 17 Os 1/13w)

Sachverhalt:

Die Nichtanzeige einer konsenslosen Bauausführung durch einen Bürgermeister kann Missbrauch der Amtsgewalt sein.

Der Bürgermeister einer Gemeinde wurde strafgerichtlich wegen Missbrauchs der Amtsgewalt verurteilt, weil er es unterließ, eine konsenslose Bauausführung bei der BH anzuzeigen. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Bürgermeisters hatte keinen Erfolg.

OGH: Der Einwand, „nur ein sogenanntes gezieltes Untätigbleiben“ sei im Fall der Begehung durch Unterlassen strafbar, dies sei „bei rechtlicher Unkenntnis oder eben bei gutem Glauben“ nicht der Fall, verfehlt die Bezugnahme auf die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite, nach welchen der Beschwerdeführer „die Bauwerberin K GmbH“ „offensichtlich“ „nicht anzeigen wollte“ und er „wusste“, „dass seine Untätigkeit dazu führen kann, dass die Gesetzwidrigkeit ungeahndet bleibt“.

Es trifft zwar grundsätzlich zu, dass die Verwaltungsbehörde im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 1b VStG keine Anzeigepflicht wegen von ihr (im Rahmen ihrer Vollzugsaufgaben) wahrgenommener Verwaltungsübertretungen trifft. Dies ist – wenn (wie hier ausschließlich) die Verletzung einer derartigen Anzeigepflicht den Gegenstand des Vorwurfs des Missbrauchs der Amtsgewalt bildet – bereits bei Prüfung des Befugnismissbrauchs, also auf der (objektiven) Tatbestandsebene zu prüfen und durch entsprechende Tatsachenfeststellungen zu klären. Auf solche nimmt das zu diesem Thema erstattete Vorbringen mit der bloßen Rechtsbehauptung einer Anwendbarkeit des § 21 Abs. 2 VStG jedoch ebenso wenig Bezug, wie es einen Feststellungsmangel in diesem Zusammenhang geltend macht.

2. § 31 Abs. 2 StGB (§ 31 a StGB; § 2 StRegG; § 4 Abs. 5 TilgG; §§ 6 ff. ABGB)

Ausländische Verurteilungen bei der Strafrahmenbildung = EvBl 2013/108

OGH 24. 4. 2013, 15 Os 102/12 g; 103/12 d (OLG Wien 19 Es 42/12 h; LGSt Wien Sa Vr 11197/ 98).

Grundlegende Klarstellung des Senats 15 zur Einbeziehung ausländischer Verurteilungen bei der Strafrahmenbildung zwecks Sicherstellung der Vorteile des Absorptionsprinzips und tilgungsrechtlicher Folgen.

Leitsatz:

§ 31 Abs. 2 StGB (§ 31a StGB; § 2 StRegG; § 4 Abs. 5 TilgG; §§ 6 ff. ABGB)

Da der Gesetzgeber die autonome Anpassung rechtskräftiger ausländischer gerichtlicher Entscheidungen an die konkret aktuellen österreichischen Strafsätze und Strafbemessungsgrundsätze zwar im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Gerichte geregelt, eine solche Anpassung jedoch nicht auch im Kontext des StRegG oder des TilgG vorgesehen, sondern bloß die Berücksichtigung früherer ausländischer Entscheidungen in einem späteren inländischen Strafverfahren wegen einer anderen Tat angeordnet hat, kann ihm nicht unterstellt werden, er habe eine solche Entscheidungsbefugnis in Bezug auf im österreichischen Strafregister erfasste (zeitlich spätere) ausländische Verurteilungen bloß versehentlich nicht geregelt.

Sachverhalt:

Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2.2.1999, 8a E Vr 11197/98, wurde der nigerianische oder liberianische Staatsangehörige Junior U des am 9.9.1998 in Wien begangenen Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. In weiterer Folge wurde Junior U mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Passau vom 12.10.1999, 4 Ls 313 Js 5746/98, wegen von Februar bis März 1998 in Passau begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tatmehrheitlichen Fällen unter Anwendung der §§ 1, 2, 3, 29a I Nr. 2 dBtMG und §§ 53, 54 dStGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Landesgericht für Strafsachen Wien wies mit Beschluss vom 12.1.2012 den zu 8a E Vr 11197/98 unter Berufung auf § 31a StGB gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft auf Feststellung, dass die Verurteilung vom 2.2.1999 im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB zur Verurteilung des Amtsgerichts Passau vom 12.10.1999 stehe, ab. Mit Beschluss vom 26.3.2012, 19 Bs 42/12h, gab das Oberlandesgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft nicht Folge. Es lehnte die begehrte Feststellung unter Hinweis auf den Wortlaut des § 31 Abs. 1 erster Satz StGB ab. Der Oberste Gerichtshof hat die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes der Generalprokuratur verworfen.

Aus den Gründen:

Vorbringen der Generalprokuratur

„Wäre die Folgeverurteilung durch ein österreichisches Gericht erfolgt, so hätte dieses die §§ 31 Abs 1 und 40 StGB anzuwenden gehabt, weil die dem Urteil des Amtsgerichts Passau zugrunde liegenden Taten zeitlich vor dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2.2.1999 lagen und demgemäß schon mit dem früheren Urteilen hätten abgeurteilt werden können. Deutsche Gerichte können nach § 55 dStGB nur auf frühere dt Urteile Bedacht nehmen (vgl MünchKommStGB/v. Heintschel-Heinegg § 55 Rn 11). Österr Gerichte können gem § 31 Abs 2 StGB auch auf ausländische Urteile Bedacht nehmen, wenn sie zeitlich vor dem inländischen gefällt wurden. Aufgrund der in § 73 StGB normierten grundsätzlichen Gleichstellung von ausländischen und inländischen Verurteilungen ist das durch § 31 Abs 1 StGB geknüpfte Band aber auch dann von Amts wegen wahrzunehmen, wenn ein ausländisches Urteil zeitlich dem inländischen folgt. Der Argumentation des Oberlandesgerichts Wien, das Landesgericht für Strafsachen Wien habe zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf das noch gar nicht ergangene Urteil des Amtsgerichts Passau nicht Bedacht nehmen können, sodass eine nachträgliche Milderung der Strafe nach § 31a StGB im Verfahren 8a Hv 7075/98 LGSt Wien nicht in Betracht komme, und § 4 Abs 5 TilgG stelle auf das tatsächliche Verhältnis von Verurteilungen zueinander und nicht auf die Tatsache der Anwendung des § 31 StGB in einem Strafurteil ab (RIS-Justiz RS0117522), ist zwar beizupflichten, doch verlangt schon die bloße Feststellung der Tatsache, dass Verurteilungen zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehen, die Durchführung des in § 410 StPO geregelten Verfahrens. Selbst dann, wenn zu einer Reduktion der im Nach-Urteil verhängten Strafe keine Veranlassung besteht oder eine solche – wie hier – gar nicht in Betracht kommt, ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 31 StGB zu deklarieren und dies gem § 5 Abs 1 StRegG dem Strafregisteramt mitzuteilen (RIS-Justiz RS0107405; RS0090727; Ratz in WK2 § 31a Rz 11 zweiter Absatz; Lässig, WK-StPO § 410 Rz 2 mwN). Eine solche Feststellung kann nach Lage des Falles unter analoger Heranziehung der Bestimmungen des § 31a StGB und des § 410 StPO zugunsten des Verurteilten nur im – zeitlich vorangegangenen – Inlandsverfahren erfolgen. Die Entscheidungen des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien haben sich für den Verurteilten nachteilig ausgewirkt (§ 4 Abs 5 TilgG; vgl Kert, WK-StPO TilgG § 4 Rz 29 ff).“

Erwägungen des OGH

„§ 31 Abs 1 StGB zufolge ist eine Zusatzstrafe zu verhängen, wenn jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist, wegen einer anderen Tat verurteilt wird, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können. Einer früheren inländischen Verurteilung steht eine frühere ausländische Verurteilung auch dann gleich, wenn die Voraussetzungen nach § 73 StGB nicht vorliegen (Abs 2 leg cit). Die von der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes angestrebte Berücksichtigung der zeitlich nach dem gegenständlichen Inlandsverfahren erfolgten ausländischen Verurteilung widerspricht somit dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Eine durch Analogie schließbare Gesetzeslücke liegt vor, wenn die aus der konkreten gesetzlichen Regelung hervorleuchtenden Zwecke und Werte die Annahme nahelegen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen. Ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich diesem obläge, steht den Gerichten nicht zu (RIS-Justiz RS0008866 [T 9, T 10, T 16 und T 18]). Die Regelung des § 31 StGB bezweckt, dem sich aus § 28 Abs 1 StGB ergebenden Absorptionsprinzip des materiellen Strafrechts ohne Durchlöcherung der Rechtskraft (auch des Strafausspruchs) der ersten Entscheidung in jenen Fällen zum Durchbruch zu verhelfen, in welchen ein Angeklagter, gegen den bereits ein Strafurteil ergangen ist, einer anderen, vor dessen Fällung begangenen (realkonkurrierenden) strafbaren Handlung schuldig befunden wurde, um eine in der getrennten Verfahrensführung bestehende Benachteiligung des Täters durch ein österreichisches Gericht zu vermeiden. Demnach ist zu prüfen, inwieweit die ursprünglich verhängte Strafe strenger ausgefallen wäre, wenn die nun zur Aburteilung kommende Straftat in den Schuldspruch miteinbezogen worden wäre. Eine allfällige Differenz ist als Zusatzstrafe zu verhängen. Die Summe der Strafe darf das Höchstmaß dessen nicht überschreiten, was bei gleichzeitiger Aburteilung aller Taten hätte verhängt werden dürfen. Die Zusatzstrafe darf auch nach Art und Dauer nicht strenger sein, als es für die später abgeurteilte Tat allein zulässig ist (vgl 30 BlgNR 23. GP 116 und 119 f; Ratz in WK2 § 28 Rz 2 f, § 31 Rz 1, 7 und 12). Zur Korrektur der im Vor-Urteil verhängten Strafe berechtigt § 31 StGB nicht (Ratz, aaO § 31 Rz 17). § 31a Abs 1 StGB verpflichtet das Gericht, die Strafe angemessen zu mildern, wenn nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, die zu einer milderen Bemessung der Strafe geführt hätten. Schon die bloße Feststellung der Tatsache, dass Verurteilungen zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehen, verlangt die Durchführung eines darauf bezogenen Verfahrens. Auch dann, wenn zu einer Reduktion der im Nach-Urteil verhängten Strafe letztlich keine Veranlassung besteht, ist sie nunmehr als Zusatzstrafe zu deklarieren und diese Tatsache dem Strafregisteramt mitzuteilen (RIS-Justiz RS0107405; Ratz in WK2 § 31a Rz 11). Im deutschen Recht sind ausländische Strafen wegen des damit verbundenen Eingriffs in ihre Vollstreckbarkeit nicht gesamtstrafenfähig (MünchKommStGB/v.Heintschel-Heinegg § 55 Rn 11). Anhaltspunkt dafür, dass der österreichische Gesetzgeber dem Absorptionsprinzip auch in Bezug auf nachfolgende ausländische Verurteilungen zum Durchbruch verhelfen wollte, finden sich nicht. Den inländischen Gerichten ist in solchen Fällen – mangels Grundlage zur Fällung eines eigenständigen Schuld- oder Strafausspruchs über die im Ausland abgeurteilte Tat – nicht möglich, iSd §§ 31 und 40 StGB autonom zu prüfen, inwieweit überhaupt eine Zusatzstrafe (als Differenz zur nach den Strafzumessungskriterien der österreichischen Strafgesetze gedachten Gesamtstrafe) zu verhängen wäre, wenn die erst später im Ausland zur Aburteilung gekommene (frühere) Straftat in den Schuldspruch miteinbezogen worden wäre. Eine im Wege nachträglicher Strafmilderung im vorangehenden inländischen Verfahren ausgesprochene Deklarierung der erst später im Ausland verhängten Strafe als Zusatzstrafe widerspräche zudem der expliziten Ablehnung der Durchlöcherung der Rechtskraft dieser ersten Entscheidung durch den Gesetzgeber (vgl 30 BlgNR 23. GP 120). Vielmehr könnte eine dem Absorptionsprinzip Rechnung tragende Entscheidung eines inländischen Gerichts nur in einem zeitlich späteren und vom ersten verschiedenen Verfahren wegen einer vom ersten Urteil noch nicht erfassten Straftat erfolgen, etwa bei – nach Maßgabe der §§ 62 ff StGB; Art 50 GRC und Art 54 SDÜ zulässiger – Verfolgung der bereits im Ausland abgeurteilten Tat auch im Inland. Ein Verfahren zur autonomen Anpassung von der inländischen Verurteilung zeitlich nachfolgenden ausländischen Verurteilungen an das österreichische Recht zur Vermeidung von tilgungsrechtlichen Nachteilen im Zusammenhang mit gem § 2 Abs 2 Z 2 und 3 StRegG in das österreichische Strafregister aufgenommenen rechtskräftigen Verurteilungen ausländischer Strafgerichte (vgl §§ 1, 3 und 4 TilgG; Kert, WK-StPO TilgG § 4 Rz 31 ff) kennt das Gesetz nicht. Da der Gesetzgeber die autonome Anpassung rechtskräftiger ausländischer gerichtlicher Entscheidungen an die konkret aktuellen österreichischen Strafsätze und Strafbemessungsgrundsätze (vgl Martetschläger in WK2 ARHG § 65 Rz 1) zwar im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Gerichte geregelt (§§ 65 ff ARHG), eine solche Anpassung jedoch nicht auch im Kontext des StRegG oder des TilgG vorgesehen, sondern bloß die Berücksichtigung früherer ausländischer Entscheidungen in einem späteren inländischen Strafverfahren wegen einer anderen Tat angeordnet hat (§ 31 Abs 2 StGB), kann ihm nicht einfach unterstellt werden, er habe eine solche Entscheidungsbefugnis in Bezug auf im österreichischen Strafregister erfasste (zeitlich spätere) ausländische Verurteilungen bloß versehentlich nicht geregelt.“

Hinweis:

  • § 31a StGB meint alle nicht von der Wiederaufnahme erfassten, für die Strafbemessung relevanten, also auch (bloß) den Strafrahmen betreffende Tatumstände. Den Strafsatz betreffende Tatumstände, welche Gegenstand der Wiederaufnahme sind (§ 353 Z. 2 StPO), kommen nicht in Betracht. § 31 StGB betrifft den Strafrahmen, anders als § 40 StGB, wo die Strafbemessung innerhalb eines nach § 31 StGB gebildeten Strafrahmens geregelt wird.
  • Unter dem in § 260 Abs. 1 Z. 1 StPO erwähnten Begriff Strafsatz versteht die StPO die rechtsrichtige Subsumtion und spricht damit die rechtliche Kategorie einer strafbaren Handlung i.S.d. § 28 Abs. 1 StGB an. § 281 Abs. 1 Z. 11 erster Fall StPO meint mit dem Begriff Strafbefugnis den für die Strafbemessung zur Verfügung stehenden Strafrahmen. Strafdrohung meint sowohl Strafsatz wie Strafrahmen, bildet also den (demnach unspezifischen) Überbegriff.
  • Aus § 281 Abs. 1 Z. 11 erster Fall StPO relevant sind nur jene die Strafbefugnis bestimmenden Umstände, welche nicht bereits Gegenstand zulässiger Anfechtung des Schuldspruchs (§ 260 Abs. 1 Z. 2 StPO) sind. Wird nicht Freispruch begehrt, aber der Strafsatz angefochten, geschieht dies daher stets aus § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. Ist nämlich Anfechtung aus Z. 10 zulässig, kommt Z. 11 nicht in Frage, weil das Berufungsgericht nach § 295 Abs. 1 erster Satz StPO an den Schuldspruch (§ 260 Abs. 1 Z. 2 StPO) gebunden ist und Umstände der Z. 11 auch Berufungsgegenstand sind.
  • Da § 29 StGB als Subsumtionseinheit sui generis bereits Gegenstand des Schuldspruchs (§ 260 Abs. 1 Z. 2 StPO) ist, Z. 10 aber der Z. 11 vorgeht, sind auch in Betreff dieser Subsumtionseinheit relevante Umstände entscheidende Tatsachen i.e.S. und Gegenstand der Subsumtions-, nicht erst der Sanktionsrüge.
  • Den Strafrahmen determinierende Umstände, welche nicht zugleich die rechtliche Kategorie, welcher subsumiert wurde (§ 260 Abs. 1 Z. 2 StPO), bestimmen, sind hingegen Gegenstand der Z. 11 erster Fall. Dazu gehören jedenfalls §§ 28, 30, 31, 36 StGB, die mangels anderslautender Regelungen auch im Nebenstrafrecht gelten (Art. 1 Abs. 1 StRAG). Da § 65 Abs. 2, § 278d Abs. 1 letzter Satz, § 286 Abs. 1 zweiter Satz, § 287 Abs. 1 zweiter Satz StGB nicht Gegenstand der rechtlichen Unterstellung (§ 260 Abs. 1 Z. 2 StPO) sind, vielmehr bloß die Strafbefugnis determinieren, sind auch sie Gegenstand der Z. 11 erster Fall. Gleiches gilt für § 5 Z. 2 bis 4 JGG. [Glosse des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Dr. Eckart Ratz]

3. § 263 StPO (§§ 276a, 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO)

Anklageausdehnung wegen einer anderen Tat erst in wiederholter Hauptverhandlung = EvBl-LS 2013/123

OGH 11. 4. 2013, 12 Os 102/12 k

Sowohl die Einbringung des Strafantrags innerhalb der Frist nach § 263 Abs. 4 StPO in einem anderen Verfahren (RIS-Justiz RS0097115) als auch der Vortrag des Strafantrags in einer neu durchgeführten Hauptverhandlung stehen einer Verschweigung entgegen.

Der Angeklagte war des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 und 2 vierter Fall StGB sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs. 1 StGB schuldig erkannt worden. Seine u.a. aus Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom OGH verworfen.

Der Senat 12 stützt seine – die Ansicht von Lewisch, WK-StPO § 263 Rz. 66, ablehnende – Auffassung auf SSt 28/13. Danach zielt § 263 StPO darauf ab, dass über alle bis zur Urteilsfällung bekannt gewordenen Taten ein und desselben Angeklagten mit einem Urteil entschieden werde. Nach Lewisch genügt Anklageausdehnung in einer neu durchgeführten Hauptverhandlung § 263 StPO ebenso wenig wie Anklageausdehnung nach Urteilsaufhebung und Rückverweisung, weil eine nach § 276a StPO nicht bloß fortgesetzte, sondern neu durchgeführte Hauptverhandlung (HV) nicht die HV sei, „bei“ welcher der Angeklagte i.S.d. § 263 StPO „noch einer anderen Tat beschuldigt“ worden sei. [Glosse des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Dr. Eckart Ratz]

4. § 281 Abs. 1 Z. 8 StPO (§ 12 StGB; §§ 262, 314 Abs. 1 StPO)

Keine Belehrungsobliegenheit bei Mittäterschaft statt angeklagter Alleintäterschaft = EvBl – LS 2013/124

OGH 20. 3. 2013, 15 Os 16/13 m

Annahme von Mittäterschaft anstelle der vom Ankläger angenommenen unmittelbaren Alleintäterschaft begründet keine unter Nichtigkeitssanktion nach § 281 Abs. 1 Z. 8 StPO stehende Belehrungsobliegenheit aufgrund geänderter rechtlicher Gesichtspunkte i.S.d. § 262 StPO.

Der Angeklagte war u.a. angeklagt worden, als unmittelbarer Alleintäter mehrere Diebstähle durch Einbruch begangen zu haben. Das Schöffengericht ging – abweichend davon – von Mittäterschaft aus. Der OGH hat die ua aus Z. 8 des § 281 Abs. 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zurückgewiesen.

Mittäterschaft ist ein (von Lehre und Rspr. definierter) Fall von unmittelbarer Täterschaft nach § 12 erster Fall StGB. Unmittelbarer Täter ist, wer die Tatbestandsbeschreibung erfüllt. Mittäter erfüllen – allerdings mit dem Vorsatz auf Zusammenwirkung mit anderen – bloß einen Teil der Tatbestandsbeschreibung. Das Gesetz unterscheidet jedoch, anders als zwischen unmittelbarem Täter, Bestimmungstäter und (sonstigem) Beitragstäter (§ 12 erster bis dritter Fall StGB), nicht zwischen Mittäter und Alleintäter. Während der OGH bei von der Anklage abweichender Beteiligung i.S.d. § 12 StGB unter Nichtigkeitssanktion stehende Belehrungsobliegenheit annimmt, verneint er dies – soweit ersichtlich – hier erstmals in Betreff der Unterscheidung von Allein- und Mittäter. [Glosse des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Dr. Eduard Ratz]

 

IV. Aktuelles aus dem Finanzstrafrecht

1. Tatbegriff bei Hinterziehung von Eingangsabgaben

Bewirkt der Anmelder durch wahrheitswidrige Angaben in der Zollanmeldung eine Verkürzung an Eingangsabgaben, so ist die Abgabe dieser (unrichtigen) Zollanmeldung (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) selbständige Tat im materiellen Sinn und solcherart kleinstes Sachverhaltselement. Demgemäß muss bei einem Schuldspruch nach § 35 Abs. 2 FinStrG jede einzelne inkriminierte Zollanmeldung durch subsumtionstaugliche Feststellungen individualisiert werden, womit bei Tatmehrheit die bloß pauschale Konstatierung des gesamten strafbestimmenden Wertbetrags nicht hinreicht (OGH 16. 5. 2013, 13 Os 30/13f).

2. Verjährung illegaler Bargeldtransfers über die Grenze

Entgegen der in der Literatur vertretenen Ansicht kommt es für den Beginn der finanzstrafrechtlichen Verfolgungsverjährung von Finanzvergehen i.S.d. § 48b FinStrG nicht darauf an, ob die abgabenrechtliche bzw. zollrechtliche Pflicht noch aufrecht ist, sondern es ist auf jenen Zeitpunkt abzustellen, ab dem die strafbare Unterlassung beendet ist. Bei § 48b FinStrG handelt es sich um kein Dauerdelikt, sondern um ein Zustandsdelikt, das mit Verlassen des Ein- bzw Ausreiseorts in die bzw. aus der EU ohne Anmeldung von Barmitteln von mindestens Euro 10.000,- vollendet und beendet ist. Damit beginnt aber auch die Verjährungsfrist zu laufen, auch wenn aus zollrechtlicher Sicht die Anmeldepflicht noch fortbestehen mag (Leitner/Salfer, Verjährung der Verletzung von Verpflichtungen im Bargeldverkehr, SWK 2013, 407; a.A. Twardosz/Schratter, Verjährung illegaler Bargeldtransfers über die Grenze, SWK 2013, 35).

3. Definition der Tat i.S.d. § 33 Abs. 1 FinStrG i.Z.m. KESt-Verkürzungen

Die KESt ist eine selbst zu berechnende Abgabe, womit die Abgabenschuld (anders als bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben) nicht infolge eines individuellen Verwaltungsakts, sondern unmittelbar aufgrund des Gesetzes entsteht. Gemäß § 96 Abs. 1 Z. 1 lit. a EStG ist diese Abgabe binnen einer Woche nach Zufließen der Kapitalerträge i.V.m. einer entsprechenden Anmeldung (§ 96 Abs. 3 EStG) unter der Bezeichnung „Kapitalertragsteuer“ abzuführen. Selbständige Tat i.S.d. § 33 Abs. 1 FinStrG ist daher insoweit das Unterlassen der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen KESt-Abfuhr unter Verletzung der diesbezüglichen Anmeldungspflicht (Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 32; OGH 22. 11. 2012, 13 Os 107/12b [13 Os 108/12z]).

 

I. Der Kampf um Sachverständigengutachten geht weiter

Bereits seit Inkrafttreten des österreichischen Strafprozessreformgesetzes hat die Bestellung von Sachverständigen in (Wirtschafts-)Strafverfahren für Diskussionen gesorgt. Die hitzige Debatte nimmt kein Ende.

Im Februar 2013 lehnten die Anwälte im ersten großen Telekom-Prozess den Gerichtsgutachter ab. Dieser habe schon während der Ermittlungen für den Staatsanwalt gearbeitet. Nun werde dieser vom Gericht sozusagen als „Zeuge der Anklage“ übernommen. Dies sei im Sinne eines fairen Verfahrens bedenklich. Einer der Verteidiger im damaligen Prozess war Univ. Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter. Seit 16.12.2013 ist Univ. Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter nun Justizminister von Österreich. Als einen der ersten öffentlichen Auftritte eröffnete er am 28.1.2014 ein Symposium zu eben diesem Thema: „Der Sachverständige im Strafverfahren“.

Die Grundproblematik sehen die Verteidiger seit dem Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes darin, dass der Staatsanwalt als Leiter der Ermittlungen auch den Gutachter bestellt. Nach Abschluss der Ermittlungen wird in aller Regel der Gutachter – also jene Person, die dem Staatsanwalt das Verfassen einer Anklage überhaupt erst ermöglichte – vom Gericht zum offiziellen Gerichtsgutachter bestellt. Der österreichische Gesetzgeber scheint sich in weiser Voraussicht gegen die Proteste der Verteidiger abgesichert zu haben. Im § 126 StPO heißt es: „Im Hauptverfahren kann die Befangenheit eines Sachverständigen oder Dolmetschers nicht bloß mit der Begründung geltend gemacht werden, dass er bereits im Ermittlungsverfahren tätig gewesen ist.“

Genau das wird aber ständig getan. Kaum ein großes Verfahren kommt ohne konzentrierte Ablehnungsfront der Anwälte aus. Der diesbezügliche Antrag auf Ablehnung wird vom Gericht mit Verweis auf die Rechtslage aber genauso regelmäßig abgewiesen.

Nun macht der Oberste Gerichtshof mit einer brisanten Entscheidung (12 Os 90/13x) von sich reden: Wenn ein vom Staatsanwalt bestellter Gutachter keinen klaren Auftrag hat und daher erst nach Verdachtsmomenten suchen muss, wird er quasi zu einem Ermittlungsorgan. Diese Art der Vorbefassung ist sehr wohl ein Befangenheitsgrund. Das Gericht muss dann das entstandene Ungleichgewicht austarieren und für den Prozess einen neuen Sachverständigen bestellen.

Aus der Entscheidung 12 Os 90/13x: „[..] Ausgangspunkt der daran anschließenden Überlegungen ist die Frage, ob § 126 Abs 4 letzter Satz StPO deswegen verfassungswidrig ist, weil der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren eine beherrschende Position bei der Bestimmung eines Auftrags für eine Befundung und Gutachtenserstellung zukommt und aufbauend auf dieser Stellung eines Ermittlungsorgan[s] iSd § 98 Abs 1 StPO im Vorverfahrensstadium einem[n] von ihm bestellten Sachverständigen zulässigerweise auch mit der Durchführung von Erkundungsbeweisen beauftragen kann.

Ein Beschuldigter, welcher gegebenenfalls über § 106 StPO einen von ihm gestellten Beweisantrag durchsetzen will, ist hingegen an die Beweisantragskriterien des § 55 StPO gebunden, die gerade keine Erkundungsbeweisführung zulassen. Dies schafft allenfalls ein Ungleichgewicht, welches dem Gebot der Führung eines fairen Verfahrens nach Art 6 EMRK widersprechen könnte.

Wäre die Bestimmung des § 126 Abs 4 letzter Satz StPO als nicht verfassungskonform anzusehen, dann käme im Fall ihrer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof im Hauptverfahren dem – auf keine weiteren Erwägungen gestützten – Einwand einer Befangenheit einzig mit der Behauptung Berechtigung zu, dass der Sachverständige im Ermittlungsverfahren (und damit über Auftrag der Staatsanwaltschaft) tätig gewesen ist. Ein solches Ergebnis brächte es mit sich, dass jedes von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene Gutachten aus dem Ermittlungsverfahren (also der weitaus überwiegende Teil dieser Beweismittel) im Hauptverfahren bei entsprechender Relevanz über einen inhaltlich nicht weiter determinierten Widerspruch des Angeklagten durch einen neuen, vom Gericht bestellten Sachverständigen zu wiederholen wäre.

Vorweg ist dazu festzuhalten, dass die Bestellung eines Sachverständigen durch die Staatsanwaltschaft nur unter bestimmten, im Gesetz festgelegten Prämissen unter Einräumung von Kontrollrechten durch den Beschuldigten möglich ist:

Der Sachverständige ist nach der geltenden Rechtslage zur Objektivität gegenüber den Verfahrensparteien verpflichtet und hat sowohl Befundaufnahme als auch Gutachtenserstattung nur nach den Regeln seiner Wissenschaft vorzunehmen (§§ 125 Z 1, 126 Abs 1 und Abs 2 StPO).

Der Sachverständige ist organisatorisch von der Staatsanwaltschaft getrennt.

Der Sachverständige erhält seine Gebühren ungeachtet vom Verfahrensausgang (§ 25 GebAG).

Grundsätzlich sind nicht beliebige, sondern in eine Sachverständigen-Liste eingetragene Personen (§ 2 Abs 1 SDG) zu bestellen, die schon deswegen über die erforderliche Fachkenntnis und Objektivität verfügen (RV Strafprozessreformgesetz 25 BlgNR 22. GP 176).

Gegen die Bestellung können vom Beschuldigten Einwände erhoben werden; die Entscheidung über die Ablehnung des Sachverständigen unterliegt auch im Ermittlungsverfahren der gerichtlichen Kontrolle (§§ 106 ff StPO).

Die Entlohnung des Sachverständigen erfolgt immer von der öffentlichen Hand. Erhebt der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren Einspruch gegen die von der Staatsanwaltschaft festgesetzten Gebühren, bestimmt diese ein Richter nach dem GebAG.

Die Befund- und Gutachtenswahrheit wird durch Befangenheitsbestimmungen (§ 126 Abs 4 erster Satz StPO), vor allem aber auch durch die Strafnorm der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB abgesichert.

Der Beschuldigte hat auch im Ermittlungsverfahren das Recht, den Sachverständigen mit seinem Standpunkt zu befassen und sich dabei von Privatsachverständigen unterstützen zu lassen (Riffel, RZ 2013, 242).

Wird eine Anklage erhoben, kann der Beschuldigte das Anklagesubstrat, damit auch das dazu beitragende Gutachten des von der Staatsanwaltschaft bestellten Experten, gegebenenfalls unterstützt von einem Privatsachverständigen mittels Anklageeinspruchs gerichtlich prüfen lassen (Riffel, RZ 2013, 242).

Der bestellte Sachverständige muss, um den Kriterien des Art 6 EMRK zu genügen, unabhängig sein, dh im Sinne einer neutralen Beweisperson agieren können (vgl Grabenwarter in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 6 EMRK Rz 99). Dies wird bloß durch seine Bestellung durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren nach den dargelegten Kriterien nicht in Frage gestellt (Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 56; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 370; Riffl, RZ 2013, 23; kritisch und tlw ablehnend dazu aber Todor-Kostic, AnwBl 2011, 133 f; Moringer in Miklau-FS, 353 ff und nunmehr Ratz, AnwBl 2013, 277).

Aus der Rechtsprechung des EGMR ist jedenfalls nicht abzuleiten, dass eine im Ermittlungsstadium erfolgte Bestellung des Sachverständigen durch die Staatsanwaltschaft – wie sie in anderen Mitgliedsländern der Konvention, etwa in der Bundesrepublik Deutschland seit langem möglich ist – und dessen nachfolgende abermalige, diesmal aber vom Gericht vorgenommene Bestellung im Hauptverfahren (in der Bundesrepublik Deutschland nach der dort hM zulässig; vgl Krause in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. A. § 73 Rz 2 und § 74 Rz 9; Rogall in SK-StPO § 74 Rz 26 mwN; Meyer-Goßner, StPO, 56. A. § 74 Rz 5; Brauer in HK-StPO, 5. A. § 74 Rz 3; BGH NStZ 2008, 50) per se konventionswidrig wäre.

Der Straßburger Judikatur (und zwar auch der Entscheidung vom 4. 4. 2013, C. B. gegen Österreich, Nr 30465/06) ist nicht zu entnehmen, dass die in Art 6 Abs 3 lit d EMRK vorgegebene Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen so auszulegen wäre, dass im Fall einer (von der Staatsanwaltschaft vorgenommenen) Sachverständigenbestellung die zusätzliche Beweiserhebung durch einen von der Verteidigung nominierten Privatsachverständigen verpflichtend wäre.

Vielmehr muss – wie der Fall Bönisch gegen Österreich (EGMR, Urteil vom 6. 5. 1985, Nr 8658/79 EuGRZ 1986, 127) dokumentiert – die Sachverständigenbestellung dann zu hinterfragen sein, wenn „Zweifel an der Neutralität des Sachverständigen aufkommen“.

Insoweit ist der Entscheidung des EGMR im Fall Brandstetter gegen Österreich (EGMR, Urteil vom 28. 8. 1991, Nr 11170/84, 12876/87, 13468/87 ÖJZ 1992, 97) diesbezüglich die Klarstellung zu entnehmen, dass Befürchtungen vorliegen müssen, dass der Sachverständige bei der Befundung und der Gutachtenserstellung „nicht in der Lage sein werde, mit der gebotenen Neutralität vorzugehen“. In dem genannten Fall wurde selbst die enge berufliche Verflechtung des vom Gericht bestellten Sachverständigen mit der anzeigenden Stelle als für sich allein nicht ausreichend gewertet, um eine solche Befürchtung zu hegen.

Problematisch in diesem Zusammenhang erscheinen daher jene Fälle, in denen das eingangs erwähnte Ungleichgewicht bei der Beweisaufnahme durch eine inhaltliche Ermittlungstätigkeit des von der Staatsanwaltschaft bestellten Sachverständigen schlagend wird, also Verdachtsmomente erst gewonnen werden sollten und die Anklage erst auf den Ergebnissen derartiger Gutachten aufbaut, weil das solcherart zum Ausdruck kommende Näheverhältnis zu den Ermittlungsorganen der gebotenen Neutralität des Sachverständigen widerstreitet (Grabenwarter in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 6 EMRK Rz 101).

Wenn ein Sachverständiger bei einem sehr allgemeinen Anfangsverdacht von der Staatsanwaltschaft mit nicht weiter determinierten Erhebungen zu einer Straftat, insbesondere ohne Nennung eines konkreten Beweisthemas beauftragt wird und das vorhandene, nicht ohne weiteres aussagekräftige Beweismaterial aufarbeitet und auf ein strafrechtliches Verdachtssubstrat hin untersucht, dann mutiert er von einem unabhängig agierenden Experten, der bei bestehender konkreter Verdachtslage zu einem Problemfeld mit Fachwissen Stellung nehmen soll, zu einem verlängerten Arm der Ermittlungsbehörden und damit funktional zu einem Organ der Ermittlungsbehörde (zur vergleichbaren Ausgangslage in der Bundesrepublik Deutschland siehe Krause in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. A. § 74 Rz 6 f; Rogall in SK-StPO § 74 Rz 19 f; BGHSt 18, 214). Je unbestimmter daher der Anfangsverdacht, je unkonkreter der Auftrag der Staatsanwaltschaft an den beigezogenen Experten, also je weniger der Beweiserhebungsauftrag den Kriterien des § 55 StPO entspricht, desto eher muss die darauf aufbauende Befundaufnahme als inhaltlich als Ermittlungstätigkeit des beauftragten Gutachters gewertet werden.

Insoweit wäre der solcherart eingesetzte Sachverständige mit einem „Anzeigegutachter“ (iSd Entscheidungen des VfGH VfSlg 10701/1985 und des EGMR im Fall Bönisch gegen Österreich) vergleichbar. Dass auch die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei zur Objektivität verpflichtet sind (§ 3 StPO), vermag daran nichts zu ändern, weil die vorangegangene funktionale Ermittlungstätigkeit für eine Verfahrensbeteiligte im nachfolgenden Hauptverfahren (§ 210 Abs 2 StPO) mit der Aufgabe, in der Hauptverhandlung als neutrale Beweisperson zu agieren, nicht in Einklang zu bringen ist (vgl Rogall in SK-StPO § 74 Rz 18).

Dies wird im § 126 Abs 4 erster Satz StPO durch die dort angeordnete sinngemäße Heranziehung des § 47 Abs 1 Z 2 StPO verdeutlicht. Wer in derselben Strafsache als Kriminalbeamter tätig war, darf nicht später als Staatsanwalt agieren und umgekehrt. Wer daher inhaltlich als Ermittlungsorgan gewirkt hat, darf nicht später als Sachverständiger einschreiten; vielmehr bewirkt eine solche funktional als Ermittlungsorgan erfolgte Vorbefassung als Befangenheitsgrund. Auf dieser Basis besteht für das erkennende Gericht eine Pflicht, das im Ermittlungsverfahren durch einen von der Staatsanwaltschaft bestellten, nicht an die Grundsätze des § 55 StPO gebundenen, einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt erst ermittelnden Experten hervorgerufene prozessuale Ungleichgewicht durch die Bestellung eines neuen Sachverständigen für das Hauptverfahren auszutarieren und damit ein faires Verfahren zu sichern. Solcherart bestehen keine verfassungsmäßigen Bedenken gegen § 126 Abs 4 letzter Satz StPO.

Dieses Neutralitätsgebot wird aber nicht schon durch jede Recherche des Sachverständigen in Frage gestellt, zumal jeder Gutachtensauftrag auf eine erst durch entsprechendes Fachwissen mögliche Klärung von Beweisfragen abzielt (Rogall in SK-StPO § 74 Rz 25). Die fundierte Gutachtenserstellung erfordert im Regelfall sogar eine eigenständige Erhebung im Rahmen der Befundaufnahme (etwa durch Beischaffung von Krankengeschichten oder eigene psychiatrische Untersuchung des Betroffenen), um eine fachkundige Aussage zu einem bereits bestehenden Verdacht betreffend eine entscheidende Tatsache (zB Schwere der Verletzung, Zurechnungsfähigkeit; Gefährlichkeit) oder zu einen[m] erheblichen Umstand (zB Aussagetüchtigkeit eines Zeugen) treffen zu können (vgl Rogall in SK-StPO § 74 Rz 25).“ Eine durchaus spannende Entscheidung. Es bleibt abzuwarten, wie in der Praxis damit umgegangen wird.

 

II. Hausarrest statt Strafvollzugsanstalt

Eine jüngste Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien hat aufhorchen lassen: Erstmals wurde in Österreich festgestellt, dass die bisher äußerst stiefmütterlich behandelte Möglichkeit, die Untersuchungshaft im Hausarrest fortzusetzen (derzeit gibt es in Österreich nur drei Personen, welchen diese Möglichkeit geboten wurde), auch dann möglich ist, wenn erstinstanzlich eine Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe vorliegt und der Sicherungszweck der Untersuchungshaft nicht durch gelindere Mittel erreicht werden kann. Im Konkreten wurde einem wegen eines Wirtschaftsdeliktes zu einer mehrjährigen Haftstrafe erstinstanzlich Verurteilten trotz bestehender Fluchtgefahr der elektronisch überwachte Hausarrest gewährt. Die Untersuchungshaft wurde im gegenständlichen Fall bereits mehrfach verhängt und wieder aufgehoben. Bereits vor seiner ersten Verurteilung wurde die Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr verhängt, allerdings gegen eine Kaution und Abgabe von Reisedokumenten wieder aufgehoben. Nach der ersten Verurteilung wurde er neuerlich in Untersuchungshaft genommen, da er trotz einer dem Gericht angekündigten, aber von diesem nicht genehmigten, Auslandsreise für 48 Stunden verreiste, wiewohl er sich nach der Rückkehr sofort bei der Polizei meldete. Dennoch ging das Gericht von einem Weisungsbruch aus und verhängte neuerlich die Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin auch den Verfall der Kaution. Die Verteidigung stellte daraufhin den Antrag nach § 173a StPO, den Vollzug der Untersuchungshaft im elektronisch überwachten Hausarrest fortzusetzen. Dem Antrag wurde Folge gegeben, der Beschuldigte kam auch in den elektronisch überwachten Hausarrest, jedoch legte die Staatsanwaltschaft dagegen Beschwerde ein, im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Fußfessel nur denjenigen sozial integrierten Personen zu gewähren sei, die eine voraussichtlich zwölf Monate nicht übersteigende Strafzeit zu verbüßen haben. Die mit Spannung erwartete Entscheidung des OLG Wien gab der Beschwerde keine Folge und stellte erstmalig klar, dass der Anwendung des Hausarrestes nach § 173a StPO keine formalen Gründe entgegenstünden, da die Bestimmung des § 156c Abs 1 StVG, wonach der Vollzug einer Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes nur bewilligt werden könne wenn die verbüßende Strafzeit zwölf Monate nicht übersteige, sich ausschließlich auf den Strafvollzug beziehe, womit ein rechtskräftiges Urteil vorliegen müsse. Der Beschwerde wegen des Verfalls der Kaution wurde deshalb nicht Folge gegeben, da durch die freiwillige Rückkehr des Beschuldigten sowie der sofortigen Meldung bei der Polizei kein Versuch, sich dem Verfahren zu entziehen vorgelegen habe.

Mit dieser Entscheidung soll und kann es nunmehr ermöglicht werden, dass sich in Untersuchungshaft befindliche, zu mehrjährigen Haftstrafen erstinstanzlich Verurteilte, die Untersuchungshaft im elektronisch überwachten Hausarrest verbringen können. Dies hat den entscheidenden Vorteil, dass diese die rechtskräftige Entscheidung des gerade in Wirtschaftsstrafsachen lange dauernden Rechtsmittelverfahrens nicht in einer Justizvollzugsanstalt abwarten müssen, bzw durch die Anrechnung der Vorhaftzeit möglicherweise überhaupt nicht mehr in Strafhaft müssen, da diese „in Freiheit“ durch die Fußfessel bereits verbüßt wurde. (Michael Dohr war an dem Verfahren als Verteidiger beteiligt.)

III. Aktuelle Rechtsprechung Strafrecht

1. § 5 StGB (§§ 9, 302 Abs. 1 StGB)

Irrtum über normatives Tatbestandsmerkmal schließt Vorsatz aus. = EvBl -LS 2013/116

Irrt der Täter über den sozialen Bedeutungsgehalt des normativen Tatbestandsmerkmals „Befugnismissbrauch“, kommt wissentlicher Befugnismissbrauch, mithin die Erfüllung des Tatbestands, nicht in Betracht. Ob der Irrtum vorwerfbar ist, spielt keine Rolle. (OGH 27. 5. 2013, 17 Os 1/13w)

Sachverhalt:

Die Nichtanzeige einer konsenslosen Bauausführung durch einen Bürgermeister kann Missbrauch der Amtsgewalt sein.

Der Bürgermeister einer Gemeinde wurde strafgerichtlich wegen Missbrauchs der Amtsgewalt verurteilt, weil er es unterließ, eine konsenslose Bauausführung bei der BH anzuzeigen. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Bürgermeisters hatte keinen Erfolg.

OGH: Der Einwand, „nur ein sogenanntes gezieltes Untätigbleiben“ sei im Fall der Begehung durch Unterlassen strafbar, dies sei „bei rechtlicher Unkenntnis oder eben bei gutem Glauben“ nicht der Fall, verfehlt die Bezugnahme auf die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite, nach welchen der Beschwerdeführer „die Bauwerberin K GmbH“ „offensichtlich“ „nicht anzeigen wollte“ und er „wusste“, „dass seine Untätigkeit dazu führen kann, dass die Gesetzwidrigkeit ungeahndet bleibt“.

Es trifft zwar grundsätzlich zu, dass die Verwaltungsbehörde im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 1b VStG keine Anzeigepflicht wegen von ihr (im Rahmen ihrer Vollzugsaufgaben) wahrgenommener Verwaltungsübertretungen trifft. Dies ist – wenn (wie hier ausschließlich) die Verletzung einer derartigen Anzeigepflicht den Gegenstand des Vorwurfs des Missbrauchs der Amtsgewalt bildet – bereits bei Prüfung des Befugnismissbrauchs, also auf der (objektiven) Tatbestandsebene zu prüfen und durch entsprechende Tatsachenfeststellungen zu klären. Auf solche nimmt das zu diesem Thema erstattete Vorbringen mit der bloßen Rechtsbehauptung einer Anwendbarkeit des § 21 Abs. 2 VStG jedoch ebenso wenig Bezug, wie es einen Feststellungsmangel in diesem Zusammenhang geltend macht.

2. § 31 Abs. 2 StGB (§ 31 a StGB; § 2 StRegG; § 4 Abs. 5 TilgG; §§ 6 ff. ABGB)

Ausländische Verurteilungen bei der Strafrahmenbildung = EvBl 2013/108

OGH 24. 4. 2013, 15 Os 102/12 g; 103/12 d (OLG Wien 19 Es 42/12 h; LGSt Wien Sa Vr 11197/ 98).

Grundlegende Klarstellung des Senats 15 zur Einbeziehung ausländischer Verurteilungen bei der Strafrahmenbildung zwecks Sicherstellung der Vorteile des Absorptionsprinzips und tilgungsrechtlicher Folgen.

Leitsatz:

§ 31 Abs. 2 StGB (§ 31a StGB; § 2 StRegG; § 4 Abs. 5 TilgG; §§ 6 ff. ABGB)

Da der Gesetzgeber die autonome Anpassung rechtskräftiger ausländischer gerichtlicher Entscheidungen an die konkret aktuellen österreichischen Strafsätze und Strafbemessungsgrundsätze zwar im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Gerichte geregelt, eine solche Anpassung jedoch nicht auch im Kontext des StRegG oder des TilgG vorgesehen, sondern bloß die Berücksichtigung früherer ausländischer Entscheidungen in einem späteren inländischen Strafverfahren wegen einer anderen Tat angeordnet hat, kann ihm nicht unterstellt werden, er habe eine solche Entscheidungsbefugnis in Bezug auf im österreichischen Strafregister erfasste (zeitlich spätere) ausländische Verurteilungen bloß versehentlich nicht geregelt.

Sachverhalt:

Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2.2.1999, 8a E Vr 11197/98, wurde der nigerianische oder liberianische Staatsangehörige Junior U des am 9.9.1998 in Wien begangenen Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. In weiterer Folge wurde Junior U mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Passau vom 12.10.1999, 4 Ls 313 Js 5746/98, wegen von Februar bis März 1998 in Passau begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tatmehrheitlichen Fällen unter Anwendung der §§ 1, 2, 3, 29a I Nr. 2 dBtMG und §§ 53, 54 dStGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Landesgericht für Strafsachen Wien wies mit Beschluss vom 12.1.2012 den zu 8a E Vr 11197/98 unter Berufung auf § 31a StGB gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft auf Feststellung, dass die Verurteilung vom 2.2.1999 im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB zur Verurteilung des Amtsgerichts Passau vom 12.10.1999 stehe, ab. Mit Beschluss vom 26.3.2012, 19 Bs 42/12h, gab das Oberlandesgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft nicht Folge. Es lehnte die begehrte Feststellung unter Hinweis auf den Wortlaut des § 31 Abs. 1 erster Satz StGB ab. Der Oberste Gerichtshof hat die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes der Generalprokuratur verworfen.

Aus den Gründen:

Vorbringen der Generalprokuratur

„Wäre die Folgeverurteilung durch ein österreichisches Gericht erfolgt, so hätte dieses die §§ 31 Abs 1 und 40 StGB anzuwenden gehabt, weil die dem Urteil des Amtsgerichts Passau zugrunde liegenden Taten zeitlich vor dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2.2.1999 lagen und demgemäß schon mit dem früheren Urteilen hätten abgeurteilt werden können. Deutsche Gerichte können nach § 55 dStGB nur auf frühere dt Urteile Bedacht nehmen (vgl MünchKommStGB/v. Heintschel-Heinegg § 55 Rn 11). Österr Gerichte können gem § 31 Abs 2 StGB auch auf ausländische Urteile Bedacht nehmen, wenn sie zeitlich vor dem inländischen gefällt wurden. Aufgrund der in § 73 StGB normierten grundsätzlichen Gleichstellung von ausländischen und inländischen Verurteilungen ist das durch § 31 Abs 1 StGB geknüpfte Band aber auch dann von Amts wegen wahrzunehmen, wenn ein ausländisches Urteil zeitlich dem inländischen folgt. Der Argumentation des Oberlandesgerichts Wien, das Landesgericht für Strafsachen Wien habe zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf das noch gar nicht ergangene Urteil des Amtsgerichts Passau nicht Bedacht nehmen können, sodass eine nachträgliche Milderung der Strafe nach § 31a StGB im Verfahren 8a Hv 7075/98 LGSt Wien nicht in Betracht komme, und § 4 Abs 5 TilgG stelle auf das tatsächliche Verhältnis von Verurteilungen zueinander und nicht auf die Tatsache der Anwendung des § 31 StGB in einem Strafurteil ab (RIS-Justiz RS0117522), ist zwar beizupflichten, doch verlangt schon die bloße Feststellung der Tatsache, dass Verurteilungen zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehen, die Durchführung des in § 410 StPO geregelten Verfahrens. Selbst dann, wenn zu einer Reduktion der im Nach-Urteil verhängten Strafe keine Veranlassung besteht oder eine solche – wie hier – gar nicht in Betracht kommt, ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 31 StGB zu deklarieren und dies gem § 5 Abs 1 StRegG dem Strafregisteramt mitzuteilen (RIS-Justiz RS0107405; RS0090727; Ratz in WK2 § 31a Rz 11 zweiter Absatz; Lässig, WK-StPO § 410 Rz 2 mwN). Eine solche Feststellung kann nach Lage des Falles unter analoger Heranziehung der Bestimmungen des § 31a StGB und des § 410 StPO zugunsten des Verurteilten nur im – zeitlich vorangegangenen – Inlandsverfahren erfolgen. Die Entscheidungen des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien haben sich für den Verurteilten nachteilig ausgewirkt (§ 4 Abs 5 TilgG; vgl Kert, WK-StPO TilgG § 4 Rz 29 ff).“

Erwägungen des OGH

„§ 31 Abs 1 StGB zufolge ist eine Zusatzstrafe zu verhängen, wenn jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist, wegen einer anderen Tat verurteilt wird, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können. Einer früheren inländischen Verurteilung steht eine frühere ausländische Verurteilung auch dann gleich, wenn die Voraussetzungen nach § 73 StGB nicht vorliegen (Abs 2 leg cit). Die von der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes angestrebte Berücksichtigung der zeitlich nach dem gegenständlichen Inlandsverfahren erfolgten ausländischen Verurteilung widerspricht somit dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Eine durch Analogie schließbare Gesetzeslücke liegt vor, wenn die aus der konkreten gesetzlichen Regelung hervorleuchtenden Zwecke und Werte die Annahme nahelegen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen. Ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich diesem obläge, steht den Gerichten nicht zu (RIS-Justiz RS0008866 [T 9, T 10, T 16 und T 18]). Die Regelung des § 31 StGB bezweckt, dem sich aus § 28 Abs 1 StGB ergebenden Absorptionsprinzip des materiellen Strafrechts ohne Durchlöcherung der Rechtskraft (auch des Strafausspruchs) der ersten Entscheidung in jenen Fällen zum Durchbruch zu verhelfen, in welchen ein Angeklagter, gegen den bereits ein Strafurteil ergangen ist, einer anderen, vor dessen Fällung begangenen (realkonkurrierenden) strafbaren Handlung schuldig befunden wurde, um eine in der getrennten Verfahrensführung bestehende Benachteiligung des Täters durch ein österreichisches Gericht zu vermeiden. Demnach ist zu prüfen, inwieweit die ursprünglich verhängte Strafe strenger ausgefallen wäre, wenn die nun zur Aburteilung kommende Straftat in den Schuldspruch miteinbezogen worden wäre. Eine allfällige Differenz ist als Zusatzstrafe zu verhängen. Die Summe der Strafe darf das Höchstmaß dessen nicht überschreiten, was bei gleichzeitiger Aburteilung aller Taten hätte verhängt werden dürfen. Die Zusatzstrafe darf auch nach Art und Dauer nicht strenger sein, als es für die später abgeurteilte Tat allein zulässig ist (vgl 30 BlgNR 23. GP 116 und 119 f; Ratz in WK2 § 28 Rz 2 f, § 31 Rz 1, 7 und 12). Zur Korrektur der im Vor-Urteil verhängten Strafe berechtigt § 31 StGB nicht (Ratz, aaO § 31 Rz 17). § 31a Abs 1 StGB verpflichtet das Gericht, die Strafe angemessen zu mildern, wenn nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, die zu einer milderen Bemessung der Strafe geführt hätten. Schon die bloße Feststellung der Tatsache, dass Verurteilungen zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehen, verlangt die Durchführung eines darauf bezogenen Verfahrens. Auch dann, wenn zu einer Reduktion der im Nach-Urteil verhängten Strafe letztlich keine Veranlassung besteht, ist sie nunmehr als Zusatzstrafe zu deklarieren und diese Tatsache dem Strafregisteramt mitzuteilen (RIS-Justiz RS0107405; Ratz in WK2 § 31a Rz 11). Im deutschen Recht sind ausländische Strafen wegen des damit verbundenen Eingriffs in ihre Vollstreckbarkeit nicht gesamtstrafenfähig (MünchKommStGB/v.Heintschel-Heinegg § 55 Rn 11). Anhaltspunkt dafür, dass der österreichische Gesetzgeber dem Absorptionsprinzip auch in Bezug auf nachfolgende ausländische Verurteilungen zum Durchbruch verhelfen wollte, finden sich nicht. Den inländischen Gerichten ist in solchen Fällen – mangels Grundlage zur Fällung eines eigenständigen Schuld- oder Strafausspruchs über die im Ausland abgeurteilte Tat – nicht möglich, iSd §§ 31 und 40 StGB autonom zu prüfen, inwieweit überhaupt eine Zusatzstrafe (als Differenz zur nach den Strafzumessungskriterien der österreichischen Strafgesetze gedachten Gesamtstrafe) zu verhängen wäre, wenn die erst später im Ausland zur Aburteilung gekommene (frühere) Straftat in den Schuldspruch miteinbezogen worden wäre. Eine im Wege nachträglicher Strafmilderung im vorangehenden inländischen Verfahren ausgesprochene Deklarierung der erst später im Ausland verhängten Strafe als Zusatzstrafe widerspräche zudem der expliziten Ablehnung der Durchlöcherung der Rechtskraft dieser ersten Entscheidung durch den Gesetzgeber (vgl 30 BlgNR 23. GP 120). Vielmehr könnte eine dem Absorptionsprinzip Rechnung tragende Entscheidung eines inländischen Gerichts nur in einem zeitlich späteren und vom ersten verschiedenen Verfahren wegen einer vom ersten Urteil noch nicht erfassten Straftat erfolgen, etwa bei – nach Maßgabe der §§ 62 ff StGB; Art 50 GRC und Art 54 SDÜ zulässiger – Verfolgung der bereits im Ausland abgeurteilten Tat auch im Inland. Ein Verfahren zur autonomen Anpassung von der inländischen Verurteilung zeitlich nachfolgenden ausländischen Verurteilungen an das österreichische Recht zur Vermeidung von tilgungsrechtlichen Nachteilen im Zusammenhang mit gem § 2 Abs 2 Z 2 und 3 StRegG in das österreichische Strafregister aufgenommenen rechtskräftigen Verurteilungen ausländischer Strafgerichte (vgl §§ 1, 3 und 4 TilgG; Kert, WK-StPO TilgG § 4 Rz 31 ff) kennt das Gesetz nicht. Da der Gesetzgeber die autonome Anpassung rechtskräftiger ausländischer gerichtlicher Entscheidungen an die konkret aktuellen österreichischen Strafsätze und Strafbemessungsgrundsätze (vgl Martetschläger in WK2 ARHG § 65 Rz 1) zwar im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Gerichte geregelt (§§ 65 ff ARHG), eine solche Anpassung jedoch nicht auch im Kontext des StRegG oder des TilgG vorgesehen, sondern bloß die Berücksichtigung früherer ausländischer Entscheidungen in einem späteren inländischen Strafverfahren wegen einer anderen Tat angeordnet hat (§ 31 Abs 2 StGB), kann ihm nicht einfach unterstellt werden, er habe eine solche Entscheidungsbefugnis in Bezug auf im österreichischen Strafregister erfasste (zeitlich spätere) ausländische Verurteilungen bloß versehentlich nicht geregelt.“

Hinweis:

  • § 31a StGB meint alle nicht von der Wiederaufnahme erfassten, für die Strafbemessung relevanten, also auch (bloß) den Strafrahmen betreffende Tatumstände. Den Strafsatz betreffende Tatumstände, welche Gegenstand der Wiederaufnahme sind (§ 353 Z. 2 StPO), kommen nicht in Betracht. § 31 StGB betrifft den Strafrahmen, anders als § 40 StGB, wo die Strafbemessung innerhalb eines nach § 31 StGB gebildeten Strafrahmens geregelt wird.
  • Unter dem in § 260 Abs. 1 Z. 1 StPO erwähnten Begriff Strafsatz versteht die StPO die rechtsrichtige Subsumtion und spricht damit die rechtliche Kategorie einer strafbaren Handlung i.S.d. § 28 Abs. 1 StGB an. § 281 Abs. 1 Z. 11 erster Fall StPO meint mit dem Begriff Strafbefugnis den für die Strafbemessung zur Verfügung stehenden Strafrahmen. Strafdrohung meint sowohl Strafsatz wie Strafrahmen, bildet also den (demnach unspezifischen) Überbegriff.
  • Aus § 281 Abs. 1 Z. 11 erster Fall StPO relevant sind nur jene die Strafbefugnis bestimmenden Umstände, welche nicht bereits Gegenstand zulässiger Anfechtung des Schuldspruchs (§ 260 Abs. 1 Z. 2 StPO) sind. Wird nicht Freispruch begehrt, aber der Strafsatz angefochten, geschieht dies daher stets aus § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. Ist nämlich Anfechtung aus Z. 10 zulässig, kommt Z. 11 nicht in Frage, weil das Berufungsgericht nach § 295 Abs. 1 erster Satz StPO an den Schuldspruch (§ 260 Abs. 1 Z. 2 StPO) gebunden ist und Umstände der Z. 11 auch Berufungsgegenstand sind.
  • Da § 29 StGB als Subsumtionseinheit sui generis bereits Gegenstand des Schuldspruchs (§ 260 Abs. 1 Z. 2 StPO) ist, Z. 10 aber der Z. 11 vorgeht, sind auch in Betreff dieser Subsumtionseinheit relevante Umstände entscheidende Tatsachen i.e.S. und Gegenstand der Subsumtions-, nicht erst der Sanktionsrüge.
  • Den Strafrahmen determinierende Umstände, welche nicht zugleich die rechtliche Kategorie, welcher subsumiert wurde (§ 260 Abs. 1 Z. 2 StPO), bestimmen, sind hingegen Gegenstand der Z. 11 erster Fall. Dazu gehören jedenfalls §§ 28, 30, 31, 36 StGB, die mangels anderslautender Regelungen auch im Nebenstrafrecht gelten (Art. 1 Abs. 1 StRAG). Da § 65 Abs. 2, § 278d Abs. 1 letzter Satz, § 286 Abs. 1 zweiter Satz, § 287 Abs. 1 zweiter Satz StGB nicht Gegenstand der rechtlichen Unterstellung (§ 260 Abs. 1 Z. 2 StPO) sind, vielmehr bloß die Strafbefugnis determinieren, sind auch sie Gegenstand der Z. 11 erster Fall. Gleiches gilt für § 5 Z. 2 bis 4 JGG. [Glosse des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Dr. Eckart Ratz]

3. § 263 StPO (§§ 276a, 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO)

Anklageausdehnung wegen einer anderen Tat erst in wiederholter Hauptverhandlung = EvBl-LS 2013/123

OGH 11. 4. 2013, 12 Os 102/12 k

Sowohl die Einbringung des Strafantrags innerhalb der Frist nach § 263 Abs. 4 StPO in einem anderen Verfahren (RIS-Justiz RS0097115) als auch der Vortrag des Strafantrags in einer neu durchgeführten Hauptverhandlung stehen einer Verschweigung entgegen.

Der Angeklagte war des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 und 2 vierter Fall StGB sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs. 1 StGB schuldig erkannt worden. Seine u.a. aus Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom OGH verworfen.

Der Senat 12 stützt seine – die Ansicht von Lewisch, WK-StPO § 263 Rz. 66, ablehnende – Auffassung auf SSt 28/13. Danach zielt § 263 StPO darauf ab, dass über alle bis zur Urteilsfällung bekannt gewordenen Taten ein und desselben Angeklagten mit einem Urteil entschieden werde. Nach Lewisch genügt Anklageausdehnung in einer neu durchgeführten Hauptverhandlung § 263 StPO ebenso wenig wie Anklageausdehnung nach Urteilsaufhebung und Rückverweisung, weil eine nach § 276a StPO nicht bloß fortgesetzte, sondern neu durchgeführte Hauptverhandlung (HV) nicht die HV sei, „bei“ welcher der Angeklagte i.S.d. § 263 StPO „noch einer anderen Tat beschuldigt“ worden sei. [Glosse des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Dr. Eckart Ratz]

4. § 281 Abs. 1 Z. 8 StPO (§ 12 StGB; §§ 262, 314 Abs. 1 StPO)

Keine Belehrungsobliegenheit bei Mittäterschaft statt angeklagter Alleintäterschaft = EvBl – LS 2013/124

OGH 20. 3. 2013, 15 Os 16/13 m

Annahme von Mittäterschaft anstelle der vom Ankläger angenommenen unmittelbaren Alleintäterschaft begründet keine unter Nichtigkeitssanktion nach § 281 Abs. 1 Z. 8 StPO stehende Belehrungsobliegenheit aufgrund geänderter rechtlicher Gesichtspunkte i.S.d. § 262 StPO.

Der Angeklagte war u.a. angeklagt worden, als unmittelbarer Alleintäter mehrere Diebstähle durch Einbruch begangen zu haben. Das Schöffengericht ging – abweichend davon – von Mittäterschaft aus. Der OGH hat die ua aus Z. 8 des § 281 Abs. 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zurückgewiesen.

Mittäterschaft ist ein (von Lehre und Rspr. definierter) Fall von unmittelbarer Täterschaft nach § 12 erster Fall StGB. Unmittelbarer Täter ist, wer die Tatbestandsbeschreibung erfüllt. Mittäter erfüllen – allerdings mit dem Vorsatz auf Zusammenwirkung mit anderen – bloß einen Teil der Tatbestandsbeschreibung. Das Gesetz unterscheidet jedoch, anders als zwischen unmittelbarem Täter, Bestimmungstäter und (sonstigem) Beitragstäter (§ 12 erster bis dritter Fall StGB), nicht zwischen Mittäter und Alleintäter. Während der OGH bei von der Anklage abweichender Beteiligung i.S.d. § 12 StGB unter Nichtigkeitssanktion stehende Belehrungsobliegenheit annimmt, verneint er dies – soweit ersichtlich – hier erstmals in Betreff der Unterscheidung von Allein- und Mittäter. [Glosse des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Dr. Eduard Ratz]

 

IV. Aktuelles aus dem Finanzstrafrecht

1. Tatbegriff bei Hinterziehung von Eingangsabgaben

Bewirkt der Anmelder durch wahrheitswidrige Angaben in der Zollanmeldung eine Verkürzung an Eingangsabgaben, so ist die Abgabe dieser (unrichtigen) Zollanmeldung (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) selbständige Tat im materiellen Sinn und solcherart kleinstes Sachverhaltselement. Demgemäß muss bei einem Schuldspruch nach § 35 Abs. 2 FinStrG jede einzelne inkriminierte Zollanmeldung durch subsumtionstaugliche Feststellungen individualisiert werden, womit bei Tatmehrheit die bloß pauschale Konstatierung des gesamten strafbestimmenden Wertbetrags nicht hinreicht (OGH 16. 5. 2013, 13 Os 30/13f).

2. Verjährung illegaler Bargeldtransfers über die Grenze

Entgegen der in der Literatur vertretenen Ansicht kommt es für den Beginn der finanzstrafrechtlichen Verfolgungsverjährung von Finanzvergehen i.S.d. § 48b FinStrG nicht darauf an, ob die abgabenrechtliche bzw. zollrechtliche Pflicht noch aufrecht ist, sondern es ist auf jenen Zeitpunkt abzustellen, ab dem die strafbare Unterlassung beendet ist. Bei § 48b FinStrG handelt es sich um kein Dauerdelikt, sondern um ein Zustandsdelikt, das mit Verlassen des Ein- bzw Ausreiseorts in die bzw. aus der EU ohne Anmeldung von Barmitteln von mindestens Euro 10.000,- vollendet und beendet ist. Damit beginnt aber auch die Verjährungsfrist zu laufen, auch wenn aus zollrechtlicher Sicht die Anmeldepflicht noch fortbestehen mag (Leitner/Salfer, Verjährung der Verletzung von Verpflichtungen im Bargeldverkehr, SWK 2013, 407; a.A. Twardosz/Schratter, Verjährung illegaler Bargeldtransfers über die Grenze, SWK 2013, 35).

3. Definition der Tat i.S.d. § 33 Abs. 1 FinStrG i.Z.m. KESt-Verkürzungen

Die KESt ist eine selbst zu berechnende Abgabe, womit die Abgabenschuld (anders als bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben) nicht infolge eines individuellen Verwaltungsakts, sondern unmittelbar aufgrund des Gesetzes entsteht. Gemäß § 96 Abs. 1 Z. 1 lit. a EStG ist diese Abgabe binnen einer Woche nach Zufließen der Kapitalerträge i.V.m. einer entsprechenden Anmeldung (§ 96 Abs. 3 EStG) unter der Bezeichnung „Kapitalertragsteuer“ abzuführen. Selbständige Tat i.S.d. § 33 Abs. 1 FinStrG ist daher insoweit das Unterlassen der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen KESt-Abfuhr unter Verletzung der diesbezüglichen Anmeldungspflicht (Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 32; OGH 22. 11. 2012, 13 Os 107/12b [13 Os 108/12z]).

Autorinnen und Autoren

  • Mag. Katrin Ehrbar
    RA Mag. Katrin Ehrbar verfügt über jahrelange Erfahrung in der Führung auch sehr komplexer, grenzüberschreitender, multijurisdiktioneller, strafrechtlicher und zivilrechtlicher Prozesse. Sie hat in den renommierten Wirtschaftsgroßkanzleien DLA Piper Weiss Tessbach und Wolf Theiss viele Jahre bekannte Wirtschaftsstrafcausen betreut und sich 2009 mit einer Rechtsanwaltskanzlei, spezialisiert auf Wirtschaftsstrafrecht, selbständig gemacht.
  • Mag. Phillip Bischof
    RA Mag. Josef Phillip Bischof ist selbständiger Rechtsanwalt in Wien, Gründungs- und Vorstandsmitglied der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen, Generalsekretär des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie, langjähriger Verteidiger in Straf- und Wirtschaftsstrafsachen. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er durch Filme bzw. Dokumentationen über aufsehenerregende Prozesse, in denen er als Verteidiger auftrat, wie „Operation spring“ oder „der Prozess“, bekannt.
  • MMag. Dr. Michael Dohr, LL.M., LL.M.
    MMag. Dr. Michael Dohr, LLM, LLM ist seit 2007 Rechtsanwalt und Gesellschafter der Rechtsanwaltskanzlei Sommerbauer & Dohr in Wiener Neustadt. Der promovierte Jurist absolvierte neben dem Studium der Politikwissenschaften auch die Masterstudienlehrgänge "Europarecht" und "Deutsches Recht". Er vertritt nicht nur in großen Wirtschaftsstrafverfahren sondern erlangte durch Prozesse, denen eine starke mediale Aufmerksamkeit zuteil wurde, wie dem "Tierschützerprozess" oder dem "Alpen Donau Prozess", Bekanntheit.

WiJ

  • Dr. Elias Schönborn , Jan Uwe Thiel

    Gesetzliche Regelungen zur Handy-Sicherstellung sind verfassungswidrig (Österreich)

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Tino Haupt

    Der Zugriff auf Fahrzeugdaten aus strafprozessualer Perspektive

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Florian Neuber

    Verteidigung ohne Grenzen?

    Internationales Strafrecht