Dr. Christian Brand

Insolvenzstrafrechtliche Literatur im Zeitraum Januar bis Mai 2014

Ab sofort wird in jeder Ausgabe des WiJ eine Literaturübersicht erscheinen, die in Kurzfassung auf aktuelle Literatur und Aufsatzveröffentlichungen mit insolvenzstrafrechtlichem Bezug hinweist.

 

I. Aufsatzliteratur

1.Dominik Skauradszun, Strafzumessung bei der Insolvenzverschleppung, wistra 2/2014, S. 41-47

Nach Ansicht des Verf. weist die Strafzumessung bei § 15a Abs. 4, 5 InsO in praxi einige Missstände auf, die er mithilfe eines an gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Maßstäben ausgerichteten Kriterienkatalogs beheben will. Strafzumessungsrechtlich soll es zunächst einen Unterschied machen, ob die schuldnerische Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Da sich der Zustand der Überschuldung typischerweise schleichend vollziehe, soll ihr Vorliegen jedenfalls dann strafschärfend wirken, wenn der Geschäftsleiter gegenüber dieser Entwicklung die „Augen verschlossen“ habe. Zudem sei der Grad der materiellen Insolvenz zu berücksichtigen. Wer knapp die Schwelle zur Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung überschritten habe, verdiene mehr Nachsicht als der Täter, dessen antragspflichtiges Unternehmen schon tief in diesem Stadium stecke. Darüber hinaus will Verf. den Täter strafzumessungsrechtlich privilegieren, der bei Aufstellung einer Fortführungsprognose Dritte (Experten) hinzugezogen hat, um die eigenen – häufig nicht ganz objektiven – Einschätzungen kritisch und sorgsam zu validieren. Als weiteren wesentlichen Aspekt nennt der Verf. die Dauer der materiellen Insolvenz. Stelle der Täter den Antrag wenige Tage nach Ablauf der Antragsfrist, sei dies strafmildernd zu berücksichtigen, hingegen strafschärfend, wenn zwischen Antragsstellung und Entstehung der Antragspflicht ein längerer Zeitraum liege. Ebenfalls strafzumessungsrechtlich soll sich die Existenz bzw. Nichtexistenz eines Risikofrüherkennungssystems auswirken. Habe der Täter ein solches System installiert, komme ihm dies bei der Strafzumessung zugute; fehle jedoch ein Risikofrüherkennungssystem, wirke dieser Umstand strafschärfend, sofern der Täter verpflichtet war, ein solches System einzurichten. Ersuche der Täter um (externen) Rat, wirke sich das bei der Strafzumessung zu seinen Gunsten aus; hingegen müsse er mit Strafschärfung rechnen, wenn er dem Rat nicht nachkomme. Des Weiteren soll das Erbringen eines Sanierungsbeitrags – etwa durch (Teil-)Verzicht auf das Geschäftsleitergehalt – strafmildernd wirken, wohingegen die Entnahme sog. verdeckter Gewinnausschüttungen grds. mit einer Strafschärfung einhergehe. Während Weisungen der GmbH-Gesellschafter, die darauf gerichtet sind, die Insolvenzantragsstellung zu unterlassen, im Rahmen der Strafzumessung u.U. privilegierende Wirkung haben sollen, soll die Verteidigung, als „Techniker“ habe der Geschäftsleiter um seine Pflichten nicht ausreichend Bescheid gewusst, diesem nichts nützen. Strafschärfend sei es schließlich zu würdigen, dass der Geschäftsführer durch sein Verhalten bspw. gegen § 64 S. 1 bzw. S. 3 GmbHG verstoßen habe.

2.Marcus Bergmann, Die Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO durch einen nur faktischen Geschäftsführer, NZWiSt 3/2014, S. 81-84

Verf. gelangt zu dem Ergebnis, dass der faktische Geschäftsführer entgegen der bei Schaffung des § 15a InsO bestehenden gesetzgeberischen Vorstellung kein tauglicher Täter der strafbaren Insolvenzverschleppung ist. Der Einbeziehung des faktischen Geschäftsführers in den Täterkreis des § 15a Abs. 4 InsO stehe die Wortlautgrenze entgegen. Anders als die Vorläufer des § 15a InsO, die vom Geschäftsführer bzw. Vorstand sprachen, adressiere § 15a Abs. 1 S. 1 InsO seine Pflicht an die „Mitglieder des Vertretungsorgans“ und umschreibe die tauglichen Täter somit nicht mehr faktisch-gegenständlich, sondern rechtlich. Während man nach Ansicht des Verf. unter dem Regime des § 84 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG durchaus noch davon sprechen konnte, dass auch der faktische Geschäftsführer die Geschäfte der GmbH führt, gehe es sub specie § 15a InsO nicht an, den bloß faktischen Geschäftsführer als „Mitglied des Vertretungsorgans zu begreifen. Denn der Terminus „Mitglied des Vertretungsorgans“ beschreibe „kein Verhalten, das von jedermann ausgeübt werden kann, sondern eine ([…] besondere) Eigenschaft aufgrund einer außerstrafrechtlichen Pflichtenstellung […]“.

3.Thomas Rönnau/Kilian Wegner, Wann ist ein Eröffnungsantrag „nicht richtig“ gestellt i.S.v. § 15a Abs. 4,Var. InsO? – eine strafrechtliche Analyse nach dem ESUG, ZInsO 22/2014, S. 1025-1032

Verf. übernehmen in dem nachfolgend vorgestellten Beitrag die sehr verdienstvolle Aufgabe, die Tatvariante des „nicht richtigen“ Insolvenzantrags i.S.d. § 15a Abs. 4 InsO insbesondere mit Blick auf die durch das ESUG geschaffenen Neuerungen näher zu konkretisieren. Ausgangspunkt des Beitrags ist die Erkenntnis, wonach jeder Insolvenzantrag als „richtig“ zu bewerten sei, der das Insolvenzgericht in die Lage versetze, die zugunsten der Gläubiger existierenden Schutzinstrumente wirksam einzusetzen. Vor diesem Hintergrund avanciere die Zulässigkeit des Antrags, an die keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften, zum entscheidenden Kriterium eines „richtigen“ bzw. „nicht richtigen“ Antrags. „Nicht richtig“ sei mit anderen Worten der Antrag gestellt, der unzulässig sei. Im Anschluss an diese These unterziehen Verf. mehrere formelle und materielle Verstöße einer Überprüfung, inwieweit diese geeignet sind, einen Insolvenzantrag unzulässig und damit „nicht richtig“ zu machen.

4.Dominik Reither, Kriseneintritt nach Ablauf des Bilanzstichtags und weiterhin Unterlassen der Bilanzierung – Bankrott oder Verletzung der Buchführungspflicht?, wistra 2/2014, S. 48-50

Verf. beschäftigt sich mit der in Rspr. und Schrifttum kontrovers beurteilten Frage, ob der Eintritt von (drohender) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach Ablauf der Bilanzierungsfrist zu einer Strafbarkeit gem. § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB führt, oder ob solche Fallgestaltungen lediglich der mildere § 283b Abs. 1 Nr. 3 StGB erfasst. Während die Rspr. die unterbliebene Bilanzierung nur gem. § 283b Abs. 1 Nr. 3 StGB ahndet, falls die Bilanzaufstellungsfrist vor Eintritt der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung endete, schließt sich Verf. den Stimmen im Schrifttum an, die hier gem. § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB bestrafen wollen. Der Unterlassens- und Dauerdeliktscharakter des § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB markiere als Beendigungszeitpunkt den Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingung. Da bis dahin aber die Pflicht zur Bilanzerstellung nicht wegfalle, sondern im Gegenteil fortbestehe, hafte der Kaufmann bzw. sein Organwalter gem. dem strengeren § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB falls zwischenzeitlich die (drohende) Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung vorliege. Der Wortlaut, der ein Unterlassen der Bilanzerstellung bei (drohender) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verlangt, stehe dieser Sichtweise nicht entgegen. Denn im Stadium der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung dauere das Unterlassen der Bilanzierung an. Außerdem lasse sich dem Wortlaut der Vorschrift das Erfordernis nicht entnehmen, wonach § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB nur dann greife, falls (drohende) Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung vor Ablauf der Bilanzerstellungsfrist eingetreten seien.

5.JürgenWessing/Lucian Krawczyk, Feststellung einer die Untreuestrafbarkeit begründenden Gefährdung der Existenz einer GmbH, NZG 2/2014, S. 59-61

Kritisch werten Verf. zunächst das Festhalten der höchstrichterlichen Rspr. an dem Grundsatz, wonach Verstöße gegen § 30 Abs. 1 GmbHG bzw. das Existenzvernichtungsverbot einem Gesellschaftereinverständnis die Wirksamkeit nehmen, das folglich eine Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers nicht hindert. Auf diese Weise werde Gläubigerschutz unter dem Deckmantel der Untreue betrieben. Positiv heben Verf. hingegen hervor, dass der BGH an die Feststellung einer Existenzgefährdung strenge Anforderungen stellt und den schlichten Rekurs auf den tatsächlichen Verlauf nicht genügen lässt. Entscheidend sei die Rekonstruktion der Umstände zum maßgeblichen Tatzeitpunkt. Die Maßgaben der Entscheidung BVerfGE 126, 170 seien auf das Bestehen einer Existenzgefährdung sowie das Vorliegen eines Krisenmerkmals i.S.v. § 283 StGB der Sache nach übertragbar.

6.HansKudlich, Praxiskommentar zur Entscheidung des BGH v. 21.8.2013, 1 StR 665/12, NStZ 2/2014, S. 109-110

Einleitend seiner Anmerkung hebt Verf. hervor, dass viel dafür spreche, die gleichlautenden Krisenbegriffe des Straf- und Insolvenzrechts parallel und somit insolvenzrechtsakzessorisch auszulegen. Die hohen Anforderungen, die der BGH an den Nachweis einer Zahlungsunfähigkeit im Tatzeitpunkt stellt, begrüßt Verf. ausdrücklich, da auf diese Weise die Gefahr von Rückschaufehlern (sog. hindsight bias) verringert werde. Kritisch positioniert sich Verf. hingegen zu der Ansicht, wonach auch der faktische Geschäftsführer tauglicher Täter des § 15a Abs. 4 InsO sein könne. Mit Blick auf den Wortlaut („Mitglied des Vertretungsorgans“) und das Fehlen einer insolvenzrechtlichen Vorschrift, die es dem faktischen Geschäftsleiter ausdrücklich gestatte, den Insolvenzantrag zu stellen, sei eine Verurteilung des faktischen Geschäftsführers gem. § 15a Abs. 4 InsO sub specie Art. 103 Abs. 2 GG problematisch.

7.Maximilian Klein, Untreue durch Verstoß gegen die Zahlungsverbote gemäß § 64 S. 1 und § 64 S. 3 GmbHG, BLJ 1/2014, S. 30-36

Bei der Beurteilung der Untreuerelevanz eines Verstoßes gegen § 64 S. 1 GmbHG einer- und § 64 S. 3 GmbHG andererseits gelangt Verf. zu einem differenzierten Ergebnis. Während er den Verstoß gegen § 64 S. 3 GmbHG als untreuerelevante Pflichtwidrigkeit klassifiziert, weil § 64 S. 3 GmbHG genauso wie die Existenzvernichtungshaftung nicht nur den Gläubiger-, sondern auch den Vermögensschutz der GmbH intendiere, lehnt er es ab, an die Missachtung des § 64 S. 1 GmbHG untreuestrafrechtliche Konsequenzen zu knüpfen. Zwar entfalte § 283c StGB insofern keine Sperrwirkung. Jedoch diene § 64 S. 1 GmbHG ausschließlich dazu, im Vorfeld der Insolvenzverfahrenseröffnung den Grds. „par conditio creditorum“ zu sichern und bezwecke somit nicht einmal mittelbar den Schutz des Gesellschaftsvermögens. Missachte ein GmbH-Geschäftsführer § 64 S. 3 GmbHG, erschöpfe sich der Nachteil in den Zahlungsverpflichtungen, denen die GmbH aufgrund des Verstoßes nicht mehr nachkommen kann. Bestehe die Verletzung des § 64 S. 3 GmbHG hingegen darin, dass die Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft eine Sicherheit bestellt (sog. upstream securities), erleide die Tochter eine schadensgleiche Vermögensgefährdung, falls bei Vertragsschluss eine die Existenz der Tochter bedrohende Inanspruchnahme aus der bestellten Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

8.Susanne Dornblüth, Fortbestehende Geschäftsführerhaftung gem. § 823 Abs. 2 BGB, § 266a StGB trotz in England erlangter Restschuldbefreiung?, ZIP 15/2014, S. 712-716

Nach dem Hype um die Limited, der abflachte, als der Gesetzgeber die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) schuf, scheint sich ein neuer Trend mit Bezug zum ausländischen (konkret: englischen) Recht Bahn zu brechen: der Gang zum ausländischen (englischen) Insolvenzgericht. Da die EuInsVO eine internationale Zuständigkeit am Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses begründet, kann der in Deutschland tätige Schuldner mithilfe einer Sitzverlegung das für ihn günstigere englische Insolvenzrecht zur Anwendung bringen, dessen s. 279 (1) Insolvency Act (IA) regelmäßig eine automatische Restschuldbefreiung nach Ablauf nur eines Jahres und nicht wie nach deutschem Insolvenzrecht sechs Jahren vorsieht. Verf. gelangt jedoch zu dem Ergebnis, dass Schadensersatzforderungen der Sozialversicherungsträger gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB gegen den „ausgewanderten“ Schuldner von der im Inland anzuerkennenden Restschuldbefreiung englischen Rechts grds. nicht erfasst werden. Schadensersatzansprüche, die auf einem Verstoß des Schuldners gegen § 266a StGB beruhten, unterfielen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – der Vorschrift des s. 281 (3) IA, der bestimmte Forderungen von der Restschuldbefreiung ausnehme.

 

II. Kommentare/Handbücher

1. Helmut Satzger/Wilhelm Schluckebier/Gunter Widmaier (Hrsg.), Kommentar zum StGB, Carl Heymanns Verlag, 2. Aufl. 2014, 129,00 €

Im Berichtszeitraum ist die zweite Auflage des bereits in der ersten Auflage zu Recht zum Standardwerk avancierten „SSW“ erschienen. Da es im vorliegenden Zusammenhang nur um die insolvenzstrafrechtlichen Neuerscheinungen geht, beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen auf das Insolvenzstrafrecht im weiteren Sinne. Neben §§ 283 ff., 14 StGB sind das die §§ 266, 266a StGB.

1) Aus der umfassenden Kommentierung der §§ 283 ff. StGB und des § 14 StGB, die Nikolaus Bosch auch in der zweiten Auflage des „SSW“ betreut, verdienen folgende Punkte aufgrund ihrer Aktualität besonders hervorgehoben zu werden: Bei der Frage, ob der für den Täter grds. günstigere „neue alte“ modifiziert zweistufige Überschuldungsbegriff, wie ihn nunmehr § 19 Abs. 2 InsO wieder unbefristet enthält, via § 2 Abs. 3 StGB auch solchen Altfällen zugrunde zu legen ist, die sich ereigneten, als der nicht modifiziert zweistufige Überschuldungsbegriff galt, schließt sich Bosch der Ansicht an, die einen Rückgriff auf § 2 Abs. 3 StGB ablehnt und stattdessen den Zeitgesetzcharakter (vgl. § 2 Abs. 4 StGB) des Überschuldungsbegriffs herausstellt. Zu Recht hält Bosch an der im Schrifttum immer wieder bestrittenen, von ihm aber im Einklang mit der höchstrichterlichen Rspr. schon in der Voraufl. vertretenen Auffassung fest, wonach auch der Verbraucher trotz der §§ 304 ff. InsO tauglicher Täter des § 283 StGB sein kann. Im Rahmen seiner Kommentierung des § 14 StGB stellt Bosch umfassend die Entwicklung der höchstrichterlichen Rspr. zur Interpretation des Merkmals „als“ nach Aufgabe der Interessentheorie dar, verhehlt dabei aber nicht, dass ihn das Nichtigkeitsverdikt, das Rspr. und Teile des Schrifttums (den Rezensenten eingeschlossen) über ein gegen § 30 Abs. 1 GmbHG bzw. das Existenzvernichtungsverbot verstoßendes Gesellschaftereinverständnis fällen, keinesfalls überzeugt. Von seinem Standpunkt aus konsequent, erachtet Bosch folglich auch die mit § 30 Abs. 1 GmbHG/dem Existenzvernichtungsverbot kollidierende Einwilligung der GmbH-Gesellschafter im Rahmen des § 283d StGB für wirksam (aA freilich der Rezensent; vgl. Brand/Sperling, ZStW 121 [2009], 281 [297 ff.]). Positiv bewertet Bosch eine jüngere Entscheidung des BGH zur unterlassenen Buch-/Bilanzführung, die mithilfe des Grundsatzes „omissio libera in causa“ den Buch-/Bilanzführungspflichtigen dazu anhält, die erforderlichen Mittel vorrätig zu halten, die er benötigt, um seine Buch-/Bilanzführungspflichten zu erfüllen, andernfalls er sich trotz Unmöglichkeit im Aufstellungszeitraum gem. §§ 283 Abs. 1 Nrn. 5, 7, 283b Abs. 1 Nrn. 1, 3 StGB strafbar macht. Treten (drohende) Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung erst nach Ablauf der Bilanzierungsfrist ein, plädiert Bosch überzeugend dafür, den Täter nur gem. § 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB zu bestrafen. Skeptisch sieht Bosch schließlich den Versuch des BGH, die schlichte Veräußerung von Geschäftsanteilen an einen Firmenbestatter als ein Verheimlichen i.S.d. § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB zu qualifizieren.

2) Die Kommentierung der §§ 266, 266a StGB liegt – wie schon in der Voraufl. – bei Frank Saliger. Von der umfassenden, sorgfältigen und äußerst gründlichen Kommentierung, die Saliger den §§ 266, 266a StGB angedeihen lässt, seien folgende, insolvenzstrafrechtlich relevante Aspekte besonders erwähnt:

a) Im Rahmen der Kommentierung des § 266a StGB weist Saliger zunächst dezidiert die Ansicht des BGH zurück, wonach dem Täter des § 266a Abs. 1 StGB der Unmöglichkeitseinwand abgeschnitten ist, wenn er den Tatbestand durch die in Abs. 2 umschriebenen Handlungen verwirklicht. Kritisch betrachtet Saliger des Weiteren das Unterfangen, dem Arbeitgeber mithilfe des Grundsatzes „omissio libera in causa“ zu verwehren, sich auf Unmöglichkeit (etwa wegen bestehender Zahlungsunfähigkeit im Fälligkeitszeitpunkt) zu berufen. Für ebenfalls nicht überzeugend hält Saliger die „Vorrangthese“ des 5. Strafsenats, der zufolge die Arbeitnehmeranteile am Sozialversicherungsaufkommen aufgrund ihrer Strafbewehrung gegenüber allen anderen Verbindlichkeiten des Arbeitgebers vorrangig zu bedienen seien. Allerdings habe die Kehrtwende des II. Zivilsenats, der seit einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 die Abführung der Arbeitnehmeranteile an der Sozialversicherung für mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar hält (§ 64 S. 2 GmbHG), die schlimmsten Folgen der „Vorrangthese“ des 5. Strafsenats für die Praxis ausgeräumt. Leider keine Antwort findet man bei Saliger auf die Frage, welche Folgen die geänderte Rspr. des II. Zivilsenats für den vom 5. Strafsenat kreierten „Sonderrechtfertigungsgrund“ während des von § 15a Abs. 1 S. 1 InsO gewährten dreiwöchigen Zeitraums zur Umsetzung aussichtsreicher Sanierungsvorhaben hat.

b) Angesichts des insolvenzstrafrechtlichen Zuschnitts der vorliegenden Übersicht beschränkt sich die Betrachtung der Kommentierung von § 266 StGB auf das auch die Abgrenzung von Untreue und Bankrott beeinflussende Problem der Wirksamkeit eines Gesellschaftereinverständnisses. Saliger weist zunächst die Ansicht zurück, wonach ein Mehrheitsbeschluss, der nicht der Form der §§ 47 GmbHG entspricht, ungeeignet sei, den Tatbestand des § 266 StGB auszuschließen. Ebenfalls ablehnend steht er den Auffassungen gegenüber, die aus einem Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG bzw. das Existenzvernichtungsverbot eine Grenze des tatbestandsausschließenden Einverständnisses herleiten. Insofern werde unter dem Deckmantel der Untreue Gläubigerschutz betrieben. Zum strafrechtlichen Schutz der Gläubigerinteressen stünden jedoch die §§ 283 ff. StGB bereit.

2.Heinz-Bernd Wabnitz/Thomas Janovsky (Hrsg.), Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl. 2014, C.H. Beck Verlag, ISBN 978-3-406-64373-6, 159,00 €.

In nunmehr vierter Auflage ist im Berichtszeitraum auch das von Wabnitz und Janovsky herausgegebene Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts erschienen. Unter den immer zahlreicher werdenden Handbüchern und Kommentaren zu diesem Themenkomplex nimmt der „Wabnitz/Janovsky“ ohne Übertreibung die Position eines Standardwerkes ein. Die Ausführungen zum Inhalt des Buchs werden sich ebenfalls auf das Insolvenzstrafrecht im weiteren Sinne beschränken.

a) Während in der Vorauflage des „Wabnitz/Janovsky“ das mit „Insolvenz – Strafrechtlicher Teil“ überschriebene Kapitel von Helmut Köhler bearbeitet wurde, hat diese Aufgabe nunmehr Christian Pelz übernommen. Nach einer Einführung in die Materie des Insolvenzstrafrechts und der zutreffenden Feststellung, wonach, wer sich mit Insolvenzstrafrecht beschäftigt, fundierte Kenntnisse des Gesellschafts-, Insolvenz- und Bilanzrechts benötigt, widmet sich Pelz zunächst der strafbaren Insolvenzverschleppung (vgl. § 15a Abs. 4, 5 InsO). Drei Punkte verdienen in diesem Zusammenhang der besonderen Hervorhebung: Zunächst spricht sich Pelz zu Recht dafür aus, auch die Geschäftsleitungsorgane solcher Auslandsgesellschaften, die ihren Interessenmittelpunkt im Inland haben, der strafbewehrten Insolvenzantragspflicht des § 15a InsO zu unterwerfen. Des Weiteren belegt die umfassende Beschäftigung mit den Auswirkungen des durch das ESUG neu gefassten § 13 InsO auf den „nicht richtigen“ Insolvenzantrag, dass sich die Kommentierung von Pelz ganz auf der Höhe der aktuellen Diskussion bewegt. Schließlich vertritt Pelz – leider ohne weitere Begründung – die vom Verf. dieser Übersicht nicht geteilte Ansicht, wonach das Vorhandensein eines faktischen Geschäftsführers die Führungslosigkeit i.S.v. § 15a Abs. 3 InsO nicht beseitigt.

b) Nach den Ausführungen zur strafbaren Insolvenzverschleppung wendet sich Pelz dem „Herzstück“ des Insolvenzstrafrechts, den §§ 283 ff. StGB zu und erläutert prägnant die dort existierenden Probleme. Überzeugend bejaht er die Tätertauglichkeit des Verbrauchers sub specie § 283 StGB und verneint genauso überzeugend eine Bestrafung des Buch- bzw. Bilanzführungspflichtigen gem. § 283 Abs. 1 Nrn. 5, 7 StGB, der erst nach Ablauf der entsprechenden Aufstellungsfrist in das Stadium der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gerät. Hingegen positioniert sich Pelz im Streit um die Frage, ob der Geschäftsleiter einer im Inland ansässigen Auslandsgesellschaft nach deutschem Recht buch- und bilanzführungspflichtig ist, leider nicht. Etwas knapp geraten auch die Ausführungen zu § 14 StGB und dem durch die Partikel „als“ ausgedrückten Zurechnungserfordernis. Bei rechtsgeschäftlichen Schädigungshandlungen lässt es der BGH nämlich nicht mehr genügen, dass der Geschäftsleiter namens des Schuldners gehandelt hat, sondern forderte jüngst ausdrücklich eine wirksame rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Schuldners, um den Zurechnungsmechanismus des § 14 Abs. 1 StGB zu aktivieren (BGHSt 57, 229 [237 f.] = NJW 2012, 2366 [2368 f.]).

c) Auch dem Tatbestand der Untreue, der nach einem oft zitierten Diktum „immer passt“, widmet Pelz einen Abschnitt. Darin hebt er zu Recht hervor, dass, wer Geschäftsleitungsorgane einer im Inland ansässigen Auslandsgesellschaft wegen Untreue zur Verantwortung ziehen will, regelmäßig einen Verstoß gegen das ausländische Gesellschaftsrecht feststellen muss. Zustimmung verdient auch seine Aussage, wonach das Einverständnis der GmbH-Gesellschafter mit einer untreuerelevanten Pflichtverletzung „ihres“ Geschäftsführers nur dann dessen Untreuestrafbarkeit entfallen lässt, wenn es ohne Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG bzw. das Existenzvernichtungsverbot gebildet wurde. Ob jedoch der Vorstand einer Aktiengesellschaft Untreuehandlungen durch ihm unterstellte Mitarbeiter bzw. der Aufsichtsrat Untreuehandlungen des Vorstandes konsentieren kann, wie Pelz meint, erscheint fraglich, da die Mitglieder beider Organe selbst gegenüber der Gesellschaft vermögensbetreuungspflichtig sind, ihre Zustimmung zu schädigendem Verhalten Dritter aber diese Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Mehr spricht deshalb dafür – parallel zur „GmbH-Untreue“ – allenfalls den Aktionären die Kompetenz einzuräumen, untreuerelevante Pflichtverstöße zu konsentieren. Neben der Untreue zum Nachteil einer GmbH/Aktiengesellschaft geht Pelz zudem kurz auf das Thema „Untreue zulasten von Personengesellschaften“ ein und schließt sich dort – leider ohne die abweichenden Stimmen im Schrifttum zu erwähnen – der gefestigten Rspr. des BGH an, wonach Opfer einer solchen Untreue nur die Gesellschafter sein können, weil ihnen das Gesellschaftsvermögen dinglich zustehe.

d) Im Rahmen seiner Ausführungen zu § 266a StGB äußert Pelz zunächst berechtigte Zweifel an der in der Vorauflage vertretenen Auffassung, wonach den vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter eine Garantenstellung dahingehend trifft, die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung durch den insolventen Arbeitgeber sicherzustellen. Bedenken hegt Pelz des Weiteren gegenüber der Ansicht, die bei Fehlen einer ausdrücklichen Tilgungsanordnung auch im Kontext des § 266a StGB die Regelung des § 4 Satz 1 BVV anwenden und den Arbeitgeber dessen an die Sozialversicherungsträger überwiesene Mittel nicht genügen, um die geschuldeten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile vollständig zu begleichen, gem. § 266a Abs. 1 StGB bestrafen will. Umfangreichere Ausführungen hätte man sich hingegen zum Verhältnis zwischen § 266a Abs. 1 StGB einer- und § 64 Satz 1 GmbHG andererseits gewünscht. Insbesondere die „einlenkende“ Entscheidung des II. Zivilsenats (NJW 2007, 2118 ff.) und ihre möglichen Auswirkungen auf den vom 5. Strafsenat kreierten „Sonderrechtfertigungsgrund“ werden leider nicht erwähnt.

e) In einem besonders ausführlichen und äußerst lesenswerten Abschnitt beschäftigt sich Pelz schließlich mit der Frage, welche (insolvenz-)strafrechtliche Risiken dem (vorläufig starken und schwachen) Insolvenzverwalter drohen. Mit Blick auf das spezifische Regelungs- und Pflichtenregime, dem der Insolvenzverwalter unterliegt, würdigt Pelz die einzelnen Insolvenzstraftatbestände und nimmt sich der verdienstvollen Aufgabe an, zahlreiche denkbare Verstöße gegen dieses Regime auf ihre insolvenzstrafrechtliche Relevanz hin abzuklopfen.

 

Ab sofort wird in jeder Ausgabe des WiJ eine Literaturübersicht erscheinen, die in Kurzfassung auf aktuelle Literatur und Aufsatzveröffentlichungen mit insolvenzstrafrechtlichem Bezug hinweist.

 

I. Aufsatzliteratur

1.Dominik Skauradszun, Strafzumessung bei der Insolvenzverschleppung, wistra 2/2014, S. 41-47

Nach Ansicht des Verf. weist die Strafzumessung bei § 15a Abs. 4, 5 InsO in praxi einige Missstände auf, die er mithilfe eines an gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Maßstäben ausgerichteten Kriterienkatalogs beheben will. Strafzumessungsrechtlich soll es zunächst einen Unterschied machen, ob die schuldnerische Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Da sich der Zustand der Überschuldung typischerweise schleichend vollziehe, soll ihr Vorliegen jedenfalls dann strafschärfend wirken, wenn der Geschäftsleiter gegenüber dieser Entwicklung die „Augen verschlossen“ habe. Zudem sei der Grad der materiellen Insolvenz zu berücksichtigen. Wer knapp die Schwelle zur Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung überschritten habe, verdiene mehr Nachsicht als der Täter, dessen antragspflichtiges Unternehmen schon tief in diesem Stadium stecke. Darüber hinaus will Verf. den Täter strafzumessungsrechtlich privilegieren, der bei Aufstellung einer Fortführungsprognose Dritte (Experten) hinzugezogen hat, um die eigenen – häufig nicht ganz objektiven – Einschätzungen kritisch und sorgsam zu validieren. Als weiteren wesentlichen Aspekt nennt der Verf. die Dauer der materiellen Insolvenz. Stelle der Täter den Antrag wenige Tage nach Ablauf der Antragsfrist, sei dies strafmildernd zu berücksichtigen, hingegen strafschärfend, wenn zwischen Antragsstellung und Entstehung der Antragspflicht ein längerer Zeitraum liege. Ebenfalls strafzumessungsrechtlich soll sich die Existenz bzw. Nichtexistenz eines Risikofrüherkennungssystems auswirken. Habe der Täter ein solches System installiert, komme ihm dies bei der Strafzumessung zugute; fehle jedoch ein Risikofrüherkennungssystem, wirke dieser Umstand strafschärfend, sofern der Täter verpflichtet war, ein solches System einzurichten. Ersuche der Täter um (externen) Rat, wirke sich das bei der Strafzumessung zu seinen Gunsten aus; hingegen müsse er mit Strafschärfung rechnen, wenn er dem Rat nicht nachkomme. Des Weiteren soll das Erbringen eines Sanierungsbeitrags – etwa durch (Teil-)Verzicht auf das Geschäftsleitergehalt – strafmildernd wirken, wohingegen die Entnahme sog. verdeckter Gewinnausschüttungen grds. mit einer Strafschärfung einhergehe. Während Weisungen der GmbH-Gesellschafter, die darauf gerichtet sind, die Insolvenzantragsstellung zu unterlassen, im Rahmen der Strafzumessung u.U. privilegierende Wirkung haben sollen, soll die Verteidigung, als „Techniker“ habe der Geschäftsleiter um seine Pflichten nicht ausreichend Bescheid gewusst, diesem nichts nützen. Strafschärfend sei es schließlich zu würdigen, dass der Geschäftsführer durch sein Verhalten bspw. gegen § 64 S. 1 bzw. S. 3 GmbHG verstoßen habe.

2.Marcus Bergmann, Die Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO durch einen nur faktischen Geschäftsführer, NZWiSt 3/2014, S. 81-84

Verf. gelangt zu dem Ergebnis, dass der faktische Geschäftsführer entgegen der bei Schaffung des § 15a InsO bestehenden gesetzgeberischen Vorstellung kein tauglicher Täter der strafbaren Insolvenzverschleppung ist. Der Einbeziehung des faktischen Geschäftsführers in den Täterkreis des § 15a Abs. 4 InsO stehe die Wortlautgrenze entgegen. Anders als die Vorläufer des § 15a InsO, die vom Geschäftsführer bzw. Vorstand sprachen, adressiere § 15a Abs. 1 S. 1 InsO seine Pflicht an die „Mitglieder des Vertretungsorgans“ und umschreibe die tauglichen Täter somit nicht mehr faktisch-gegenständlich, sondern rechtlich. Während man nach Ansicht des Verf. unter dem Regime des § 84 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG durchaus noch davon sprechen konnte, dass auch der faktische Geschäftsführer die Geschäfte der GmbH führt, gehe es sub specie § 15a InsO nicht an, den bloß faktischen Geschäftsführer als „Mitglied des Vertretungsorgans zu begreifen. Denn der Terminus „Mitglied des Vertretungsorgans“ beschreibe „kein Verhalten, das von jedermann ausgeübt werden kann, sondern eine ([…] besondere) Eigenschaft aufgrund einer außerstrafrechtlichen Pflichtenstellung […]“.

3.Thomas Rönnau/Kilian Wegner, Wann ist ein Eröffnungsantrag „nicht richtig“ gestellt i.S.v. § 15a Abs. 4,Var. InsO? – eine strafrechtliche Analyse nach dem ESUG, ZInsO 22/2014, S. 1025-1032

Verf. übernehmen in dem nachfolgend vorgestellten Beitrag die sehr verdienstvolle Aufgabe, die Tatvariante des „nicht richtigen“ Insolvenzantrags i.S.d. § 15a Abs. 4 InsO insbesondere mit Blick auf die durch das ESUG geschaffenen Neuerungen näher zu konkretisieren. Ausgangspunkt des Beitrags ist die Erkenntnis, wonach jeder Insolvenzantrag als „richtig“ zu bewerten sei, der das Insolvenzgericht in die Lage versetze, die zugunsten der Gläubiger existierenden Schutzinstrumente wirksam einzusetzen. Vor diesem Hintergrund avanciere die Zulässigkeit des Antrags, an die keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften, zum entscheidenden Kriterium eines „richtigen“ bzw. „nicht richtigen“ Antrags. „Nicht richtig“ sei mit anderen Worten der Antrag gestellt, der unzulässig sei. Im Anschluss an diese These unterziehen Verf. mehrere formelle und materielle Verstöße einer Überprüfung, inwieweit diese geeignet sind, einen Insolvenzantrag unzulässig und damit „nicht richtig“ zu machen.

4.Dominik Reither, Kriseneintritt nach Ablauf des Bilanzstichtags und weiterhin Unterlassen der Bilanzierung – Bankrott oder Verletzung der Buchführungspflicht?, wistra 2/2014, S. 48-50

Verf. beschäftigt sich mit der in Rspr. und Schrifttum kontrovers beurteilten Frage, ob der Eintritt von (drohender) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach Ablauf der Bilanzierungsfrist zu einer Strafbarkeit gem. § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB führt, oder ob solche Fallgestaltungen lediglich der mildere § 283b Abs. 1 Nr. 3 StGB erfasst. Während die Rspr. die unterbliebene Bilanzierung nur gem. § 283b Abs. 1 Nr. 3 StGB ahndet, falls die Bilanzaufstellungsfrist vor Eintritt der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung endete, schließt sich Verf. den Stimmen im Schrifttum an, die hier gem. § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB bestrafen wollen. Der Unterlassens- und Dauerdeliktscharakter des § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB markiere als Beendigungszeitpunkt den Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingung. Da bis dahin aber die Pflicht zur Bilanzerstellung nicht wegfalle, sondern im Gegenteil fortbestehe, hafte der Kaufmann bzw. sein Organwalter gem. dem strengeren § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB falls zwischenzeitlich die (drohende) Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung vorliege. Der Wortlaut, der ein Unterlassen der Bilanzerstellung bei (drohender) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verlangt, stehe dieser Sichtweise nicht entgegen. Denn im Stadium der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung dauere das Unterlassen der Bilanzierung an. Außerdem lasse sich dem Wortlaut der Vorschrift das Erfordernis nicht entnehmen, wonach § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB nur dann greife, falls (drohende) Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung vor Ablauf der Bilanzerstellungsfrist eingetreten seien.

5.JürgenWessing/Lucian Krawczyk, Feststellung einer die Untreuestrafbarkeit begründenden Gefährdung der Existenz einer GmbH, NZG 2/2014, S. 59-61

Kritisch werten Verf. zunächst das Festhalten der höchstrichterlichen Rspr. an dem Grundsatz, wonach Verstöße gegen § 30 Abs. 1 GmbHG bzw. das Existenzvernichtungsverbot einem Gesellschaftereinverständnis die Wirksamkeit nehmen, das folglich eine Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers nicht hindert. Auf diese Weise werde Gläubigerschutz unter dem Deckmantel der Untreue betrieben. Positiv heben Verf. hingegen hervor, dass der BGH an die Feststellung einer Existenzgefährdung strenge Anforderungen stellt und den schlichten Rekurs auf den tatsächlichen Verlauf nicht genügen lässt. Entscheidend sei die Rekonstruktion der Umstände zum maßgeblichen Tatzeitpunkt. Die Maßgaben der Entscheidung BVerfGE 126, 170 seien auf das Bestehen einer Existenzgefährdung sowie das Vorliegen eines Krisenmerkmals i.S.v. § 283 StGB der Sache nach übertragbar.

6.HansKudlich, Praxiskommentar zur Entscheidung des BGH v. 21.8.2013, 1 StR 665/12, NStZ 2/2014, S. 109-110

Einleitend seiner Anmerkung hebt Verf. hervor, dass viel dafür spreche, die gleichlautenden Krisenbegriffe des Straf- und Insolvenzrechts parallel und somit insolvenzrechtsakzessorisch auszulegen. Die hohen Anforderungen, die der BGH an den Nachweis einer Zahlungsunfähigkeit im Tatzeitpunkt stellt, begrüßt Verf. ausdrücklich, da auf diese Weise die Gefahr von Rückschaufehlern (sog. hindsight bias) verringert werde. Kritisch positioniert sich Verf. hingegen zu der Ansicht, wonach auch der faktische Geschäftsführer tauglicher Täter des § 15a Abs. 4 InsO sein könne. Mit Blick auf den Wortlaut („Mitglied des Vertretungsorgans“) und das Fehlen einer insolvenzrechtlichen Vorschrift, die es dem faktischen Geschäftsleiter ausdrücklich gestatte, den Insolvenzantrag zu stellen, sei eine Verurteilung des faktischen Geschäftsführers gem. § 15a Abs. 4 InsO sub specie Art. 103 Abs. 2 GG problematisch.

7.Maximilian Klein, Untreue durch Verstoß gegen die Zahlungsverbote gemäß § 64 S. 1 und § 64 S. 3 GmbHG, BLJ 1/2014, S. 30-36

Bei der Beurteilung der Untreuerelevanz eines Verstoßes gegen § 64 S. 1 GmbHG einer- und § 64 S. 3 GmbHG andererseits gelangt Verf. zu einem differenzierten Ergebnis. Während er den Verstoß gegen § 64 S. 3 GmbHG als untreuerelevante Pflichtwidrigkeit klassifiziert, weil § 64 S. 3 GmbHG genauso wie die Existenzvernichtungshaftung nicht nur den Gläubiger-, sondern auch den Vermögensschutz der GmbH intendiere, lehnt er es ab, an die Missachtung des § 64 S. 1 GmbHG untreuestrafrechtliche Konsequenzen zu knüpfen. Zwar entfalte § 283c StGB insofern keine Sperrwirkung. Jedoch diene § 64 S. 1 GmbHG ausschließlich dazu, im Vorfeld der Insolvenzverfahrenseröffnung den Grds. „par conditio creditorum“ zu sichern und bezwecke somit nicht einmal mittelbar den Schutz des Gesellschaftsvermögens. Missachte ein GmbH-Geschäftsführer § 64 S. 3 GmbHG, erschöpfe sich der Nachteil in den Zahlungsverpflichtungen, denen die GmbH aufgrund des Verstoßes nicht mehr nachkommen kann. Bestehe die Verletzung des § 64 S. 3 GmbHG hingegen darin, dass die Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft eine Sicherheit bestellt (sog. upstream securities), erleide die Tochter eine schadensgleiche Vermögensgefährdung, falls bei Vertragsschluss eine die Existenz der Tochter bedrohende Inanspruchnahme aus der bestellten Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

8.Susanne Dornblüth, Fortbestehende Geschäftsführerhaftung gem. § 823 Abs. 2 BGB, § 266a StGB trotz in England erlangter Restschuldbefreiung?, ZIP 15/2014, S. 712-716

Nach dem Hype um die Limited, der abflachte, als der Gesetzgeber die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) schuf, scheint sich ein neuer Trend mit Bezug zum ausländischen (konkret: englischen) Recht Bahn zu brechen: der Gang zum ausländischen (englischen) Insolvenzgericht. Da die EuInsVO eine internationale Zuständigkeit am Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses begründet, kann der in Deutschland tätige Schuldner mithilfe einer Sitzverlegung das für ihn günstigere englische Insolvenzrecht zur Anwendung bringen, dessen s. 279 (1) Insolvency Act (IA) regelmäßig eine automatische Restschuldbefreiung nach Ablauf nur eines Jahres und nicht wie nach deutschem Insolvenzrecht sechs Jahren vorsieht. Verf. gelangt jedoch zu dem Ergebnis, dass Schadensersatzforderungen der Sozialversicherungsträger gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB gegen den „ausgewanderten“ Schuldner von der im Inland anzuerkennenden Restschuldbefreiung englischen Rechts grds. nicht erfasst werden. Schadensersatzansprüche, die auf einem Verstoß des Schuldners gegen § 266a StGB beruhten, unterfielen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – der Vorschrift des s. 281 (3) IA, der bestimmte Forderungen von der Restschuldbefreiung ausnehme.

 

II. Kommentare/Handbücher

1. Helmut Satzger/Wilhelm Schluckebier/Gunter Widmaier (Hrsg.), Kommentar zum StGB, Carl Heymanns Verlag, 2. Aufl. 2014, 129,00 €

Im Berichtszeitraum ist die zweite Auflage des bereits in der ersten Auflage zu Recht zum Standardwerk avancierten „SSW“ erschienen. Da es im vorliegenden Zusammenhang nur um die insolvenzstrafrechtlichen Neuerscheinungen geht, beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen auf das Insolvenzstrafrecht im weiteren Sinne. Neben §§ 283 ff., 14 StGB sind das die §§ 266, 266a StGB.

1) Aus der umfassenden Kommentierung der §§ 283 ff. StGB und des § 14 StGB, die Nikolaus Bosch auch in der zweiten Auflage des „SSW“ betreut, verdienen folgende Punkte aufgrund ihrer Aktualität besonders hervorgehoben zu werden: Bei der Frage, ob der für den Täter grds. günstigere „neue alte“ modifiziert zweistufige Überschuldungsbegriff, wie ihn nunmehr § 19 Abs. 2 InsO wieder unbefristet enthält, via § 2 Abs. 3 StGB auch solchen Altfällen zugrunde zu legen ist, die sich ereigneten, als der nicht modifiziert zweistufige Überschuldungsbegriff galt, schließt sich Bosch der Ansicht an, die einen Rückgriff auf § 2 Abs. 3 StGB ablehnt und stattdessen den Zeitgesetzcharakter (vgl. § 2 Abs. 4 StGB) des Überschuldungsbegriffs herausstellt. Zu Recht hält Bosch an der im Schrifttum immer wieder bestrittenen, von ihm aber im Einklang mit der höchstrichterlichen Rspr. schon in der Voraufl. vertretenen Auffassung fest, wonach auch der Verbraucher trotz der §§ 304 ff. InsO tauglicher Täter des § 283 StGB sein kann. Im Rahmen seiner Kommentierung des § 14 StGB stellt Bosch umfassend die Entwicklung der höchstrichterlichen Rspr. zur Interpretation des Merkmals „als“ nach Aufgabe der Interessentheorie dar, verhehlt dabei aber nicht, dass ihn das Nichtigkeitsverdikt, das Rspr. und Teile des Schrifttums (den Rezensenten eingeschlossen) über ein gegen § 30 Abs. 1 GmbHG bzw. das Existenzvernichtungsverbot verstoßendes Gesellschaftereinverständnis fällen, keinesfalls überzeugt. Von seinem Standpunkt aus konsequent, erachtet Bosch folglich auch die mit § 30 Abs. 1 GmbHG/dem Existenzvernichtungsverbot kollidierende Einwilligung der GmbH-Gesellschafter im Rahmen des § 283d StGB für wirksam (aA freilich der Rezensent; vgl. Brand/Sperling, ZStW 121 [2009], 281 [297 ff.]). Positiv bewertet Bosch eine jüngere Entscheidung des BGH zur unterlassenen Buch-/Bilanzführung, die mithilfe des Grundsatzes „omissio libera in causa“ den Buch-/Bilanzführungspflichtigen dazu anhält, die erforderlichen Mittel vorrätig zu halten, die er benötigt, um seine Buch-/Bilanzführungspflichten zu erfüllen, andernfalls er sich trotz Unmöglichkeit im Aufstellungszeitraum gem. §§ 283 Abs. 1 Nrn. 5, 7, 283b Abs. 1 Nrn. 1, 3 StGB strafbar macht. Treten (drohende) Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung erst nach Ablauf der Bilanzierungsfrist ein, plädiert Bosch überzeugend dafür, den Täter nur gem. § 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB zu bestrafen. Skeptisch sieht Bosch schließlich den Versuch des BGH, die schlichte Veräußerung von Geschäftsanteilen an einen Firmenbestatter als ein Verheimlichen i.S.d. § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB zu qualifizieren.

2) Die Kommentierung der §§ 266, 266a StGB liegt – wie schon in der Voraufl. – bei Frank Saliger. Von der umfassenden, sorgfältigen und äußerst gründlichen Kommentierung, die Saliger den §§ 266, 266a StGB angedeihen lässt, seien folgende, insolvenzstrafrechtlich relevante Aspekte besonders erwähnt:

a) Im Rahmen der Kommentierung des § 266a StGB weist Saliger zunächst dezidiert die Ansicht des BGH zurück, wonach dem Täter des § 266a Abs. 1 StGB der Unmöglichkeitseinwand abgeschnitten ist, wenn er den Tatbestand durch die in Abs. 2 umschriebenen Handlungen verwirklicht. Kritisch betrachtet Saliger des Weiteren das Unterfangen, dem Arbeitgeber mithilfe des Grundsatzes „omissio libera in causa“ zu verwehren, sich auf Unmöglichkeit (etwa wegen bestehender Zahlungsunfähigkeit im Fälligkeitszeitpunkt) zu berufen. Für ebenfalls nicht überzeugend hält Saliger die „Vorrangthese“ des 5. Strafsenats, der zufolge die Arbeitnehmeranteile am Sozialversicherungsaufkommen aufgrund ihrer Strafbewehrung gegenüber allen anderen Verbindlichkeiten des Arbeitgebers vorrangig zu bedienen seien. Allerdings habe die Kehrtwende des II. Zivilsenats, der seit einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 die Abführung der Arbeitnehmeranteile an der Sozialversicherung für mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar hält (§ 64 S. 2 GmbHG), die schlimmsten Folgen der „Vorrangthese“ des 5. Strafsenats für die Praxis ausgeräumt. Leider keine Antwort findet man bei Saliger auf die Frage, welche Folgen die geänderte Rspr. des II. Zivilsenats für den vom 5. Strafsenat kreierten „Sonderrechtfertigungsgrund“ während des von § 15a Abs. 1 S. 1 InsO gewährten dreiwöchigen Zeitraums zur Umsetzung aussichtsreicher Sanierungsvorhaben hat.

b) Angesichts des insolvenzstrafrechtlichen Zuschnitts der vorliegenden Übersicht beschränkt sich die Betrachtung der Kommentierung von § 266 StGB auf das auch die Abgrenzung von Untreue und Bankrott beeinflussende Problem der Wirksamkeit eines Gesellschaftereinverständnisses. Saliger weist zunächst die Ansicht zurück, wonach ein Mehrheitsbeschluss, der nicht der Form der §§ 47 GmbHG entspricht, ungeeignet sei, den Tatbestand des § 266 StGB auszuschließen. Ebenfalls ablehnend steht er den Auffassungen gegenüber, die aus einem Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG bzw. das Existenzvernichtungsverbot eine Grenze des tatbestandsausschließenden Einverständnisses herleiten. Insofern werde unter dem Deckmantel der Untreue Gläubigerschutz betrieben. Zum strafrechtlichen Schutz der Gläubigerinteressen stünden jedoch die §§ 283 ff. StGB bereit.

2.Heinz-Bernd Wabnitz/Thomas Janovsky (Hrsg.), Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl. 2014, C.H. Beck Verlag, ISBN 978-3-406-64373-6, 159,00 €.

In nunmehr vierter Auflage ist im Berichtszeitraum auch das von Wabnitz und Janovsky herausgegebene Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts erschienen. Unter den immer zahlreicher werdenden Handbüchern und Kommentaren zu diesem Themenkomplex nimmt der „Wabnitz/Janovsky“ ohne Übertreibung die Position eines Standardwerkes ein. Die Ausführungen zum Inhalt des Buchs werden sich ebenfalls auf das Insolvenzstrafrecht im weiteren Sinne beschränken.

a) Während in der Vorauflage des „Wabnitz/Janovsky“ das mit „Insolvenz – Strafrechtlicher Teil“ überschriebene Kapitel von Helmut Köhler bearbeitet wurde, hat diese Aufgabe nunmehr Christian Pelz übernommen. Nach einer Einführung in die Materie des Insolvenzstrafrechts und der zutreffenden Feststellung, wonach, wer sich mit Insolvenzstrafrecht beschäftigt, fundierte Kenntnisse des Gesellschafts-, Insolvenz- und Bilanzrechts benötigt, widmet sich Pelz zunächst der strafbaren Insolvenzverschleppung (vgl. § 15a Abs. 4, 5 InsO). Drei Punkte verdienen in diesem Zusammenhang der besonderen Hervorhebung: Zunächst spricht sich Pelz zu Recht dafür aus, auch die Geschäftsleitungsorgane solcher Auslandsgesellschaften, die ihren Interessenmittelpunkt im Inland haben, der strafbewehrten Insolvenzantragspflicht des § 15a InsO zu unterwerfen. Des Weiteren belegt die umfassende Beschäftigung mit den Auswirkungen des durch das ESUG neu gefassten § 13 InsO auf den „nicht richtigen“ Insolvenzantrag, dass sich die Kommentierung von Pelz ganz auf der Höhe der aktuellen Diskussion bewegt. Schließlich vertritt Pelz – leider ohne weitere Begründung – die vom Verf. dieser Übersicht nicht geteilte Ansicht, wonach das Vorhandensein eines faktischen Geschäftsführers die Führungslosigkeit i.S.v. § 15a Abs. 3 InsO nicht beseitigt.

b) Nach den Ausführungen zur strafbaren Insolvenzverschleppung wendet sich Pelz dem „Herzstück“ des Insolvenzstrafrechts, den §§ 283 ff. StGB zu und erläutert prägnant die dort existierenden Probleme. Überzeugend bejaht er die Tätertauglichkeit des Verbrauchers sub specie § 283 StGB und verneint genauso überzeugend eine Bestrafung des Buch- bzw. Bilanzführungspflichtigen gem. § 283 Abs. 1 Nrn. 5, 7 StGB, der erst nach Ablauf der entsprechenden Aufstellungsfrist in das Stadium der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gerät. Hingegen positioniert sich Pelz im Streit um die Frage, ob der Geschäftsleiter einer im Inland ansässigen Auslandsgesellschaft nach deutschem Recht buch- und bilanzführungspflichtig ist, leider nicht. Etwas knapp geraten auch die Ausführungen zu § 14 StGB und dem durch die Partikel „als“ ausgedrückten Zurechnungserfordernis. Bei rechtsgeschäftlichen Schädigungshandlungen lässt es der BGH nämlich nicht mehr genügen, dass der Geschäftsleiter namens des Schuldners gehandelt hat, sondern forderte jüngst ausdrücklich eine wirksame rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Schuldners, um den Zurechnungsmechanismus des § 14 Abs. 1 StGB zu aktivieren (BGHSt 57, 229 [237 f.] = NJW 2012, 2366 [2368 f.]).

c) Auch dem Tatbestand der Untreue, der nach einem oft zitierten Diktum „immer passt“, widmet Pelz einen Abschnitt. Darin hebt er zu Recht hervor, dass, wer Geschäftsleitungsorgane einer im Inland ansässigen Auslandsgesellschaft wegen Untreue zur Verantwortung ziehen will, regelmäßig einen Verstoß gegen das ausländische Gesellschaftsrecht feststellen muss. Zustimmung verdient auch seine Aussage, wonach das Einverständnis der GmbH-Gesellschafter mit einer untreuerelevanten Pflichtverletzung „ihres“ Geschäftsführers nur dann dessen Untreuestrafbarkeit entfallen lässt, wenn es ohne Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG bzw. das Existenzvernichtungsverbot gebildet wurde. Ob jedoch der Vorstand einer Aktiengesellschaft Untreuehandlungen durch ihm unterstellte Mitarbeiter bzw. der Aufsichtsrat Untreuehandlungen des Vorstandes konsentieren kann, wie Pelz meint, erscheint fraglich, da die Mitglieder beider Organe selbst gegenüber der Gesellschaft vermögensbetreuungspflichtig sind, ihre Zustimmung zu schädigendem Verhalten Dritter aber diese Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Mehr spricht deshalb dafür – parallel zur „GmbH-Untreue“ – allenfalls den Aktionären die Kompetenz einzuräumen, untreuerelevante Pflichtverstöße zu konsentieren. Neben der Untreue zum Nachteil einer GmbH/Aktiengesellschaft geht Pelz zudem kurz auf das Thema „Untreue zulasten von Personengesellschaften“ ein und schließt sich dort – leider ohne die abweichenden Stimmen im Schrifttum zu erwähnen – der gefestigten Rspr. des BGH an, wonach Opfer einer solchen Untreue nur die Gesellschafter sein können, weil ihnen das Gesellschaftsvermögen dinglich zustehe.

d) Im Rahmen seiner Ausführungen zu § 266a StGB äußert Pelz zunächst berechtigte Zweifel an der in der Vorauflage vertretenen Auffassung, wonach den vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter eine Garantenstellung dahingehend trifft, die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung durch den insolventen Arbeitgeber sicherzustellen. Bedenken hegt Pelz des Weiteren gegenüber der Ansicht, die bei Fehlen einer ausdrücklichen Tilgungsanordnung auch im Kontext des § 266a StGB die Regelung des § 4 Satz 1 BVV anwenden und den Arbeitgeber dessen an die Sozialversicherungsträger überwiesene Mittel nicht genügen, um die geschuldeten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile vollständig zu begleichen, gem. § 266a Abs. 1 StGB bestrafen will. Umfangreichere Ausführungen hätte man sich hingegen zum Verhältnis zwischen § 266a Abs. 1 StGB einer- und § 64 Satz 1 GmbHG andererseits gewünscht. Insbesondere die „einlenkende“ Entscheidung des II. Zivilsenats (NJW 2007, 2118 ff.) und ihre möglichen Auswirkungen auf den vom 5. Strafsenat kreierten „Sonderrechtfertigungsgrund“ werden leider nicht erwähnt.

e) In einem besonders ausführlichen und äußerst lesenswerten Abschnitt beschäftigt sich Pelz schließlich mit der Frage, welche (insolvenz-)strafrechtliche Risiken dem (vorläufig starken und schwachen) Insolvenzverwalter drohen. Mit Blick auf das spezifische Regelungs- und Pflichtenregime, dem der Insolvenzverwalter unterliegt, würdigt Pelz die einzelnen Insolvenzstraftatbestände und nimmt sich der verdienstvollen Aufgabe an, zahlreiche denkbare Verstöße gegen dieses Regime auf ihre insolvenzstrafrechtliche Relevanz hin abzuklopfen.

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Christian Brand
    Akademischer Rat Dr. Christian Brand ist Habilitand am Lehrstuhl für Strafrecht und Nebengebiete bei Professor Dr. Rudolf Rengier. Schwerpunktmäßig forscht er unter anderem zum Insolvenzstrafrecht.

WiJ

  • Dr. Simon Ulc , Marc Neuhaus

    Übernahme von Kosten für Verteidiger und Zeugenbeistände – eine Praxisübersicht

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Ricarda Schelzke

    BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23

    Individual- und Unternehmenssanktionen

  • Dr. Marius Haak , Joshua Pawel LL.M.

    Umweltkriminalität im Visier der EU – Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Rat beschlossen

    Produkthaftung, Umwelt, Fahrlässigkeit und Zurechnung