Dr. Norbert Wess, LL.M., MBL

Edgar Joussen: Sicher handeln bei Korruptionsverdacht, Leitfaden zur schnellen Aufklärung in der Praxis

Erich Schmidt Verlag, 2010, 34,95 €

 

I. Einleitung

Gerade in Zeiten zunehmender Sensibilisierung von international agierenden Unternehmen, (Strafverfolgungs-)Behörden und nicht zuletzt auch der breiten Öffentlichkeit betreffend Wirtschaftskriminalität, ist ein sicheres Abhandeln von Korruptions(verdachts)fällen von immer größerer Bedeutung. Durch zielgerichtetes und entschlossenes Handeln der Entscheidungsträger lassen sich die neben dem finanziellen Schaden drohenden Imageschäden abwenden oder zumindest begrenzen.

Der Autor war nahezu 10 Jahre als Ombudsmann der Deutschen Bahn führend an der Aufklärung von Korruptionsfällen beteiligt. Diesen umfassenden Erfahrungsschatz lässt er in das vorliegende Werk einfließen. Er bietet dabei einen sehr anschaulichen und vor allem praxisrelevanten, in 11 sog „Bausteine“ gegliederten, Handlungsbehelf für den Zeitraum nach Auftreten eines Verdachtsfalles, dessen Lektüre für den interessierten Praktiker jedenfalls von großem Nutzen ist.

 

II. Das Werk

Das vorliegende Buch ist, wie bereits beschrieben, in 11 „Bausteine“ gegliedert, welche thematisch jeweils einem bei der Abhandlung von Korruptionsfällen besonders wichtigen Themenkreis gewidmet sind. Am Ende jedes dieser Kapitel findet sich eine kurze Zusammenfassung des zuvor erörterten Themas, welche einen schnellen Überblick gewährleistet, und auch nochmals das Bewusstsein für das soeben behandelte Thema schärft.

1. Informationsgewinnung durch Ombudsmann und Vertrauensanwalt

Aus Sicht des Autors stellt die Informationsbeschaffung das größte praktische Problem bei der Korruptionsbekämpfung dar. In diesem Zusammenhang plädiert der Autor für die Bestellung eines Ombudsmannes durch das betroffene/gefährdete Unternehmen. Dabei soll es sich um einen selbstständigen, und daher mit einem umfassenden Aussageverweigerungsrecht ausgestatteten, Rechtsanwalt handeln. Dieser sollte Hinweise auf Korruptionsfälle – unter Zusicherung der Anonymität des Hinweisgebers – vertraulich entgegennehmen und sie anonymisiert und plausibilisiert an das Unternehmen weiterleiten. Darüber hinaus sollte die Funktion des Ombudsmannes allerdings nicht auf diese „Postfunktion“ beschränkt bleiben. Der Ombudsmann sollte einen Korruptionsfall sogar bis zu einer eventuellen Schadenswiedergutmachung weiterhin begleiten, um so auch sicherzustellen, dass keine relevanten Informationen verloren gehen.

Weiters plädiert der Autor für eine hohe hierarchische Anbindung des Ombudsmannes, und begründet dies mit der, durch die kurzen Informationswege gewährleisteten, Vertraulichkeit sowie mit der damit auch verbunden Signalwirkung im Unternehmen selbst.

2. Interne Zuständigkeit

Der Autor spricht sich dafür aus, die im Rahmen der Korruptionsbekämpfung notwendige Sachaufklärung bei der Revisionsabteilung anzusiedeln. Der Revisionsabteilung sollte dabei sinnvollerweise ein Rechtsanwalt zur Seite gestellt werden.

Zur Bündelung von Informationen sowie zur Abstimmung der diversen handelnden Stellen (Revision, Recht, Personal etc) empfiehlt der Autor weiters die Einrichtung eines Lenkungskreises (Compliance Comittee), welchem die Kompetenz zukommen sollte, die Aufnahmen von Ermittlungen zu beschließen, sowie deren Ergebnisse entgegenzunehmen.

3. Grundsätze zur Aufklärung von Korruptionsverdachtsfällen

Bei der Aufklärung von Korruptionsverdachtsfällen sollte nach Ansicht des Autors darauf geachtet werden, kontinuierlich sämtliche Verdachtsfälle bzw. den zugrundeliegenden Sachverhalt restlos aufzuklären. Bagatellfälle sollten dabei keinesfalls außer Acht gelassen werden. Auch sollte der bestellte Ombudsmann stets in den für die Aufklärung relevanten Informationskreislauf eingebunden sein. Weiters ist auf eine umfassende Dokumentation von Entscheidungen sowie des eventuellen Verfahrensabschlusses Bedacht zu nehmen.

4. Unternehmensinterne Voraufklärung

Ab dem Bestehen einer Verdachtslage sollte nach Ansicht des Autors zunächst verifiziert werden, ob ein strafrechtlich relevanter Anfangsverdacht vorliegt, ab welchem die Strafermittlungsbehörden hinzuzuziehen wären. Die dafür notwendige Aufklärung sollte objektiv und neutral erfolgen, sowie von dem Grundsatz getragen sein, so viel Materialien und Unterlagen wie möglich zu sichern, da die unternehmensinternen Ermittlungen mit Fortdauer des Prozesses immer schwieriger werden.

Für diese sog Vorermittlungsphase haben sich in der Praxis vier Phasen herausgebildet:

1.) Zunächst ist ein eingelangter Verdachtsfall zu plausibilisieren. 2.) Danach sollte der Verdachtsfall intern kommuniziert und sodann über das weitere Vorgehen entschieden werden. 3.) In Phase drei findet die eigentliche Sachaufklärung statt. 4.) Schlussendlich sollte ein dafür gebildetes Gremium (bspw. der Lenkungskreis) über das weitere Vorgehen entscheiden.

5. Checkliste für unternehmensinterne Ermittlungen

Der Autor tritt bei der Aufklärung von Korruptionsverdachtsfällen dafür ein, die tätigen Ermittlungsbehörden als Partner anzusehen und diese konstruktiv bei ihren Tätigkeiten zu unterstützen.

Eventuell betroffene eigene Mitarbeiter des Unternehmens sollten in der Regel vom Dienst freigestellt oder beurlaubt werden. Damit zusammenhängend sind Geschäftsunterlagen und Arbeitsgeräte einzuziehen sowie EDV-Zugänge zu sperren. Erteilte Vollmachten sollten widerrufen werden.

So bald als möglich sollte weiters die umfassende Beweissicherung stattfinden

Es sollte auch geprüft werden, ob laufende Geschäfts- und Zahlungsvorgänge anzuhalten sind bzw. ob noch im Geschäftsgang befindliche Vorgänge gesperrt bzw. storniert werden sollen.

Ebenso sollte überprüft werden, auf welcher Grundlage nunmehr Strafanzeige zu erstatten ist. Eventuelle arbeitsrechtliche Maßnahmen wird der Ermittler nicht vornehmen, sondern nur deren angemessene Ergreifung veranlassen können.

Berücksichtigt sollte selbstverständlich werden, wenn ein Mitarbeiter verhaftet worden ist. Hier ist von einem besonderen Zeitdruck hinsichtlich zu ergreifender Maßnahmen auszugehen.

Auch die Unternehmenskommunikation ist zu unterrichten. Eventuelle Presseveröffentlichungen sollten jedoch nach Möglichkeit mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgesprochen werden.

Jedenfalls sind sämtliche der hier aufgezeigten Schritte umfassend zu dokumentieren, um so Informationsverlusten vorzubeugen und die zuständigen Gremien entsprechend informieren zu können.

6. Daten- und Beweissicherung

Bei der Aufklärung von Korruptionsverdachtsfällen sind der Sicherung von Arbeitnehmerdaten regelmäßig durch datenschutz- und arbeitsrechtliche Bestimmungen Grenzen gesetzt.

Die Kontrolle von dienstlichen Schriftstücken und Daten ist im Rahmen der Aufklärung von Korruptionsverdachtsfällen uneingeschränkt zulässig. Zugelassene – oder auch bloß geduldete – Privatnutzung der betrieblichen Computer steht einer Kontrolle durch das Unternehmen jedoch im Allgemeinen bereits entgegen.

In diesem Zusammenhang empfiehlt der Autor die Nutzung der internen Datenkommunikation einer Betriebsvereinbarung zu unterwerfen, in welcher auf Kontrollrechte des Arbeitgebers hingewiesen wird.

7. Weitergehende Beweissicherung

Der Autor versucht im Rahmen dieses Bausteines beim Leser das Bewusstsein für die Probleme weitergehender Beweissicherungen wie Videoüberwachung, der Aufzeichnung von Telefonaten oder den Einsatz von Detekteien zu schärfen. Diese Maßnahmen stehen gewöhnlich in einem Spannungsverhältnis mit Persönlichkeitsrechten der betroffenen Mitarbeiter.

Videoüberwachungen sind auf eine konkrete Anlasstat zu beschränken. Weniger einschneidende Maßnahmen müssen bereits ausgeschöpft sein. Überhaupt muss die Maßnahme auch dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

Das Abhören von Telefonaten kann unter Umständen durch das Vorliegen einer für das betroffene Unternehmen notwehrähnlichen Lage gerechtfertigt erscheinen. Das Unternehmen muss sich insofern in einem Beweisnotstand befinden, als es von gegen sich selbst gerichteten Straftaten ausgehen muss, den entsprechenden Verdacht jedoch bisher nicht einwandfrei nachweisen konnte. Im Rahmen einer Abwägung muss das Aufklärungsinteresse des Unternehmens, die Persönlichkeitsrechte des Verdächtigen deutlich überwiegen.

Hinsichtlich des Einsatzes von Detekteien weist der Autor auf die nicht unproblematische Auswahl einer seriösen Detektei sowie auf die zu erwartenden hohen Kosten hin. Sollte sich das betroffene Unternehmen für den Einsatz einer Detektei entscheiden, sollte jedenfalls der Auftragsgegenstand und die Art und Weise der Ermittlungen vereinbart werden. Die Überwachung eines Beschäftigten durch eine Detektei ist jedenfalls bei einer gegebenen schweren Verdachtslage sowie bei gewahrter Verhältnismäßigkeit und einer erfolgten Interessensabwägung zulässig. Abschließend weist der Autor noch auf die Möglichkeit hin, Detektivkosten unter Umständen im Wege einer Schadenersatzklage ersetzt zu bekommen.

8. Befragung von Mitarbeitern

In Fällen, in denen ein Tatverdacht weder ausgeräumt noch entsprechend erhärtet werden konnte, kann das direkte Gespräch mit einem betroffenen Mitarbeiter oft die einzige Möglichkeit sein, die Aufklärung eines Korruptionsverdachtes weiter voranzutreiben. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dies nur zum Preis der frühzeitigen Offenlegung der prinzipiell geheimen Sachverhaltsermittlung geschehen kann.

Ein Arbeitnehmer ist betreffend seines unmittelbaren Arbeitsbereiches zu umfassender und uneingeschränkter Auskunft verpflichtet und muss sich dabei gegebenenfalls auch selbst belasten.

Außerhalb des unmittelbaren Arbeitsbereiches kann eine eingeschränkte Auskunftspflicht, abhängig von der Treuepflicht des Arbeitsnehmers, gegeben sein. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Arbeitnehmer zu Fragen, bei denen er sich einer Pflichtverletzung oder einer Straftat bezichtigen würde, die Auskunft verweigern kann.

Bei solchen Befragungen besteht grundsätzlich kein Anspruch des Arbeitnehmers, einen Rechtsanwalt beizuziehen. Unter Umständen muss jedoch ein Betriebsrat beigezogen werden. Auch ist das Bundesdatenschutzgesetz bei der Befragung des Mitarbeiters zu beachten.

Ergänzend weist der Autor darauf hin, dass die Befragung von Mitarbeitern, welche nicht unter Strafverdacht stehen, zumeist unproblematisch ist.

9. Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden

Der Autor weist an dieser Stelle mit Nachdruck darauf hin, dass eine offene und konstruktive Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden für ein, von einem Korruptionsverdachtsfall betroffenes, Unternehmen unabdingbar ist. Dringend empfiehlt der Autor dabei, dass sämtliche Kontakte mit den Ermittlungsbehörden nur über einen Rechtsanwalt laufen sollten, da dies zu Informationsbündelung führt, sowie eine juristische Vorabprüfung der Informationen möglich ist. So kann vor allem unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens auch Schaden vom Unternehmen abgewendet werden.

Weiters können in diesem Zusammenhang Durchsuchungsmaßnahmen abgestimmt werden, und so nach Möglichkeit auch positiv nach außen dargestellt werden.

Unter dem Gesichtspunkt der Schadenswiedergutmachung kann es unter Umständen angebracht sein, die Staatsanwaltschaft zu geeigneten Maßnahmen der Rückgewinnungshilfe zu bewegen.

Durch gute Kontakte zur Staatsanwaltschaft können weiters Probleme, welche mit oftmals nicht gewährter Akteneinsicht auftreten, abgemildert werden.

10. Zivilrechtlicher Regress

Der Autor verweist in diesem Zusammenhang auf die äußerste Komplexität des zivilrechtlichen Regresses im Zusammenhang mit Korruptionsfällen.

Für geleistete Schmiergeldzahlungen scheidet ein Herausgabeanspruch aus, wenn bereits im Strafverfahren eine entsprechende Verfallsanordnung ergangen ist, wobei das geschädigte Unternehmen darauf zu achten hat, dass dies unterbleibt.

Als große Hürde bei der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen wirkt, dass im Strafverfahren erfolgte Aussagen und Verurteilungen im Zivilverfahren gewöhnlich keinerlei Bindungswirkung entfalten.

Hat ein Geschäftsabschluss infolge einer Schmiergeldzahlung nachweisbar zu Nachteilen eines Geschäftsherrn geführt, kann dies in weiterer Folge zur Nichtigkeit aus diesem Grund abgeschlossener Verträge führen.

Der Autor spricht sich generell dafür aus, zivilrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit Korruptionsverdachtsfällen durch einen Vermögensarrest zu sichern. Dies sollte neben Vermögenssicherungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden geschehen. Zugunsten des Geschädigten gesicherter Vermögenswerte kann das geschädigte Unternehmen ein Vorrangverfahren durchführen, welches zu einem rangwahrenden Beschluss des Gerichtes führt.

Des Weiteren kann ein geschädigtes Unternehmen vermögensrechtliche Schadenersatz- und Herausgabeansprüche mit einem Adhäsionsantrag unmittelbar im Strafverfahren geltend machen. Auf diesem Wege kann das geschädigte Unternehmen auf das Strafverfahren Einfluss nehmen sowie einen entsprechenden rechtskräftigen Titel erlangen.

11. Arbeitsrechtliches Vorgehen

Der Autor bietet bei diesem Baustein einen Überblick über die arbeitsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, welche sich im Zuge des Auftretens von Korruptionsfällen ergeben.

Überwiegend wird der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer fristlos kündigen können, wenn nachweisbar begangene Straftaten vorliegen. Selbst in diesem Fall ist aber eine umfassende – meist zu Gunsten des Arbeitgebers ausgehende – Interessensabwägung vorzunehmen. Zu beachten ist dabei weiters die Beteiligung des Betriebsrates und die einzuhaltenden Kündigungsfrist von 14 Tagen. Bei unklarer Verdachtslage erscheint oftmals eine Verdachtskündigung wegen eines zerstörten Vertrauensverhältnisses die angemessene Reaktion des Arbeitgebers zu sein. Dabei ist jedoch eine Anhörung des Betriebsrates und des betroffenen Arbeitnehmers vorzunehmen. Weiters trifft den Arbeitgeber vor dem Ausspruch der Kündigung eine den dringenden Tatverdacht betreffende Aufklärungspflicht. Selbstverständlich steht einem betroffenen Unternehmen auch die außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers zu.

 

III. Zusammenfassung

Aus Sicht des Autors dieser Rezension, der selbst im Rahmen der Aufarbeitung von Korruptionsfällen in unterschiedlichen (auch staatsnahen) Unternehmen tätig war und ist, handelt es sich bei dem vorliegenden Werk um einen sehr gelungenen Leitfaden für den Umgang mit Korruptionsfällen. Das vorliegende Buch belegt eindrucksvoll, dass der Autor nicht nur theoretisches Grundlagenwissen zu vermitteln sucht, sondern seine in der Praxis gewonnenen Erfahrungen seinerseits an Praktiker weitergeben möchte.

 

Erich Schmidt Verlag, 2010, 34,95 €

 

I. Einleitung

Gerade in Zeiten zunehmender Sensibilisierung von international agierenden Unternehmen, (Strafverfolgungs-)Behörden und nicht zuletzt auch der breiten Öffentlichkeit betreffend Wirtschaftskriminalität, ist ein sicheres Abhandeln von Korruptions(verdachts)fällen von immer größerer Bedeutung. Durch zielgerichtetes und entschlossenes Handeln der Entscheidungsträger lassen sich die neben dem finanziellen Schaden drohenden Imageschäden abwenden oder zumindest begrenzen.

Der Autor war nahezu 10 Jahre als Ombudsmann der Deutschen Bahn führend an der Aufklärung von Korruptionsfällen beteiligt. Diesen umfassenden Erfahrungsschatz lässt er in das vorliegende Werk einfließen. Er bietet dabei einen sehr anschaulichen und vor allem praxisrelevanten, in 11 sog „Bausteine“ gegliederten, Handlungsbehelf für den Zeitraum nach Auftreten eines Verdachtsfalles, dessen Lektüre für den interessierten Praktiker jedenfalls von großem Nutzen ist.

 

II. Das Werk

Das vorliegende Buch ist, wie bereits beschrieben, in 11 „Bausteine“ gegliedert, welche thematisch jeweils einem bei der Abhandlung von Korruptionsfällen besonders wichtigen Themenkreis gewidmet sind. Am Ende jedes dieser Kapitel findet sich eine kurze Zusammenfassung des zuvor erörterten Themas, welche einen schnellen Überblick gewährleistet, und auch nochmals das Bewusstsein für das soeben behandelte Thema schärft.

1. Informationsgewinnung durch Ombudsmann und Vertrauensanwalt

Aus Sicht des Autors stellt die Informationsbeschaffung das größte praktische Problem bei der Korruptionsbekämpfung dar. In diesem Zusammenhang plädiert der Autor für die Bestellung eines Ombudsmannes durch das betroffene/gefährdete Unternehmen. Dabei soll es sich um einen selbstständigen, und daher mit einem umfassenden Aussageverweigerungsrecht ausgestatteten, Rechtsanwalt handeln. Dieser sollte Hinweise auf Korruptionsfälle – unter Zusicherung der Anonymität des Hinweisgebers – vertraulich entgegennehmen und sie anonymisiert und plausibilisiert an das Unternehmen weiterleiten. Darüber hinaus sollte die Funktion des Ombudsmannes allerdings nicht auf diese „Postfunktion“ beschränkt bleiben. Der Ombudsmann sollte einen Korruptionsfall sogar bis zu einer eventuellen Schadenswiedergutmachung weiterhin begleiten, um so auch sicherzustellen, dass keine relevanten Informationen verloren gehen.

Weiters plädiert der Autor für eine hohe hierarchische Anbindung des Ombudsmannes, und begründet dies mit der, durch die kurzen Informationswege gewährleisteten, Vertraulichkeit sowie mit der damit auch verbunden Signalwirkung im Unternehmen selbst.

2. Interne Zuständigkeit

Der Autor spricht sich dafür aus, die im Rahmen der Korruptionsbekämpfung notwendige Sachaufklärung bei der Revisionsabteilung anzusiedeln. Der Revisionsabteilung sollte dabei sinnvollerweise ein Rechtsanwalt zur Seite gestellt werden.

Zur Bündelung von Informationen sowie zur Abstimmung der diversen handelnden Stellen (Revision, Recht, Personal etc) empfiehlt der Autor weiters die Einrichtung eines Lenkungskreises (Compliance Comittee), welchem die Kompetenz zukommen sollte, die Aufnahmen von Ermittlungen zu beschließen, sowie deren Ergebnisse entgegenzunehmen.

3. Grundsätze zur Aufklärung von Korruptionsverdachtsfällen

Bei der Aufklärung von Korruptionsverdachtsfällen sollte nach Ansicht des Autors darauf geachtet werden, kontinuierlich sämtliche Verdachtsfälle bzw. den zugrundeliegenden Sachverhalt restlos aufzuklären. Bagatellfälle sollten dabei keinesfalls außer Acht gelassen werden. Auch sollte der bestellte Ombudsmann stets in den für die Aufklärung relevanten Informationskreislauf eingebunden sein. Weiters ist auf eine umfassende Dokumentation von Entscheidungen sowie des eventuellen Verfahrensabschlusses Bedacht zu nehmen.

4. Unternehmensinterne Voraufklärung

Ab dem Bestehen einer Verdachtslage sollte nach Ansicht des Autors zunächst verifiziert werden, ob ein strafrechtlich relevanter Anfangsverdacht vorliegt, ab welchem die Strafermittlungsbehörden hinzuzuziehen wären. Die dafür notwendige Aufklärung sollte objektiv und neutral erfolgen, sowie von dem Grundsatz getragen sein, so viel Materialien und Unterlagen wie möglich zu sichern, da die unternehmensinternen Ermittlungen mit Fortdauer des Prozesses immer schwieriger werden.

Für diese sog Vorermittlungsphase haben sich in der Praxis vier Phasen herausgebildet:

1.) Zunächst ist ein eingelangter Verdachtsfall zu plausibilisieren. 2.) Danach sollte der Verdachtsfall intern kommuniziert und sodann über das weitere Vorgehen entschieden werden. 3.) In Phase drei findet die eigentliche Sachaufklärung statt. 4.) Schlussendlich sollte ein dafür gebildetes Gremium (bspw. der Lenkungskreis) über das weitere Vorgehen entscheiden.

5. Checkliste für unternehmensinterne Ermittlungen

Der Autor tritt bei der Aufklärung von Korruptionsverdachtsfällen dafür ein, die tätigen Ermittlungsbehörden als Partner anzusehen und diese konstruktiv bei ihren Tätigkeiten zu unterstützen.

Eventuell betroffene eigene Mitarbeiter des Unternehmens sollten in der Regel vom Dienst freigestellt oder beurlaubt werden. Damit zusammenhängend sind Geschäftsunterlagen und Arbeitsgeräte einzuziehen sowie EDV-Zugänge zu sperren. Erteilte Vollmachten sollten widerrufen werden.

So bald als möglich sollte weiters die umfassende Beweissicherung stattfinden

Es sollte auch geprüft werden, ob laufende Geschäfts- und Zahlungsvorgänge anzuhalten sind bzw. ob noch im Geschäftsgang befindliche Vorgänge gesperrt bzw. storniert werden sollen.

Ebenso sollte überprüft werden, auf welcher Grundlage nunmehr Strafanzeige zu erstatten ist. Eventuelle arbeitsrechtliche Maßnahmen wird der Ermittler nicht vornehmen, sondern nur deren angemessene Ergreifung veranlassen können.

Berücksichtigt sollte selbstverständlich werden, wenn ein Mitarbeiter verhaftet worden ist. Hier ist von einem besonderen Zeitdruck hinsichtlich zu ergreifender Maßnahmen auszugehen.

Auch die Unternehmenskommunikation ist zu unterrichten. Eventuelle Presseveröffentlichungen sollten jedoch nach Möglichkeit mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgesprochen werden.

Jedenfalls sind sämtliche der hier aufgezeigten Schritte umfassend zu dokumentieren, um so Informationsverlusten vorzubeugen und die zuständigen Gremien entsprechend informieren zu können.

6. Daten- und Beweissicherung

Bei der Aufklärung von Korruptionsverdachtsfällen sind der Sicherung von Arbeitnehmerdaten regelmäßig durch datenschutz- und arbeitsrechtliche Bestimmungen Grenzen gesetzt.

Die Kontrolle von dienstlichen Schriftstücken und Daten ist im Rahmen der Aufklärung von Korruptionsverdachtsfällen uneingeschränkt zulässig. Zugelassene – oder auch bloß geduldete – Privatnutzung der betrieblichen Computer steht einer Kontrolle durch das Unternehmen jedoch im Allgemeinen bereits entgegen.

In diesem Zusammenhang empfiehlt der Autor die Nutzung der internen Datenkommunikation einer Betriebsvereinbarung zu unterwerfen, in welcher auf Kontrollrechte des Arbeitgebers hingewiesen wird.

7. Weitergehende Beweissicherung

Der Autor versucht im Rahmen dieses Bausteines beim Leser das Bewusstsein für die Probleme weitergehender Beweissicherungen wie Videoüberwachung, der Aufzeichnung von Telefonaten oder den Einsatz von Detekteien zu schärfen. Diese Maßnahmen stehen gewöhnlich in einem Spannungsverhältnis mit Persönlichkeitsrechten der betroffenen Mitarbeiter.

Videoüberwachungen sind auf eine konkrete Anlasstat zu beschränken. Weniger einschneidende Maßnahmen müssen bereits ausgeschöpft sein. Überhaupt muss die Maßnahme auch dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

Das Abhören von Telefonaten kann unter Umständen durch das Vorliegen einer für das betroffene Unternehmen notwehrähnlichen Lage gerechtfertigt erscheinen. Das Unternehmen muss sich insofern in einem Beweisnotstand befinden, als es von gegen sich selbst gerichteten Straftaten ausgehen muss, den entsprechenden Verdacht jedoch bisher nicht einwandfrei nachweisen konnte. Im Rahmen einer Abwägung muss das Aufklärungsinteresse des Unternehmens, die Persönlichkeitsrechte des Verdächtigen deutlich überwiegen.

Hinsichtlich des Einsatzes von Detekteien weist der Autor auf die nicht unproblematische Auswahl einer seriösen Detektei sowie auf die zu erwartenden hohen Kosten hin. Sollte sich das betroffene Unternehmen für den Einsatz einer Detektei entscheiden, sollte jedenfalls der Auftragsgegenstand und die Art und Weise der Ermittlungen vereinbart werden. Die Überwachung eines Beschäftigten durch eine Detektei ist jedenfalls bei einer gegebenen schweren Verdachtslage sowie bei gewahrter Verhältnismäßigkeit und einer erfolgten Interessensabwägung zulässig. Abschließend weist der Autor noch auf die Möglichkeit hin, Detektivkosten unter Umständen im Wege einer Schadenersatzklage ersetzt zu bekommen.

8. Befragung von Mitarbeitern

In Fällen, in denen ein Tatverdacht weder ausgeräumt noch entsprechend erhärtet werden konnte, kann das direkte Gespräch mit einem betroffenen Mitarbeiter oft die einzige Möglichkeit sein, die Aufklärung eines Korruptionsverdachtes weiter voranzutreiben. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dies nur zum Preis der frühzeitigen Offenlegung der prinzipiell geheimen Sachverhaltsermittlung geschehen kann.

Ein Arbeitnehmer ist betreffend seines unmittelbaren Arbeitsbereiches zu umfassender und uneingeschränkter Auskunft verpflichtet und muss sich dabei gegebenenfalls auch selbst belasten.

Außerhalb des unmittelbaren Arbeitsbereiches kann eine eingeschränkte Auskunftspflicht, abhängig von der Treuepflicht des Arbeitsnehmers, gegeben sein. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Arbeitnehmer zu Fragen, bei denen er sich einer Pflichtverletzung oder einer Straftat bezichtigen würde, die Auskunft verweigern kann.

Bei solchen Befragungen besteht grundsätzlich kein Anspruch des Arbeitnehmers, einen Rechtsanwalt beizuziehen. Unter Umständen muss jedoch ein Betriebsrat beigezogen werden. Auch ist das Bundesdatenschutzgesetz bei der Befragung des Mitarbeiters zu beachten.

Ergänzend weist der Autor darauf hin, dass die Befragung von Mitarbeitern, welche nicht unter Strafverdacht stehen, zumeist unproblematisch ist.

9. Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden

Der Autor weist an dieser Stelle mit Nachdruck darauf hin, dass eine offene und konstruktive Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden für ein, von einem Korruptionsverdachtsfall betroffenes, Unternehmen unabdingbar ist. Dringend empfiehlt der Autor dabei, dass sämtliche Kontakte mit den Ermittlungsbehörden nur über einen Rechtsanwalt laufen sollten, da dies zu Informationsbündelung führt, sowie eine juristische Vorabprüfung der Informationen möglich ist. So kann vor allem unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens auch Schaden vom Unternehmen abgewendet werden.

Weiters können in diesem Zusammenhang Durchsuchungsmaßnahmen abgestimmt werden, und so nach Möglichkeit auch positiv nach außen dargestellt werden.

Unter dem Gesichtspunkt der Schadenswiedergutmachung kann es unter Umständen angebracht sein, die Staatsanwaltschaft zu geeigneten Maßnahmen der Rückgewinnungshilfe zu bewegen.

Durch gute Kontakte zur Staatsanwaltschaft können weiters Probleme, welche mit oftmals nicht gewährter Akteneinsicht auftreten, abgemildert werden.

10. Zivilrechtlicher Regress

Der Autor verweist in diesem Zusammenhang auf die äußerste Komplexität des zivilrechtlichen Regresses im Zusammenhang mit Korruptionsfällen.

Für geleistete Schmiergeldzahlungen scheidet ein Herausgabeanspruch aus, wenn bereits im Strafverfahren eine entsprechende Verfallsanordnung ergangen ist, wobei das geschädigte Unternehmen darauf zu achten hat, dass dies unterbleibt.

Als große Hürde bei der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen wirkt, dass im Strafverfahren erfolgte Aussagen und Verurteilungen im Zivilverfahren gewöhnlich keinerlei Bindungswirkung entfalten.

Hat ein Geschäftsabschluss infolge einer Schmiergeldzahlung nachweisbar zu Nachteilen eines Geschäftsherrn geführt, kann dies in weiterer Folge zur Nichtigkeit aus diesem Grund abgeschlossener Verträge führen.

Der Autor spricht sich generell dafür aus, zivilrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit Korruptionsverdachtsfällen durch einen Vermögensarrest zu sichern. Dies sollte neben Vermögenssicherungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden geschehen. Zugunsten des Geschädigten gesicherter Vermögenswerte kann das geschädigte Unternehmen ein Vorrangverfahren durchführen, welches zu einem rangwahrenden Beschluss des Gerichtes führt.

Des Weiteren kann ein geschädigtes Unternehmen vermögensrechtliche Schadenersatz- und Herausgabeansprüche mit einem Adhäsionsantrag unmittelbar im Strafverfahren geltend machen. Auf diesem Wege kann das geschädigte Unternehmen auf das Strafverfahren Einfluss nehmen sowie einen entsprechenden rechtskräftigen Titel erlangen.

11. Arbeitsrechtliches Vorgehen

Der Autor bietet bei diesem Baustein einen Überblick über die arbeitsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, welche sich im Zuge des Auftretens von Korruptionsfällen ergeben.

Überwiegend wird der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer fristlos kündigen können, wenn nachweisbar begangene Straftaten vorliegen. Selbst in diesem Fall ist aber eine umfassende – meist zu Gunsten des Arbeitgebers ausgehende – Interessensabwägung vorzunehmen. Zu beachten ist dabei weiters die Beteiligung des Betriebsrates und die einzuhaltenden Kündigungsfrist von 14 Tagen. Bei unklarer Verdachtslage erscheint oftmals eine Verdachtskündigung wegen eines zerstörten Vertrauensverhältnisses die angemessene Reaktion des Arbeitgebers zu sein. Dabei ist jedoch eine Anhörung des Betriebsrates und des betroffenen Arbeitnehmers vorzunehmen. Weiters trifft den Arbeitgeber vor dem Ausspruch der Kündigung eine den dringenden Tatverdacht betreffende Aufklärungspflicht. Selbstverständlich steht einem betroffenen Unternehmen auch die außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers zu.

 

III. Zusammenfassung

Aus Sicht des Autors dieser Rezension, der selbst im Rahmen der Aufarbeitung von Korruptionsfällen in unterschiedlichen (auch staatsnahen) Unternehmen tätig war und ist, handelt es sich bei dem vorliegenden Werk um einen sehr gelungenen Leitfaden für den Umgang mit Korruptionsfällen. Das vorliegende Buch belegt eindrucksvoll, dass der Autor nicht nur theoretisches Grundlagenwissen zu vermitteln sucht, sondern seine in der Praxis gewonnenen Erfahrungen seinerseits an Praktiker weitergeben möchte

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Norbert Wess, LL.M., MBL
    Dr. Norbert Wess ist Rechtsanwalt in Wien (wkk law Rechtsanwälte) und vorwiegend in den Bereichen des Unternehmens-, Wirtschafts- und Korruptionsstrafrecht tätig.

WiJ

  • Dr. Carolin Raspé , Dr. Roland Stein

    Strafrechtliche Risiken bei der Sanktions- Compliance Teil 1

    Außenwirtschaftsrecht Kriegswaffenkontrollrecht

  • Sigrid Mehring-Zier

    Wirtschaftsvölkerstrafrecht in der europäischen Praxis – und Deutschland?

    Auslandsbezüge EU Internationales Strafrecht Rechtshilfe

  • Jakob Lehners

    Digitale Akteneinsicht in der Untersuchungshaft

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)