Dr. Markus Rheinländer

Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, § 299 StGB – Gedanken zur Bestimmung der Grenzen des Anwendungsbereichs der Norm

I. Die Fragestellung

Auch heute – über eineinhalb Jahrzehnte nach dem Transfer des damaligen § 12 UWG in das Strafgesetzbuch und etwa neun Jahre nach seinem Erwachen aus dem Dornröschenschlaf[1] – ist die aktuelle Vorschrift des § 299 StGB Gegenstand lebhafter Diskussion. Immer noch bestehen offene Fragen nach den Grenzen des Anwendungsbereichs. Die ungeklärten Aspekte sind dabei keineswegs „akademische Randprobleme“, sondern handfeste rechtliche Unsicherheiten mit gravierenden Auswirkungen, die nicht nur über die Strafbewehrung des Verhaltens einzelner entscheiden, sondern darüber hinaus über Verfall und Gewinnabschöpfung als unter Umständen wirtschaftliche schwerwiegende Konsequenzen für Unternehmen. Aus den vielfältigen aktuellen Fragestellungen greift der folgende Beitrag zwei Aspekte heraus:

Werden Vorteile, die dem (Anstellungs-)Betrieb selber zugute kommen, von der Strafbewehrung erfasst und bejahendenfalls unter welchen Umständen?

Welche rechtliche Bedeutung hat die Zustimmung des Geschäftsherrn bei „Vorteilsannahmen“ durch Angestellte und Beauftragte?

 

II. Der rechtliche Ausgangspunkt

§ 299 StGB verlangt in seinen Absätzen 1 und 2 jeweils das Versprechen, die Gewährung bzw. die Annahme eines Vorteils. Nach dem Gesetzeswortlaut reicht es für die Erfüllung des Tatbestandes aus, dass der Vorteil einem Dritten zugute kommt (sog. Drittvorteil); eine unmittelbare oder auch nur mittelbare Besserstellung des Angestellten/Beauftragten selbst wird nicht verlangt. Da der Kreis der tatbestandlich erfassten Dritten im Gesetzeswortlaut nicht eingeschränkt ist, kommt als tauglicher Dritter prinzipiell auch der Anstellungsbetrieb des (korrumpierten) Angestellten bzw. der Auftraggeber des (korrumpierten) Beauftragten in Betracht[2] – und genau hier liegt das Problem: Denn vor diesem Hintergrund droht die Kriminalisierung prinzipiell erwünschten Verhaltens. Zur Verdeutlichung der Problematik werden in der Literatur meist Beispiele der folgenden Art herangezogen:

Der angestellte Einkäufer eines Einzelhandelsunternehmens macht den Kauf einer Ware gegenüber dem Lieferanten davon abhängig, dass dieser zusätzlich weitere Artikel dieser Ware oder andere Artikel unentgeltlich „drauflege“ (Zugabe) oder er feilscht im Interesse seines Geschäftsherrn um erhebliche Preisnachlässe (Rabatte). Nach dem derzeit herrschenden Verständnis des § 299 StGB lassen sich diese Fälle unter den Tatbestand subsumieren.

III. Die „Schieflage“

Dass ein solches Resultat nicht richtig sein kann, hat bereits Winkelbauer festgestellt. „Werden Vergütungen“, so Winkelbauer, „zu Gunsten des Geschäftsherrn geltend gemacht, gehört dies im Zweifel zu den Dienstaufgaben des Marktleiters und ist nicht zu beanstanden.[3] In die gleiche Richtung geht die Kritik von Odenthal, der Vorteile zugunsten des Anstellungsbetriebes bzw. des beauftragenden Unternehmens aus dem Anwendungsbereich des § 299 StGB dann heraushalten will, wenn „der Angestellte oder Beauftragte nicht für sich persönlich, sondern im Rahmen seines Verantwortungs- und Aufgabenbereichs für den Betrieb handelt“[4]. Nach Fischer „sollen Fälle, in denen z.B. ein Angestellter für die Bevorzugung eines Lieferanten Gegenleistungen für seinen Geschäftsherrn (z.B. Rabatte) fordert, vom Tatbestand ausgeschlossen sein, wenn nur arbeitsvertragliche Pflichten erfüllt werden“[5]. In der aktuellen Auflage seiner Kommentierung vertritt Fischer die Auffassung, dass es in Fällen dieses Zuschnitts an der Unlauterkeit fehlen könne.[6] Diese Kritik ist berechtigt.

Auch gesetzliche Wertungen an anderer Stelle stützen die vorgenannten kritischen Einwände: Beispielsweise auf den Arzneimittel- und Medizinproduktemärkten gestattet § 7 des Heilmittelwerbegesetzes trotz eines weitgehenden Zugabeverbots ausdrücklich die Einräumung von Mengen- und Preisrabatten. Es würde sich dem Verständnis entziehen, wenn gerade auf jenem Sektor – der aus nachvollziehbaren Gründen engmaschig reglementiert ist – spezialgesetzlich Wettbewerbsformen toleriert würden, die auf „liberaleren Märkten“ durch § 299 StGB pönalisiert sind. Vom gesetzlichen Telos her ist Winkelbauer, Odenthal und Fischer daher – zunächst im Ergebnis – zuzustimmen.

 

IV. Bisherige Lösungsansätze

Obwohl die Ergebnisse der vorstehend wiedergegebenen Literaturmeinungen unmittelbar einleuchten, sind die Einschränkungen des tatbestandlich eröffneten Anwendungsbereichs jedoch von außen an die Strafvorschrift herangetragen. Denn die Feststellung von Diemer/Krick, eine Ausklammerung des Anstellungsbetriebes aus dem Kreis der tatbestandlichen Dritten finde im Wortlaut der Norm keine Stütze,[7] ist kaum zu widerlegen. Und schließlich will es – vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Tatbestandsinterpretation – dogmatisch nicht recht einleuchten, dass die Tatbestandsmäßigkeit unter Hinweis auf die Wahrung von Interessen des Geschäftsherrn in Abrede gestellt wird, wenn die Interessen des Geschäftsherrn – jedenfalls seit RGSt 48, 291 – vom Tatbestand überhaupt nicht geschützt werden (sollen); ihre Verletzung also nicht Bestandteil des für § 299 StGB konstitutiven Unrechts ist. Ist danach die Gefährdung oder Verletzung von Interessen des Geschäftsherrn nicht Teil des pönalisierten Tatbildes, kann umgekehrt die Wahrung jener Interessen der Tatbestandsmäßigkeit bzw. der Strafbewehrung nicht entgegenstehen.

V. Unlautere Bevorzugung im Wettbewerb als Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des Anwendungsbereichs?

Im Rahmen der komplexen Unrechtsbeschreibung des § 299 StGB bietet sich jedoch das Merkmal der „Bevorzugung im Wettbewerb in unlauterer Weise“ als Anknüpfungspunkt zur genaueren Bestimmung der tatbestandlichen Reichweite an, insbesondere der Gesichtspunkt jener „Unlauterkeit“ wird in einer Vielzahl von Fällen helfen können, zwischen strafwürdigen und strafbaren Fällen einerseits und straflosen Konstellationen andererseits zu unterscheiden.

Das strafrechtliche Schrifttum scheint nahezu einhellig davon auszugehen, dass die Unlauterkeit im Sinne des § 299 StGB einerseits „nicht identisch“[8] oder zumindest „nicht völlig deckungsgleich“[9] mit § 3 UWG sei und andererseits das Merkmal der Unlauterkeit in § 299 StGB nicht zur Abgrenzung von straflosem und strafbarem Verhalten beitrage. Das Merkmal der Unlauterkeit habe, so eine weit verbreitete Auffassung,[10] jedenfalls neben der Unrechtsvereinbarung keine eigenständige Bedeutung.

Die Annahme einer jedenfalls nicht vollständigen Deckungsgleichheit mit § 3 UWG mag dabei ebenso berechtigt sein wie die Erkenntnis einer fehlenden Selektionswirkung, sofern man nur mit der im Strafrecht ganz herrschenden Auffassung die Unlauterkeit im Sinne von § 299 StGB reduziert auf eine kausale (genau genommen: finale) Verknüpfung von Vorteil und Bevorzugung“[11]. Denn ein solcher Nexus wiederum liegt in der Tat bereits vor, wenn nach dem Verständnis der Beteiligten der (Gedanke an den) Vorteil zur Vergabe eines Auftrages führt. Und tatsächlich ist hiermit die fehlende Abgrenzungsfunktion des Merkmals evident, denn wegen Verstoßes gegen § 299 StGB wird ohnehin nur ermittelt, wenn einerseits ein Vorteil in Aussicht gestellt oder gewährt wurde und es andererseits entweder zu einer Auftragsvergabe gekommen ist oder diese von den Tatbeteiligten erwartet wurde.[12] Fälle fehlender Unlauterkeit sind daher kaum denkbar, sobald ein (zumindest in Aussicht gestellter) Vorteil „im Spiel ist“.

VI. Das neue Wettbewerbsverständnis des UWG

Wenn die Literatur argumentiert, Unlauterkeit in § 299 StGB meine nicht zwangsläufig jene wettbewerbsrechtliche im Sinne von § 3 UWG, so darf doch eine solche Entkoppelung vom Wettbewerbsrecht nicht zu der Annahme verleiten, dass die strafgesetzlichen Wertungen oder genauer ihre Interpretation durch den Normadressaten ohne eine „Verprobung“ der gefundenen Ergebnisse anhand der Regeln des Wettbewerbsrechts auskomme. Denn es liegt auf der Hand, dass ein Tatbestand, der nach aktueller Auffassung ausschließlich das überindividuelle Rechtsgut des (fairen) Wettbewerbs schützt, jedenfalls dann nicht in strafwürdiger und strafbarer Weise verwirklicht sein kann, wenn das in Rede stehende Verhalten nicht nur durch das Wettbewerbsrecht geregelt, sondern von diesem sogar ausdrücklich als wettbewerbskonform bewertet wird.

Im Folgenden wird dargelegt, dass es heute – aufgrund eines gewandelten Wettbewerbsverständnisses – nicht mehr zulässig ist, allein aus einer kausalen oder auch nur finalen Verknüpfung von Vorteil und Bevorzugung (gemeint ist regelmäßig der Abschluss eines Kauf- oder Werkvertrages mit dem Vorteilsgeber) auf eine – wettbewerbsrechtliche – Unlauterkeit der Bevorzugung zu schließen. Der maßgebliche Grund hierfür liegt in der jüngeren Rechtsprechung des EuGH, die ganz wesentlich zu einem Paradigmenwechsel im deutschen Wettbewerbsrecht bzw. genauer im Wettbewerbsverständnis geführt hat.[13] Auch der ersatzlose Wegfall des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung und schließlich die Richtlinie 2005/29/EG[14] zwingen zur Überprüfung überkommener Wettbewerbsvorstellungen. Das wettbewerbsrechtliche Schrifttum hat auf diese veränderten Umstände längst reagiert und legt dem UWG einen – gegenüber früher – vollständig veränderten Verbraucherbegriff[15] zugrunde. Der alte wettbewerbsrechtliche Rechtszustand – auf dessen Grundlage auch die gegenwärtige strafrechtliche Interpretation des § 299 StGB erfolgte – wird im aktuellen Schrifttum zum UWG – aus der Retrospektive – wie folgt skizziert:

„Ausgehend von dem Leitbild eines an Güte und Preiswürdigkeit orientierten Wettbewerbs (‚Leistungswettbewerb’) erblickte man in der Verkaufsförderung (Wertreklame) ein unsachliches Mittel, das geeignet sei, den Verbraucher zu sachfremden Überlegungen und Entschlüssen zu verleiten, ihn gleichsam zu ‚bestechen’.“[16]

Vor diesem Hintergrund durfte für § 299 StGB früher – durchaus folgerichtig – davon ausgegangen werden, dass bereits die kausale Verknüpfung von Vorteil und Bevorzugung zwangsläufig unlauteren Wettbewerb bedeute.

Doch das UWG hat seine frühere Prämisse des „unmündigen Kunden“, der vor Zugaben, Rabatten, sonstigen Lockangeboten und damit letztlich vor sich selbst geschützt werden müsse, aufgegeben. Das Wettbewerbsrecht geht heute von einem „mündigen“, einem „kritischen“ Verbraucher aus, dem prinzipiell zugetraut wird, seine wirtschaftlichen Interessen selber verantwortlich wahrnehmen zu können. Daher sind heute – anders als früher – auch sog. Koppelungsgeschäfte, d.h. Zugaben und sonstige Vorteile in weitem Umfang wettbewerbsrechtlich zulässig. In Anlehnung an diverse wettbewerbsrechtliche Entscheidungen unterschiedlichster Gerichte fasst die wettbewerbsrechtliche Kommentarliteratur die hier interessierenden Gesichtspunkte – unter ausdrücklicher Aufgabe früherer Auffassungen – wie folgt zusammen: „Grundsätzlich“, so Köhler[17], „sind verkaufsfördernde Kopplungsangebote (einschl. Zugaben) zulässig. […] Unerheblich ist, ob die gekoppelten Waren üblicherweise in denselben Betrieben oder Branchen vertrieben werden und ob sie funktionell i.S.e. Gebrauchszusammenhanges oder einer Gebrauchsnähe zusammengehören. Unerheblich ist auch, ob einzelne Leistungen ganz oder teilweise ohne Berechnung abgegeben werden und ob es sich dabei um gering- oder höherwertige Waren oder Dienstleistungen handelt.“ Selbst die einem Koppelungsangebot inhärente Anlockwirkung wird nicht mehr als wettbewerbswidrig, sondern stattdessen als gewünschte Erscheinungsform lauteren Wettbewerbs begriffen: „[…] die Anlockwirkung, die von der Unentgeltlichkeit oder dem besonders günstigen Preis eines Teils des Koppelungsangebotes ausgeht, ist grds. wettbewerbskonform. Der verständige Verbraucher kann im Allgemeinen einschätzen, was ihm die Zugabe bedeutet.“[18] „Auch muss ein Unternehmer die Möglichkeit haben, mit Hilfe attraktiver Koppelungsangebote in einen geschlossenen Markt einzudringen.“[19]

Die Kehrtwendung im Verständnis eines gewollten Wettbewerbs könnte plastischer kaum formuliert werden. Dabei ist es hier nicht erforderlich, den Paradigmenwechsel des Wettbewerbsrechts in all seinen Facetten abzubilden. Bereits der kurze Ausblick in das UWG und seine aktuelle Interpretation durch die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung soll an dieser Stelle als Beleg dafür hinreichen, dass auch in strafrechtlicher Hinsicht nicht länger eine unlautere Bevorzugung i.S.d. § 299 StGB aus einem bloßen Kausal- (oder auch nur Final-) Nexus zwischen einem Vorteil und der Auftragsvergabe bzw. der Kaufentscheidung abgeleitet werden kann.

VII. Folge: Einzelfallprüfung nach UWG

Die Konsequenzen des Wandels der überkommenen wettbewerbsrechtlichen Grundanschauungen für Verständnis und Auslegung des § 299 StGB liegen auf der Hand. Soweit im konkreten Einzelfall eine Vereinbarung etwa über Warenbezug geschlossen wurde, die trotz einer Zugabe, eines Rabatts oder eines sonstigen verhandelten Vorteils einer wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsprüfung standhält, kann sie nicht zugleich Unrechtsvereinbarung im Sinne von § 299 StGB und damit als Straftat gegen den Wettbewerb verboten sein und mit Kriminalstrafe geahndet werden. In denjenigen Bereichen, in denen das UWG anwendbar ist und in denen es keine Wettbewerbsverletzung sieht, kann das Strafgesetz – zumal als ultima ratio – das Verhalten der Beteiligten erst recht nicht als sozial unerträglich und damit als strafbar bewerten.

Für die Auslegung und das Verständnis des § 299 StGB muss dies zwangsläufig bedeuten, dass in entsprechenden Fällen nicht länger per se von einer unlauteren Bevorzugung ausgegangen werden kann, sondern die Wettbewerbswidrigkeit einer konkreten Absprache stets im Einzelfall zu prüfen und unter Zugrundelegung des UWG in jedem Einzelfall positiv festzustellen ist.

Führt die Prüfung des Einzelfalles anhand des UWG zur Annahme lauteren Wettbewerbs, bleibt für § 299 StGB kein Raum.

VIII. Fälle der Unlauterkeit

Trotz der Modernisierung des Wettbewerbsbildes und der damit einhergehenden Liberalisierung des Wettbewerbs wird es selbstverständlich auch weiterhin Fälle geben, in denen man etwa die Beeinflussung durch Vorteilsgewährung mit dem Ziel einer Auftragsvergabe als unlauter und damit als möglicherweise strafrechtlich relevant wird begreifen müssen:

So toleriert auch das „moderne“ Wettbewerbsrecht keineswegs jede beliebige Beeinflussung eines Verbrauchers durch in Aussicht gestellte Vorteile. Der moderne Verbraucherbegriff legt nur die Messlatte zur Unlauterkeit deutlich höher. So soll beispielsweise nach wie vor wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit dann gegeben sein, wenn „von der Vergünstigung ein so starker Anreiz ausgeht, dass der Kunde davon abgehalten werde, sich mit der Preiswürdigkeit und Qualität des Angebots im Vergleich mit dem Angebot eines Mitbewerbers zu befassen“[20]. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob diese Schwelle überschritten ist.

Darüber hinaus gelangen die Grundsätze der weitestgehenden Gestattung von Koppelungsverträgen in Einzelfällen auch dann nicht zur Anwendung, wenn der den Auftrag erteilende Betrieb bzw. das die Ware kaufende Unternehmen über die Auftragsvergabe oder den Warenbezug nicht frei – d.h. nicht ausschließlich nach kaufmännischen Kriterien – entscheiden kann. Das wettbewerbsrechtliche Schrifttum hält entsprechende Beispiele bereit[21].

Schließlich können spezielle Gesetze den vom UWG eröffneten Spielraum einengen: Gilt etwa in Einzelfällen neben dem UWG etwa das spezialgesetzliche Zugabeverbot des § 7 Heilmittelwerbegesetz, so wird diese wettbewerbsrechtliche Sonderregel selbstverständlich durch einen Paradigmenwechsel des UWG nicht suspendiert.

Nicht unmittelbar tangiert vom Wechsel wettbewerbsrechtlicher Anschauungen scheinen dagegen prinzipiell Sachverhaltskonstellationen, in denen der Vorteil nicht dem Käufer/Auftraggeber selbst zugute kommt, sondern Dritten; bspw.: Das Bargeldgeschenk an den Leiter der Einkaufsabteilung; die Armbanduhr für dessen Ehefrau, etc.; mithin exakt diejenigen Fallkonstellationen, die § 299 StGB „im Auge hat“. Über das gewandelte Wettbewerbsverständnis konnten bis hierher nur diejenigen Fälle gelöst werden, in denen der Vorteil dem Geschäftsherrn, d.h. der Vertragspartei selbst versprochen oder gewährt wird.

Nachfolgend wird jedoch gezeigt werden, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch Fälle von Vorteilen an Angestellte/Beauftragte oder gar an externe Dritte einer geänderten strafrechtlichen Bewertung zugeführt werden müssen.

IX. Zur rechtlichen Bedeutung einer Zustimmung des Geschäftsherrn

Die gefundenen Ergebnisse leiten unmittelbar zu der Frage über, ob der Geschäftsherr – im Lichte des modernen Wettbewerbsverständnisses – durch seine Zustimmung die Gewährung von Vorteilen an seine Angestellten oder Beauftragten oder an von diesen benannte Dritte legalisieren kann.

Die wohl bei weitem herrschende Meinung nimmt an, eine Angestelltenbestechung verliere ihre Strafbarkeit nicht dadurch, dass der Geschäftsherr die Gewährung von Vorteilen durch Lieferanten an seine Angestellten oder Beauftragten toleriere oder einer solchen Praxis sogar ausdrücklich zustimme. Diese Auffassung beruft sich – bis heute – auf die sog. Korkengeld-Entscheidung des Reichsgerichts[22].

Gegenstand jener Reichsgerichtsentscheidung aus dem Jahr 1914 war die Frage, ob es eine strafbare Bestechung / Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr darstelle, wenn ein Champagnerhändler seinen Umsatz mit einem bestimmten Restaurant dadurch ankurbelt, dass er den Angestellten jenes Restaurants – in Kenntnis und mit Zustimmung des Restaurantinhabers – für jeden Korken einer von ihm veräußerten Flasche eine Prämie zahlt. Das Reichsgericht bejahte strafbare Bestechung und strafbare Bestechlichkeit und maß der Zustimmung des Geschäftsinhabers weder rechtfertigende noch sonst strafbefreiende Wirkung zu. Seine Auffassung stützte das RG auf den – bereits seinerzeit – von § 12 UWG intendierten Wettbewerbsschutz. Das überindividuelle Rechtsgut des lauteren Wettbewerbs stehe nicht zur Disposition einzelner Marktteilnehmer, so dass eine Zustimmung des Geschäftsherrn der Tat nicht ihren Unrechtsgehalt nehmen könne.

Dabei war die Argumentation des Reichsgerichts bereits vor nahezu 100 Jahren keineswegs zwingend. Denn auch 1914 erfasste der Tatbestand nicht den Fall von Vorteilsgewährungen an den Geschäftsinhaber selbst. Der Wettbewerbsschutz, den § 299 StGB (bzw. seinerzeit § 12 UWG) vermittelte, war vor diesem Hintergrund rudimentär. Die Entscheidung des Reichsgerichts führte nun aber zu der Konsequenz, dass den Angestellten bei Strafe verboten war, was der Geschäftsherr selber aber hätte – zumindest straffrei – praktizieren dürfen. Schon bald wurde eine mutmaßlich planwidrige Regelungslücke beklagt; die Rufe nach umfassendem Wettbewerbsschutz durch Einbeziehung der Geschäftsinhaber und der Selbstständigen in den Tatbestand de lege ferenda sind noch heute nicht verhallt, haben sich aber – interessanterweise – nicht durchsetzen können.

Bis zur Korkengeldentscheidung des Reichsgerichts war keineswegs sicher, ob die Nichteinbeziehung des Betriebsinhabers in den Tatbestand überhaupt eine – planwidrige – Regelungslücke darstellen würde, denn seine Nichtberücksichtigung im Tatbestand kann ohne nennenswerte Schwierigkeiten erklärt werden: Derjenige Angestellte, der (heimlich) für sich einen Vorteil erwartet und hierfür bereit ist, entweder in Vertretung seines Geschäftsherrn ein für den Prinzipal nicht optimales Geschäft abzuschließen oder alternativ, seinen Geschäftsherrn zu einem konkreten Vertragsschluss zu bewegen, weil er selber vom Verkäufer/Auftragnehmer eine Belohnung erwartet, „verrät“ die Interessen seines Geschäftsherrn und fügt diesem regelmäßig wirtschaftlichen Schaden zu, denn i.d.R. wird das Schmiergeld, d.h. der Wert des Vorteils, den der Angestellte/Beauftragte erhält, kalkulatorisch im Preis der Leistung/Ware berücksichtigt sein. M.a.W. hätte man § 12 UWG und folglich auch § 299 StGB als ein Delikt verstehen können, welches neben dem lauteren Wettbewerb auch die Vermögensinteressen des Geschäftsinhabers schützt. Da es sich aber bei diesem Rechtsgut fraglos um ein für den Geschäftsherrn disponibles gehandelt hätte, wäre seine Zustimmung ohne weiteres geeignet gewesen, diesen Unrechtsaspekt zu beseitigen. Wäre aber dieser Untreueaspekt neben der Wettbewerbsverletzung konstitutiv für das durch § 12 UWG jetzt § 299 StGB pönalisierte Unrecht gewesen, hätte das Reichsgericht im Korkengeldfall die Verurteilung aufheben und die Sache zurückverweisen bzw. freisprechen müssen. Es hat dies nicht getan, woraus sich die Konsequenz ergibt, dass spätestens das Reichsgericht mit der Korkengeldentscheidung jene „Untreuewurzel“, die § 12 UWG bis dato hatte, abgeschnitten hat. Fortan stellte die in § 12 UWG, jetzt § 299 StGB umschriebene Wettbewerbsverletzung die für die Tatvollendung einzig relevante Rechtsgutsverletzung dar.[23]

Jedenfalls das veränderte Wettbewerbsverständnis zwingt zur Kurskorrektur. Wenn nach aktuellem Wettbewerbsverständnis die Gewährung von Vorteilen zum Zweck der Absatzförderung weitgehend zulässig ist, und die Grenze zu unlauterem Wettbewerb erst unter den oben dargestellten Voraussetzungen (siehe VIII.) überschritten ist, besteht für einen strafrechtlichen Wettbewerbsschutz, wie er noch vom Reichsgericht reklamiert wurde, heute keine tragfähige Grundlage mehr. Handelt es sich im Einzelfall um einen Vorteil, der – wäre er dem Anstellungsbetrieb/dem Geschäftsinhaber gewährt worden – nicht zu wettbewerbsrechtlicher Unlauterkeit führen würde, kann diese auch dann nicht angenommen werden, wenn der Anstellungsbetrieb/Geschäftsinhaber den Vorteil nach Erhalt an seine Angestellten/Beauftragten weitergibt. Und schließlich ist kein sachlicher Grund für eine abweichende juristische Bewertung ersichtlich, wenn der Geschäftspartner die Vorteile direkt an die Angestellten/Beauftragen gewährt, sofern nur dieser Sachverhalt dem Anstellungsbetrieb/Geschäftsinhaber bekannt und von dessen Zustimmung getragen ist.

Entsprechendes ergibt sich auch aus einer Bewertung der Gefahren für den von § 299 StGB geschützten fairen Wettbewerb in den vorgenannten Konstellationen: Derjenige Geschäftsinhaber, der im Rahmen seiner Entscheidung über den Warenkauf oder die Auftragsvergabe den Vorteil zugunsten (s)eines Angestellten/Beauftragten bedenkt, wird durch diese „Drittvorteilserwartung“ kaum an einer rationalen kaufmännischen Entscheidung gehindert. Denn insbesondere als „Nicht-Selbst-Begünstigter“ wird der Gedanke an den Vorteil im Rahmen seiner eigenen, das (eigene) Unternehmen betreffenden Entscheidung, ceteris paribus weitaus weniger Gewicht haben, als würde der Begünstigte selbst in Ansehung eines ihm versprochenen Vorteils entscheiden. Ganz im Gegenteil wird der Geschäftsherr den Vertragsschluss besonders sorgsam und kritisch prüfen. Die Kenntnis von einer bevorstehenden Zuwendung an einen Dritten hindert daher gerade nicht eine vernünftige kaufmännische Entscheidung; vielmehr fordert sie zur Sorgfalt auf. Das heißt aber auch, dass sich diejenigen Gefahren, vor deren Entstehung das UWG schützen will, bei Vorteilen zugunsten von Angestellten/Beauftragten kaum jemals realisieren werden, sofern der Geschäftsherr über alle bereits gewährten oder bevorstehenden Zuwendungen informiert ist.

Die Korkengeldentscheidung basiert maßgeblich auf einem Wettbewerbsbild, welches dem aktuellen Verständnis nicht mehr entspricht. Die aus den damaligen wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsvorstellungen für das Strafrecht abgeleitete Folgerung, wonach nahezu jeder Vorteil zu unlauterem Wettbewerb führe, kann heute ebenso wenig Bestand haben, wie die verbreitete Auffassung, eine Zustimmung des Geschäftsinhabers habe unter keinen Umständen rechtfertigende oder sonst strafbefreiende Wirkung mit Blick auf das in § 299 StGB pönalisierte Unrecht.

Selbst dann, wenn man mit dem Reichsgericht in einem „Verrat“ des Angestellten gegenüber seinem Prinzipal keinen notwendigen Unrechtsbestandteil einer Bestechung/Bestechlichkeit (mehr) sieht, zeigt doch das aktuelle Wettbewerbsrecht, dass der Geschäftsherr als mündiger Hüter seiner eigenen Interessen und derjenigen seines Betriebes verstanden werden darf und Unlauterkeit überhaupt erst dort in Frage kommt, wo der Geschäftsherr entweder – mangels Vorteilskenntnis – seine Interessen nicht wahren kann oder – mangels Befugnis zur freien Entscheidung – nicht wahren darf oder wo die immense Anlockwirkung des Vorteils einer rationalen Entscheidung im Wege steht. Sind diese Unlauterkeitsgründe im Einzelfall nicht gegeben, ist kein Anlass ersichtlich, der eine gleichwohl erteilte Auftragsvergabe als unlautere Bevorzugung erscheinen lassen würde. Daher steht auch die Zustimmung des Geschäftsinhabers zu „Vorteilsannahmen“ durch die eigenen Angestellten einem lauteren Wettbewerb jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Geschäftsherr über die Vorteile zugunsten seiner Angestellten/Beauftragten informiert ist und ihrer Gewährung zustimmt.

Es ist vermutlich richtig, dass das Strafrecht eine rechtfertigende oder sonst strafbefreiende Genehmigung unlauteren Wettbewerbs nicht kennen darf; doch setzt die hier vertretene Auffassung eine solche auch nicht voraus. Vielmehr wirkt sich die in Rede stehende Zustimmung des Geschäftsherrn bereits auf die dem § 299 StGB vorgelagerte wettbewerbsrechtliche Dimension aus und steht daher schon der Unlauterkeit des Wettbewerbs entgegen. Damit wird durch die Zustimmung nicht erst das tatbestandlich erforderliche Unrecht trotz bestehender wettbewerbsrechtlicher Unlauterkeit beseitigt. Folglich kann dem hier vertretenen Ansatz nicht entgegengehalten werden, er setzte voraus, das Rechtsgut des lauteren Wettbewerbs stehe zur Disposition einzelner Marktteilnehmer, denn dies tut er gerade nicht.

Unter den genannten Bedingungen fehlt es daher schon an wettbewerbsrechtlicher Unlauterkeit, wenn der jeweils geschützte Marktteilnehmer seine konkrete kaufmännische Entscheidung in Kenntnis sämtlicher entscheidungsrelevanter Tatsachen fällt. Diese Entscheidungsgrundlage zu sichern, ist die Aufgabe des wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsrechts. Dort, wo dessen Voraussetzungen eingehalten sind, hat Strafe keinen Platz.

X. Zusammenfassung

Geht es im konkreten Fall ausschließlich um Vorteile zugunsten des Anstellungsbetriebes, ist es in diesen Fällen nicht (länger) zulässig, die für § 299 StGB erforderliche (intendierte) unlautere Bevorzugung allein mit der Verknüpfung von Vorteil und Bevorzugung zu begründen. Die Unlauterkeit der Bevorzugung ist vielmehr im Einzelfall unter Rückgriff auf die Vorschriften des UWG festzustellen. Eine Zustimmung des Geschäftsherrn zu „Vorteilsannahmen“ durch Angestellte oder Beauftragte des Betriebes, beseitigt in der Regel, wenn sie in Kenntnis aller relevanten Umstände abgegeben wird, eine wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit, mit der zwingenden Konsequenz der Straflosigkeit. Dass sich mit Blick auf Vorteilsgewährungen Dritter an Angestellte lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtliche Fragen stellen können, ist ein anderes Thema.

 

I. Die Fragestellung

Auch heute – über eineinhalb Jahrzehnte nach dem Transfer des damaligen § 12 UWG in das Strafgesetzbuch und etwa neun Jahre nach seinem Erwachen aus dem Dornröschenschlaf[1] – ist die aktuelle Vorschrift des § 299 StGB Gegenstand lebhafter Diskussion. Immer noch bestehen offene Fragen nach den Grenzen des Anwendungsbereichs. Die ungeklärten Aspekte sind dabei keineswegs „akademische Randprobleme“, sondern handfeste rechtliche Unsicherheiten mit gravierenden Auswirkungen, die nicht nur über die Strafbewehrung des Verhaltens einzelner entscheiden, sondern darüber hinaus über Verfall und Gewinnabschöpfung als unter Umständen wirtschaftliche schwerwiegende Konsequenzen für Unternehmen. Aus den vielfältigen aktuellen Fragestellungen greift der folgende Beitrag zwei Aspekte heraus:

Werden Vorteile, die dem (Anstellungs-)Betrieb selber zugute kommen, von der Strafbewehrung erfasst und bejahendenfalls unter welchen Umständen?

Welche rechtliche Bedeutung hat die Zustimmung des Geschäftsherrn bei „Vorteilsannahmen“ durch Angestellte und Beauftragte?

 

II. Der rechtliche Ausgangspunkt

§ 299 StGB verlangt in seinen Absätzen 1 und 2 jeweils das Versprechen, die Gewährung bzw. die Annahme eines Vorteils. Nach dem Gesetzeswortlaut reicht es für die Erfüllung des Tatbestandes aus, dass der Vorteil einem Dritten zugute kommt (sog. Drittvorteil); eine unmittelbare oder auch nur mittelbare Besserstellung des Angestellten/Beauftragten selbst wird nicht verlangt. Da der Kreis der tatbestandlich erfassten Dritten im Gesetzeswortlaut nicht eingeschränkt ist, kommt als tauglicher Dritter prinzipiell auch der Anstellungsbetrieb des (korrumpierten) Angestellten bzw. der Auftraggeber des (korrumpierten) Beauftragten in Betracht[2] – und genau hier liegt das Problem: Denn vor diesem Hintergrund droht die Kriminalisierung prinzipiell erwünschten Verhaltens. Zur Verdeutlichung der Problematik werden in der Literatur meist Beispiele der folgenden Art herangezogen:

Der angestellte Einkäufer eines Einzelhandelsunternehmens macht den Kauf einer Ware gegenüber dem Lieferanten davon abhängig, dass dieser zusätzlich weitere Artikel dieser Ware oder andere Artikel unentgeltlich „drauflege“ (Zugabe) oder er feilscht im Interesse seines Geschäftsherrn um erhebliche Preisnachlässe (Rabatte). Nach dem derzeit herrschenden Verständnis des § 299 StGB lassen sich diese Fälle unter den Tatbestand subsumieren.

III. Die „Schieflage“

Dass ein solches Resultat nicht richtig sein kann, hat bereits Winkelbauer festgestellt. „Werden Vergütungen“, so Winkelbauer, „zu Gunsten des Geschäftsherrn geltend gemacht, gehört dies im Zweifel zu den Dienstaufgaben des Marktleiters und ist nicht zu beanstanden.[3] In die gleiche Richtung geht die Kritik von Odenthal, der Vorteile zugunsten des Anstellungsbetriebes bzw. des beauftragenden Unternehmens aus dem Anwendungsbereich des § 299 StGB dann heraushalten will, wenn „der Angestellte oder Beauftragte nicht für sich persönlich, sondern im Rahmen seines Verantwortungs- und Aufgabenbereichs für den Betrieb handelt“[4]. Nach Fischer „sollen Fälle, in denen z.B. ein Angestellter für die Bevorzugung eines Lieferanten Gegenleistungen für seinen Geschäftsherrn (z.B. Rabatte) fordert, vom Tatbestand ausgeschlossen sein, wenn nur arbeitsvertragliche Pflichten erfüllt werden“[5]. In der aktuellen Auflage seiner Kommentierung vertritt Fischer die Auffassung, dass es in Fällen dieses Zuschnitts an der Unlauterkeit fehlen könne.[6] Diese Kritik ist berechtigt.

Auch gesetzliche Wertungen an anderer Stelle stützen die vorgenannten kritischen Einwände: Beispielsweise auf den Arzneimittel- und Medizinproduktemärkten gestattet § 7 des Heilmittelwerbegesetzes trotz eines weitgehenden Zugabeverbots ausdrücklich die Einräumung von Mengen- und Preisrabatten. Es würde sich dem Verständnis entziehen, wenn gerade auf jenem Sektor – der aus nachvollziehbaren Gründen engmaschig reglementiert ist – spezialgesetzlich Wettbewerbsformen toleriert würden, die auf „liberaleren Märkten“ durch § 299 StGB pönalisiert sind. Vom gesetzlichen Telos her ist Winkelbauer, Odenthal und Fischer daher – zunächst im Ergebnis – zuzustimmen.

 

IV. Bisherige Lösungsansätze

Obwohl die Ergebnisse der vorstehend wiedergegebenen Literaturmeinungen unmittelbar einleuchten, sind die Einschränkungen des tatbestandlich eröffneten Anwendungsbereichs jedoch von außen an die Strafvorschrift herangetragen. Denn die Feststellung von Diemer/Krick, eine Ausklammerung des Anstellungsbetriebes aus dem Kreis der tatbestandlichen Dritten finde im Wortlaut der Norm keine Stütze,[7] ist kaum zu widerlegen. Und schließlich will es – vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Tatbestandsinterpretation – dogmatisch nicht recht einleuchten, dass die Tatbestandsmäßigkeit unter Hinweis auf die Wahrung von Interessen des Geschäftsherrn in Abrede gestellt wird, wenn die Interessen des Geschäftsherrn – jedenfalls seit RGSt 48, 291 – vom Tatbestand überhaupt nicht geschützt werden (sollen); ihre Verletzung also nicht Bestandteil des für § 299 StGB konstitutiven Unrechts ist. Ist danach die Gefährdung oder Verletzung von Interessen des Geschäftsherrn nicht Teil des pönalisierten Tatbildes, kann umgekehrt die Wahrung jener Interessen der Tatbestandsmäßigkeit bzw. der Strafbewehrung nicht entgegenstehen.

V. Unlautere Bevorzugung im Wettbewerb als Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des Anwendungsbereichs?

Im Rahmen der komplexen Unrechtsbeschreibung des § 299 StGB bietet sich jedoch das Merkmal der „Bevorzugung im Wettbewerb in unlauterer Weise“ als Anknüpfungspunkt zur genaueren Bestimmung der tatbestandlichen Reichweite an, insbesondere der Gesichtspunkt jener „Unlauterkeit“ wird in einer Vielzahl von Fällen helfen können, zwischen strafwürdigen und strafbaren Fällen einerseits und straflosen Konstellationen andererseits zu unterscheiden.

Das strafrechtliche Schrifttum scheint nahezu einhellig davon auszugehen, dass die Unlauterkeit im Sinne des § 299 StGB einerseits „nicht identisch“[8] oder zumindest „nicht völlig deckungsgleich“[9] mit § 3 UWG sei und andererseits das Merkmal der Unlauterkeit in § 299 StGB nicht zur Abgrenzung von straflosem und strafbarem Verhalten beitrage. Das Merkmal der Unlauterkeit habe, so eine weit verbreitete Auffassung,[10] jedenfalls neben der Unrechtsvereinbarung keine eigenständige Bedeutung.

Die Annahme einer jedenfalls nicht vollständigen Deckungsgleichheit mit § 3 UWG mag dabei ebenso berechtigt sein wie die Erkenntnis einer fehlenden Selektionswirkung, sofern man nur mit der im Strafrecht ganz herrschenden Auffassung die Unlauterkeit im Sinne von § 299 StGB reduziert auf eine kausale (genau genommen: finale) Verknüpfung von Vorteil und Bevorzugung“[11]. Denn ein solcher Nexus wiederum liegt in der Tat bereits vor, wenn nach dem Verständnis der Beteiligten der (Gedanke an den) Vorteil zur Vergabe eines Auftrages führt. Und tatsächlich ist hiermit die fehlende Abgrenzungsfunktion des Merkmals evident, denn wegen Verstoßes gegen § 299 StGB wird ohnehin nur ermittelt, wenn einerseits ein Vorteil in Aussicht gestellt oder gewährt wurde und es andererseits entweder zu einer Auftragsvergabe gekommen ist oder diese von den Tatbeteiligten erwartet wurde.[12] Fälle fehlender Unlauterkeit sind daher kaum denkbar, sobald ein (zumindest in Aussicht gestellter) Vorteil „im Spiel ist“.

VI. Das neue Wettbewerbsverständnis des UWG

Wenn die Literatur argumentiert, Unlauterkeit in § 299 StGB meine nicht zwangsläufig jene wettbewerbsrechtliche im Sinne von § 3 UWG, so darf doch eine solche Entkoppelung vom Wettbewerbsrecht nicht zu der Annahme verleiten, dass die strafgesetzlichen Wertungen oder genauer ihre Interpretation durch den Normadressaten ohne eine „Verprobung“ der gefundenen Ergebnisse anhand der Regeln des Wettbewerbsrechts auskomme. Denn es liegt auf der Hand, dass ein Tatbestand, der nach aktueller Auffassung ausschließlich das überindividuelle Rechtsgut des (fairen) Wettbewerbs schützt, jedenfalls dann nicht in strafwürdiger und strafbarer Weise verwirklicht sein kann, wenn das in Rede stehende Verhalten nicht nur durch das Wettbewerbsrecht geregelt, sondern von diesem sogar ausdrücklich als wettbewerbskonform bewertet wird.

Im Folgenden wird dargelegt, dass es heute – aufgrund eines gewandelten Wettbewerbsverständnisses – nicht mehr zulässig ist, allein aus einer kausalen oder auch nur finalen Verknüpfung von Vorteil und Bevorzugung (gemeint ist regelmäßig der Abschluss eines Kauf- oder Werkvertrages mit dem Vorteilsgeber) auf eine – wettbewerbsrechtliche – Unlauterkeit der Bevorzugung zu schließen. Der maßgebliche Grund hierfür liegt in der jüngeren Rechtsprechung des EuGH, die ganz wesentlich zu einem Paradigmenwechsel im deutschen Wettbewerbsrecht bzw. genauer im Wettbewerbsverständnis geführt hat.[13] Auch der ersatzlose Wegfall des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung und schließlich die Richtlinie 2005/29/EG[14] zwingen zur Überprüfung überkommener Wettbewerbsvorstellungen. Das wettbewerbsrechtliche Schrifttum hat auf diese veränderten Umstände längst reagiert und legt dem UWG einen – gegenüber früher – vollständig veränderten Verbraucherbegriff[15] zugrunde. Der alte wettbewerbsrechtliche Rechtszustand – auf dessen Grundlage auch die gegenwärtige strafrechtliche Interpretation des § 299 StGB erfolgte – wird im aktuellen Schrifttum zum UWG – aus der Retrospektive – wie folgt skizziert:

„Ausgehend von dem Leitbild eines an Güte und Preiswürdigkeit orientierten Wettbewerbs (‚Leistungswettbewerb’) erblickte man in der Verkaufsförderung (Wertreklame) ein unsachliches Mittel, das geeignet sei, den Verbraucher zu sachfremden Überlegungen und Entschlüssen zu verleiten, ihn gleichsam zu ‚bestechen’.“[16]

Vor diesem Hintergrund durfte für § 299 StGB früher – durchaus folgerichtig – davon ausgegangen werden, dass bereits die kausale Verknüpfung von Vorteil und Bevorzugung zwangsläufig unlauteren Wettbewerb bedeute.

Doch das UWG hat seine frühere Prämisse des „unmündigen Kunden“, der vor Zugaben, Rabatten, sonstigen Lockangeboten und damit letztlich vor sich selbst geschützt werden müsse, aufgegeben. Das Wettbewerbsrecht geht heute von einem „mündigen“, einem „kritischen“ Verbraucher aus, dem prinzipiell zugetraut wird, seine wirtschaftlichen Interessen selber verantwortlich wahrnehmen zu können. Daher sind heute – anders als früher – auch sog. Koppelungsgeschäfte, d.h. Zugaben und sonstige Vorteile in weitem Umfang wettbewerbsrechtlich zulässig. In Anlehnung an diverse wettbewerbsrechtliche Entscheidungen unterschiedlichster Gerichte fasst die wettbewerbsrechtliche Kommentarliteratur die hier interessierenden Gesichtspunkte – unter ausdrücklicher Aufgabe früherer Auffassungen – wie folgt zusammen: „Grundsätzlich“, so Köhler[17], „sind verkaufsfördernde Kopplungsangebote (einschl. Zugaben) zulässig. […] Unerheblich ist, ob die gekoppelten Waren üblicherweise in denselben Betrieben oder Branchen vertrieben werden und ob sie funktionell i.S.e. Gebrauchszusammenhanges oder einer Gebrauchsnähe zusammengehören. Unerheblich ist auch, ob einzelne Leistungen ganz oder teilweise ohne Berechnung abgegeben werden und ob es sich dabei um gering- oder höherwertige Waren oder Dienstleistungen handelt.“ Selbst die einem Koppelungsangebot inhärente Anlockwirkung wird nicht mehr als wettbewerbswidrig, sondern stattdessen als gewünschte Erscheinungsform lauteren Wettbewerbs begriffen: „[…] die Anlockwirkung, die von der Unentgeltlichkeit oder dem besonders günstigen Preis eines Teils des Koppelungsangebotes ausgeht, ist grds. wettbewerbskonform. Der verständige Verbraucher kann im Allgemeinen einschätzen, was ihm die Zugabe bedeutet.“[18] „Auch muss ein Unternehmer die Möglichkeit haben, mit Hilfe attraktiver Koppelungsangebote in einen geschlossenen Markt einzudringen.“[19]

Die Kehrtwendung im Verständnis eines gewollten Wettbewerbs könnte plastischer kaum formuliert werden. Dabei ist es hier nicht erforderlich, den Paradigmenwechsel des Wettbewerbsrechts in all seinen Facetten abzubilden. Bereits der kurze Ausblick in das UWG und seine aktuelle Interpretation durch die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung soll an dieser Stelle als Beleg dafür hinreichen, dass auch in strafrechtlicher Hinsicht nicht länger eine unlautere Bevorzugung i.S.d. § 299 StGB aus einem bloßen Kausal- (oder auch nur Final-) Nexus zwischen einem Vorteil und der Auftragsvergabe bzw. der Kaufentscheidung abgeleitet werden kann.

VII. Folge: Einzelfallprüfung nach UWG

Die Konsequenzen des Wandels der überkommenen wettbewerbsrechtlichen Grundanschauungen für Verständnis und Auslegung des § 299 StGB liegen auf der Hand. Soweit im konkreten Einzelfall eine Vereinbarung etwa über Warenbezug geschlossen wurde, die trotz einer Zugabe, eines Rabatts oder eines sonstigen verhandelten Vorteils einer wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsprüfung standhält, kann sie nicht zugleich Unrechtsvereinbarung im Sinne von § 299 StGB und damit als Straftat gegen den Wettbewerb verboten sein und mit Kriminalstrafe geahndet werden. In denjenigen Bereichen, in denen das UWG anwendbar ist und in denen es keine Wettbewerbsverletzung sieht, kann das Strafgesetz – zumal als ultima ratio – das Verhalten der Beteiligten erst recht nicht als sozial unerträglich und damit als strafbar bewerten.

Für die Auslegung und das Verständnis des § 299 StGB muss dies zwangsläufig bedeuten, dass in entsprechenden Fällen nicht länger per se von einer unlauteren Bevorzugung ausgegangen werden kann, sondern die Wettbewerbswidrigkeit einer konkreten Absprache stets im Einzelfall zu prüfen und unter Zugrundelegung des UWG in jedem Einzelfall positiv festzustellen ist.

Führt die Prüfung des Einzelfalles anhand des UWG zur Annahme lauteren Wettbewerbs, bleibt für § 299 StGB kein Raum.

VIII. Fälle der Unlauterkeit

Trotz der Modernisierung des Wettbewerbsbildes und der damit einhergehenden Liberalisierung des Wettbewerbs wird es selbstverständlich auch weiterhin Fälle geben, in denen man etwa die Beeinflussung durch Vorteilsgewährung mit dem Ziel einer Auftragsvergabe als unlauter und damit als möglicherweise strafrechtlich relevant wird begreifen müssen:

So toleriert auch das „moderne“ Wettbewerbsrecht keineswegs jede beliebige Beeinflussung eines Verbrauchers durch in Aussicht gestellte Vorteile. Der moderne Verbraucherbegriff legt nur die Messlatte zur Unlauterkeit deutlich höher. So soll beispielsweise nach wie vor wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit dann gegeben sein, wenn „von der Vergünstigung ein so starker Anreiz ausgeht, dass der Kunde davon abgehalten werde, sich mit der Preiswürdigkeit und Qualität des Angebots im Vergleich mit dem Angebot eines Mitbewerbers zu befassen“[20]. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob diese Schwelle überschritten ist.

Darüber hinaus gelangen die Grundsätze der weitestgehenden Gestattung von Koppelungsverträgen in Einzelfällen auch dann nicht zur Anwendung, wenn der den Auftrag erteilende Betrieb bzw. das die Ware kaufende Unternehmen über die Auftragsvergabe oder den Warenbezug nicht frei – d.h. nicht ausschließlich nach kaufmännischen Kriterien – entscheiden kann. Das wettbewerbsrechtliche Schrifttum hält entsprechende Beispiele bereit[21].

Schließlich können spezielle Gesetze den vom UWG eröffneten Spielraum einengen: Gilt etwa in Einzelfällen neben dem UWG etwa das spezialgesetzliche Zugabeverbot des § 7 Heilmittelwerbegesetz, so wird diese wettbewerbsrechtliche Sonderregel selbstverständlich durch einen Paradigmenwechsel des UWG nicht suspendiert.

Nicht unmittelbar tangiert vom Wechsel wettbewerbsrechtlicher Anschauungen scheinen dagegen prinzipiell Sachverhaltskonstellationen, in denen der Vorteil nicht dem Käufer/Auftraggeber selbst zugute kommt, sondern Dritten; bspw.: Das Bargeldgeschenk an den Leiter der Einkaufsabteilung; die Armbanduhr für dessen Ehefrau, etc.; mithin exakt diejenigen Fallkonstellationen, die § 299 StGB „im Auge hat“. Über das gewandelte Wettbewerbsverständnis konnten bis hierher nur diejenigen Fälle gelöst werden, in denen der Vorteil dem Geschäftsherrn, d.h. der Vertragspartei selbst versprochen oder gewährt wird.

Nachfolgend wird jedoch gezeigt werden, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch Fälle von Vorteilen an Angestellte/Beauftragte oder gar an externe Dritte einer geänderten strafrechtlichen Bewertung zugeführt werden müssen.

IX. Zur rechtlichen Bedeutung einer Zustimmung des Geschäftsherrn

Die gefundenen Ergebnisse leiten unmittelbar zu der Frage über, ob der Geschäftsherr – im Lichte des modernen Wettbewerbsverständnisses – durch seine Zustimmung die Gewährung von Vorteilen an seine Angestellten oder Beauftragten oder an von diesen benannte Dritte legalisieren kann.

Die wohl bei weitem herrschende Meinung nimmt an, eine Angestelltenbestechung verliere ihre Strafbarkeit nicht dadurch, dass der Geschäftsherr die Gewährung von Vorteilen durch Lieferanten an seine Angestellten oder Beauftragten toleriere oder einer solchen Praxis sogar ausdrücklich zustimme. Diese Auffassung beruft sich – bis heute – auf die sog. Korkengeld-Entscheidung des Reichsgerichts[22].

Gegenstand jener Reichsgerichtsentscheidung aus dem Jahr 1914 war die Frage, ob es eine strafbare Bestechung / Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr darstelle, wenn ein Champagnerhändler seinen Umsatz mit einem bestimmten Restaurant dadurch ankurbelt, dass er den Angestellten jenes Restaurants – in Kenntnis und mit Zustimmung des Restaurantinhabers – für jeden Korken einer von ihm veräußerten Flasche eine Prämie zahlt. Das Reichsgericht bejahte strafbare Bestechung und strafbare Bestechlichkeit und maß der Zustimmung des Geschäftsinhabers weder rechtfertigende noch sonst strafbefreiende Wirkung zu. Seine Auffassung stützte das RG auf den – bereits seinerzeit – von § 12 UWG intendierten Wettbewerbsschutz. Das überindividuelle Rechtsgut des lauteren Wettbewerbs stehe nicht zur Disposition einzelner Marktteilnehmer, so dass eine Zustimmung des Geschäftsherrn der Tat nicht ihren Unrechtsgehalt nehmen könne.

Dabei war die Argumentation des Reichsgerichts bereits vor nahezu 100 Jahren keineswegs zwingend. Denn auch 1914 erfasste der Tatbestand nicht den Fall von Vorteilsgewährungen an den Geschäftsinhaber selbst. Der Wettbewerbsschutz, den § 299 StGB (bzw. seinerzeit § 12 UWG) vermittelte, war vor diesem Hintergrund rudimentär. Die Entscheidung des Reichsgerichts führte nun aber zu der Konsequenz, dass den Angestellten bei Strafe verboten war, was der Geschäftsherr selber aber hätte – zumindest straffrei – praktizieren dürfen. Schon bald wurde eine mutmaßlich planwidrige Regelungslücke beklagt; die Rufe nach umfassendem Wettbewerbsschutz durch Einbeziehung der Geschäftsinhaber und der Selbstständigen in den Tatbestand de lege ferenda sind noch heute nicht verhallt, haben sich aber – interessanterweise – nicht durchsetzen können.

Bis zur Korkengeldentscheidung des Reichsgerichts war keineswegs sicher, ob die Nichteinbeziehung des Betriebsinhabers in den Tatbestand überhaupt eine – planwidrige – Regelungslücke darstellen würde, denn seine Nichtberücksichtigung im Tatbestand kann ohne nennenswerte Schwierigkeiten erklärt werden: Derjenige Angestellte, der (heimlich) für sich einen Vorteil erwartet und hierfür bereit ist, entweder in Vertretung seines Geschäftsherrn ein für den Prinzipal nicht optimales Geschäft abzuschließen oder alternativ, seinen Geschäftsherrn zu einem konkreten Vertragsschluss zu bewegen, weil er selber vom Verkäufer/Auftragnehmer eine Belohnung erwartet, „verrät“ die Interessen seines Geschäftsherrn und fügt diesem regelmäßig wirtschaftlichen Schaden zu, denn i.d.R. wird das Schmiergeld, d.h. der Wert des Vorteils, den der Angestellte/Beauftragte erhält, kalkulatorisch im Preis der Leistung/Ware berücksichtigt sein. M.a.W. hätte man § 12 UWG und folglich auch § 299 StGB als ein Delikt verstehen können, welches neben dem lauteren Wettbewerb auch die Vermögensinteressen des Geschäftsinhabers schützt. Da es sich aber bei diesem Rechtsgut fraglos um ein für den Geschäftsherrn disponibles gehandelt hätte, wäre seine Zustimmung ohne weiteres geeignet gewesen, diesen Unrechtsaspekt zu beseitigen. Wäre aber dieser Untreueaspekt neben der Wettbewerbsverletzung konstitutiv für das durch § 12 UWG jetzt § 299 StGB pönalisierte Unrecht gewesen, hätte das Reichsgericht im Korkengeldfall die Verurteilung aufheben und die Sache zurückverweisen bzw. freisprechen müssen. Es hat dies nicht getan, woraus sich die Konsequenz ergibt, dass spätestens das Reichsgericht mit der Korkengeldentscheidung jene „Untreuewurzel“, die § 12 UWG bis dato hatte, abgeschnitten hat. Fortan stellte die in § 12 UWG, jetzt § 299 StGB umschriebene Wettbewerbsverletzung die für die Tatvollendung einzig relevante Rechtsgutsverletzung dar.[23]

Jedenfalls das veränderte Wettbewerbsverständnis zwingt zur Kurskorrektur. Wenn nach aktuellem Wettbewerbsverständnis die Gewährung von Vorteilen zum Zweck der Absatzförderung weitgehend zulässig ist, und die Grenze zu unlauterem Wettbewerb erst unter den oben dargestellten Voraussetzungen (siehe VIII.) überschritten ist, besteht für einen strafrechtlichen Wettbewerbsschutz, wie er noch vom Reichsgericht reklamiert wurde, heute keine tragfähige Grundlage mehr. Handelt es sich im Einzelfall um einen Vorteil, der – wäre er dem Anstellungsbetrieb/dem Geschäftsinhaber gewährt worden – nicht zu wettbewerbsrechtlicher Unlauterkeit führen würde, kann diese auch dann nicht angenommen werden, wenn der Anstellungsbetrieb/Geschäftsinhaber den Vorteil nach Erhalt an seine Angestellten/Beauftragten weitergibt. Und schließlich ist kein sachlicher Grund für eine abweichende juristische Bewertung ersichtlich, wenn der Geschäftspartner die Vorteile direkt an die Angestellten/Beauftragen gewährt, sofern nur dieser Sachverhalt dem Anstellungsbetrieb/Geschäftsinhaber bekannt und von dessen Zustimmung getragen ist.

Entsprechendes ergibt sich auch aus einer Bewertung der Gefahren für den von § 299 StGB geschützten fairen Wettbewerb in den vorgenannten Konstellationen: Derjenige Geschäftsinhaber, der im Rahmen seiner Entscheidung über den Warenkauf oder die Auftragsvergabe den Vorteil zugunsten (s)eines Angestellten/Beauftragten bedenkt, wird durch diese „Drittvorteilserwartung“ kaum an einer rationalen kaufmännischen Entscheidung gehindert. Denn insbesondere als „Nicht-Selbst-Begünstigter“ wird der Gedanke an den Vorteil im Rahmen seiner eigenen, das (eigene) Unternehmen betreffenden Entscheidung, ceteris paribus weitaus weniger Gewicht haben, als würde der Begünstigte selbst in Ansehung eines ihm versprochenen Vorteils entscheiden. Ganz im Gegenteil wird der Geschäftsherr den Vertragsschluss besonders sorgsam und kritisch prüfen. Die Kenntnis von einer bevorstehenden Zuwendung an einen Dritten hindert daher gerade nicht eine vernünftige kaufmännische Entscheidung; vielmehr fordert sie zur Sorgfalt auf. Das heißt aber auch, dass sich diejenigen Gefahren, vor deren Entstehung das UWG schützen will, bei Vorteilen zugunsten von Angestellten/Beauftragten kaum jemals realisieren werden, sofern der Geschäftsherr über alle bereits gewährten oder bevorstehenden Zuwendungen informiert ist.

Die Korkengeldentscheidung basiert maßgeblich auf einem Wettbewerbsbild, welches dem aktuellen Verständnis nicht mehr entspricht. Die aus den damaligen wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsvorstellungen für das Strafrecht abgeleitete Folgerung, wonach nahezu jeder Vorteil zu unlauterem Wettbewerb führe, kann heute ebenso wenig Bestand haben, wie die verbreitete Auffassung, eine Zustimmung des Geschäftsinhabers habe unter keinen Umständen rechtfertigende oder sonst strafbefreiende Wirkung mit Blick auf das in § 299 StGB pönalisierte Unrecht.

Selbst dann, wenn man mit dem Reichsgericht in einem „Verrat“ des Angestellten gegenüber seinem Prinzipal keinen notwendigen Unrechtsbestandteil einer Bestechung/Bestechlichkeit (mehr) sieht, zeigt doch das aktuelle Wettbewerbsrecht, dass der Geschäftsherr als mündiger Hüter seiner eigenen Interessen und derjenigen seines Betriebes verstanden werden darf und Unlauterkeit überhaupt erst dort in Frage kommt, wo der Geschäftsherr entweder – mangels Vorteilskenntnis – seine Interessen nicht wahren kann oder – mangels Befugnis zur freien Entscheidung – nicht wahren darf oder wo die immense Anlockwirkung des Vorteils einer rationalen Entscheidung im Wege steht. Sind diese Unlauterkeitsgründe im Einzelfall nicht gegeben, ist kein Anlass ersichtlich, der eine gleichwohl erteilte Auftragsvergabe als unlautere Bevorzugung erscheinen lassen würde. Daher steht auch die Zustimmung des Geschäftsinhabers zu „Vorteilsannahmen“ durch die eigenen Angestellten einem lauteren Wettbewerb jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Geschäftsherr über die Vorteile zugunsten seiner Angestellten/Beauftragten informiert ist und ihrer Gewährung zustimmt.

Es ist vermutlich richtig, dass das Strafrecht eine rechtfertigende oder sonst strafbefreiende Genehmigung unlauteren Wettbewerbs nicht kennen darf; doch setzt die hier vertretene Auffassung eine solche auch nicht voraus. Vielmehr wirkt sich die in Rede stehende Zustimmung des Geschäftsherrn bereits auf die dem § 299 StGB vorgelagerte wettbewerbsrechtliche Dimension aus und steht daher schon der Unlauterkeit des Wettbewerbs entgegen. Damit wird durch die Zustimmung nicht erst das tatbestandlich erforderliche Unrecht trotz bestehender wettbewerbsrechtlicher Unlauterkeit beseitigt. Folglich kann dem hier vertretenen Ansatz nicht entgegengehalten werden, er setzte voraus, das Rechtsgut des lauteren Wettbewerbs stehe zur Disposition einzelner Marktteilnehmer, denn dies tut er gerade nicht.

Unter den genannten Bedingungen fehlt es daher schon an wettbewerbsrechtlicher Unlauterkeit, wenn der jeweils geschützte Marktteilnehmer seine konkrete kaufmännische Entscheidung in Kenntnis sämtlicher entscheidungsrelevanter Tatsachen fällt. Diese Entscheidungsgrundlage zu sichern, ist die Aufgabe des wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsrechts. Dort, wo dessen Voraussetzungen eingehalten sind, hat Strafe keinen Platz.

X. Zusammenfassung

Geht es im konkreten Fall ausschließlich um Vorteile zugunsten des Anstellungsbetriebes, ist es in diesen Fällen nicht (länger) zulässig, die für § 299 StGB erforderliche (intendierte) unlautere Bevorzugung allein mit der Verknüpfung von Vorteil und Bevorzugung zu begründen. Die Unlauterkeit der Bevorzugung ist vielmehr im Einzelfall unter Rückgriff auf die Vorschriften des UWG festzustellen. Eine Zustimmung des Geschäftsherrn zu „Vorteilsannahmen“ durch Angestellte oder Beauftragte des Betriebes, beseitigt in der Regel, wenn sie in Kenntnis aller relevanten Umstände abgegeben wird, eine wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit, mit der zwingenden Konsequenz der Straflosigkeit. Dass sich mit Blick auf Vorteilsgewährungen Dritter an Angestellte lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtliche Fragen stellen können, ist ein anderes Thema.

 

[1] Bis in das Jahr 2005 spielte § 299 StGB zwar möglicherweise in der anwaltlichen Beratungspraxis eine Rolle; Verfolgungsbehörden ermittelten unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt wohl nur selten; gerichtliche Entscheidungen zu § 299 StGB waren rar. Erst mit dem „Siemensverfahren“ rückte die Vorschrift quasi über Nacht in den Fokus deutscher Ermittler und spielt seither im Rahmen der Strafverfolgung eine prominente Rolle.

[2] Ganz h.M.; vgl. Hinweise bei Fischer, StGB, 61. Aufl. 2014, § 299 Rn. 11a.

[3]Winkelbauer in FS Weber, 385 (391).

[4]Odenthal, wistra 2005, 170 (172).

[5]Fischer, a.a.O., § 299 Rn. 11a.

[6]Fischer, a.a.O., § 299 Rn. 11a.

[7]Diemer/Krick in: MüKo, StGB, 1. Aufl. 2006, § 299 Rn. 10.

[8]Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, § 299 Rn. 16.

[9]Heine in: Schönke-Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 299 Rn. 19.

[10]Tiedemann, ZStW 1986, 990 (1030); erstaunlicherweise auch Fischer, StGB, 60. Aufl. 2013, § 299 Rn. 16.

[11]Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, § 299 Rn. 16 mit zahlreichen (älteren) Nachweisen, Winkelbauer, a.a.O., S. 388 m.w.N.

[12] Freilich setzt § 299 StGB nicht die Erteilung eines Auftrags voraus, sondern verlangt lediglich eine entsprechende Erwartung der Beteiligten.

[13]EuGH Urt. v. 09.11.2010, GRUR 2011, 46; EuGH Urt. v. 23.04.2009, GRUR 2009, 599; EuGH Urt. v. 14.01.201, NJW 2010, 1867; EuGH Urt. v. 22.09.2005, NJW-RR 2006, 409.

[14] Hierzu Helm, WRP 2005, 931, Richtlinie 2005/29/EG vom 11. Mai 2005, EU-Amtsblatt L 149/22 vom 11.06.2005.

[15] Das UWG richtet sich zwar zunächst an den Endkundenmarkt; seine Regelungen gelten jedoch entsprechend auf den höheren Handelsstufen. Auch betreffen seine Aussagen keineswegs nur Maßnahmen (breiter gestreuter) Produktwerbung, sondern ebenso Vereinbarungen, die etwa zwischen zwei Personen am Verhandlungstisch außerhalb einer Öffentlichkeit geschlossen werden.

[16]Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm [Hrsg.], UWG, 27. Aufl. 2009, § 4 Rn. 1.41.

[17]Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 1.60 m.w.N.

[18]Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 1.79.

[19]Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 1.80.

[20]Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 1,42 m.w.N.

[21] Vgl. Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 1.77.

[22] Urteil des II. Strafsenats des Reichsgerichts vom 09. Juni 1914 – II 319/14, RGSt 48, 291.

[23] Soweit in den einleitenden Bemerkungen verschiedener Kommentierungen das Rechtsgut des § 299 StGB definiert wird, werden mitunter auch die Vermögensinteressen des Geschäftsherrn genannt; hieraus wird jedoch an keiner Stelle die an sich naheliegende Folgerung gezogen, der Tatbestand sei eben nicht verwirklicht, wenn es an einer Gefährdung bzw. Verletzung jener Vermögensinteressen fehle. Ob und gegebenenfalls wie weit § 299 StGB (auch) die Vermögensinteressen des Prinzipals schütze, bleibt jedoch diffus.

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Markus Rheinländer
    Dr. Markus Rheinländer ist Rechtsanwalt am Düsseldorfer Standort der Wirtschaftskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er ist spezialisiert auf Fälle des Wirtschaftsstrafrechts einschließlich des Nebenstrafrechts wie bspw. des Urheber- und Markenstrafrechts. Darüber hinaus bildet das Recht der Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Wirtschaftsrechts einen weiteren Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Neben der Individualverteidigung bearbeitet Dr. Rheinländer Compliance- und unternehmensberatende Mandate in Bezug auf strafrechtliche Fragestellungen.

WiJ

  • Dr. Simon Ulc , Marc Neuhaus

    Übernahme von Kosten für Verteidiger und Zeugenbeistände – eine Praxisübersicht

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Ricarda Schelzke

    BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23

    Individual- und Unternehmenssanktionen

  • Dr. Marius Haak , Joshua Pawel LL.M.

    Umweltkriminalität im Visier der EU – Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Rat beschlossen

    Produkthaftung, Umwelt, Fahrlässigkeit und Zurechnung