Tobias Ceffinato: Legitimation und Grenzen der strafrechtlichen Vertreterhaftung nach § 14 StGB
Duncker & Humblot, Berlin 2012, 420 Seiten, zugleich Dissertation Bayreuth 2011, 98 €
I. 1. Es gibt Bücher, die lassen sich leicht rezensieren. Und es gibt Werke, die zu besprechen eine Qual ist. Es wäre aber nicht nur voreilig, sondern falsch, aus der Zuordnung zur zweiten Gruppe Schlüsse auf die Qualität von Ceffinatos Dissertation (bei Prof. Dr. Nikolaus Bosch, Bayreuth) zu ziehen. Der Gedankenreichtum des Autors scheint unerschöpflich, seine Argumentation ist so messerscharf, die Darstellung derart präzise, dass der Leser nichts als Hochachtung zu empfinden vermag (vielleicht aber doch auch mit aufkommenden Neid- oder Minderwertigkeitsgefühlen zu kämpfen hat – und das nicht nur deshalb, wenn ihn wie den Rezensenten der Verfasser bei einer eigenen Sorgfaltswidrigkeit erwischt hat, S. 354, Fn. 185). Warum aber empfindet man bei der Lektüre gleichwohl nicht den reinen Genuss? Vielleicht deshalb, weil trotz aller dankenswerterweise wiederkehrender Hinweise auf die Systematik, auf den ‚roten Faden‘, die Kleinteiligkeit der Darstellung, die Befassung mit (gefühlt) jeder auch nur irgendwie denkbaren Variante ebenso wie mit Jahrhunderte überdauernden Rechtsinstituten, den Geduldsfaden zumindest des eiligen Lesers strapaziert. Die Darstellung eignet sich bestimmt nicht zum schnellen Konsum. Um sich den Zugang zur Argumentation zu erschließen, muss man die zahlreichen Definitionen, die der Verfasser erarbeitet, ebenso wie deren Abgrenzungen zu anderen begrifflichen Konstrukten auch noch nach 100 oder 200 Seiten ebenso präsent haben wie der Urheber selbst – oder man muss sich ihrer immer wieder nochmals vergewissern. Diese Inpflichtnahme des Lesers mindert allerdings sicher nicht die wissenschaftliche Qualität dieser alle Facetten durchdringenden Arbeit, die von der ganzen Anlage und ihren systematischen Überlegungen her eher einer Habilitationsschrift gleicht. Eine solche hat sich der Autor inzwischen längst vorgenommen. Ob es für ihn eine wirkliche Herausforderung ist, seine Dissertation noch zu ‚toppen‘?
2. Ceffinatos Fragestellung ist eigentlich ganz einfach: Setzt die Täterschaft, wenn nur das Verhalten bestimmter Statusinhaber strafbar ist, deren formwirksame Berufung in die Stellung voraus, oder genügt es, wenn jemand rein tatsächlich die mit dem Status verbundenen Funktionen wahrnimmt? Es geht also um die Frage nach der Strafbarkeit des lediglich auf faktischer Basis Agierenden. Dieses Thema untersucht der Autor mit bemerkenswertem Tiefgang. Bei der Anlage seiner Untersuchung ist es unumgänglich, sich nicht allein mit dem geltenden Recht und seinen Grundlagen, insbesondere mit § 14 StGB, zu befassen, sondern sich auch phänomenologischen und systematischen Überlegungen zuzuwenden – obwohl der Autor sein Thema eingrenzt und betont, sich nicht mit der Vertreterhaftung allgemein zu befassen, sondern nur in Bezug auf Sonderdelikte (S. 37 f.).
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Ceffinato plädiert kompromisslos gegen jede faktische Betrachtungsweise. Das gilt allerdings nur für das geltende Recht. Auch das Strafrecht könne nämlich eine Pflichtenstellung begründen, welche (in Grenzen) über die formal-wirksame Bestellung hinausreiche. Es wäre aber Aufgabe des Bundesgesetzgebers, die vorhandenen Grenzen, die er vor allem in § 14 Abs. 3 StGB festgelegt habe, einer Vorschrift, welche die Ausweitung der Vertreterhaftung über formal wirksam Bestellte hinaus sowohl bestimme als auch in ihrer Reichweite beschränke (S. 241), zu erweitern. Einen Formulierungsvorschlag legt Ceffinato in seinem abschließenden Ausblick (S. 388 f.) vor. Dabei bewegt er sich konsequent innerhalb der von ihm herausgearbeiteten Strukturen und der vom Gesetzgeber auf dieser Basis einzuhaltenden Grenzen (z.B. dem Gebot der Beschränkung des Schutzes auf Gefahren, die dem Rechtsgut eben nur von Sonderpflichtigen drohen können, Rechnung zu tragen, S. 60, 91). Gemäß einem neuen § 14 Abs. 3 S. 2 StGB-E soll der tatsächliche Inhaber einer Stellung, wie sie für den Statusinhaber nur formal begründet werden kann, diesem gleichgestellt werden. Damit würde der faktische Funktionsinhaber nicht zum Adressaten der Sonderpflichten, wie es im Falle eines tatsächlichen Treueverhältnisses bei § 266 StGB der Fall sei (S. 41 f., 389), sondern lediglich wie ein Sonderpflichtiger behandelt werden. Da ihm die besondere persönliche Eigenschaft jedoch nach wie vor fehlen würde, solle ein neuer § 14 Abs. 3 S. 3 StGB-E anordnen, dass die Strafe in diesen Fällen gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildern sei. Es handelt sich um einen kleinen, aber (potentiell) durchaus wirksamen Vorschlag. Ob er allen Bedürfnissen der Praxis befriedigend Rechnung trägt, sei dahingestellt. Seine Verwirklichung seitens des Gesetzgebers wäre jedenfalls ein großer Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit. Der dominanten Stellung des Externen ließe sich im Rahmen der Strafzumessung (zumindest weitgehend) angemessen Rechnung tragen.
3. Das Werk ist unterteilt in 7 Kapitel, § 1: Einleitung, S. 20 – 45; § 2: Bausteine der Vertreterhaftung – Zur Binnensystematik des Rechts, S. 46 – 119; § 3: Die Legitimation der Vertreterhaftung – Zur Struktur der Sonderdelikte, S. 120 – 203; § 4: Der Rechtsgrund der strafrechtlichen Organ- und Vertreterhaftung, S. 204 – 314; § 5: Die nähere Ausgestaltung der Organ- und Vertreterhaftung, S. 315 – 374; § 6: Die Auswirkungen des Lösungsmodells auf verbliebene Problemkonstellationen, S. 375 – 382; § 7: Zusammenfassung in Thesenform und Ausblick.
II. Eine umfassende wissenschaftliche Kritik an der Argumentation Ceffinatos kann im Rahmen dieser Besprechung nicht geleistet werden – zudem wäre der Rezensent dazu nicht berufen. Es wäre sogar bereits vermessen, die Gedankenkette des Autors lückenlos nachzeichnen zu wollen. Daher muss es mit dem Aufgreifen einzelner Versatzstücke sein Bewenden haben.
1. Ceffinato unterscheidet nach vorgefundenen (Leben, körperliche Unversehrtheit, Ehre, persönliche Freiheit) und nach vom Gesetzgeber konstituierten (Eigentum, Vermögen, Überindividuelles) Rechtsgütern (S. 59 f. und passim).
a) Schon dieser Ansatz ist erklärungsbedürftig, untersteht doch jedes noch so ehrenwerte und schutzbedürftige Gut nur mittels rechtlicher Anerkennung auch rechtlich dem in der jeweiligen Rechtsordnung anerkannten Schutz. Selbst das Leben genießt keinen vorrechtlichen Schutz, wie aus der Diskussion um die Abtreibung ebenso bekannt ist wie aus den Debatten um Sterbehilfe – letztere (in Verbindung mit dem Betreuungsrecht) zudem aufzeigend, daß es die Rechtsordnung ist, welche die Grenzen der Anerkennung personaler Autonomie definiert. Gehört zur körperlichen Unversehrtheit auch die seelische Gesundheit? Kann nicht etwa Rücksichtslosigkeit, das Auslösen von Verlustängsten oder Sehnsüchten auch die persönliche Freiheit beeinträchtigen? Beides ist de lege lata strafrechtlich (weitgehend; Ausnahme z.B.: Sirius, BGHSt 32, 38 ff.) ungeschützt. Führt zielgerichtet eingesetzte Massenpsychologie nicht via Hass und Krieg zu Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit bis hin zur Vernichtung von Leben? Umgekehrt: Worin liegt bei der Aufteilung zwischen Vorgefundenem und Konstruiertem der Unterschied zwischen Leben und Sache? Höchst lebendige Tiere waren juristisch Sachen und sind diesen weiterhin gleichgestellt, § 90a BGB. Eigentum war in der DDR anders definiert als im BGB oder dem WEG. Aber beweist oder widerlegt das das Vorhandensein vorgefundener Rechtsgüter? Zutreffend ist, dass der Gesetzgeber versuchen kann, an faktisch Vorgegebenes anzuknüpfen. Ein gutes Gesetz wird der der Regelungsmaterie innewohnenden eigenen Logik gerecht – und funktioniert. Ein schlechtes wie z.B. das an die unvermeidliche Kommunikation im Strafprozeß anknüpfende Verständigungsgesetz verfehlt die immanenten Strukturen (eindrucksvoll Kubiciel, HRRS 2014, 204 ff.) und bleibt in der Praxis entweder weitgehend unbeachtet (wie behauptlich bis zum 19.3.2013) mit der Gefahr, daß aus Garanten des Gesetzes, sprich: Richtern und Staatsanwälten, Täter des Verbrechens der Rechtsbeugung zu werden drohen, oder verkompliziert (wie seit dem 19.3.2013) die Handhabung derart, dass es als Einladung zu zweckwidrigem Einsatz missverstanden und missbraucht werden kann, weil die Gesetzesanwender sich im Gestrüpp von gutgemeinten, aber viel zu engmaschigen Pflichten allzu leicht verheddern. Zutreffend ist auch, dass der Gesetzgeber nicht an faktisch Vorgegebenes anknüpfen muss, sondern (mehr oder weniger fassbare) Rechtsgüter erfinden, also autonom definieren kann. Auch insoweit knüpft er aber an tatsächliches Geschehen an, kann es generell aufgreifen (allgemeines Persönlichkeitsrecht des BGB, wenngleich richterrechtlich entwickelt), die Konkretisierung der Justiz überlassen (Recht auf Gewährung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, BVerfGE 120, 274 ff.) und Ausschnitte gegen Angriffe mittels Strafrechts schützen (Ausspähen von Daten, § 202a StGB), kann dabei die Komplexität verfehlen (Abgeordnetenbestechlichkeit, § 108e StGB a.F. und n.F? AEntG?) oder die verschiedenen Einflüsse einer interessengerechten Ordnung unterwerfen (so das BGB in seiner Urfassung vom 18.8.1896).
Die Erkenntnis der Maßgeblichkeit rechtlicher Anerkennung ist allerdings eher geeignet, Ceffinatos Argumentation zu stützen, denn sie zu widerlegen: wenn es allein der Gesetzgeber ist, der die Reichweite rechtlicher Regelungen bestimmt, dann spricht prima facie wenig dafür, ähnliche – und damit notwendigerweise an zumindest irgendeiner Stelle vom gesetzlich definierten Rahmen abweichende, ihn also sprengende – Personen oder Taten dem vom Gesetz Erfassten gleichzustellen. Zunächst ist aber zu konstatieren, dass die rechtliche Geltungskraft originär dem Gesetz allein innewohnt. Der Wille des Gesetzgebers ist lediglich für das Verständnis des Gesetzes maß-, aber nicht immer auch ausschlaggebend, und auch das nur, soweit er sich feststellen läßt (unmöglich z. B. im Hinblick auf den nicht richtig gestellten Insolvenzantrag, vgl. Rönnau/K.Wegner, ZInsO 2014, 1025 ff.) und nicht mit anderen Gesetzen in Konflikt gerät. Für unbedachte Kollisionen kann der Gesetzgeber keine oder nur allgemein rechtlich verbindliche Vorsorge treffen. Es ist und bleibt zudem, um wieder konkreter zu werden, die Frage, ob ein Strafgesetz wirklich so verstanden werden kann, dass es ein Rechtsgut nur gegen die Gefahren schützt, die ihm seitens eines (noch dazu formell korrekt bestellten) Sonderpflichtigen drohen. Zu einem solchen wird man zweifelsfrei nicht erst und allein durch die Tat (S. 54 f., 166 f.). Vielmehr muss die Sonderpflicht bereits vor der Tat bestehen. Warum das auf ein rein faktisches Verhältnis nicht zutreffen können soll (S. 141), erschließt sich dem Rezensenten nicht.
b) Ceffinato bietet zahlreiche Argumente, die dafür sprechen, dass allein das Gesetz den Sprung von der Faktizität zur Rechtspflicht erlaubt (S. 91). Es kann dafür auf formale Umstände abstellen. Das ist laut Ceffinato dann der Fall, wenn das Gesetz statt einer Funktionsbeschreibung auf einen Status abstellt (S. 62). Ist aber strafrechtlich allein die formale Begründung des Status pflichtenbegründend, so kann dies bei akzessorischem Verständnis im Zivilrecht nicht anders sein, wie Ceffinato nicht verkennt (z.B. S. 389), aber der Sache nach nicht ausnahmslos befürwortet (Eigentum akzessorisch, S. 65 ff. <zum BGB oder zum GG?>, Vermögen hingegen faktischer Betrachtung zugänglich, S. 68 f.), jedenfalls nicht für zwingend erachtet (S. 64 f.) und Sonderpflichtdelikten die Kraft zur Begründung außerstrafrechtlicher Pflichten zuschreibend (S. 237). Zivilrechtlich ist allerdings eine Analogie zu Lasten des Pflichtigen möglich. Die – strafrechtlich unzulässige – Analogie ist aber von der – auch strafrechtlich zulässigen – die Pflichtenstellung (ggf. neu) definierenden Auslegung abzugrenzen. Ceffinato plädiert auch insoweit mit starken Argumenten für die rein formale Betrachtung (S. 71), wenn das Tatbestandsmerkmal auf einen Status verweist, dafür als Beleg Art. 103 Abs. 2 GG anführend, (S. 179; mit unterschiedlichen Ergebnissen zunächst untersucht für den Arbeitgeber bei § 266a StGB, S. 72 ff., 149 ff.; den Schuldner, S. 75 ff., 153 ff.; den Geschäftsführer, S. 78 ff.; und für § 15a InsO, S. 85 ff.; Gesamtergebisse S. 347 ff.). Er versteht § 14 StGB als (funktionsbezogene S. 108) gesetzlich angeordnete und damit auch strafrechtlich zulässige Analogie (S. 100 ff., 214 f.).
Zwingend ist das Ergebnis, rein formale Betrachtung, indes nicht. Dass die Rechtsstellung von der Erfüllung bestimmter Formalia abhängen kann, führt im Umkehrschluss zur Möglichkeit der alleinigen Maßgeblichkeit des Vorhandenseins bestimmter tatsächlicher Umstände: ohne die Erfüllung der Formalie (S. 265 betreffend Gemeindelikte). Es gilt demnach immer herauszufinden, worauf das Gesetz tatsächlich abstellt. Auch im Fall eines erforderlichen Delegationsakts ist es ebenso wie beim die besondere Pflichtenstellung begründenden Bestellungsakt (S. 139 f.) keineswegs selbstverständlich, dass § 14 StGB ausschließlich formvollendet Bestellte erfasst. § 14 Abs. 3 StGB dürfte allerdings für die Fälle des § 14 Abs. 1 StGB dafür sprechen (§ 14 Abs. 2 StGB enthält eigene Regeln zur Begründung der Pflichtenstellung, sodass sich diese Frage insoweit nicht stellt). Ob aber aus § 14 Abs. 3 StGB wirklich geschlossen werden kann, dass es zumindest des Versuchs eines förmlichen Bestellungsakts bedarf, ist jedenfalls nicht eindeutig. Gesellschaftsrechtlich ist die Eintragung im Handelsregister lediglich deklaratorisch. Die innergesellschaftliche Willens- und Entscheidungsbildung ist weitgehend dispositiv. Das eröffnet zumindest den Spielraum für die Prüfung, ob nicht eine vom Willen der zuständigen Organe getragene (sei es eine dadurch begründete, sei es eine auf diese Weise geduldete) Stellung genügt, um den Erfordernissen des § 14 Abs. 3 StGB zumindest für den (faktischen) GmbH-Geschäftsführer vollauf Rechnung zu tragen. Damit wäre (wohl) nicht einmal Ceffinatos Systematik durchbrochen, bliebe der Schutz des Rechtsguts doch einerseits auch weiterhin auf diejenigen beschränkt, die es kraft ihrer Einflussmöglichkeiten ebenso gefährden können wie ein Geschäftsführer, würde andererseits aber eben gerade damit erst gewährt. Schließlich ist auch er der Auffassung, dass derjenige, der die Rolle des Sonderpflichtigen freiwillig einnimmt, selbst die höchstpersönlichen Sonderpflichten zu erfüllen hat (S. 163, 235 f.) – allerdings versteht er in der Übernahme wohl nur die förmliche.
2. Ein wesentlicher Argumentationsstrang besteht in der vergleichend entwickelten (begrenzten) Gleichsetzung der (unechten) Unterlassungsdelikte mit den Sonderpflichten (wiederkehrend ab S. 111): Beide verlangen eine Garantenstellung für die Unversehrtheit des Rechtsguts. Dieses ist nicht gegen sämtliche Gefahren mittels Strafrechts geschützt, wohl aber gegen solche, die ihm aus dem spezifischen Versagen dessen drohen, dem der Schutz anvertraut ist. Ceffinato versteht auch § 13 StGB als strafgesetzlich angeordnete Analogie (S. 111). Der Unterlassungstäter verwirkliche aber insoweit gleichwohl lediglich ein Allgemeindelikt (S. 113), als es sich bei der Tat nicht um ein Unterlassungsstatusdelikt handele (S. 114). Die Garantenstellung betrachtet der Autor als besonderes persönliches Merkmal i.S. sowohl des § 14 StGB als auch des § 28 StGB (S. 111 ff.). Alle Sonderpflichten würden Garantenstellungen begründen, nicht aber umgekehrt sämtliche Garantenpositionen auch Sonderpflichten markieren (S. 242). Damit stellen Sonderpflichten nur eine Untereinheit der Garantenpflichten dar.
3. Für Ceffinato ist § 14 StGB nötig aufgrund der historischen Entwicklung des Zivilrechts. Mit dem Herausbilden juristischer Personen als Adressat zivilrechtlicher Pflichten fallen (bei akzessorischem Verständnis) Statusinhaberschaft und materielle Unrechtsstruktur auseinander (S. 260). § 14 StGB führe beides wieder zusammen. Die Vorschrift rechne weder fremde Schuld noch das fehlende besondere persönliche Merkmal zu. Vielmehr unterstelle sie den Vertreter lediglich dem Normbefehl der Sonderstraftat. Der Vertreter werde damit nicht selbst zu einem Sondersubjekt, sondern einem solchen nur gleichgestellt (S. 117, 235). Eine derartige Analogie setze voraus, dass die betroffenen Straftatbestände ein von der formellen Stellung unabhängiges Unrechtselement enthielten (S. 122).
4.Ceffinato vertritt die These, nur der Sonderpflichtige könnte Sonderpflichten delegieren (S. 234, 257, auch 291 f.). Sie wirft Fragen auf: Kann der Verband, der laut Ceffinato nicht selbst strafrechtlicher Pflichtenadressat ist (S. 92 ff.), nicht selbst delegieren? Wie sollen dann Gesellschafter, die nicht selbst sonderpflichtig sind (S. 265) ein sonderpflichtiges Organ bestellen? Besteht wirklich eine Vereinbarkeit seiner These mit der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht der Gesellschafter im Fall der Führungslosigkeit (S. 282)?
5. Gleichgestellt werden könne mit § 14 Abs. 1 und 3 StGB (S. 241) nur die eigene Sonderpflicht des Vertreters, resultierend aus der Funktionsübernahme (S. 235 f.). Dazu bedürfe es u.a. deshalb eines Rechtsgrundes, also einer Vorschrift, um nicht den Passiven vor dem Hilfsbereiten zu privilegieren (S. 237 ff.). Ein kluger Gedanke, ein hehres Ziel. Aber knüpft es auch an die rechtstatsächliche Situation an? Ist sie psychologisch nicht eher umgekehrt gelagert? Versteckt sich nicht vielmehr der Aktive Informelle hinter dem formell pflichtigen Passiven?
6. Zentrale Bedeutung für seine konkreten Ergebnisse kommt Ceffinatos Einteilung der nicht von jedermann erfüllbaren Delikte, also solcher, hinsichtlich derer die taugliche Täterschaft von Umständen abhängt, die über die bloße Personalität hinausgehen, in Sonderunrecht einerseits und bloßer Beschränkung des Geltungsumfangs eines Allgemeindelikts andererseits zu (S. 126, auch S. 153 ff., 202, dort zudem auch zu § 288 StGB). Entgegen der h.M. versteht Ceffinato die wortgleichen Statusmerkmale in § 28 StGB und in § 14 StGB inhaltlich identisch (S. 44, 108 f., 332 ff.) und sieht im Schuldner weder für § 14 StGB noch im Hinblick auf § 28 StGB ein besonderes persönliches Merkmal. Das bedeutet, daß Ceffinato § 14 nicht allgemein auf den Bankrott (z.B. nicht auf Beiseiteschaffen, § 283 Abs. 1 Nr . 1. StGB) anwendet – und die Vorschrift damit, weil für Vertreter nicht einschlägig, entkernt (S. 127 f., 344; a.A. BGH, Beschl. v. 22.1.2013, 1 StR 233 bzw. 234/12, NJW-Special 2013, 153 bzw. BGHSt 58, 115 ff., die Anwendbarkeit des § 28 StGB jeweils bejahend).
Maßgeblich ist für Ceffinato, ob ein Rechtsgut auch von Extranen verwirklicht werden könne. Ob diese Argumentation durchgreift, muss hier dahinstehen. Als Beleg dafür geltendes Recht, im Hinblick auf § 283 StGB: § 283d StGB, anzuführen, ist zwar de lege lata nichts Verkehrtes. Was aber trägt das zum Verständnis, zur Definition, zur vom Verfasser vorgenommenen Abgrenzung bei? Schützte § 283 StGB ohne § 283d StGB ein Sonderrechtsgut? Handelte es sich dann beim Abstellen auf den Schuldner um ein Sonderdelikt? Wohl ja, arg. unten 7 (zu S. 130). Müsste dann nicht § 14 Abs. 3 StGB, erst recht § 14 Abs. 3 S. 2 StGB-E aus dem Sonderunrecht des Statusinhabers ein Allgemeindelikt werden lassen? Oder verhinderte gerade dies die bloße Gleichstellung?
7. Sonderunrecht als Verletzung einer qualitativ gesteigerten Sonderpflicht (S. 134), z.B. Schutz von Eltern gegenüber Kindern (S. 133), kann nach Ceffinato nur vom Verpflichteten selbst und von niemand Dritten verwirklicht werden (129 f.). Sonderunrecht schütze ein Sonderrechtsgut, wie es von der Rechtsordnung nicht vorgefunden, sondern nur konstruiert werden könne (S. 130).
8. Ein bestellter aktiver Organwalter sei stets sonderpflichtig, ohne dass alle seine Pflichten Ausfluß der Sonderpflicht wären (S. 245): Die eigene Sonderpflicht folge aus der eigenen Rechtsstellung (S. 246). Letztere habe der Extrane gerade nicht inne (S. 247). Sie folge nicht allein aus tatsächlicher Übernahme, sodass der faktische Organwalter eben nicht wie ein förmliches Organ hafte (S. 262 ff.). Eine Ausnahme davon mache (neben § 14 Abs. 3 StGB) auch § 14 Abs. 2 StGB. Nötig dafür sei das vorherige Einverständnis des bestellten Organs, nicht das der Gesellschafter, da diese gerade nicht sonderpflichtig sind (S. 265, auch S. 279, 330 ff.). Auch den Adressaten von § 14 Abs. 2 träfen eigene Pflichten (S. 283), aber nur bei Übernahme der Zuständigkeit insgesamt, nicht allein einzelner Pflichten (S. 284; zumindest ähnlich BGHSt 58, 10 ff.).
9. Ebensowenig wie die bloße faktische Übernahme genüge die rein formale Bestellung bereits für sich allein zur Begründung einer Sonderpflicht (S. 247). Die Garantie für das Rechtsgut setze vielmehr kumulativ beides voraus, beim formell Bestellten also zusätzlich noch die tatsächliche Übernahme der Pflichtenstellung. Damit verneint Ceffinato (in Durchbrechung seines zivilrechtsakzessorischen Verständnisses) sowohl den in Zivil- wie Strafrecht nahezu unangefochtenen Grundsatz der Allzuständigkeit (Beispiel: zerstöre der technische Vorstand die Handelsbücher, so handele er nicht als Organ, sondern hafte lediglich als Extraner, S. 254) als auch die Pflichtenstellung des Strohmanns (S. 262). Er privilegiert damit den Passiven gegenüber dem Aktiven (was er zuvor vermeiden wollte, S. 239). Trotz dieses kaum vertretbaren Ausgangspunkts lassen die Konsequenzen aufhorchen: Sein Verständnis habe die höchst begrüßenswerte Folge, dass kein Inkompetenter den im anderen Ressort Kompetenten mehr kontrollieren müsse (S. 248, 273, 288). Die Gesamtverantwortung (unklar, S. 299: de lege lata nur gemäß § 130 OWIG? Also gerade nicht strafrechtlich?) beschränke sich damit auf die gemeinschaftliche Übernahme von Pflichten und auf ressortübergreifende Ausnahmesituationen (S. 249). Ceffinato stellt hier einen Vergleich mit der Haftung der Geschäftsleiterebene gemäß § 831 BGB an. Sie beschränke sich auf organisatorische Strukturentscheidungen und auf die Wahrung der Kontrollpflichten (S. 261). Das erscheint als vergleichbar mit der h.M. zur Haftung für Umstände, die die Gesellschaft als Ganzes betreffen, führt aber zu einer Umkehrung des Regel- Ausnahme-Verhältnisses (S. 274; ähnlich für die Fälle des § 14 Abs. 2, S. 286 ff.).
10. Sein dogmatisches Gebäude hätte Ceffinato nicht konstruieren können, verneinte er nicht (in ausdrücklicher Ablehnung, S. 215, Fn. 59, des gegenteiligen Ergebnisses der Dissertation von Brand, Untreue und Bankrott in der KG und GmbH & Co KG, 2010, S. 246 f.), dass juristische Personen (S. 92 ff.) und rechtsfähige Personengesellschaften (S. 316) mangels eigener Handlungsfähigkeit Adressaten auch strafrechtlicher Pflichten seien – eine neuerliche Durchbrechung seiner zivilrechtsakzessorischen Sicht des Strafrechts. Damit reißt er eine Lücke in die Kette der Zurechnung von Verantwortung: Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sei nicht mittels doppelter Anwendung des § 14 StGB Adressat der Pflichten der KG (S. 92 ff., 207 f., 213). Ceffinato bietet aber Hilfe in doppelter Hinsicht an: de lege lata könne der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als ‚sonstiger Beauftragter‘ i.S.d. § 14 Abs. 2 StGB angesehen werden (S. 376). De lege ferenda schlägt er eine entsprechende Ergänzung des § 14 Abs. 1 StGB vor (S. 388).
11. Aktuell ist seine Ablehnung der Auffassung, die juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften selbst als Adressaten strafrechtlicher Pflichten ansieht, im Hinblick auf die politischen Überlegungen zur Einführung eines Verbandsstrafgesetzbuchs. Laut Ceffinato kann ein Extraneus auch nicht mittelbarer Täter der juristischen Person selbst sein (S. 93 ff.). Das ist von seinem Ausgangspunkt her stimmig, letzterer aber nicht zwingend. Im Hinblick auf das zivilrechtsakzessorische Verständnis des Strafrechts ist es erklärungsbedürftig, will man den Verband, den die zivilrechtlichen Pflichten als solchen treffen, strafrechtlich als bar jeglicher Pflichtenstellung begreifen. Liegt es nicht viel näher, mit der h.M. die Wahrnehmung der Pflichten des Verbands von seinem Organ zu verlangen, also dieses strafrechtlich für die auch in strafrechtlicher Hinsicht anzunehmende, aber de lege lata ihm selbst gegenüber nicht strafbewehrte Pflichtverletzung des Verbands haften zu lassen? Ceffinato betrachtet hingegen nur die natürliche Person als Adressaten strafrechtlicher Pflichten. Das entbehrt nicht einer immanenten Logik, geht es doch bei der Frage nach der Strafbarkeit des Organs nicht darum, dessen Verstöße dem Verband zuzurechnen (S. 294 und 296, Fn. 410: ausdrücklich entgegen Brand, a.a.O., S. 250, und Hoffmann, Untreue und Unternehmensinteresse, 2010, S. 202), sondern umgekehrt um den Umfang der strafrechtlichen Pflichten des Organs. Diese ließen sich jedoch auch als Zurechnung von Verstößen des Verbands selbst begreifen, während bei Ceffinato zivilrechtliche Pflichten des Verbands unmittelbar zu strafbewehrten Pflichten des Organs werden, ohne dass der Verband dabei eine eigene strafrechtliche Rolle spielen würde. Bedarf es dann strafrechtlich überhaupt noch der Berücksichtigung des Verbands, und wenn ja, in welcher Weise?
Ceffinato stellt auch (in bewußter Ablehnung der im KK-OWiG, § 30, Rn. 1 und 8 entwickelten Systematik Rogalls) nicht auf das Organ selbst ab, sondern auf den Organwalter (S. 96 f.). Es wäre interessant, einmal dem Gedanken nachzugehen, ob nicht etwa ein faktisches Organ als mittelbarer Täter des bestellten und die Ausübung der Organrolle bewusst duldenden, also seine Pflichterfüllung unterlassenden bzw. delegierenden Organwalters betrachtet werden könnte.
§ 30 OWiG stellt für Ceffinato kein Gegenargument für seine Ablehnung der Annahme einer strafrechtlichen Pflichtenstellung des Verbands selbst dar (und selbst wenn, dann gölte dies nur für das OWiG): Die Bestimmung knüpfe an außerstrafrechtliche Pflichten an, die sich nur zufällig mit strafrechtlichen deckten (S. 226 ff.) – ein formales Argument ohne (erkennbaren) inhaltlich-materiellen Gehalt. Die strafrechtliche Inpflichtnahme eines Verbandes hält er für unzulässig (S. 98), gar verfassungswidrig (S. 216; etwas moderater, und wohl de lege ferenda Raum für ein Verbandsstrafgesetzbuch lassend, S. 219): Für die generell mögliche Aufteilung strafrechtlicher Verantwortlichkeit bleibe nichts zu verteilen, wenn bereits eine Stelle, eben das Organ, für das volle Unrecht verantwortlich sei (S. 98 f.; anders ausdrücklich Brand, a.a.O.,S. 245)
12. Laut Ceffinato bestehen die Organpflichten nur nach innen, also nur gegenüber der juristischen Person (S. 223, S. 240 f.). Das Strafrecht dürfe sie aber nach außen (zu Pflichten gegenüber Dritten oder der Allgemeinheit) erweitern. Es ist fraglich, ob es dieser ‚Befugnis‘ bedarf. Die Diskussion um die Außenhaftung des Compliance Officers im Anschluss an BGHSt 54, 44 ff. beschränkte sich nicht nur auf das Strafrecht. Auch die zivilrechtliche Haftung ist nicht ausschließlich Folge verletzter Verbandspflichten. Das sieht Ceffinato für die (auch zivilrechtliche) Geschäftsherrenhaftung genauso: sie knüpfe an Organpflichten an, nicht an die Pflichten des Verbands (S. 224 f.), sichere strafrechtlich allerdings lediglich Allgemeinpflichten (S. 256 f.) und führe zur Haftung für Vorsatztaten von Untergebenen, wenn diese Folge von Organisationsmängeln seien (S. 274).
13. Die Abgrenzung zwischen § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 266 StGB im Hinblick auf das Beiseiteschaffen und damit der Streit um die Interessentheorie stellt für Ceffinato kein Problem dar (S. 294 f.): weil die Schuldnereigenschaft kein besonderes persönliches Merkmal sei, gölte § 14 StGB für das Beiseiteschaffen (seitens eines Organs) und wohl auch für andere Alternativen des § 283 StGB sowieso nicht (dazu oben 6). Abzugrenzen seien vielmehr §§ 266 und 283d StGB (S. 294, 344 f., 355 f.). Letzterer sei zwar zu eng gefasst – doch das könne nur der Gesetzgeber ändern (S. 387).
Im Hinblick auf die Einhaltung von Sonderpflichten durch das Organ (wohl sogar die konkrete Pflichtenstellung als solche betreffend) stelle sich jedoch generell (S. 294), damit also sowohl für § 266 StGB als auch in Bezug auf § 283d StGB, die Frage nach der Reichweite der Einwilligungsfähigkeit. Für die Untreue entschärft Ceffinato das Problem dadurch, dass er die Gesellschafter als jedenfalls nicht selbst dispositionsbefugt ansieht, sodass ihnen (wie der GmbH selbst) die Zuständigkeit für die Einwilligung fehle (S. 380 f.). Das mag ein pragmatisches Argument sein, beantwortet aber die Frage nach den Grenzen der Einwilligungsfähigkeit nicht und wird auch dem Rechtsgut, Schutz der Vermögensinteressen, bestenfalls dann gerecht, wenn man diejenigen der juristischen Person mit der Rechtsprechung als selbständig und damit als auch gegenüber den Gesellschaftern geschützt betrachtet. Dies aber ist in der Literatur gerade heftig umstritten. Ähnlich strukturiert ist die Frage nach den Grenzen der Einwilligungsfähigkeit in innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs liegendes rechtswidriges Handelns des Vertreters, ursprünglich diskutiert von Brand, a.a.O., S. 235 ff. und NStZ 2010, 9 ff., 11, im Hinblick auf das Verständnis eines Handelns als Organ in der Diskussion um die Abgrenzung zu allgemeinem Handeln nach dem Ende der Interessentheorie. Den Hintergrund bildet die Konstruktion des § 283 StGB als Delikt des Schuldners gegen sich selbst (S. 355). Während Brand deswegen rechtswidriges Handeln des Organs der juristischen Person nicht zurechnen kann und deswegen in solcher Konstellation ein Handeln als Organ verneint, stellt sich für die Dogmatik Ceffinatos umgekehrt die Frage, wieweit Handeln der juristischen Person dem Organ zugerechnet, hier also zu Gute gehalten werden kann. Dafür sind nicht nur die Grenzen der Einwilligungsfähigkeit als solche zu klären – und zu verneinen, legt man die Auffassung Ceffinatos, es könnten nur eigene Pflichten delegiert werden (dazu oben 4), auch hier zugrunde: Mangels eigener Einwilligungsfähigkeit in eigenes rechtswidriges Handeln müsste auch die Einwilligung in rechtswidriges Handeln eines Dritten ausscheiden. Käme sie hingegen in Betracht, und dies dürfte im Rahmen der Disposition über eigene Rechtsgüter zumindest diskutabel sein, so stellte sich erneut das Problem der Zuständigkeit.
14. In seinen ausführlichen Überlegungen zu § 14 Abs. 2 StGB (S. 252, v. a. aber S 321 ff.) gelangt Ceffinato zu dem Ergebnis,das Erfordernis ausdrücklicher Beauftragung bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB schütze sowohl den Delegationsempfänger als auch das Rechtsgut, weil ohne ausdrückliche Beauftragung der Delegierende und damit der ursprüngliche Garant verpflichtet bleibe.
15.Ceffinato bekennt sich als Anhänger der Vertretertheorie und verwirft daher für sich die Organtheorie (S. 224). Seine Erkenntnisse grenzt er zur Lehre vom Pflichtdelikt (Roxin, Radtke, Rogall) ab (S. 180 ff., 299 ff.) und wendet sie auf verschiedene Strafbestimmungen und auf von der Rechtsprechung entschiedene Fälle an (S. 344 ff.) Dabei lehnt er die untreuerechtliche Konzernrechtsprechung (Bremer Vulkan, BGHSt 49, 147 ff., und Refugium, BGHSt 54, 52 ff.) rundheraus ab (S. 349, 377 f.). Wenn man seine Dogmatik taufen will, könnte man sie vielleicht als Theorie der Sonderpflichten bezeichnen. Sonderpflichtdelikte sind danach allein §§ 170, 266a, 283 Abs. 1 Nrn. 5 und 7, 283b, 325 und 325a StGB, § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG, Arbeitsschutzvorschriften des Nebenstrafrechts und § 130 OWiG (S. 387 f. mit Skizze S. 390 f.).
III. Was bleibt? Ein faszinierendes Gedankengebäude, eine bewundernswerte wissenschaftliche Leistung, die einen großen Bogen schlägt von theoretischen Tiefen bis hin zur Lösung von Rechtsfragen auch in juristischen Mikrokosmen. Ob zweifelnde Anmerkungen und Nachfragen, wie sie vorstehend formuliert sind, zur Relativierung zwingen, kann erst die Zukunft zeigen.
Der unmittelbare praktische Nutzen dürfte sich hingegen in Grenzen halten. Verteidiger finden allerdings nicht nur zusätzliche Argumente gegen die täterschaftliche Haftung faktischer Organe, sondern auch eine größere Anzahl von Erwägungen, die – z.T. strategische – Angriffe gegen die Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen erlauben (wie z.B. die ‚Entkernung‘ von § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Ob die Strafjustiz Ceffinato folgen wird? Angesichts mancher doch arg konstruiert wirkender und sehr feinsinnig ausziselierter Argumentationslinie spricht keine große Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Rechtsprechung, sei es zu Recht, sei es zu Unrecht, seiner einschränkenden Interpretation des § 14 StGB im Hinblick auf die Erfassung allein von Statusinhabern und das selbst nur bei deren auch formell einwandfreier Bestellung folgen wird. Auch der Entkriminalisierung wirksam Bestellter, aber Einflussloser (vulgo: von Strohleuten) dürfte trotz einiger Anhänger (KG, NStZ-RR 2001, 173 f.; OLG Hamm, wistra 2002, 313 ff.; Sahan, FS Imme Roxin, S. 295 ff.)keine große Gefolgschaft beschieden sein.
Wenngleich noch deutlich ausbaubedürftiges, aber zur Lösung aktueller Fragen nutzbares Potential bieten hingegen Ceffinatos Überlegungen zur Konturierung der Haftung im Falle vertikaler wie horizontaler Delegation – trotz seines alles andere als überzeugenden Ausgangspunkts (oben II 9). Dabei ist weniger bedeutsam, ob man ihm in den (z.T. zweifelhaften) Einzelergebnissen folgt oder nicht. Verdienstvoll ist vielmehr allein schon der Versuch, dem vorsichtigen Tasten von Rechtsprechung und Literatur mit einem dogmatischen Konzept zu begegnen. Den Ergebnissen der Praxis wird man einen Gerechtigkeitsgehalt nicht absprechen können. Auch der Kern der Haftung des Delegierenden mit dem Wandel eigener Durchführungs- in Organisations-, Instruktions- und Überwachungspflichten dürfte inzwischen ausreichend rechtssicher gefestigt sein. Einen Orientierung bietenden übergreifenden Leitgedanken herauszuarbeiten, wäre gleichwohl sinnvoll und für die Praxis hilfreich. Der Schwerpunkt der diesbezüglichen Ausführungen Ceffinatos liegt allerdings weniger auf der Suche nach einem derartigen übergreifenden Aspekt – verständlicherweise, denn diese Passagen stellen lediglich eine Art Nebenprodukt seiner Untersuchung dar. „Die“ Grundidee ist damit aber eben noch nicht freigelegt. Mit dem Hinweis, es gölte zu vermeiden, dass Fachfremde Kenner der Materie im Blick haben müssten, wie es die h.M. verlange, und dass es sinnvoller sei, die Zuständigen würden sich auf das konzentrieren, wovon sie etwas verstehen, hat Ceffinato allerdings den Finger in eine offene Wunde gelegt. Es dürfte eine lohnende Aufgabe sein, dieses Thema aufzugreifen und zu prüfen, ob und wenn ja, wie es möglich sein könnte, den Bedürfnissen der Delegierenden Rechnung zu tragen, ohne den weniger Gutwilligen das Schleichen aus der Verantwortung allzu sehr zu erleichtern.
Duncker & Humblot, Berlin 2012, 420 Seiten, zugleich Dissertation Bayreuth 2011, 98 €
I. 1. Es gibt Bücher, die lassen sich leicht rezensieren. Und es gibt Werke, die zu besprechen eine Qual ist. Es wäre aber nicht nur voreilig, sondern falsch, aus der Zuordnung zur zweiten Gruppe Schlüsse auf die Qualität von Ceffinatos Dissertation (bei Prof. Dr. Nikolaus Bosch, Bayreuth) zu ziehen. Der Gedankenreichtum des Autors scheint unerschöpflich, seine Argumentation ist so messerscharf, die Darstellung derart präzise, dass der Leser nichts als Hochachtung zu empfinden vermag (vielleicht aber doch auch mit aufkommenden Neid- oder Minderwertigkeitsgefühlen zu kämpfen hat – und das nicht nur deshalb, wenn ihn wie den Rezensenten der Verfasser bei einer eigenen Sorgfaltswidrigkeit erwischt hat, S. 354, Fn. 185). Warum aber empfindet man bei der Lektüre gleichwohl nicht den reinen Genuss? Vielleicht deshalb, weil trotz aller dankenswerterweise wiederkehrender Hinweise auf die Systematik, auf den ‚roten Faden‘, die Kleinteiligkeit der Darstellung, die Befassung mit (gefühlt) jeder auch nur irgendwie denkbaren Variante ebenso wie mit Jahrhunderte überdauernden Rechtsinstituten, den Geduldsfaden zumindest des eiligen Lesers strapaziert. Die Darstellung eignet sich bestimmt nicht zum schnellen Konsum. Um sich den Zugang zur Argumentation zu erschließen, muss man die zahlreichen Definitionen, die der Verfasser erarbeitet, ebenso wie deren Abgrenzungen zu anderen begrifflichen Konstrukten auch noch nach 100 oder 200 Seiten ebenso präsent haben wie der Urheber selbst – oder man muss sich ihrer immer wieder nochmals vergewissern. Diese Inpflichtnahme des Lesers mindert allerdings sicher nicht die wissenschaftliche Qualität dieser alle Facetten durchdringenden Arbeit, die von der ganzen Anlage und ihren systematischen Überlegungen her eher einer Habilitationsschrift gleicht. Eine solche hat sich der Autor inzwischen längst vorgenommen. Ob es für ihn eine wirkliche Herausforderung ist, seine Dissertation noch zu ‚toppen‘?
2. Ceffinatos Fragestellung ist eigentlich ganz einfach: Setzt die Täterschaft, wenn nur das Verhalten bestimmter Statusinhaber strafbar ist, deren formwirksame Berufung in die Stellung voraus, oder genügt es, wenn jemand rein tatsächlich die mit dem Status verbundenen Funktionen wahrnimmt? Es geht also um die Frage nach der Strafbarkeit des lediglich auf faktischer Basis Agierenden. Dieses Thema untersucht der Autor mit bemerkenswertem Tiefgang. Bei der Anlage seiner Untersuchung ist es unumgänglich, sich nicht allein mit dem geltenden Recht und seinen Grundlagen, insbesondere mit § 14 StGB, zu befassen, sondern sich auch phänomenologischen und systematischen Überlegungen zuzuwenden – obwohl der Autor sein Thema eingrenzt und betont, sich nicht mit der Vertreterhaftung allgemein zu befassen, sondern nur in Bezug auf Sonderdelikte (S. 37 f.).
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Ceffinato plädiert kompromisslos gegen jede faktische Betrachtungsweise. Das gilt allerdings nur für das geltende Recht. Auch das Strafrecht könne nämlich eine Pflichtenstellung begründen, welche (in Grenzen) über die formal-wirksame Bestellung hinausreiche. Es wäre aber Aufgabe des Bundesgesetzgebers, die vorhandenen Grenzen, die er vor allem in § 14 Abs. 3 StGB festgelegt habe, einer Vorschrift, welche die Ausweitung der Vertreterhaftung über formal wirksam Bestellte hinaus sowohl bestimme als auch in ihrer Reichweite beschränke (S. 241), zu erweitern. Einen Formulierungsvorschlag legt Ceffinato in seinem abschließenden Ausblick (S. 388 f.) vor. Dabei bewegt er sich konsequent innerhalb der von ihm herausgearbeiteten Strukturen und der vom Gesetzgeber auf dieser Basis einzuhaltenden Grenzen (z.B. dem Gebot der Beschränkung des Schutzes auf Gefahren, die dem Rechtsgut eben nur von Sonderpflichtigen drohen können, Rechnung zu tragen, S. 60, 91). Gemäß einem neuen § 14 Abs. 3 S. 2 StGB-E soll der tatsächliche Inhaber einer Stellung, wie sie für den Statusinhaber nur formal begründet werden kann, diesem gleichgestellt werden. Damit würde der faktische Funktionsinhaber nicht zum Adressaten der Sonderpflichten, wie es im Falle eines tatsächlichen Treueverhältnisses bei § 266 StGB der Fall sei (S. 41 f., 389), sondern lediglich wie ein Sonderpflichtiger behandelt werden. Da ihm die besondere persönliche Eigenschaft jedoch nach wie vor fehlen würde, solle ein neuer § 14 Abs. 3 S. 3 StGB-E anordnen, dass die Strafe in diesen Fällen gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildern sei. Es handelt sich um einen kleinen, aber (potentiell) durchaus wirksamen Vorschlag. Ob er allen Bedürfnissen der Praxis befriedigend Rechnung trägt, sei dahingestellt. Seine Verwirklichung seitens des Gesetzgebers wäre jedenfalls ein großer Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit. Der dominanten Stellung des Externen ließe sich im Rahmen der Strafzumessung (zumindest weitgehend) angemessen Rechnung tragen.
3. Das Werk ist unterteilt in 7 Kapitel, § 1: Einleitung, S. 20 – 45; § 2: Bausteine der Vertreterhaftung – Zur Binnensystematik des Rechts, S. 46 – 119; § 3: Die Legitimation der Vertreterhaftung – Zur Struktur der Sonderdelikte, S. 120 – 203; § 4: Der Rechtsgrund der strafrechtlichen Organ- und Vertreterhaftung, S. 204 – 314; § 5: Die nähere Ausgestaltung der Organ- und Vertreterhaftung, S. 315 – 374; § 6: Die Auswirkungen des Lösungsmodells auf verbliebene Problemkonstellationen, S. 375 – 382; § 7: Zusammenfassung in Thesenform und Ausblick.
II. Eine umfassende wissenschaftliche Kritik an der Argumentation Ceffinatos kann im Rahmen dieser Besprechung nicht geleistet werden – zudem wäre der Rezensent dazu nicht berufen. Es wäre sogar bereits vermessen, die Gedankenkette des Autors lückenlos nachzeichnen zu wollen. Daher muss es mit dem Aufgreifen einzelner Versatzstücke sein Bewenden haben.
1. Ceffinato unterscheidet nach vorgefundenen (Leben, körperliche Unversehrtheit, Ehre, persönliche Freiheit) und nach vom Gesetzgeber konstituierten (Eigentum, Vermögen, Überindividuelles) Rechtsgütern (S. 59 f. und passim).
a) Schon dieser Ansatz ist erklärungsbedürftig, untersteht doch jedes noch so ehrenwerte und schutzbedürftige Gut nur mittels rechtlicher Anerkennung auch rechtlich dem in der jeweiligen Rechtsordnung anerkannten Schutz. Selbst das Leben genießt keinen vorrechtlichen Schutz, wie aus der Diskussion um die Abtreibung ebenso bekannt ist wie aus den Debatten um Sterbehilfe – letztere (in Verbindung mit dem Betreuungsrecht) zudem aufzeigend, daß es die Rechtsordnung ist, welche die Grenzen der Anerkennung personaler Autonomie definiert. Gehört zur körperlichen Unversehrtheit auch die seelische Gesundheit? Kann nicht etwa Rücksichtslosigkeit, das Auslösen von Verlustängsten oder Sehnsüchten auch die persönliche Freiheit beeinträchtigen? Beides ist de lege lata strafrechtlich (weitgehend; Ausnahme z.B.: Sirius, BGHSt 32, 38 ff.) ungeschützt. Führt zielgerichtet eingesetzte Massenpsychologie nicht via Hass und Krieg zu Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit bis hin zur Vernichtung von Leben? Umgekehrt: Worin liegt bei der Aufteilung zwischen Vorgefundenem und Konstruiertem der Unterschied zwischen Leben und Sache? Höchst lebendige Tiere waren juristisch Sachen und sind diesen weiterhin gleichgestellt, § 90a BGB. Eigentum war in der DDR anders definiert als im BGB oder dem WEG. Aber beweist oder widerlegt das das Vorhandensein vorgefundener Rechtsgüter? Zutreffend ist, dass der Gesetzgeber versuchen kann, an faktisch Vorgegebenes anzuknüpfen. Ein gutes Gesetz wird der der Regelungsmaterie innewohnenden eigenen Logik gerecht – und funktioniert. Ein schlechtes wie z.B. das an die unvermeidliche Kommunikation im Strafprozeß anknüpfende Verständigungsgesetz verfehlt die immanenten Strukturen (eindrucksvoll Kubiciel, HRRS 2014, 204 ff.) und bleibt in der Praxis entweder weitgehend unbeachtet (wie behauptlich bis zum 19.3.2013) mit der Gefahr, daß aus Garanten des Gesetzes, sprich: Richtern und Staatsanwälten, Täter des Verbrechens der Rechtsbeugung zu werden drohen, oder verkompliziert (wie seit dem 19.3.2013) die Handhabung derart, dass es als Einladung zu zweckwidrigem Einsatz missverstanden und missbraucht werden kann, weil die Gesetzesanwender sich im Gestrüpp von gutgemeinten, aber viel zu engmaschigen Pflichten allzu leicht verheddern. Zutreffend ist auch, dass der Gesetzgeber nicht an faktisch Vorgegebenes anknüpfen muss, sondern (mehr oder weniger fassbare) Rechtsgüter erfinden, also autonom definieren kann. Auch insoweit knüpft er aber an tatsächliches Geschehen an, kann es generell aufgreifen (allgemeines Persönlichkeitsrecht des BGB, wenngleich richterrechtlich entwickelt), die Konkretisierung der Justiz überlassen (Recht auf Gewährung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, BVerfGE 120, 274 ff.) und Ausschnitte gegen Angriffe mittels Strafrechts schützen (Ausspähen von Daten, § 202a StGB), kann dabei die Komplexität verfehlen (Abgeordnetenbestechlichkeit, § 108e StGB a.F. und n.F? AEntG?) oder die verschiedenen Einflüsse einer interessengerechten Ordnung unterwerfen (so das BGB in seiner Urfassung vom 18.8.1896).
Die Erkenntnis der Maßgeblichkeit rechtlicher Anerkennung ist allerdings eher geeignet, Ceffinatos Argumentation zu stützen, denn sie zu widerlegen: wenn es allein der Gesetzgeber ist, der die Reichweite rechtlicher Regelungen bestimmt, dann spricht prima facie wenig dafür, ähnliche – und damit notwendigerweise an zumindest irgendeiner Stelle vom gesetzlich definierten Rahmen abweichende, ihn also sprengende – Personen oder Taten dem vom Gesetz Erfassten gleichzustellen. Zunächst ist aber zu konstatieren, dass die rechtliche Geltungskraft originär dem Gesetz allein innewohnt. Der Wille des Gesetzgebers ist lediglich für das Verständnis des Gesetzes maß-, aber nicht immer auch ausschlaggebend, und auch das nur, soweit er sich feststellen läßt (unmöglich z. B. im Hinblick auf den nicht richtig gestellten Insolvenzantrag, vgl. Rönnau/K.Wegner, ZInsO 2014, 1025 ff.) und nicht mit anderen Gesetzen in Konflikt gerät. Für unbedachte Kollisionen kann der Gesetzgeber keine oder nur allgemein rechtlich verbindliche Vorsorge treffen. Es ist und bleibt zudem, um wieder konkreter zu werden, die Frage, ob ein Strafgesetz wirklich so verstanden werden kann, dass es ein Rechtsgut nur gegen die Gefahren schützt, die ihm seitens eines (noch dazu formell korrekt bestellten) Sonderpflichtigen drohen. Zu einem solchen wird man zweifelsfrei nicht erst und allein durch die Tat (S. 54 f., 166 f.). Vielmehr muss die Sonderpflicht bereits vor der Tat bestehen. Warum das auf ein rein faktisches Verhältnis nicht zutreffen können soll (S. 141), erschließt sich dem Rezensenten nicht.
b) Ceffinato bietet zahlreiche Argumente, die dafür sprechen, dass allein das Gesetz den Sprung von der Faktizität zur Rechtspflicht erlaubt (S. 91). Es kann dafür auf formale Umstände abstellen. Das ist laut Ceffinato dann der Fall, wenn das Gesetz statt einer Funktionsbeschreibung auf einen Status abstellt (S. 62). Ist aber strafrechtlich allein die formale Begründung des Status pflichtenbegründend, so kann dies bei akzessorischem Verständnis im Zivilrecht nicht anders sein, wie Ceffinato nicht verkennt (z.B. S. 389), aber der Sache nach nicht ausnahmslos befürwortet (Eigentum akzessorisch, S. 65 ff. <zum BGB oder zum GG?>, Vermögen hingegen faktischer Betrachtung zugänglich, S. 68 f.), jedenfalls nicht für zwingend erachtet (S. 64 f.) und Sonderpflichtdelikten die Kraft zur Begründung außerstrafrechtlicher Pflichten zuschreibend (S. 237). Zivilrechtlich ist allerdings eine Analogie zu Lasten des Pflichtigen möglich. Die – strafrechtlich unzulässige – Analogie ist aber von der – auch strafrechtlich zulässigen – die Pflichtenstellung (ggf. neu) definierenden Auslegung abzugrenzen. Ceffinato plädiert auch insoweit mit starken Argumenten für die rein formale Betrachtung (S. 71), wenn das Tatbestandsmerkmal auf einen Status verweist, dafür als Beleg Art. 103 Abs. 2 GG anführend, (S. 179; mit unterschiedlichen Ergebnissen zunächst untersucht für den Arbeitgeber bei § 266a StGB, S. 72 ff., 149 ff.; den Schuldner, S. 75 ff., 153 ff.; den Geschäftsführer, S. 78 ff.; und für § 15a InsO, S. 85 ff.; Gesamtergebisse S. 347 ff.). Er versteht § 14 StGB als (funktionsbezogene S. 108) gesetzlich angeordnete und damit auch strafrechtlich zulässige Analogie (S. 100 ff., 214 f.).
Zwingend ist das Ergebnis, rein formale Betrachtung, indes nicht. Dass die Rechtsstellung von der Erfüllung bestimmter Formalia abhängen kann, führt im Umkehrschluss zur Möglichkeit der alleinigen Maßgeblichkeit des Vorhandenseins bestimmter tatsächlicher Umstände: ohne die Erfüllung der Formalie (S. 265 betreffend Gemeindelikte). Es gilt demnach immer herauszufinden, worauf das Gesetz tatsächlich abstellt. Auch im Fall eines erforderlichen Delegationsakts ist es ebenso wie beim die besondere Pflichtenstellung begründenden Bestellungsakt (S. 139 f.) keineswegs selbstverständlich, dass § 14 StGB ausschließlich formvollendet Bestellte erfasst. § 14 Abs. 3 StGB dürfte allerdings für die Fälle des § 14 Abs. 1 StGB dafür sprechen (§ 14 Abs. 2 StGB enthält eigene Regeln zur Begründung der Pflichtenstellung, sodass sich diese Frage insoweit nicht stellt). Ob aber aus § 14 Abs. 3 StGB wirklich geschlossen werden kann, dass es zumindest des Versuchs eines förmlichen Bestellungsakts bedarf, ist jedenfalls nicht eindeutig. Gesellschaftsrechtlich ist die Eintragung im Handelsregister lediglich deklaratorisch. Die innergesellschaftliche Willens- und Entscheidungsbildung ist weitgehend dispositiv. Das eröffnet zumindest den Spielraum für die Prüfung, ob nicht eine vom Willen der zuständigen Organe getragene (sei es eine dadurch begründete, sei es eine auf diese Weise geduldete) Stellung genügt, um den Erfordernissen des § 14 Abs. 3 StGB zumindest für den (faktischen) GmbH-Geschäftsführer vollauf Rechnung zu tragen. Damit wäre (wohl) nicht einmal Ceffinatos Systematik durchbrochen, bliebe der Schutz des Rechtsguts doch einerseits auch weiterhin auf diejenigen beschränkt, die es kraft ihrer Einflussmöglichkeiten ebenso gefährden können wie ein Geschäftsführer, würde andererseits aber eben gerade damit erst gewährt. Schließlich ist auch er der Auffassung, dass derjenige, der die Rolle des Sonderpflichtigen freiwillig einnimmt, selbst die höchstpersönlichen Sonderpflichten zu erfüllen hat (S. 163, 235 f.) – allerdings versteht er in der Übernahme wohl nur die förmliche.
2. Ein wesentlicher Argumentationsstrang besteht in der vergleichend entwickelten (begrenzten) Gleichsetzung der (unechten) Unterlassungsdelikte mit den Sonderpflichten (wiederkehrend ab S. 111): Beide verlangen eine Garantenstellung für die Unversehrtheit des Rechtsguts. Dieses ist nicht gegen sämtliche Gefahren mittels Strafrechts geschützt, wohl aber gegen solche, die ihm aus dem spezifischen Versagen dessen drohen, dem der Schutz anvertraut ist. Ceffinato versteht auch § 13 StGB als strafgesetzlich angeordnete Analogie (S. 111). Der Unterlassungstäter verwirkliche aber insoweit gleichwohl lediglich ein Allgemeindelikt (S. 113), als es sich bei der Tat nicht um ein Unterlassungsstatusdelikt handele (S. 114). Die Garantenstellung betrachtet der Autor als besonderes persönliches Merkmal i.S. sowohl des § 14 StGB als auch des § 28 StGB (S. 111 ff.). Alle Sonderpflichten würden Garantenstellungen begründen, nicht aber umgekehrt sämtliche Garantenpositionen auch Sonderpflichten markieren (S. 242). Damit stellen Sonderpflichten nur eine Untereinheit der Garantenpflichten dar.
3. Für Ceffinato ist § 14 StGB nötig aufgrund der historischen Entwicklung des Zivilrechts. Mit dem Herausbilden juristischer Personen als Adressat zivilrechtlicher Pflichten fallen (bei akzessorischem Verständnis) Statusinhaberschaft und materielle Unrechtsstruktur auseinander (S. 260). § 14 StGB führe beides wieder zusammen. Die Vorschrift rechne weder fremde Schuld noch das fehlende besondere persönliche Merkmal zu. Vielmehr unterstelle sie den Vertreter lediglich dem Normbefehl der Sonderstraftat. Der Vertreter werde damit nicht selbst zu einem Sondersubjekt, sondern einem solchen nur gleichgestellt (S. 117, 235). Eine derartige Analogie setze voraus, dass die betroffenen Straftatbestände ein von der formellen Stellung unabhängiges Unrechtselement enthielten (S. 122).
4.Ceffinato vertritt die These, nur der Sonderpflichtige könnte Sonderpflichten delegieren (S. 234, 257, auch 291 f.). Sie wirft Fragen auf: Kann der Verband, der laut Ceffinato nicht selbst strafrechtlicher Pflichtenadressat ist (S. 92 ff.), nicht selbst delegieren? Wie sollen dann Gesellschafter, die nicht selbst sonderpflichtig sind (S. 265) ein sonderpflichtiges Organ bestellen? Besteht wirklich eine Vereinbarkeit seiner These mit der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht der Gesellschafter im Fall der Führungslosigkeit (S. 282)?
5. Gleichgestellt werden könne mit § 14 Abs. 1 und 3 StGB (S. 241) nur die eigene Sonderpflicht des Vertreters, resultierend aus der Funktionsübernahme (S. 235 f.). Dazu bedürfe es u.a. deshalb eines Rechtsgrundes, also einer Vorschrift, um nicht den Passiven vor dem Hilfsbereiten zu privilegieren (S. 237 ff.). Ein kluger Gedanke, ein hehres Ziel. Aber knüpft es auch an die rechtstatsächliche Situation an? Ist sie psychologisch nicht eher umgekehrt gelagert? Versteckt sich nicht vielmehr der Aktive Informelle hinter dem formell pflichtigen Passiven?
6. Zentrale Bedeutung für seine konkreten Ergebnisse kommt Ceffinatos Einteilung der nicht von jedermann erfüllbaren Delikte, also solcher, hinsichtlich derer die taugliche Täterschaft von Umständen abhängt, die über die bloße Personalität hinausgehen, in Sonderunrecht einerseits und bloßer Beschränkung des Geltungsumfangs eines Allgemeindelikts andererseits zu (S. 126, auch S. 153 ff., 202, dort zudem auch zu § 288 StGB). Entgegen der h.M. versteht Ceffinato die wortgleichen Statusmerkmale in § 28 StGB und in § 14 StGB inhaltlich identisch (S. 44, 108 f., 332 ff.) und sieht im Schuldner weder für § 14 StGB noch im Hinblick auf § 28 StGB ein besonderes persönliches Merkmal. Das bedeutet, daß Ceffinato § 14 nicht allgemein auf den Bankrott (z.B. nicht auf Beiseiteschaffen, § 283 Abs. 1 Nr . 1. StGB) anwendet – und die Vorschrift damit, weil für Vertreter nicht einschlägig, entkernt (S. 127 f., 344; a.A. BGH, Beschl. v. 22.1.2013, 1 StR 233 bzw. 234/12, NJW-Special 2013, 153 bzw. BGHSt 58, 115 ff., die Anwendbarkeit des § 28 StGB jeweils bejahend).
Maßgeblich ist für Ceffinato, ob ein Rechtsgut auch von Extranen verwirklicht werden könne. Ob diese Argumentation durchgreift, muss hier dahinstehen. Als Beleg dafür geltendes Recht, im Hinblick auf § 283 StGB: § 283d StGB, anzuführen, ist zwar de lege lata nichts Verkehrtes. Was aber trägt das zum Verständnis, zur Definition, zur vom Verfasser vorgenommenen Abgrenzung bei? Schützte § 283 StGB ohne § 283d StGB ein Sonderrechtsgut? Handelte es sich dann beim Abstellen auf den Schuldner um ein Sonderdelikt? Wohl ja, arg. unten 7 (zu S. 130). Müsste dann nicht § 14 Abs. 3 StGB, erst recht § 14 Abs. 3 S. 2 StGB-E aus dem Sonderunrecht des Statusinhabers ein Allgemeindelikt werden lassen? Oder verhinderte gerade dies die bloße Gleichstellung?
7. Sonderunrecht als Verletzung einer qualitativ gesteigerten Sonderpflicht (S. 134), z.B. Schutz von Eltern gegenüber Kindern (S. 133), kann nach Ceffinato nur vom Verpflichteten selbst und von niemand Dritten verwirklicht werden (129 f.). Sonderunrecht schütze ein Sonderrechtsgut, wie es von der Rechtsordnung nicht vorgefunden, sondern nur konstruiert werden könne (S. 130).
8. Ein bestellter aktiver Organwalter sei stets sonderpflichtig, ohne dass alle seine Pflichten Ausfluß der Sonderpflicht wären (S. 245): Die eigene Sonderpflicht folge aus der eigenen Rechtsstellung (S. 246). Letztere habe der Extrane gerade nicht inne (S. 247). Sie folge nicht allein aus tatsächlicher Übernahme, sodass der faktische Organwalter eben nicht wie ein förmliches Organ hafte (S. 262 ff.). Eine Ausnahme davon mache (neben § 14 Abs. 3 StGB) auch § 14 Abs. 2 StGB. Nötig dafür sei das vorherige Einverständnis des bestellten Organs, nicht das der Gesellschafter, da diese gerade nicht sonderpflichtig sind (S. 265, auch S. 279, 330 ff.). Auch den Adressaten von § 14 Abs. 2 träfen eigene Pflichten (S. 283), aber nur bei Übernahme der Zuständigkeit insgesamt, nicht allein einzelner Pflichten (S. 284; zumindest ähnlich BGHSt 58, 10 ff.).
9. Ebensowenig wie die bloße faktische Übernahme genüge die rein formale Bestellung bereits für sich allein zur Begründung einer Sonderpflicht (S. 247). Die Garantie für das Rechtsgut setze vielmehr kumulativ beides voraus, beim formell Bestellten also zusätzlich noch die tatsächliche Übernahme der Pflichtenstellung. Damit verneint Ceffinato (in Durchbrechung seines zivilrechtsakzessorischen Verständnisses) sowohl den in Zivil- wie Strafrecht nahezu unangefochtenen Grundsatz der Allzuständigkeit (Beispiel: zerstöre der technische Vorstand die Handelsbücher, so handele er nicht als Organ, sondern hafte lediglich als Extraner, S. 254) als auch die Pflichtenstellung des Strohmanns (S. 262). Er privilegiert damit den Passiven gegenüber dem Aktiven (was er zuvor vermeiden wollte, S. 239). Trotz dieses kaum vertretbaren Ausgangspunkts lassen die Konsequenzen aufhorchen: Sein Verständnis habe die höchst begrüßenswerte Folge, dass kein Inkompetenter den im anderen Ressort Kompetenten mehr kontrollieren müsse (S. 248, 273, 288). Die Gesamtverantwortung (unklar, S. 299: de lege lata nur gemäß § 130 OWIG? Also gerade nicht strafrechtlich?) beschränke sich damit auf die gemeinschaftliche Übernahme von Pflichten und auf ressortübergreifende Ausnahmesituationen (S. 249). Ceffinato stellt hier einen Vergleich mit der Haftung der Geschäftsleiterebene gemäß § 831 BGB an. Sie beschränke sich auf organisatorische Strukturentscheidungen und auf die Wahrung der Kontrollpflichten (S. 261). Das erscheint als vergleichbar mit der h.M. zur Haftung für Umstände, die die Gesellschaft als Ganzes betreffen, führt aber zu einer Umkehrung des Regel- Ausnahme-Verhältnisses (S. 274; ähnlich für die Fälle des § 14 Abs. 2, S. 286 ff.).
10. Sein dogmatisches Gebäude hätte Ceffinato nicht konstruieren können, verneinte er nicht (in ausdrücklicher Ablehnung, S. 215, Fn. 59, des gegenteiligen Ergebnisses der Dissertation von Brand, Untreue und Bankrott in der KG und GmbH & Co KG, 2010, S. 246 f.), dass juristische Personen (S. 92 ff.) und rechtsfähige Personengesellschaften (S. 316) mangels eigener Handlungsfähigkeit Adressaten auch strafrechtlicher Pflichten seien – eine neuerliche Durchbrechung seiner zivilrechtsakzessorischen Sicht des Strafrechts. Damit reißt er eine Lücke in die Kette der Zurechnung von Verantwortung: Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sei nicht mittels doppelter Anwendung des § 14 StGB Adressat der Pflichten der KG (S. 92 ff., 207 f., 213). Ceffinato bietet aber Hilfe in doppelter Hinsicht an: de lege lata könne der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als ‚sonstiger Beauftragter‘ i.S.d. § 14 Abs. 2 StGB angesehen werden (S. 376). De lege ferenda schlägt er eine entsprechende Ergänzung des § 14 Abs. 1 StGB vor (S. 388).
11. Aktuell ist seine Ablehnung der Auffassung, die juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften selbst als Adressaten strafrechtlicher Pflichten ansieht, im Hinblick auf die politischen Überlegungen zur Einführung eines Verbandsstrafgesetzbuchs. Laut Ceffinato kann ein Extraneus auch nicht mittelbarer Täter der juristischen Person selbst sein (S. 93 ff.). Das ist von seinem Ausgangspunkt her stimmig, letzterer aber nicht zwingend. Im Hinblick auf das zivilrechtsakzessorische Verständnis des Strafrechts ist es erklärungsbedürftig, will man den Verband, den die zivilrechtlichen Pflichten als solchen treffen, strafrechtlich als bar jeglicher Pflichtenstellung begreifen. Liegt es nicht viel näher, mit der h.M. die Wahrnehmung der Pflichten des Verbands von seinem Organ zu verlangen, also dieses strafrechtlich für die auch in strafrechtlicher Hinsicht anzunehmende, aber de lege lata ihm selbst gegenüber nicht strafbewehrte Pflichtverletzung des Verbands haften zu lassen? Ceffinato betrachtet hingegen nur die natürliche Person als Adressaten strafrechtlicher Pflichten. Das entbehrt nicht einer immanenten Logik, geht es doch bei der Frage nach der Strafbarkeit des Organs nicht darum, dessen Verstöße dem Verband zuzurechnen (S. 294 und 296, Fn. 410: ausdrücklich entgegen Brand, a.a.O., S. 250, und Hoffmann, Untreue und Unternehmensinteresse, 2010, S. 202), sondern umgekehrt um den Umfang der strafrechtlichen Pflichten des Organs. Diese ließen sich jedoch auch als Zurechnung von Verstößen des Verbands selbst begreifen, während bei Ceffinato zivilrechtliche Pflichten des Verbands unmittelbar zu strafbewehrten Pflichten des Organs werden, ohne dass der Verband dabei eine eigene strafrechtliche Rolle spielen würde. Bedarf es dann strafrechtlich überhaupt noch der Berücksichtigung des Verbands, und wenn ja, in welcher Weise?
Ceffinato stellt auch (in bewußter Ablehnung der im KK-OWiG, § 30, Rn. 1 und 8 entwickelten Systematik Rogalls) nicht auf das Organ selbst ab, sondern auf den Organwalter (S. 96 f.). Es wäre interessant, einmal dem Gedanken nachzugehen, ob nicht etwa ein faktisches Organ als mittelbarer Täter des bestellten und die Ausübung der Organrolle bewusst duldenden, also seine Pflichterfüllung unterlassenden bzw. delegierenden Organwalters betrachtet werden könnte.
§ 30 OWiG stellt für Ceffinato kein Gegenargument für seine Ablehnung der Annahme einer strafrechtlichen Pflichtenstellung des Verbands selbst dar (und selbst wenn, dann gölte dies nur für das OWiG): Die Bestimmung knüpfe an außerstrafrechtliche Pflichten an, die sich nur zufällig mit strafrechtlichen deckten (S. 226 ff.) – ein formales Argument ohne (erkennbaren) inhaltlich-materiellen Gehalt. Die strafrechtliche Inpflichtnahme eines Verbandes hält er für unzulässig (S. 98), gar verfassungswidrig (S. 216; etwas moderater, und wohl de lege ferenda Raum für ein Verbandsstrafgesetzbuch lassend, S. 219): Für die generell mögliche Aufteilung strafrechtlicher Verantwortlichkeit bleibe nichts zu verteilen, wenn bereits eine Stelle, eben das Organ, für das volle Unrecht verantwortlich sei (S. 98 f.; anders ausdrücklich Brand, a.a.O.,S. 245)
12. Laut Ceffinato bestehen die Organpflichten nur nach innen, also nur gegenüber der juristischen Person (S. 223, S. 240 f.). Das Strafrecht dürfe sie aber nach außen (zu Pflichten gegenüber Dritten oder der Allgemeinheit) erweitern. Es ist fraglich, ob es dieser ‚Befugnis‘ bedarf. Die Diskussion um die Außenhaftung des Compliance Officers im Anschluss an BGHSt 54, 44 ff. beschränkte sich nicht nur auf das Strafrecht. Auch die zivilrechtliche Haftung ist nicht ausschließlich Folge verletzter Verbandspflichten. Das sieht Ceffinato für die (auch zivilrechtliche) Geschäftsherrenhaftung genauso: sie knüpfe an Organpflichten an, nicht an die Pflichten des Verbands (S. 224 f.), sichere strafrechtlich allerdings lediglich Allgemeinpflichten (S. 256 f.) und führe zur Haftung für Vorsatztaten von Untergebenen, wenn diese Folge von Organisationsmängeln seien (S. 274).
13. Die Abgrenzung zwischen § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 266 StGB im Hinblick auf das Beiseiteschaffen und damit der Streit um die Interessentheorie stellt für Ceffinato kein Problem dar (S. 294 f.): weil die Schuldnereigenschaft kein besonderes persönliches Merkmal sei, gölte § 14 StGB für das Beiseiteschaffen (seitens eines Organs) und wohl auch für andere Alternativen des § 283 StGB sowieso nicht (dazu oben 6). Abzugrenzen seien vielmehr §§ 266 und 283d StGB (S. 294, 344 f., 355 f.). Letzterer sei zwar zu eng gefasst – doch das könne nur der Gesetzgeber ändern (S. 387).
Im Hinblick auf die Einhaltung von Sonderpflichten durch das Organ (wohl sogar die konkrete Pflichtenstellung als solche betreffend) stelle sich jedoch generell (S. 294), damit also sowohl für § 266 StGB als auch in Bezug auf § 283d StGB, die Frage nach der Reichweite der Einwilligungsfähigkeit. Für die Untreue entschärft Ceffinato das Problem dadurch, dass er die Gesellschafter als jedenfalls nicht selbst dispositionsbefugt ansieht, sodass ihnen (wie der GmbH selbst) die Zuständigkeit für die Einwilligung fehle (S. 380 f.). Das mag ein pragmatisches Argument sein, beantwortet aber die Frage nach den Grenzen der Einwilligungsfähigkeit nicht und wird auch dem Rechtsgut, Schutz der Vermögensinteressen, bestenfalls dann gerecht, wenn man diejenigen der juristischen Person mit der Rechtsprechung als selbständig und damit als auch gegenüber den Gesellschaftern geschützt betrachtet. Dies aber ist in der Literatur gerade heftig umstritten. Ähnlich strukturiert ist die Frage nach den Grenzen der Einwilligungsfähigkeit in innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs liegendes rechtswidriges Handelns des Vertreters, ursprünglich diskutiert von Brand, a.a.O., S. 235 ff. und NStZ 2010, 9 ff., 11, im Hinblick auf das Verständnis eines Handelns als Organ in der Diskussion um die Abgrenzung zu allgemeinem Handeln nach dem Ende der Interessentheorie. Den Hintergrund bildet die Konstruktion des § 283 StGB als Delikt des Schuldners gegen sich selbst (S. 355). Während Brand deswegen rechtswidriges Handeln des Organs der juristischen Person nicht zurechnen kann und deswegen in solcher Konstellation ein Handeln als Organ verneint, stellt sich für die Dogmatik Ceffinatos umgekehrt die Frage, wieweit Handeln der juristischen Person dem Organ zugerechnet, hier also zu Gute gehalten werden kann. Dafür sind nicht nur die Grenzen der Einwilligungsfähigkeit als solche zu klären – und zu verneinen, legt man die Auffassung Ceffinatos, es könnten nur eigene Pflichten delegiert werden (dazu oben 4), auch hier zugrunde: Mangels eigener Einwilligungsfähigkeit in eigenes rechtswidriges Handeln müsste auch die Einwilligung in rechtswidriges Handeln eines Dritten ausscheiden. Käme sie hingegen in Betracht, und dies dürfte im Rahmen der Disposition über eigene Rechtsgüter zumindest diskutabel sein, so stellte sich erneut das Problem der Zuständigkeit.
14. In seinen ausführlichen Überlegungen zu § 14 Abs. 2 StGB (S. 252, v. a. aber S 321 ff.) gelangt Ceffinato zu dem Ergebnis,das Erfordernis ausdrücklicher Beauftragung bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB schütze sowohl den Delegationsempfänger als auch das Rechtsgut, weil ohne ausdrückliche Beauftragung der Delegierende und damit der ursprüngliche Garant verpflichtet bleibe.
15.Ceffinato bekennt sich als Anhänger der Vertretertheorie und verwirft daher für sich die Organtheorie (S. 224). Seine Erkenntnisse grenzt er zur Lehre vom Pflichtdelikt (Roxin, Radtke, Rogall) ab (S. 180 ff., 299 ff.) und wendet sie auf verschiedene Strafbestimmungen und auf von der Rechtsprechung entschiedene Fälle an (S. 344 ff.) Dabei lehnt er die untreuerechtliche Konzernrechtsprechung (Bremer Vulkan, BGHSt 49, 147 ff., und Refugium, BGHSt 54, 52 ff.) rundheraus ab (S. 349, 377 f.). Wenn man seine Dogmatik taufen will, könnte man sie vielleicht als Theorie der Sonderpflichten bezeichnen. Sonderpflichtdelikte sind danach allein §§ 170, 266a, 283 Abs. 1 Nrn. 5 und 7, 283b, 325 und 325a StGB, § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG, Arbeitsschutzvorschriften des Nebenstrafrechts und § 130 OWiG (S. 387 f. mit Skizze S. 390 f.).
III. Was bleibt? Ein faszinierendes Gedankengebäude, eine bewundernswerte wissenschaftliche Leistung, die einen großen Bogen schlägt von theoretischen Tiefen bis hin zur Lösung von Rechtsfragen auch in juristischen Mikrokosmen. Ob zweifelnde Anmerkungen und Nachfragen, wie sie vorstehend formuliert sind, zur Relativierung zwingen, kann erst die Zukunft zeigen.
Der unmittelbare praktische Nutzen dürfte sich hingegen in Grenzen halten. Verteidiger finden allerdings nicht nur zusätzliche Argumente gegen die täterschaftliche Haftung faktischer Organe, sondern auch eine größere Anzahl von Erwägungen, die – z.T. strategische – Angriffe gegen die Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen erlauben (wie z.B. die ‚Entkernung‘ von § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Ob die Strafjustiz Ceffinato folgen wird? Angesichts mancher doch arg konstruiert wirkender und sehr feinsinnig ausziselierter Argumentationslinie spricht keine große Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Rechtsprechung, sei es zu Recht, sei es zu Unrecht, seiner einschränkenden Interpretation des § 14 StGB im Hinblick auf die Erfassung allein von Statusinhabern und das selbst nur bei deren auch formell einwandfreier Bestellung folgen wird. Auch der Entkriminalisierung wirksam Bestellter, aber Einflussloser (vulgo: von Strohleuten) dürfte trotz einiger Anhänger (KG, NStZ-RR 2001, 173 f.; OLG Hamm, wistra 2002, 313 ff.; Sahan, FS Imme Roxin, S. 295 ff.)keine große Gefolgschaft beschieden sein.
Wenngleich noch deutlich ausbaubedürftiges, aber zur Lösung aktueller Fragen nutzbares Potential bieten hingegen Ceffinatos Überlegungen zur Konturierung der Haftung im Falle vertikaler wie horizontaler Delegation – trotz seines alles andere als überzeugenden Ausgangspunkts (oben II 9). Dabei ist weniger bedeutsam, ob man ihm in den (z.T. zweifelhaften) Einzelergebnissen folgt oder nicht. Verdienstvoll ist vielmehr allein schon der Versuch, dem vorsichtigen Tasten von Rechtsprechung und Literatur mit einem dogmatischen Konzept zu begegnen. Den Ergebnissen der Praxis wird man einen Gerechtigkeitsgehalt nicht absprechen können. Auch der Kern der Haftung des Delegierenden mit dem Wandel eigener Durchführungs- in Organisations-, Instruktions- und Überwachungspflichten dürfte inzwischen ausreichend rechtssicher gefestigt sein. Einen Orientierung bietenden übergreifenden Leitgedanken herauszuarbeiten, wäre gleichwohl sinnvoll und für die Praxis hilfreich. Der Schwerpunkt der diesbezüglichen Ausführungen Ceffinatos liegt allerdings weniger auf der Suche nach einem derartigen übergreifenden Aspekt – verständlicherweise, denn diese Passagen stellen lediglich eine Art Nebenprodukt seiner Untersuchung dar. „Die“ Grundidee ist damit aber eben noch nicht freigelegt. Mit dem Hinweis, es gölte zu vermeiden, dass Fachfremde Kenner der Materie im Blick haben müssten, wie es die h.M. verlange, und dass es sinnvoller sei, die Zuständigen würden sich auf das konzentrieren, wovon sie etwas verstehen, hat Ceffinato allerdings den Finger in eine offene Wunde gelegt. Es dürfte eine lohnende Aufgabe sein, dieses Thema aufzugreifen und zu prüfen, ob und wenn ja, wie es möglich sein könnte, den Bedürfnissen der Delegierenden Rechnung zu tragen, ohne den weniger Gutwilligen das Schleichen aus der Verantwortung allzu sehr zu erleichtern.