Die förmliche Beteiligung von Unternehmen im Strafprozess nach geltendem Recht
I. Einleitung
Neben der aktuellen Diskussion um den Gesetzesentwurf zur Einführung einer strafrechtlichen Sanktionierung von Unternehmen im Strafprozess (Verbandsstrafe) darf nicht vergessen werden, dass de lege lata eine förmliche Beteiligung und Sanktionierung von juristischen Personen und Personenvereinigung im Strafprozess auf verschiedene Art und Weise schon heute möglich ist. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die aktuellen förmlichen strafprozessualen Beteiligungsmöglichkeiten und die bei der Beteiligung von Unternehmen im Strafprozess auftretenden Probleme geben und im zweiten Teil einen vergleichenden Blick auf zukünftige Gesetzesvorhaben werfen.
II. Der Status Quo
Eine „echte“ Unternehmensverteidigung kommt nach geltendem Recht in Ermangelung einer Verbandsstrafbarkeit nur dort im Strafverfahren in Betracht, wo dem Unternehmen als Nebenbeteiligtem eine Vermögensabschöpfung durch Einziehung, (Dritt-)Verfall oder eine Verbandsgeldbuße droht.[1] Maßgebliche verfahrensrechtliche Grundlage hierfür – und damit für die Beteiligung von Unternehmen im Strafprozess – sind die §§ 430 – 444 StPO im 3. und 4. Abschnitt des 6. Buches der Strafprozessordnung.
Der 3. Abschnitt regelt hierbei die „Verfahren bei Einziehungen und Vermögensbeschlagnahmen“, wohingegen der 4. Abschnitt das „Verfahren bei Festsetzungen von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen regelt“. Zum Verständnis der aktuellen Beteiligungsmöglichkeiten von Unternehmen im Strafprozess ist eine detaillierte Betrachtung der in den §§ 430 ff. StPO getroffenen Regelung unabdingbar.
1.
Die §§ 430 ff. StPO regeln die Beteiligung von Dritten im Strafprozess als Nebenbeteiligte in Form von Einziehungsbeteiligten. Über § 442 Abs. 1 StPO werden der Einziehung Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes gleichgestellt und die für den Einziehungsbeteiligten geltenden Regeln der §§ 430 – 441 StPO für entsprechend anwendbar erklärt. Diese Gleichstellung ist im Folgenden zu beachten: sofern hier „nur“ vom Einziehungsbeteiligten gesprochen wird, sind die diesem über § 442 Abs. 1 StPO Gleichgestellten ebenfalls gemeint. Als Einziehungs- oder Verfallsbetroffene kommen neben natürlichen Personen juristische Personen oder Personenvereinigungen ebenfalls in Betracht. Dies gilt vor allem in den Fällen, in denen sich die strafrechtlichen Vorwürfe gegen die Führungspersonen, leitenden Angestellten oder Gesellschafter einer juristischen Person oder Personenvereinigung richten. Während die §§ 73 ff. StGB die materiellen Voraussetzungen der Nebenfolge regeln, findet sich in den §§ 430 ff. StPO die strafprozessuale Umsetzung. Im Folgenden wird nur die Nebenbeteiligung von juristischen Personen und Personenvereinigungen betrachtet. Im Einzelnen:
a)
Für das von einer Nebenfolge betroffene Unternehmen ist zunächst § 430 StPO von Bedeutung. Durch diese Vorschrift wird dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, in jeder Lage des Verfahrens einzelne Rechtsfolgen einer sonst bereits verfolgten Tat vom Gegenstand der prozessualen Untersuchung und Entscheidung auszuklammern.[2] Die Vorschrift stellt eine Erweiterung des Grundgedankens der §§ 154 f. StPO dar und dient der Verfahrensvereinfachung bzw. Verfahrensbeschleunigung.[3] Sie gilt sowohl für den Angeklagten als auch für den Nebenbeteiligten[4] und findet im Bußgeldverfahren ebenfalls sinngemäß Anwendung, sofern dort keine anderweitigen Regelungen getroffen worden sind.[5]
Voraussetzung für eine Verfahrensbeschränkung nach dieser Vorschrift ist zunächst, dass die Maßnahme einerseits nicht ins Gewicht fällt oder andererseits einen unangemessenen Aufwand erfordert oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde. Die Nebenfolge soll dann nicht ins Gewicht fallen, wenn für den Schutz der Rechtsordnung die sonstigen zu erwartenden Rechtsfolgen ausreichend sind.[6] Kriterien hierfür können die Geringfügigkeit oder Nichterforderlichkeit der Nebenfolge neben der verhängten Strafe sein, welche im Rahmen einer Abwägung zu berücksichtigen sind. Zu berücksichtigen sind ebenfalls die Beteiligten-, also Unternehmensinteressen.[7] Mit unangemessenem Aufwand ist das Maß der Mühewaltung von Gericht, Staatsanwaltschaft und Beweisperson gemeint.[8] Gemessen wird dies in Zeit und Geld und kann sich beispielsweise auf Sachverständigenkosten oder Kosten für Zeugenvernehmung und Augenscheinnahme beziehen.[9] Allgemein ist der Aufwand unangemessen, wenn er zu der Bedeutung der Nebenfolge in keinem vernünftigen Verhältnis steht.[10] Unter Berücksichtigung der teils horrenden Geldsummen, die bei unternehmensbezogenen Straftaten dem Verfall unterliegen, wird der Aufwand bei einer juristischen Person als Verfallsbeteiligte allerdings regelmäßig angemessen sein. Daneben ist eine Beschränkung aber auch dann zulässig, wenn ohne diese Beschränkung die Entscheidung über die übrigen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschwert werden würde. Dies bezieht sich vor allem auf einen unverhältnismäßigen Zeitverlust, der beispielsweise durch die Beteiligung des Unternehmens oder aufwändige Zeugenvernehmungen entstehen würde.[11]
Für die Beschränkung ist bis zur Einreichung der Klageschrift gem. § 430 Abs. 2 StPO die Staatsanwaltschaft und nach diesem Zeitpunkt das Gericht zuständig, welches nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gem. § 33 StPO entscheidet, gegen den die Beschwerde unzulässig ist.
b)
Wann ein Unternehmen als Einziehungs- oder Verfallsbeteiligter im Strafverfahren förmlich zu beteiligen ist, regelt § 431 StPO. Die Vorschrift stellt eine Konkretisierung des Anspruchs auf rechtliches Gehör für den Fall dar, dass glaubhaft erscheint, dass Dritten – „und nicht dem Angeklagten – die möglicherweise einzuziehenden Gegenstände gehören“[12]. In diesem Fall erfolgt die Anordnung der Beteiligung des Unternehmens von Amts wegen, ohne dass bspw. ein Antrag der Staatsanwaltschaft notwendig wäre.[13]
Voraussetzung hierfür ist gem. § 431 Abs. 1 S. 1 StPO zunächst, dass im Strafverfahren über die Einziehung eines Gegenstandes (oder einer ihr über § 442 Abs. 1 StPO gleichgestellten Nebenfolge) zu entscheiden ist und glaubhaft erscheint, dass der Gegenstand einem anderen als dem Angeschuldigten gehört oder zusteht (Nr. 1) oder ein anderer an dem Gegenstand ein sonstiges Recht hat, dessen Erlöschen im Falle der Einziehung angeordnet werden könnte (Nr. 2). Über die Anordnung einer Nebenfolge ist zu entscheiden, wenn wahrscheinlich ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen werden.[14] Im Falle einer Ermessensvorschrift ist dies nicht zwangsläufig zu bejahen.[15] Unter Berücksichtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann allerdings nur im Falle evidenten Ausschlusses der Anordnung der Nebenfolge davon ausgegangen werden, dass deren gesetzliche Voraussetzungen nicht vorliegen. Daraus wird zu Recht gefolgert, dass allein entscheidend ist, ob eine Konfrontation des Gerichts mit einer Einziehungsfrage wahrscheinlich ist[16]. Nach Gössel soll eine Verfahrensbeteiligung nur dann nicht erforderlich sein, wenn die Konfrontation des Gerichts mit einer Einziehungsfrage so unwahrscheinlich ist, „dass die Frage des rechtlichen Gehörs überhaupt nicht akut wird“[17].
Ausreichend für die Beteiligung ist, dass das Recht des betroffenen Dritten an dem der Nebenfolge unterliegenden Gegenstand wahrscheinlich besteht, weil die Tatsachen, aus denen es sich ergibt, glaubhaft erscheinen.[18] Da dem Dritten im Hinblick auf Art. 14 GG und Art. 103 Abs. 1 GG umfassend die Möglichkeit eröffnet werden muss, seine Rechte durch die Teilnahme am Strafverfahren wahren zu können, dürfen hieran allerdings keine zu strengen Anforderungen gestellt werden.[19] Auch aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben ist es nicht Aufgabe des Dritten, seine Rechte glaubhaft zu machen: die Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen erfolgt von Amts wegen (ggf. auf Anregung oder Antrag) durch das Gericht.[20]
Gegenüber der Beteiligung von natürlichen Personen ergeben sich für juristische Personen und Personenvereinigungen Besonderheiten. Grundsätzlich betrifft § 431 Abs. 1 StPO nur die Einziehung von Gegenständen und nicht die Einziehung des Wertersatzes. Die Einziehung des Wertersatzes ist gegenüber natürlichen Personen als Dritten grundsätzlich ausgeschlossen[21], so dass diese in einem solchen Fall auch nicht nach § 431 Abs. 1 S. 1 StPO beteiligt werden. § 431 Abs. 3 StPO trägt nun dem Umstand Rechnung, dass gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung gem. § 75 i.V.m. § 74c StGB die Einziehung des Wertersatzes möglich ist. Ein hiervon möglicherweise betroffenes Unternehmen ist daher gem. § 431 Abs. 3 StPO ebenfalls am Verfahren zu beteiligen. Richtet sich der Verfall des Wertersatzes nach § 73a i.V.m. § 73 Abs. 3 StGB gegen einen Dritten, so ergibt sich dessen Beteiligung hingegen bereits aus § 442 Abs. 2 S. 1 StPO unter den dort in S. 2 und 3 genannten Besonderheiten.
Die Beteiligung erfolgt gem. § 431 Abs. 1 S. 1 StPO nur „soweit es die Einziehung betrifft“. Zur Einziehung gehört allerdings „grundsätzlich auch die Vorfrage der Schuld des Angeschuldigten, da die Straftat im Allgemeinen die materielle Grundlage der Einziehung bildet“[22]. Gem. § 431 Abs. 2 Nr. 1 StPO kann das Gericht aber anordnen, dass sich die Beteiligung nicht auf die Frage der Schuld des Angeklagten erstreckt, wenn die Einziehung nur unter der Voraussetzung in Betracht kommt, dass der Gegenstand dem Angeschuldigten gehört oder zusteht. In diesem Fall steht der Einziehung schon dessen Rechtsinhaberschaft als solche entgegen.[23]
Die Anordnung der Beteiligung erfolgt gem. § 431 Abs. 5 S. 1 StPO durch Beschluss. Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden. Wird die Anordnung hingegen abgelehnt, so ist hiergegen gem. § 431 Abs. 5 S. 2 StPO die sofortige Beschwerde zulässig. Dies gilt auch für die Rücknahme der Beteiligungsanordnung und auch für die nachträgliche Beschränkung im Sinne des § 431 Abs. 2 StPO.[24]
c)
Sofern ein Unternehmen bereits im Ermittlungsverfahren als Nebenbeteiligter in Betracht kommt, ist dieses gem. § 432 Abs. 1 S. 1 StPO nach Möglichkeit anzuhören. Die Vorschrift stellt eine Ausprägung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Befugnisse eines Einziehungsbeteiligten grundsätzlich erst mit Anordnung der Nebenbeteiligung gem. § 431 StPO entstehen. Über § 432 StPO wird so dem möglichen Nebenbeteiligten frühzeitig die Möglichkeit der Einflussnahme zur Wahrung seiner Interessen eröffnet.[25]
Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt ein Dritter dann als Einziehungsbeteiligter in Betracht, „wenn sich bereits im Ermittlungsverfahren abzeichnet, dass über die Einziehung eines Gegenstandes zu befinden sein wird und dass ein anderer als der Beschuldigte daran ein Recht hat“[26].
Sofern dies der Fall ist, muss dem potentiellen Einziehungsbeteiligten eröffnet werden, dass eine der in §§ 431, 442 StPO genannten Maßnahmen möglich erscheint und der Dritte möglicherweise ein Recht an dem von der Maßnahme betroffenen Gegenstand hat, welches erlöschen könnte.[27] Der Dritte kann daraufhin Stellung nehmen. Eine Form ist hierfür nicht vorgeschrieben, so dass eine schriftliche Äußerung ausreicht.[28]
Hat der als Einziehungsbeteiligte in Betracht kommende Dritte erklärt, dass er gegen die Einziehung Einwendungen vorbringen wird, und erscheint glaubhaft, dass er ein Recht an dem Gegenstand hat, so gelten gem. § 432 Abs. 2 StPO, im Falle seiner Vernehmung, die Vorschriften über die Vernehmung des Beschuldigten entsprechend, wenn seine Verfahrensbeteiligung in Betracht kommt. In diesem Fall soll eine Belehrung entsprechend der Vorschriften zur Vernehmung des Beschuldigten nach § 163a StPO erforderlich sein.[29] Ein Anspruch auf eine solche Vernehmung besteht allerdings nicht und ist vom Gesetzgeber auch nicht gewollt[30], da diese nur notwendig sein soll, „wenn die bloße Anhörung nicht ausreicht, um seine Verteidigungsinteressen wahrzunehmen und den Verfolgungsorganen eine sachgerechte Beurteilung der Einziehungs- und Beteiligungsfrage zu gestatten“[31]. Sofern allerdings konkrete Anhaltspunkte für die Voraussetzung von Einziehung und Verfall vorliegen, soll zumindest in diesem Fall aber die Pflicht zur Vernehmung bestehen, da der Betroffene Dritte sich dann in eigener Sache äußere und daher wie ein Beschuldigter zu behandeln sei.[32] Gerade weil der Einziehungsbeteiligte seine Stellung als Prozessbeteiligter über § 431 StPO erst mit Erhebung der Anklage erlangt, soll er im Ermittlungsverfahren, soweit seine Verfahrensbeteiligung in Betracht kommt, wie ein Beschuldigter vernommen werden, da anderenfalls seine Verteidigungsposition gegen die zu befürchtende Nebenfolge unangemessen eingeschränkt wird, wenn er „zunächst in die Zeugenstellung gedrängt wird“[33]. Im Übrigen wird derjenige, der sich gegen die Anordnung einer Nebenfolge wehrt, in eigener Sache tätig und kann daher nicht als objektiver Zeuge auftreten. Seine Rolle entspreche insofern im Ermittlungsverfahren eher der des Beschuldigten, da er sich ggf. auch gegen den Vorwurf eigenen vorwerfbaren Verhaltens verteidige.[34]
Da § 163a StPO entsprechend anzuwenden ist, ist der mögliche Nebenbeteiligte darüber zu belehren, dass die Anordnung der Nebenfolge in Betracht kommt und dass ihm ein Schweigerecht zusteht.[35] Was für natürliche Personen selbstverständlich ist, hat sich für Unternehmen erst in jüngerer Zeit entwickelt: das Schweigerecht juristischer Personen im Strafverfahren[36].
Die Übertragung des Schweigerechtes auf juristische Personen erschließt sich nicht ohne Weiteres. In seinem Beschluss vom 26.02.1997[37] hatte das BVerfG noch entschieden, dass Art. 19 Abs. 3 GG es ausschließe, dass die Selbstbelastungsfreiheit auch juristischen Personen zugute komme[38]. Die Selbstbelastungsfreiheit ergebe sich vor allem aus der Menschenwürde, die aber wesensmäßig nicht auf juristische Personen übertragbar sei.[39] Begründet wurde dies unter anderem damit, dass einer juristischen Person allenfalls eine Geldbuße gem. § 30 OWiG drohe, die weder einen Schuldvorwurf, noch eine ethische Missbilligung enthalte, sondern nur einen Ausgleich für die aus der Tat gezogenen Vorteile schaffen solle.[40] Auf eine förmliche Nebenbeteiligung aufgrund einer zu erwartenden strafgleichen Einziehungsanordnung wurde hierbei aber nicht eingegangen.
Schon zu diesem Zeitpunkt hätte allerdings bereits aufgrund der Orkem-Entscheidung[41] des EuGH ein anderes Ergebnis näher gelegen. In dieser Entscheidung hatte der Gerichtshof im Hinblick auf Zuwiderhandlungen gegen Wettbewerbsregeln ausgeführt, dass die nationalen Rechtsordnungen zwar grundsätzlich nur natürlichen Personen ein Recht zur Zeugnisverweigerung gegen sich selbst einräumen, aufgrund „des Erfordernis der Wahrung der Rechte der Verteidigung, die der Gerichtshof als fundamentalen Grundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung angesehen hat“, die Verteidigungsrechte eines Unternehmens nicht dadurch beeinträchtigt werden dürfen, dass diesem die Verpflichtungen zu Antworten auferlegt werden, durch die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eingeräumt werden müsste.[42]
Auf dieser Entscheidung aufbauend befürwortet Minoggio zu Recht ein Schweigerecht juristischer Personen.[43] Seiner Ansicht nach gewähre der Wortlaut der §§ 433 Abs.1, 432 Abs. 2, 442 Abs. 1 StPO unterschiedslos allen Nebenbeteiligten die Schutzrechte des Beschuldigten. Als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips müsse jedem Betroffenen eines Verfahrens mit straf- oder strafähnlichem Charakter das Recht zur Verteidigung seiner Eigentums- und Vermögensposition eingeräumt werden, wozu auch das Recht zu Schweigen gehöre.[44]
Zur Ausübung des Schweigerechts ist die Leitungsebene der juristischen Person bzw. der in § 75 StGB genannte Personenkreis berechtigt.[45]
d)
Wesentliche Vorschrift für die Begründung der weiteren Rechte von juristischen Personen und Personenvereinigungen im Strafverfahren ist § 433 StPO. Gem. § 433 Abs. 1 S. 1 gilt: „Von der Eröffnung des Hauptverfahrens an hat der Einziehungsbeteiligte, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Befugnisse, die einem Angeklagten zustehen.“ Dem Nebenbeteiligten werden auf diese Weise, soweit das Verfahren ihn betrifft und im Gesetz keine abweichenden Regelungen getroffen wurden, diejenigen Befugnisse zugesprochen, die einem Angeklagten zustehen.[46] Eine Gleichstellung mit diesem soll allerdings nicht erfolgen, sondern dem Nebenbeteiligten soll „in technisch einfacher Weise ein größtmögliches Maß an prozessualen Rechten“ zugesichert werden.[47] Konkret heißt dies, dass Nebenbeteiligte wie ein Angeklagter Anspruch auf rechtliches Gehör haben[48] und damit verbunden an der Hauptverhandlung teilnehmen können. Den obigen Ausführungen folgend gilt für die Hauptverhandlung ebenfalls das Schweigerecht der beteiligten juristischen Person oder Personenvereinigung. Dieser steht des Weiteren das Fragerecht i.S.d. § 240 Abs. 2 StPO und das Recht zu, gem. § 220 StPO Zeugen zu laden.[49] Nebenbeteiligte können Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen[50] und ihnen steht neben den Angeklagten das letzte Wort zu[51]. Zudem sind Nebenbeteiligte zur Einlegung von Rechtsmitteln befugt.[52]
Abweichende Regelungen können sich beispielsweise aus den §§ 436 f. StPO ergeben. Grundsätzlich erfolgt aber hinsichtlich des Verfahrensteils, welches die Nebenfolge betrifft, eine zumindest punktuelle Gleichstellung der nebenbeteiligten juristischen Person oder Personenvereinigung mit den Rechten des Angeklagten.[53]
Das Gericht kann gem. § 433 Abs. 2 S. 1 StPO zur Aufklärung des Sachverhalts das persönliche Erscheinen des Nebenbeteiligten anordnen. Im Falle einer juristischen Person oder Personenvereinigung muss das Gericht dann gegebenenfalls die Anhörung des vertretungsberechtigten Organs oder seiner jeweiligen Mitglieder anordnen.
e)
Maßgebliche Vorschrift für den Vertreter des Unternehmens im Strafverfahren, den sog. „Unternehmensverteidiger“[54], ist § 434 StPO. Gem. § 434 Abs. 1 S. 1 StPO kann sich ein Nebenbeteiligter in jeder Lage des Verfahrens „auf Grund einer schriftlichen Vollmacht durch einen Rechtsanwalt oder eine andere Person, die als Verteidiger gewählt werden kann, vertreten lassen“. S. 2 erklärt für die Vertretung die §§ 137 bis 139, 145a bis 149 und 218 StPO für entsprechend anwendbar.
„In jeder Lage“ des Verfahrens meint nicht erst die Hauptverhandlung. Zwar erlangt der Nebenbeteiligte seine förmliche Verfahrensstellung erst durch eine Anordnung des Gerichts, welche erst nach Erhebung der Anklage möglich ist. Gleichwohl ist der potentiell Nebenbeteiligte im Rahmen des § 432 StPO ggf. schon im Ermittlungsverfahren zu beteiligen, so dass schon zu diesem Zeitpunkt eine Rechtstellung besteht, zu deren Wahrnehmung die Heranziehung eines rechtskundigen Vertreters geboten sein kann.[55] Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: in der Gesetzesbegründung wird dem Vertreter ausdrücklich das Recht zugesprochen, im Vorverfahren gem. § 147 StPO Akteneinsicht zu nehmen.[56]
Der Verweis auf § 146 StPO hat zur Folge, dass das Verbot der Mehrfachverteidigung umfassend zu berücksichtigen ist.[57] Weder mehrere Einziehungsbeteiligte nebeneinander, noch Beschuldigter und Einziehungsbeteiligter können gleichzeitig durch denselben Dritten vertreten werden.[58] Die Frage, ob ein Dritter gleichzeitig einen Einziehungs- neben einem Verfallsbeteiligten vertreten darf, ist strittig.[59] Zu Recht wird dies allerdings von Weßlau mit der Begründung verneint, dass „die verfahrensmäßigen Interessen mehrerer Beschuldigter bei einzelnen Prozesshandlungen durchaus unterschiedlich sein können, sodass schon die Verfahrensidentität allein als grds. gefährliche Situation einzustufen ist“[60].
Da Abs. 1 nicht auf die Vorschriften über die notwendige Verteidigung verweist, eröffnet Abs. 2 dem Gericht die Möglichkeit, dem Nebenbeteiligten einen Vertreter beizuordnen, „wenn die Sach- oder Rechtslage schwierig ist oder wenn der Einziehungsbeteiligte seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann“. Die Rechtslage ist durchsichtig, wenn im Hinblick auf die den Einziehungsbeteiligten betreffende entscheidungserhebliche Rechtsfrage in der Rechtsprechung widerstreitende Ansichten vertreten werden[61], wohingegen die Sachlage schwierig sein soll, „wenn eine Vielzahl von Zeugen und Sachverständigen zu vernehmen ist, der Sachverhalt umfangreich und undurchsichtig ist oder Angeklagter und Einziehungsbeteiligter widerstreitende Angaben machen, die in Ermangelung von Zeugen schwer überprüft werden können oder die Beweislage i.Ü. schwierig ist“[62].
Über § 434 Abs. 1 StPO erfolgt im Ergebnis eine weitestgehende Gleichstellung des „Unternehmensverteidigers“ mit dem Individualverteidiger. Der Unternehmensverteidiger übt die Rechte der nebenbeteiligten juristischen Person oder Personenvereinigung aus. Er kann Akteneinsicht verlangen, Beweisanträge stellen, Zeugen laden, das Fragerecht ausüben und Rechtsmittel einlegen. Gleichzeitig werden aber auch die Privilegien der Individualverteidigung „aktiviert“: die Korrespondenz zum vertretenen Unternehmen unterliegt dem Schutz des § 148 StPO und der Beschlagnahmefreiheit im Sinne des § 97 StPO[63]. Schließlich findet auch auf den Unternehmensverteidiger § 160a StPO Anwendung.
Durch den strafrechtlich versierten Vertreter kann das Unternehmen damit maßgeblichen Einfluss auf den Teil des Prozesses nehmen, der für die das Unternehmen treffende Nebenfolge entscheidend ist.
f)
Die §§ 435 ff. StPO regeln die weitere verfahrensrechtliche Umsetzung der Nebenbeteiligung. Erwähnenswert ist hier vor allem noch die Beschränkung des § 436 Abs. 2 StPO. Hiernach ist das Gericht an die Frage der Schuld des Angeklagten betreffende Beweisanträge des Nebenbeteiligten nicht gebunden, sondern diese stellen lediglich nach pflichtgemäßem Ermessen zu behandelnde Beweisanregungen dar.[64] Legt der Nebenbeteiligte Rechtsmittel gegen das die Nebenfolge anordnende Urteil ein, so „erstreckt sich die Prüfung, ob die Einziehung dem Einziehungsbeteiligten gegenüber gerechtfertigt ist, auf den Schuldspruch des angefochtenen Urteils nur, wenn der Einziehungsbeteiligte insoweit Einwendungen vorbringt und im vorausgegangenen Verfahren ohne sein Verschulden zum Schuldspruch nicht gehört worden ist“. Die Vorschrift stellt damit eine Ausnahme zu den §§ 327, 352 StPO dar.[65] Alleiniges Ziel des Rechtsmittels ist die Feststellung der Rechtmäßigkeit der Nebenfolge.[66]
§ 438 StPO regelt die Beteiligung des Nebeninteressenten im Strafbefehlsverfahren, während § 439 StPO das sog. Nachverfahren regelt: hätte die potentiell nebenbeteiligte juristische Person oder Personenvereinigung schon im Hauptverfahren beteiligt werden müssen, wird ihr über § 439 StPO nachträglich rechtliches Gehör gewährt[67], wenn sie ohne eigenes Verschulden im Hauptverfahren nicht gehört worden ist. Sowohl Nebenbeteiligte als auch bloß Nebeninteressenten können dann geltend machen, dass die Anordnung der Nebenfolge ihnen gegenüber nicht gerechtfertigt ist.[68] In Anlehnung an § 76a StGB ist hinsichtlich der Nebenfolge gem. § 440 StPO auch ein selbstständiges, rein objektives Verfahren möglich. In diesem Verfahren wird die Tat- und Schuldfrage nur soweit erörtert, wie dies für das Vorliegen der Voraussetzungen der Anordnung einer Nebenfolge von Bedeutung ist. Das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen bestimmt sich allein nach § 76a StGB.[69] Die Zuständigkeiten für das Nachverfahren und das selbstständiges Verfahren regelt § 441 StPO.
Wie Eingangs bereits erwähnt, stellt § 442 Abs. 1 StPO schließlich Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes der Einziehung im Sinne der §§ 430 – 441 StPO gleich. Daneben regelt Abs. 2 für den Drittverfall im Sinne der §§ 73 Abs. 3, 73a StGB, dass in diesem Fall die Beteiligung des Dritten zwingend vorgeschrieben ist und diese unabhängig von einem Antrag der Staatsanwaltschaft erfolgt.[70] Bei sämtlichen unternehmensbezogenen Taten werden die Voraussetzungen des Drittverfalls zumeist gegeben sein[71], zumal Drittempfänger i.S.d. § 73 Abs. 3 StGB „in aller Regel“ eine juristische Person ist[72], so dass neben dem Drittverfall als solchem auch der Regelung des § 442 Abs. 2 StPO immense praktische Bedeutung zukommt.
2.
Die einzige „direkte“ Sanktionsmöglichkeit gegenüber juristischen Personen und Personenvereinigungen im Strafprozess abseits von Einziehung und Verfall ergibt sich aus § 444 StPO: sofern im Strafverfahren über die Festsetzung einer Verbandsgeldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung nach § 30 OWiG zu entscheiden ist, ordnet das Gericht deren Beteiligung an dem Verfahren an, soweit es die Tat betrifft. Ist Gegenstand des Strafverfahrens eine Straftat, die eine Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG begründen mag, so erlangt die betroffene juristische Person oder Personenvereinigung über § 444 StPO die verfahrensrechtliche Stellung eines Nebenbeteiligten.[73]
Über die Festsetzung einer Verbandsgeldbuße ist zu entscheiden, wenn deren Voraussetzungen (also die des § 30 OWiG) wahrscheinlich vorliegen[74] oder deren Vorliegen – nach anderer Ansicht – zumindest nicht unwahrscheinlich ist[75]. In diesem Fall erfolgt die Beiordnung des Unternehmens von Amts wegen, allerdings nur „soweit es die Tat betrifft“, also nur im Hinblick auf diejenige angeklagte Straftat, die eine Verbandsgeldbuße zu begründen vermag.
Der Umfang der Beteiligung richtet sich vor allem nach § 444 Abs. 2 S. 2 StPO: wie die einziehungs- oder verfallsbeteiligte juristische Person oder Personenvereinigung wird das von einer Verbandsgeldbuße bedrohte Unternehmen über den Verweis auf die §§ 432 bis 434, 435 Abs. 2 und 3 Nr. 1, § 436 Abs. 2 und 4, § 437 Abs. 1 bis 3, § 438 Abs. 1 und § 441 Abs. 2 und 3 StPO der angeklagten natürlichen Person weitestgehend gleichgestellt und kann die oben bereits genannten Rechte eines Nebenbeteiligten wahrnehmen.
Vertreten wird die juristische Person oder Personenvereinigung grundsätzlich durch ihr jeweiliges Vertretungsorgan[76], welches auch gem. § 432 StPO zu hören und zu vernehmen ist[77]. Der Vertreter kann dann allerdings im Vergleich zu anderen Angehörigen der juristischen Person oder Personenvereinigung nicht als Zeuge vernommen werden[78] und ihm werden – zu Recht – Schweige- und Auskunftsrechte zugesprochen[79].
Über § 444 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 434 Abs. 1 StPO kann das Unternehmen einen Vertreter wählen. Die obigen Ausführungen zum „Unternehmensverteidiger“ finden hier vollumfängliche Geltung.
Ein Kuriosum ergibt sich aber im Hinblick auf § 444 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 434 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 146 StPO: wo die Verteidigung von mehreren nebenbeteiligten juristischen Personen oder Personenvereinigungen unzulässig ist, soll die Verteidigung einer natürlichen Person und der von ihr vertretenen juristischen Person oder Personenvereinigung nicht gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung verstoßen[80] (zur Erinnerung: wie oben bereits dargelegt, können weder mehrere Einziehungsbeteiligte nebeneinander, noch Beschuldigter und Einziehungsbeteiligter gleichzeitig durch denselben Verteidiger vertreten werden[81]).
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Zulässigkeit der gleichzeitigen Verteidigung von persönlich Betroffenem und juristischer Person oder Personenvereinigung u.a. damit begründet, dass die Verurteilung der juristischen Person oder Personenvereinigung von der Verurteilung des persönlich Betroffenen abhängig ist[82], also vor allem von dem Vorliegen einer unternehmensbezogenen Tat. Eine unternehmensbezogene Tat führt zumeist allerdings zum Vorliegen der Voraussetzungen des Drittverfalls, so dass auch eine Beteiligung des Unternehmens als Verfallsbeteiligtem in Betracht kommt. Die Anordnung der Nebenbeteiligung erfolgt gem. § 431 Abs. 1 S. 1 StPO bereits dann, wenn wahrscheinlich ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer Nebenfolge vorliegen werden. Wenn eine Verbandsgeldbuße im Raume steht, ist in der Regel aber oftmals zugleich das Vorliegen des Drittverfalls zu besorgen, so dass das Vorliegen von dessen Voraussetzungen wahrscheinlich ist und eine förmliche Beteiligungsanordnung ergehen müsste. Sofern für die Vertretung von persönlich Betroffenem und Verfallsbeteiligten allerdings dass Verbot der Mehrfachverteidigung gilt, muss dies dann erst Recht für die Vertretung von persönlich Betroffenem und der mit einer potentiellen Verbandsgeldbuße konfrontierten juristischen Person oder Personenvereinigung gelten und kann nicht allein von der Beteiligungsanordnung nach § 431 StPO abhängen.
Wird also eine verbotene Mehrfachverteidigung bei gleichzeitiger Verteidigung von Einziehungs- oder Verfallsbeteiligtem und Beschuldigtem angenommen und ist dort eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Nebenbeteiligten unzulässig, so muss das Verbot der Mehrfachverteidigung richtigerweise auch für die Vertretung von persönlich Betroffenem und der von einer Verbandsgeldbuße bedrohten juristischen Person oder Personenvereinigung gelten.[83]
Ein potentieller Interessenwiderstreit zwischen persönlich Betroffenem und der juristischen Person oder Personenvereinigung kann sich daneben aber noch aus einem anderen Grund ergeben: von einer Verbandsgeldbuße bedrohte juristische Personen oder Personenvereinigungen können ein Interesse an der Feststellung eines pflichtwidrigen Handelns ihrer Organe oder Mitarbeiter haben, um diese bzw. deren D&O-Versicherer im Rahmen der Innenhaftung in Anspruch zu nehmen, da mit dem D&O-Versicherer ein solventerer Schuldner neben den persönlich Betroffenen tritt. Im Zuge der Ausweitung von D&O-Versicherungen von Vorständen auf weitere leitende Angestellte kann dieser Umstand zunehmend eine Rolle spielen und zwar vor allem dann, wenn die Haftungssumme die Deckungssumme übersteigt und damit der Angestellte auch persönlich für den Schaden aufkommen muss.[84] Eine Ausnahme vom Verbot der Mehrfachverteidigung lässt sich in diesem Fall aber nicht mehr rechtfertigen.
Zuletzt ist noch auf Folgendes hinzuweisen: wie dargelegt schränkt der Gesetzgeber den Umfang der Beteiligung der juristischen Person oder Personenvereinigung und die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten bspw. in § 436 Abs. 2 StPO hinsichtlich der Frage der Schuld des Betroffenen selbst ein. Durch die Verteidigung von Unternehmen und natürlicher Person durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt eröffnet sich eine geradezu offensichtliche Möglichkeit, die gerade hier vom Gesetzgeber gewollte Beschränkung der Einflussnahme des Nebenbeteiligten zu umgehen. Nicht zuletzt aufgrund dieser gesetzgeberischen Konzeption erscheint das Erfordernis des Verbots der Mehrfachverteidigung zwingend erforderlich.
3.
Die förmlichen Beteiligungsmöglichkeiten von juristischen Personen und Personenvereinigungen sind wie dargelegt vielfältig. Ist ein Unternehmen potentieller Adressat der Nebenfolge einer Straftat oder droht ihm eine Verbandsgeldbuße, so ist es (förmlich) am Strafverfahren zu beteiligen. Hierbei stehen dem Unternehmen wichtige Rechte des persönlich Betroffenen ebenfalls zu. Dazu gehören wesentliche Verfahrensrechte, aber auch das sog. Schweigerecht juristischer Personen und Personenvereinigungen. Ein Unternehmen kann sich eines „Unternehmensverteidigers“ bedienen, der dem Verteidiger einer natürlichen Person weitestgehend gleichgestellt ist. Für die Vertretung des Unternehmens gilt allerdings ebenfalls das Verbot der Mehrfachverteidigung.
Einschränkungen können sich hinsichtlich des Umfangs der Beteiligung ergeben: eine Verfahrensbeteiligung wird oftmals nur in Betracht kommen, „soweit“ das Verfahren die Nebenfolge oder Verbandsgeldbuße betrifft. Gleichzeitig sind für die Umsetzung der Nebenbeteiligung verfahrensrechtliche Besonderheiten zu beachten.
III. Ausblick
Den bisherigen Ausführungen folgend und daher für die kriminalpolitische Diskussion als axiomatisch zugrundezulegen ist damit zumindest eines: ein eigenständiges, nur eine juristische Person oder Personenvereinigung betreffendes Strafverfahren, welches zum Ziel die Verhängung einer „echten“ Verbandsstrafe in Form der Kriminalstrafe hat, gibt es genau wie eine ebensolche de lege lata nicht. Gleichzeitig ist aber eine förmliche Beteiligung und Sanktionierung von Unternehmen im Strafprozess durch Einziehung, Verfall und Verbandsgeldbuße – und damit verbunden auch deren Verteidigung hiergegen – möglich. Dass gerade der Drittverfall unter Berücksichtigung des Bruttoprinzips nicht bloß einen vermögensordnenden / gewinnabschöpfenden, sondern viel mehr strafähnlichen Charakter hat, wurde vielerorts bereits ausführlich dargestellt.[85] Sofern dem Drittverfall seine poenale Wirkung abgesprochen wird, ist dies bloße Augenwischerei. Gleichwohl soll die strafrechtsdogmatische Zulässigkeit und Notwendigkeit einer selbstständigen Verbandsstrafe in Form einer Kriminalstrafe und dem damit verbundenen „autoritativen, sozialethischen Unwerturteil“[86] an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Dies wurde bereits vielfach an anderer Stelle[87] getan und ist an dieser Stelle nicht Gegenstand der Untersuchung.
Betrachten werden soll aber zumindest in der hier nur möglichen Kürze, welche strafprozessualen Veränderungen sich durch die Einführungen eines Verbandsstrafgesetzbuches ergeben können bzw. wie die strafprozessuale Umsetzung nach dem derzeitigen Stand des Gesetzesvorhabens ausgestaltet ist.
In § 13 Abs.1 des Gesetzesentwurfes werden die „allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren“ sinngemäß für anwendbar erklärt.[88] § 17 VerbStrG regelt daneben „Vertretung und Zustellung“, § 18 „Beschuldigtenrechte und Verteidigung“ und § 19 die Pflichtverteidigung.
1.
Nicht sonderlich überraschend ist der Umstand, dass über §§ 13, 15 VerbStrG nun von vornherein ein selbstständiges, vom persönlich Betroffenen losgelöstes Strafverfahren gegen den Verband möglich sein soll. Inwieweit dies sinnvoll sein kann, ist angesichts des Umstandes, dass eine Verbandsstrafe eine verbandsbezogene Zuwiderhandlung[89] durch einen persönlich Betroffenen voraussetzen soll, sicherlich fraglich.
2.
Interessanter sind die in §§ 17 ff. VerbStrG getroffenen Regelungen. § 17 VerbStrG regelt die Vertretung des Verbandes.[90] Die Regelung erfolgt in Anlehnung an § 51 ZPO. Gleichzeitig sind aber gem. § 17 Abs. 1 S. 2 VerbStrG Personen, die wegen einer verbandsbezogenen Zuwiderhandlung beschuldigt oder beschuldigt gewesen sind, nicht vertretungsberechtigt. „Im Sinne der Rechtsklarheit und einer frühzeitigen, eindeutigen Bestimmung der Vertretungslage für den Verband“ soll der umfassende Ausschluss aller an der Verbandsstraftat beteiligten Personen von der Vertretung erforderlich sein.[91]
Daran anknüpfend werden in § 18 Abs. 1 VerbStrG sowohl denjenigen, die wegen der Beteiligung an der Verbandsstraftat verdächtigt werden, als auch der juristischen Person als Verband, umfassende Beschuldigtenrechte zugesprochen. Auf diese Weise soll „die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob, in welcher Form und in welchem Umfang juristischen Personen oder Personenvereinigungen ein Aussageverweigerungsrecht zustehen kann“ geklärt werden.[92] „Die Anwendung des „nemo-tenetur“- Satzes auch auf den Verband sei „notwendige Konsequenz eines Strafverfahrens, wenn dieses sich an den mit einer Kriminalstrafe typischerweise zu verfolgenden Zwecken ausrichtet“[93]. Im Hinblick auf den persönlich Betroffenen stellt die Regelung eigentlich eine Selbstverständlichkeit dar. Hinsichtlich des Verbandes ist die Klarstellung aber begrüßenswert: diesem würde ein umfassendes Schweigerecht eingeräumt werden. Dies hat zur Folge, dass „alle Personen, die zur Vertretung der juristischen Person oder Personenvereinigung berufen sind, als Zeugen im Verfahren gegen den Verband ausscheiden“ und als Beschuldigte zu vernehmen sind und dies selbst dann, wenn sie im Strafverfahren nicht als Repräsentanten des Verbandes auftreten.[94] Was durch Literatur und Rechtsprechung de lege lata schon entwickelt worden ist, würde damit letztlich gesetzlich festgehalten werden.
3.
§ 18 Abs. 2 VerbStrG ermöglicht die gemeinsame Verteidigung von Verband und persönlich Betroffenem, „sofern dies der Aufgabe der Verteidigung nicht widerstreitet“[95]. Ein solcher Widerstreit soll laut Gesetzesbegründung beispielsweise im Falle von Regressansprüchen gegen den persönlich Betroffenen bestehen.[96] In diesem Fall soll das Gericht von Amts wegen einschreiten und den Verteidiger durch Beschluss zurückweisen.[97]
Die Regelung ist im Hinblick auf die §§ 146 f. StPO nicht konsequent. Die Möglichkeit von Regressansprüchen wird grundsätzlich und nicht ausnahmsweise im Raume stehen. Gerade im Interesse des persönlich Betroffenen ist es aber verfehlt, wenn das Gericht erst dann einschreiten soll, sobald sich ein tatsächlicher Interessenwiderstreit abzeichnet. Eine dahingehende Regelung würde das Verbot der Mehrfachverteidigung konterkarieren und ginge zu Lasten des persönlich Betroffenen. Zudem bestünde die skurrile Möglichkeit, dass im Falle mehrerer persönlich Betroffener die Vertretung von Verband und denjenigen persönlich Betroffenen möglich wäre, gegenüber denen (noch) keine Regressansprüche im Raume stehen, und andererseits die gleichzeitige Vertretung von Verband und den weiteren persönlich Betroffenen ausgeschlossen wäre. Eine derartige Konstellation ist dem Strafprozess wesensfremd und führt letztlich nur zu einer Lagerbildung, die zulasten einzelner persönlich Betroffener geht, die sich aufgrund möglicher Regressansprüche sowieso stets in einer schwierigeren Verfahrenssituation befinden. Schließlich gilt § 146 StPO auch im Falle einer Sockelverteidigung, wenn sich die Beschuldigteninteressen entsprechen und sie ihre Verteidigung daher miteinander abstimmen.[98] Das Verbot der Mehrfachverteidigung gilt unabhängig hiervon: die Zurückweisung des Mehrfachverteidigers ist zwingend in § 146a StPO vorgeschrieben.[99] Warum für die Vertretung von Verband und persönlich Betroffenen eine anderweitige Regelung gelten soll, erschließt sich daher nicht.
Das Erfordernis des Verbots der Mehrfachverteidigung folgt letztlich aus der Regelung des § 5 Abs. 2 VerbStrG: Soll dem Verband Straffreiheit eingeräumt werden können, wenn er den Nachweis der Tat des persönlich Betroffenen erleichtert und ihn damit den Strafverfolgungsbehörden letztlich auf einem Silbertablett präsentiert, so besteht für diesen ein zwingendes Schutzbedürfnis vor weiteren Einflussnahmemöglichkeiten des Verbandes, da dessen Interesse an der Schlechterstellung der Verteidigungsmöglichkeiten des persönlich Betroffenen in diesem Fall evident ist.
4.
Dass sich ein Verband durch einen Verteidiger vertreten lassen kann, ergibt sich schon aus § 13 Abs. 1 VerbStrG, welcher die allgemeinen strafprozessualen Regeln für anwendbar erklärt, aber auch aus § 18 Abs. 1 VerbStrG. Einer Konstruktion wie der oben aufgezeigten über §§ 434, 433 StPO bedürfte es für die Stellung des Unternehmensverteidigers dann nicht mehr.
Eine Neuerung ergibt sich allerdings über § 19 VerbStrG, durch den die Möglichkeit der Pflichtverteidigung geschaffen wird. Im Falle fehlender Vertretung kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder eines Mitglieds des Verbandes „ein Pflichtverteidiger als besonderer Vertreter für das Verfahren bestellt, falls mit dem vertretungslosen Zustand Gefahr verbunden ist“[100]. Die Regelung geht damit weiter als die des § 434 Abs. 1 S. 2 StPO, welcher nicht auf die Vorschriften über die Pflichtverteidigung verweist, entspricht letztlich konzeptionell aber auch nur der des § 434 Abs. 2 StPO, der vorsieht, dass das Gericht dem Nebenbeteiligten bei bestehender Notwendigkeit einen Vertreter beiordnet. Die Notwendigkeit der Pflichtverteidigung bei einer Verbandsstrafe soll sich über § 19 Abs. 3 VerbStrG in Anlehnung an § 140 Abs. 1 und. 2 StPO ergeben, wobei § 140 Abs. 2 StPO maßgebliche Bedeutung zukommen soll.[101]
IV. Zusammenfassung
Dem Umfang dieses Beitrages geschuldet beschränkt sich die Darstellung auf das bis hier her Geschriebene. Sicherlich hätte allein die Frage der Umsetzung des Schweigerechtes von juristischer Person und Personenvereinigung (vor allem) im Konzern einen eigenen Beitrag verdient. Zusammenfassend bleibt aber Folgendes festzuhalten:
Der kurze Blick auf die strafprozessuale Umsetzung einer Verbandsstrafe zeigt zwei Dinge: zum einen wird klar, dass sich gravierende Unterschiede zur bisherigen förmlichen Beteiligung von juristischen Personen und Personenvereinigungen gerade im Hinblick auf deren wesentliche Verfahrensrechte nicht ergeben werden. Zugleich wird aber auch deutlich, was ein Gesetz, welches sich der Rolle von Unternehmen im Strafprozess widmet, leisten kann: all denjenigen Fragen, die sich im Hinblick auf die förmliche Beteiligung von Unternehmen im Strafprozess in der bisherigen Praxis ergeben haben, kann durch den Gesetzgeber mit einer klarstellenden gesetzlichen Grundlage abgeholfen werden.
Ob es der Einführung einer Verbandsstrafe in Form einer Kriminalstrafe mittels eines gesonderten „Gesetzbuches“ bedarf, oder ob eine Anpassung des geltenden Rechtes für eine wirksame Sanktionierung und deren adäquater verfahrensrechtlicher Umsetzung ausreichend oder überhaupt notwendig ist, kann an dieser Stelle nicht erörtert werden. Wünschenswert wäre aber sicherlich, auch der bisherigen, zum Teil recht umständlichen förmlichen Beteiligung von juristischen Personen und Personenvereinigungen im Strafprozess gerade im Hinblick auf wesentliche Beschuldigtenrechte mit einem klarstellenden Votum durch den Gesetzgeber zu begegnen.
Nicht außer Acht gelassen werden darf allerdings, dass der (europäische) Gesetzgeber auch an anderer Stelle aktiv ist: am 25.02.2014 hat das EU-Parlament einen Richtlinienentwurf[102] angenommen, der die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union erleichtern soll[103]. Der Entwurf ist Teil einer EU-Strategie u.a. zur Bekämpfung von Korruption und soll den Mitgliedstaaten die Beschlagnahme und (Dritt-) Einziehung auch dann ermöglichen, wenn nicht feststeht, dass die betroffenen Vermögenswerte aus einer Straftat stammen. Zudem soll die Einziehung ohne vorherige Verurteilung für diejenigen Fälle erleichtert werden, in denen die Verurteilung wegen Tod, dauerhafter Erkrankung, Flucht oder Abwesenheit innerhalb einer angemessenen Frist ausscheidet.[104]
Einziehung im Sinne des Richtlinienentwurfes meint nicht nur die Einziehung von Gegenständen sondern gem. Artikel 3 des Entwurfes auch die Einziehung von Erträgen, wobei unter Ertrag gem. Artikel 2 Abs. 1 jeder wirtschaftliche Vorteil gemeint ist.[105] Eine Dritteinziehung kommt gem. Artikel 6 in Betracht, wenn Erträge oder Vermögensgegenstände dem Dritten vom Täter übertragen worden sind und der illegale Ursprung vom Dritten hätte erkannt werden können.[106]
Semantisch scheint der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht zwischen Einziehung und Verfall im Sinne des deutschen StGB zu unterscheiden. Es bleibt daher abzuwarten, inwiefern sich das Gesetzesvorhaben mit dem deutschen System in Einklang bringen lässt oder ob dieses den Anforderungen des Gesetzesvorhabens nicht bereits genügt.
Eines jedoch zeigt das Gesetzesvorhaben: auch ohne die Verhängung einer Verbandsgeldbuße – oder auch Verbandsstrafe – kann sich eine juristische Person oder Personenvereinigung in einer Situation wiederfinden, in der ihr im Falle von unternehmensbezogenen Taten der Verlust von Vermögenswerten droht. Die Notwendigkeit der verfahrensrechtlichen Absicherung und Gewährleistung der Verteidigung hiergegen ist daher – auch abseits der Einführung eines Verbandsstrafgesetzbuches – aktueller denn je
I. Einleitung
Neben der aktuellen Diskussion um den Gesetzesentwurf zur Einführung einer strafrechtlichen Sanktionierung von Unternehmen im Strafprozess (Verbandsstrafe) darf nicht vergessen werden, dass de lege lata eine förmliche Beteiligung und Sanktionierung von juristischen Personen und Personenvereinigung im Strafprozess auf verschiedene Art und Weise schon heute möglich ist. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die aktuellen förmlichen strafprozessualen Beteiligungsmöglichkeiten und die bei der Beteiligung von Unternehmen im Strafprozess auftretenden Probleme geben und im zweiten Teil einen vergleichenden Blick auf zukünftige Gesetzesvorhaben werfen.
II. Der Status Quo
Eine „echte“ Unternehmensverteidigung kommt nach geltendem Recht in Ermangelung einer Verbandsstrafbarkeit nur dort im Strafverfahren in Betracht, wo dem Unternehmen als Nebenbeteiligtem eine Vermögensabschöpfung durch Einziehung, (Dritt-)Verfall oder eine Verbandsgeldbuße droht.[1] Maßgebliche verfahrensrechtliche Grundlage hierfür – und damit für die Beteiligung von Unternehmen im Strafprozess – sind die §§ 430 – 444 StPO im 3. und 4. Abschnitt des 6. Buches der Strafprozessordnung.
Der 3. Abschnitt regelt hierbei die „Verfahren bei Einziehungen und Vermögensbeschlagnahmen“, wohingegen der 4. Abschnitt das „Verfahren bei Festsetzungen von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen regelt“. Zum Verständnis der aktuellen Beteiligungsmöglichkeiten von Unternehmen im Strafprozess ist eine detaillierte Betrachtung der in den §§ 430 ff. StPO getroffenen Regelung unabdingbar.
1.
Die §§ 430 ff. StPO regeln die Beteiligung von Dritten im Strafprozess als Nebenbeteiligte in Form von Einziehungsbeteiligten. Über § 442 Abs. 1 StPO werden der Einziehung Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes gleichgestellt und die für den Einziehungsbeteiligten geltenden Regeln der §§ 430 – 441 StPO für entsprechend anwendbar erklärt. Diese Gleichstellung ist im Folgenden zu beachten: sofern hier „nur“ vom Einziehungsbeteiligten gesprochen wird, sind die diesem über § 442 Abs. 1 StPO Gleichgestellten ebenfalls gemeint. Als Einziehungs- oder Verfallsbetroffene kommen neben natürlichen Personen juristische Personen oder Personenvereinigungen ebenfalls in Betracht. Dies gilt vor allem in den Fällen, in denen sich die strafrechtlichen Vorwürfe gegen die Führungspersonen, leitenden Angestellten oder Gesellschafter einer juristischen Person oder Personenvereinigung richten. Während die §§ 73 ff. StGB die materiellen Voraussetzungen der Nebenfolge regeln, findet sich in den §§ 430 ff. StPO die strafprozessuale Umsetzung. Im Folgenden wird nur die Nebenbeteiligung von juristischen Personen und Personenvereinigungen betrachtet. Im Einzelnen:
a)
Für das von einer Nebenfolge betroffene Unternehmen ist zunächst § 430 StPO von Bedeutung. Durch diese Vorschrift wird dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, in jeder Lage des Verfahrens einzelne Rechtsfolgen einer sonst bereits verfolgten Tat vom Gegenstand der prozessualen Untersuchung und Entscheidung auszuklammern.[2] Die Vorschrift stellt eine Erweiterung des Grundgedankens der §§ 154 f. StPO dar und dient der Verfahrensvereinfachung bzw. Verfahrensbeschleunigung.[3] Sie gilt sowohl für den Angeklagten als auch für den Nebenbeteiligten[4] und findet im Bußgeldverfahren ebenfalls sinngemäß Anwendung, sofern dort keine anderweitigen Regelungen getroffen worden sind.[5]
Voraussetzung für eine Verfahrensbeschränkung nach dieser Vorschrift ist zunächst, dass die Maßnahme einerseits nicht ins Gewicht fällt oder andererseits einen unangemessenen Aufwand erfordert oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde. Die Nebenfolge soll dann nicht ins Gewicht fallen, wenn für den Schutz der Rechtsordnung die sonstigen zu erwartenden Rechtsfolgen ausreichend sind.[6] Kriterien hierfür können die Geringfügigkeit oder Nichterforderlichkeit der Nebenfolge neben der verhängten Strafe sein, welche im Rahmen einer Abwägung zu berücksichtigen sind. Zu berücksichtigen sind ebenfalls die Beteiligten-, also Unternehmensinteressen.[7] Mit unangemessenem Aufwand ist das Maß der Mühewaltung von Gericht, Staatsanwaltschaft und Beweisperson gemeint.[8] Gemessen wird dies in Zeit und Geld und kann sich beispielsweise auf Sachverständigenkosten oder Kosten für Zeugenvernehmung und Augenscheinnahme beziehen.[9] Allgemein ist der Aufwand unangemessen, wenn er zu der Bedeutung der Nebenfolge in keinem vernünftigen Verhältnis steht.[10] Unter Berücksichtigung der teils horrenden Geldsummen, die bei unternehmensbezogenen Straftaten dem Verfall unterliegen, wird der Aufwand bei einer juristischen Person als Verfallsbeteiligte allerdings regelmäßig angemessen sein. Daneben ist eine Beschränkung aber auch dann zulässig, wenn ohne diese Beschränkung die Entscheidung über die übrigen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschwert werden würde. Dies bezieht sich vor allem auf einen unverhältnismäßigen Zeitverlust, der beispielsweise durch die Beteiligung des Unternehmens oder aufwändige Zeugenvernehmungen entstehen würde.[11]
Für die Beschränkung ist bis zur Einreichung der Klageschrift gem. § 430 Abs. 2 StPO die Staatsanwaltschaft und nach diesem Zeitpunkt das Gericht zuständig, welches nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gem. § 33 StPO entscheidet, gegen den die Beschwerde unzulässig ist.
b)
Wann ein Unternehmen als Einziehungs- oder Verfallsbeteiligter im Strafverfahren förmlich zu beteiligen ist, regelt § 431 StPO. Die Vorschrift stellt eine Konkretisierung des Anspruchs auf rechtliches Gehör für den Fall dar, dass glaubhaft erscheint, dass Dritten – „und nicht dem Angeklagten – die möglicherweise einzuziehenden Gegenstände gehören“[12]. In diesem Fall erfolgt die Anordnung der Beteiligung des Unternehmens von Amts wegen, ohne dass bspw. ein Antrag der Staatsanwaltschaft notwendig wäre.[13]
Voraussetzung hierfür ist gem. § 431 Abs. 1 S. 1 StPO zunächst, dass im Strafverfahren über die Einziehung eines Gegenstandes (oder einer ihr über § 442 Abs. 1 StPO gleichgestellten Nebenfolge) zu entscheiden ist und glaubhaft erscheint, dass der Gegenstand einem anderen als dem Angeschuldigten gehört oder zusteht (Nr. 1) oder ein anderer an dem Gegenstand ein sonstiges Recht hat, dessen Erlöschen im Falle der Einziehung angeordnet werden könnte (Nr. 2). Über die Anordnung einer Nebenfolge ist zu entscheiden, wenn wahrscheinlich ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen werden.[14] Im Falle einer Ermessensvorschrift ist dies nicht zwangsläufig zu bejahen.[15] Unter Berücksichtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann allerdings nur im Falle evidenten Ausschlusses der Anordnung der Nebenfolge davon ausgegangen werden, dass deren gesetzliche Voraussetzungen nicht vorliegen. Daraus wird zu Recht gefolgert, dass allein entscheidend ist, ob eine Konfrontation des Gerichts mit einer Einziehungsfrage wahrscheinlich ist[16]. Nach Gössel soll eine Verfahrensbeteiligung nur dann nicht erforderlich sein, wenn die Konfrontation des Gerichts mit einer Einziehungsfrage so unwahrscheinlich ist, „dass die Frage des rechtlichen Gehörs überhaupt nicht akut wird“[17].
Ausreichend für die Beteiligung ist, dass das Recht des betroffenen Dritten an dem der Nebenfolge unterliegenden Gegenstand wahrscheinlich besteht, weil die Tatsachen, aus denen es sich ergibt, glaubhaft erscheinen.[18] Da dem Dritten im Hinblick auf Art. 14 GG und Art. 103 Abs. 1 GG umfassend die Möglichkeit eröffnet werden muss, seine Rechte durch die Teilnahme am Strafverfahren wahren zu können, dürfen hieran allerdings keine zu strengen Anforderungen gestellt werden.[19] Auch aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben ist es nicht Aufgabe des Dritten, seine Rechte glaubhaft zu machen: die Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen erfolgt von Amts wegen (ggf. auf Anregung oder Antrag) durch das Gericht.[20]
Gegenüber der Beteiligung von natürlichen Personen ergeben sich für juristische Personen und Personenvereinigungen Besonderheiten. Grundsätzlich betrifft § 431 Abs. 1 StPO nur die Einziehung von Gegenständen und nicht die Einziehung des Wertersatzes. Die Einziehung des Wertersatzes ist gegenüber natürlichen Personen als Dritten grundsätzlich ausgeschlossen[21], so dass diese in einem solchen Fall auch nicht nach § 431 Abs. 1 S. 1 StPO beteiligt werden. § 431 Abs. 3 StPO trägt nun dem Umstand Rechnung, dass gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung gem. § 75 i.V.m. § 74c StGB die Einziehung des Wertersatzes möglich ist. Ein hiervon möglicherweise betroffenes Unternehmen ist daher gem. § 431 Abs. 3 StPO ebenfalls am Verfahren zu beteiligen. Richtet sich der Verfall des Wertersatzes nach § 73a i.V.m. § 73 Abs. 3 StGB gegen einen Dritten, so ergibt sich dessen Beteiligung hingegen bereits aus § 442 Abs. 2 S. 1 StPO unter den dort in S. 2 und 3 genannten Besonderheiten.
Die Beteiligung erfolgt gem. § 431 Abs. 1 S. 1 StPO nur „soweit es die Einziehung betrifft“. Zur Einziehung gehört allerdings „grundsätzlich auch die Vorfrage der Schuld des Angeschuldigten, da die Straftat im Allgemeinen die materielle Grundlage der Einziehung bildet“[22]. Gem. § 431 Abs. 2 Nr. 1 StPO kann das Gericht aber anordnen, dass sich die Beteiligung nicht auf die Frage der Schuld des Angeklagten erstreckt, wenn die Einziehung nur unter der Voraussetzung in Betracht kommt, dass der Gegenstand dem Angeschuldigten gehört oder zusteht. In diesem Fall steht der Einziehung schon dessen Rechtsinhaberschaft als solche entgegen.[23]
Die Anordnung der Beteiligung erfolgt gem. § 431 Abs. 5 S. 1 StPO durch Beschluss. Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden. Wird die Anordnung hingegen abgelehnt, so ist hiergegen gem. § 431 Abs. 5 S. 2 StPO die sofortige Beschwerde zulässig. Dies gilt auch für die Rücknahme der Beteiligungsanordnung und auch für die nachträgliche Beschränkung im Sinne des § 431 Abs. 2 StPO.[24]
c)
Sofern ein Unternehmen bereits im Ermittlungsverfahren als Nebenbeteiligter in Betracht kommt, ist dieses gem. § 432 Abs. 1 S. 1 StPO nach Möglichkeit anzuhören. Die Vorschrift stellt eine Ausprägung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Befugnisse eines Einziehungsbeteiligten grundsätzlich erst mit Anordnung der Nebenbeteiligung gem. § 431 StPO entstehen. Über § 432 StPO wird so dem möglichen Nebenbeteiligten frühzeitig die Möglichkeit der Einflussnahme zur Wahrung seiner Interessen eröffnet.[25]
Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt ein Dritter dann als Einziehungsbeteiligter in Betracht, „wenn sich bereits im Ermittlungsverfahren abzeichnet, dass über die Einziehung eines Gegenstandes zu befinden sein wird und dass ein anderer als der Beschuldigte daran ein Recht hat“[26].
Sofern dies der Fall ist, muss dem potentiellen Einziehungsbeteiligten eröffnet werden, dass eine der in §§ 431, 442 StPO genannten Maßnahmen möglich erscheint und der Dritte möglicherweise ein Recht an dem von der Maßnahme betroffenen Gegenstand hat, welches erlöschen könnte.[27] Der Dritte kann daraufhin Stellung nehmen. Eine Form ist hierfür nicht vorgeschrieben, so dass eine schriftliche Äußerung ausreicht.[28]
Hat der als Einziehungsbeteiligte in Betracht kommende Dritte erklärt, dass er gegen die Einziehung Einwendungen vorbringen wird, und erscheint glaubhaft, dass er ein Recht an dem Gegenstand hat, so gelten gem. § 432 Abs. 2 StPO, im Falle seiner Vernehmung, die Vorschriften über die Vernehmung des Beschuldigten entsprechend, wenn seine Verfahrensbeteiligung in Betracht kommt. In diesem Fall soll eine Belehrung entsprechend der Vorschriften zur Vernehmung des Beschuldigten nach § 163a StPO erforderlich sein.[29] Ein Anspruch auf eine solche Vernehmung besteht allerdings nicht und ist vom Gesetzgeber auch nicht gewollt[30], da diese nur notwendig sein soll, „wenn die bloße Anhörung nicht ausreicht, um seine Verteidigungsinteressen wahrzunehmen und den Verfolgungsorganen eine sachgerechte Beurteilung der Einziehungs- und Beteiligungsfrage zu gestatten“[31]. Sofern allerdings konkrete Anhaltspunkte für die Voraussetzung von Einziehung und Verfall vorliegen, soll zumindest in diesem Fall aber die Pflicht zur Vernehmung bestehen, da der Betroffene Dritte sich dann in eigener Sache äußere und daher wie ein Beschuldigter zu behandeln sei.[32] Gerade weil der Einziehungsbeteiligte seine Stellung als Prozessbeteiligter über § 431 StPO erst mit Erhebung der Anklage erlangt, soll er im Ermittlungsverfahren, soweit seine Verfahrensbeteiligung in Betracht kommt, wie ein Beschuldigter vernommen werden, da anderenfalls seine Verteidigungsposition gegen die zu befürchtende Nebenfolge unangemessen eingeschränkt wird, wenn er „zunächst in die Zeugenstellung gedrängt wird“[33]. Im Übrigen wird derjenige, der sich gegen die Anordnung einer Nebenfolge wehrt, in eigener Sache tätig und kann daher nicht als objektiver Zeuge auftreten. Seine Rolle entspreche insofern im Ermittlungsverfahren eher der des Beschuldigten, da er sich ggf. auch gegen den Vorwurf eigenen vorwerfbaren Verhaltens verteidige.[34]
Da § 163a StPO entsprechend anzuwenden ist, ist der mögliche Nebenbeteiligte darüber zu belehren, dass die Anordnung der Nebenfolge in Betracht kommt und dass ihm ein Schweigerecht zusteht.[35] Was für natürliche Personen selbstverständlich ist, hat sich für Unternehmen erst in jüngerer Zeit entwickelt: das Schweigerecht juristischer Personen im Strafverfahren[36].
Die Übertragung des Schweigerechtes auf juristische Personen erschließt sich nicht ohne Weiteres. In seinem Beschluss vom 26.02.1997[37] hatte das BVerfG noch entschieden, dass Art. 19 Abs. 3 GG es ausschließe, dass die Selbstbelastungsfreiheit auch juristischen Personen zugute komme[38]. Die Selbstbelastungsfreiheit ergebe sich vor allem aus der Menschenwürde, die aber wesensmäßig nicht auf juristische Personen übertragbar sei.[39] Begründet wurde dies unter anderem damit, dass einer juristischen Person allenfalls eine Geldbuße gem. § 30 OWiG drohe, die weder einen Schuldvorwurf, noch eine ethische Missbilligung enthalte, sondern nur einen Ausgleich für die aus der Tat gezogenen Vorteile schaffen solle.[40] Auf eine förmliche Nebenbeteiligung aufgrund einer zu erwartenden strafgleichen Einziehungsanordnung wurde hierbei aber nicht eingegangen.
Schon zu diesem Zeitpunkt hätte allerdings bereits aufgrund der Orkem-Entscheidung[41] des EuGH ein anderes Ergebnis näher gelegen. In dieser Entscheidung hatte der Gerichtshof im Hinblick auf Zuwiderhandlungen gegen Wettbewerbsregeln ausgeführt, dass die nationalen Rechtsordnungen zwar grundsätzlich nur natürlichen Personen ein Recht zur Zeugnisverweigerung gegen sich selbst einräumen, aufgrund „des Erfordernis der Wahrung der Rechte der Verteidigung, die der Gerichtshof als fundamentalen Grundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung angesehen hat“, die Verteidigungsrechte eines Unternehmens nicht dadurch beeinträchtigt werden dürfen, dass diesem die Verpflichtungen zu Antworten auferlegt werden, durch die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eingeräumt werden müsste.[42]
Auf dieser Entscheidung aufbauend befürwortet Minoggio zu Recht ein Schweigerecht juristischer Personen.[43] Seiner Ansicht nach gewähre der Wortlaut der §§ 433 Abs.1, 432 Abs. 2, 442 Abs. 1 StPO unterschiedslos allen Nebenbeteiligten die Schutzrechte des Beschuldigten. Als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips müsse jedem Betroffenen eines Verfahrens mit straf- oder strafähnlichem Charakter das Recht zur Verteidigung seiner Eigentums- und Vermögensposition eingeräumt werden, wozu auch das Recht zu Schweigen gehöre.[44]
Zur Ausübung des Schweigerechts ist die Leitungsebene der juristischen Person bzw. der in § 75 StGB genannte Personenkreis berechtigt.[45]
d)
Wesentliche Vorschrift für die Begründung der weiteren Rechte von juristischen Personen und Personenvereinigungen im Strafverfahren ist § 433 StPO. Gem. § 433 Abs. 1 S. 1 gilt: „Von der Eröffnung des Hauptverfahrens an hat der Einziehungsbeteiligte, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Befugnisse, die einem Angeklagten zustehen.“ Dem Nebenbeteiligten werden auf diese Weise, soweit das Verfahren ihn betrifft und im Gesetz keine abweichenden Regelungen getroffen wurden, diejenigen Befugnisse zugesprochen, die einem Angeklagten zustehen.[46] Eine Gleichstellung mit diesem soll allerdings nicht erfolgen, sondern dem Nebenbeteiligten soll „in technisch einfacher Weise ein größtmögliches Maß an prozessualen Rechten“ zugesichert werden.[47] Konkret heißt dies, dass Nebenbeteiligte wie ein Angeklagter Anspruch auf rechtliches Gehör haben[48] und damit verbunden an der Hauptverhandlung teilnehmen können. Den obigen Ausführungen folgend gilt für die Hauptverhandlung ebenfalls das Schweigerecht der beteiligten juristischen Person oder Personenvereinigung. Dieser steht des Weiteren das Fragerecht i.S.d. § 240 Abs. 2 StPO und das Recht zu, gem. § 220 StPO Zeugen zu laden.[49] Nebenbeteiligte können Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen[50] und ihnen steht neben den Angeklagten das letzte Wort zu[51]. Zudem sind Nebenbeteiligte zur Einlegung von Rechtsmitteln befugt.[52]
Abweichende Regelungen können sich beispielsweise aus den §§ 436 f. StPO ergeben. Grundsätzlich erfolgt aber hinsichtlich des Verfahrensteils, welches die Nebenfolge betrifft, eine zumindest punktuelle Gleichstellung der nebenbeteiligten juristischen Person oder Personenvereinigung mit den Rechten des Angeklagten.[53]
Das Gericht kann gem. § 433 Abs. 2 S. 1 StPO zur Aufklärung des Sachverhalts das persönliche Erscheinen des Nebenbeteiligten anordnen. Im Falle einer juristischen Person oder Personenvereinigung muss das Gericht dann gegebenenfalls die Anhörung des vertretungsberechtigten Organs oder seiner jeweiligen Mitglieder anordnen.
e)
Maßgebliche Vorschrift für den Vertreter des Unternehmens im Strafverfahren, den sog. „Unternehmensverteidiger“[54], ist § 434 StPO. Gem. § 434 Abs. 1 S. 1 StPO kann sich ein Nebenbeteiligter in jeder Lage des Verfahrens „auf Grund einer schriftlichen Vollmacht durch einen Rechtsanwalt oder eine andere Person, die als Verteidiger gewählt werden kann, vertreten lassen“. S. 2 erklärt für die Vertretung die §§ 137 bis 139, 145a bis 149 und 218 StPO für entsprechend anwendbar.
„In jeder Lage“ des Verfahrens meint nicht erst die Hauptverhandlung. Zwar erlangt der Nebenbeteiligte seine förmliche Verfahrensstellung erst durch eine Anordnung des Gerichts, welche erst nach Erhebung der Anklage möglich ist. Gleichwohl ist der potentiell Nebenbeteiligte im Rahmen des § 432 StPO ggf. schon im Ermittlungsverfahren zu beteiligen, so dass schon zu diesem Zeitpunkt eine Rechtstellung besteht, zu deren Wahrnehmung die Heranziehung eines rechtskundigen Vertreters geboten sein kann.[55] Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: in der Gesetzesbegründung wird dem Vertreter ausdrücklich das Recht zugesprochen, im Vorverfahren gem. § 147 StPO Akteneinsicht zu nehmen.[56]
Der Verweis auf § 146 StPO hat zur Folge, dass das Verbot der Mehrfachverteidigung umfassend zu berücksichtigen ist.[57] Weder mehrere Einziehungsbeteiligte nebeneinander, noch Beschuldigter und Einziehungsbeteiligter können gleichzeitig durch denselben Dritten vertreten werden.[58] Die Frage, ob ein Dritter gleichzeitig einen Einziehungs- neben einem Verfallsbeteiligten vertreten darf, ist strittig.[59] Zu Recht wird dies allerdings von Weßlau mit der Begründung verneint, dass „die verfahrensmäßigen Interessen mehrerer Beschuldigter bei einzelnen Prozesshandlungen durchaus unterschiedlich sein können, sodass schon die Verfahrensidentität allein als grds. gefährliche Situation einzustufen ist“[60].
Da Abs. 1 nicht auf die Vorschriften über die notwendige Verteidigung verweist, eröffnet Abs. 2 dem Gericht die Möglichkeit, dem Nebenbeteiligten einen Vertreter beizuordnen, „wenn die Sach- oder Rechtslage schwierig ist oder wenn der Einziehungsbeteiligte seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann“. Die Rechtslage ist durchsichtig, wenn im Hinblick auf die den Einziehungsbeteiligten betreffende entscheidungserhebliche Rechtsfrage in der Rechtsprechung widerstreitende Ansichten vertreten werden[61], wohingegen die Sachlage schwierig sein soll, „wenn eine Vielzahl von Zeugen und Sachverständigen zu vernehmen ist, der Sachverhalt umfangreich und undurchsichtig ist oder Angeklagter und Einziehungsbeteiligter widerstreitende Angaben machen, die in Ermangelung von Zeugen schwer überprüft werden können oder die Beweislage i.Ü. schwierig ist“[62].
Über § 434 Abs. 1 StPO erfolgt im Ergebnis eine weitestgehende Gleichstellung des „Unternehmensverteidigers“ mit dem Individualverteidiger. Der Unternehmensverteidiger übt die Rechte der nebenbeteiligten juristischen Person oder Personenvereinigung aus. Er kann Akteneinsicht verlangen, Beweisanträge stellen, Zeugen laden, das Fragerecht ausüben und Rechtsmittel einlegen. Gleichzeitig werden aber auch die Privilegien der Individualverteidigung „aktiviert“: die Korrespondenz zum vertretenen Unternehmen unterliegt dem Schutz des § 148 StPO und der Beschlagnahmefreiheit im Sinne des § 97 StPO[63]. Schließlich findet auch auf den Unternehmensverteidiger § 160a StPO Anwendung.
Durch den strafrechtlich versierten Vertreter kann das Unternehmen damit maßgeblichen Einfluss auf den Teil des Prozesses nehmen, der für die das Unternehmen treffende Nebenfolge entscheidend ist.
f)
Die §§ 435 ff. StPO regeln die weitere verfahrensrechtliche Umsetzung der Nebenbeteiligung. Erwähnenswert ist hier vor allem noch die Beschränkung des § 436 Abs. 2 StPO. Hiernach ist das Gericht an die Frage der Schuld des Angeklagten betreffende Beweisanträge des Nebenbeteiligten nicht gebunden, sondern diese stellen lediglich nach pflichtgemäßem Ermessen zu behandelnde Beweisanregungen dar.[64] Legt der Nebenbeteiligte Rechtsmittel gegen das die Nebenfolge anordnende Urteil ein, so „erstreckt sich die Prüfung, ob die Einziehung dem Einziehungsbeteiligten gegenüber gerechtfertigt ist, auf den Schuldspruch des angefochtenen Urteils nur, wenn der Einziehungsbeteiligte insoweit Einwendungen vorbringt und im vorausgegangenen Verfahren ohne sein Verschulden zum Schuldspruch nicht gehört worden ist“. Die Vorschrift stellt damit eine Ausnahme zu den §§ 327, 352 StPO dar.[65] Alleiniges Ziel des Rechtsmittels ist die Feststellung der Rechtmäßigkeit der Nebenfolge.[66]
§ 438 StPO regelt die Beteiligung des Nebeninteressenten im Strafbefehlsverfahren, während § 439 StPO das sog. Nachverfahren regelt: hätte die potentiell nebenbeteiligte juristische Person oder Personenvereinigung schon im Hauptverfahren beteiligt werden müssen, wird ihr über § 439 StPO nachträglich rechtliches Gehör gewährt[67], wenn sie ohne eigenes Verschulden im Hauptverfahren nicht gehört worden ist. Sowohl Nebenbeteiligte als auch bloß Nebeninteressenten können dann geltend machen, dass die Anordnung der Nebenfolge ihnen gegenüber nicht gerechtfertigt ist.[68] In Anlehnung an § 76a StGB ist hinsichtlich der Nebenfolge gem. § 440 StPO auch ein selbstständiges, rein objektives Verfahren möglich. In diesem Verfahren wird die Tat- und Schuldfrage nur soweit erörtert, wie dies für das Vorliegen der Voraussetzungen der Anordnung einer Nebenfolge von Bedeutung ist. Das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen bestimmt sich allein nach § 76a StGB.[69] Die Zuständigkeiten für das Nachverfahren und das selbstständiges Verfahren regelt § 441 StPO.
Wie Eingangs bereits erwähnt, stellt § 442 Abs. 1 StPO schließlich Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes der Einziehung im Sinne der §§ 430 – 441 StPO gleich. Daneben regelt Abs. 2 für den Drittverfall im Sinne der §§ 73 Abs. 3, 73a StGB, dass in diesem Fall die Beteiligung des Dritten zwingend vorgeschrieben ist und diese unabhängig von einem Antrag der Staatsanwaltschaft erfolgt.[70] Bei sämtlichen unternehmensbezogenen Taten werden die Voraussetzungen des Drittverfalls zumeist gegeben sein[71], zumal Drittempfänger i.S.d. § 73 Abs. 3 StGB „in aller Regel“ eine juristische Person ist[72], so dass neben dem Drittverfall als solchem auch der Regelung des § 442 Abs. 2 StPO immense praktische Bedeutung zukommt.
2.
Die einzige „direkte“ Sanktionsmöglichkeit gegenüber juristischen Personen und Personenvereinigungen im Strafprozess abseits von Einziehung und Verfall ergibt sich aus § 444 StPO: sofern im Strafverfahren über die Festsetzung einer Verbandsgeldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung nach § 30 OWiG zu entscheiden ist, ordnet das Gericht deren Beteiligung an dem Verfahren an, soweit es die Tat betrifft. Ist Gegenstand des Strafverfahrens eine Straftat, die eine Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG begründen mag, so erlangt die betroffene juristische Person oder Personenvereinigung über § 444 StPO die verfahrensrechtliche Stellung eines Nebenbeteiligten.[73]
Über die Festsetzung einer Verbandsgeldbuße ist zu entscheiden, wenn deren Voraussetzungen (also die des § 30 OWiG) wahrscheinlich vorliegen[74] oder deren Vorliegen – nach anderer Ansicht – zumindest nicht unwahrscheinlich ist[75]. In diesem Fall erfolgt die Beiordnung des Unternehmens von Amts wegen, allerdings nur „soweit es die Tat betrifft“, also nur im Hinblick auf diejenige angeklagte Straftat, die eine Verbandsgeldbuße zu begründen vermag.
Der Umfang der Beteiligung richtet sich vor allem nach § 444 Abs. 2 S. 2 StPO: wie die einziehungs- oder verfallsbeteiligte juristische Person oder Personenvereinigung wird das von einer Verbandsgeldbuße bedrohte Unternehmen über den Verweis auf die §§ 432 bis 434, 435 Abs. 2 und 3 Nr. 1, § 436 Abs. 2 und 4, § 437 Abs. 1 bis 3, § 438 Abs. 1 und § 441 Abs. 2 und 3 StPO der angeklagten natürlichen Person weitestgehend gleichgestellt und kann die oben bereits genannten Rechte eines Nebenbeteiligten wahrnehmen.
Vertreten wird die juristische Person oder Personenvereinigung grundsätzlich durch ihr jeweiliges Vertretungsorgan[76], welches auch gem. § 432 StPO zu hören und zu vernehmen ist[77]. Der Vertreter kann dann allerdings im Vergleich zu anderen Angehörigen der juristischen Person oder Personenvereinigung nicht als Zeuge vernommen werden[78] und ihm werden – zu Recht – Schweige- und Auskunftsrechte zugesprochen[79].
Über § 444 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 434 Abs. 1 StPO kann das Unternehmen einen Vertreter wählen. Die obigen Ausführungen zum „Unternehmensverteidiger“ finden hier vollumfängliche Geltung.
Ein Kuriosum ergibt sich aber im Hinblick auf § 444 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 434 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 146 StPO: wo die Verteidigung von mehreren nebenbeteiligten juristischen Personen oder Personenvereinigungen unzulässig ist, soll die Verteidigung einer natürlichen Person und der von ihr vertretenen juristischen Person oder Personenvereinigung nicht gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung verstoßen[80] (zur Erinnerung: wie oben bereits dargelegt, können weder mehrere Einziehungsbeteiligte nebeneinander, noch Beschuldigter und Einziehungsbeteiligter gleichzeitig durch denselben Verteidiger vertreten werden[81]).
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Zulässigkeit der gleichzeitigen Verteidigung von persönlich Betroffenem und juristischer Person oder Personenvereinigung u.a. damit begründet, dass die Verurteilung der juristischen Person oder Personenvereinigung von der Verurteilung des persönlich Betroffenen abhängig ist[82], also vor allem von dem Vorliegen einer unternehmensbezogenen Tat. Eine unternehmensbezogene Tat führt zumeist allerdings zum Vorliegen der Voraussetzungen des Drittverfalls, so dass auch eine Beteiligung des Unternehmens als Verfallsbeteiligtem in Betracht kommt. Die Anordnung der Nebenbeteiligung erfolgt gem. § 431 Abs. 1 S. 1 StPO bereits dann, wenn wahrscheinlich ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer Nebenfolge vorliegen werden. Wenn eine Verbandsgeldbuße im Raume steht, ist in der Regel aber oftmals zugleich das Vorliegen des Drittverfalls zu besorgen, so dass das Vorliegen von dessen Voraussetzungen wahrscheinlich ist und eine förmliche Beteiligungsanordnung ergehen müsste. Sofern für die Vertretung von persönlich Betroffenem und Verfallsbeteiligten allerdings dass Verbot der Mehrfachverteidigung gilt, muss dies dann erst Recht für die Vertretung von persönlich Betroffenem und der mit einer potentiellen Verbandsgeldbuße konfrontierten juristischen Person oder Personenvereinigung gelten und kann nicht allein von der Beteiligungsanordnung nach § 431 StPO abhängen.
Wird also eine verbotene Mehrfachverteidigung bei gleichzeitiger Verteidigung von Einziehungs- oder Verfallsbeteiligtem und Beschuldigtem angenommen und ist dort eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Nebenbeteiligten unzulässig, so muss das Verbot der Mehrfachverteidigung richtigerweise auch für die Vertretung von persönlich Betroffenem und der von einer Verbandsgeldbuße bedrohten juristischen Person oder Personenvereinigung gelten.[83]
Ein potentieller Interessenwiderstreit zwischen persönlich Betroffenem und der juristischen Person oder Personenvereinigung kann sich daneben aber noch aus einem anderen Grund ergeben: von einer Verbandsgeldbuße bedrohte juristische Personen oder Personenvereinigungen können ein Interesse an der Feststellung eines pflichtwidrigen Handelns ihrer Organe oder Mitarbeiter haben, um diese bzw. deren D&O-Versicherer im Rahmen der Innenhaftung in Anspruch zu nehmen, da mit dem D&O-Versicherer ein solventerer Schuldner neben den persönlich Betroffenen tritt. Im Zuge der Ausweitung von D&O-Versicherungen von Vorständen auf weitere leitende Angestellte kann dieser Umstand zunehmend eine Rolle spielen und zwar vor allem dann, wenn die Haftungssumme die Deckungssumme übersteigt und damit der Angestellte auch persönlich für den Schaden aufkommen muss.[84] Eine Ausnahme vom Verbot der Mehrfachverteidigung lässt sich in diesem Fall aber nicht mehr rechtfertigen.
Zuletzt ist noch auf Folgendes hinzuweisen: wie dargelegt schränkt der Gesetzgeber den Umfang der Beteiligung der juristischen Person oder Personenvereinigung und die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten bspw. in § 436 Abs. 2 StPO hinsichtlich der Frage der Schuld des Betroffenen selbst ein. Durch die Verteidigung von Unternehmen und natürlicher Person durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt eröffnet sich eine geradezu offensichtliche Möglichkeit, die gerade hier vom Gesetzgeber gewollte Beschränkung der Einflussnahme des Nebenbeteiligten zu umgehen. Nicht zuletzt aufgrund dieser gesetzgeberischen Konzeption erscheint das Erfordernis des Verbots der Mehrfachverteidigung zwingend erforderlich.
3.
Die förmlichen Beteiligungsmöglichkeiten von juristischen Personen und Personenvereinigungen sind wie dargelegt vielfältig. Ist ein Unternehmen potentieller Adressat der Nebenfolge einer Straftat oder droht ihm eine Verbandsgeldbuße, so ist es (förmlich) am Strafverfahren zu beteiligen. Hierbei stehen dem Unternehmen wichtige Rechte des persönlich Betroffenen ebenfalls zu. Dazu gehören wesentliche Verfahrensrechte, aber auch das sog. Schweigerecht juristischer Personen und Personenvereinigungen. Ein Unternehmen kann sich eines „Unternehmensverteidigers“ bedienen, der dem Verteidiger einer natürlichen Person weitestgehend gleichgestellt ist. Für die Vertretung des Unternehmens gilt allerdings ebenfalls das Verbot der Mehrfachverteidigung.
Einschränkungen können sich hinsichtlich des Umfangs der Beteiligung ergeben: eine Verfahrensbeteiligung wird oftmals nur in Betracht kommen, „soweit“ das Verfahren die Nebenfolge oder Verbandsgeldbuße betrifft. Gleichzeitig sind für die Umsetzung der Nebenbeteiligung verfahrensrechtliche Besonderheiten zu beachten.
III. Ausblick
Den bisherigen Ausführungen folgend und daher für die kriminalpolitische Diskussion als axiomatisch zugrundezulegen ist damit zumindest eines: ein eigenständiges, nur eine juristische Person oder Personenvereinigung betreffendes Strafverfahren, welches zum Ziel die Verhängung einer „echten“ Verbandsstrafe in Form der Kriminalstrafe hat, gibt es genau wie eine ebensolche de lege lata nicht. Gleichzeitig ist aber eine förmliche Beteiligung und Sanktionierung von Unternehmen im Strafprozess durch Einziehung, Verfall und Verbandsgeldbuße – und damit verbunden auch deren Verteidigung hiergegen – möglich. Dass gerade der Drittverfall unter Berücksichtigung des Bruttoprinzips nicht bloß einen vermögensordnenden / gewinnabschöpfenden, sondern viel mehr strafähnlichen Charakter hat, wurde vielerorts bereits ausführlich dargestellt.[85] Sofern dem Drittverfall seine poenale Wirkung abgesprochen wird, ist dies bloße Augenwischerei. Gleichwohl soll die strafrechtsdogmatische Zulässigkeit und Notwendigkeit einer selbstständigen Verbandsstrafe in Form einer Kriminalstrafe und dem damit verbundenen „autoritativen, sozialethischen Unwerturteil“[86] an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Dies wurde bereits vielfach an anderer Stelle[87] getan und ist an dieser Stelle nicht Gegenstand der Untersuchung.
Betrachten werden soll aber zumindest in der hier nur möglichen Kürze, welche strafprozessualen Veränderungen sich durch die Einführungen eines Verbandsstrafgesetzbuches ergeben können bzw. wie die strafprozessuale Umsetzung nach dem derzeitigen Stand des Gesetzesvorhabens ausgestaltet ist.
In § 13 Abs.1 des Gesetzesentwurfes werden die „allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren“ sinngemäß für anwendbar erklärt.[88] § 17 VerbStrG regelt daneben „Vertretung und Zustellung“, § 18 „Beschuldigtenrechte und Verteidigung“ und § 19 die Pflichtverteidigung.
1.
Nicht sonderlich überraschend ist der Umstand, dass über §§ 13, 15 VerbStrG nun von vornherein ein selbstständiges, vom persönlich Betroffenen losgelöstes Strafverfahren gegen den Verband möglich sein soll. Inwieweit dies sinnvoll sein kann, ist angesichts des Umstandes, dass eine Verbandsstrafe eine verbandsbezogene Zuwiderhandlung[89] durch einen persönlich Betroffenen voraussetzen soll, sicherlich fraglich.
2.
Interessanter sind die in §§ 17 ff. VerbStrG getroffenen Regelungen. § 17 VerbStrG regelt die Vertretung des Verbandes.[90] Die Regelung erfolgt in Anlehnung an § 51 ZPO. Gleichzeitig sind aber gem. § 17 Abs. 1 S. 2 VerbStrG Personen, die wegen einer verbandsbezogenen Zuwiderhandlung beschuldigt oder beschuldigt gewesen sind, nicht vertretungsberechtigt. „Im Sinne der Rechtsklarheit und einer frühzeitigen, eindeutigen Bestimmung der Vertretungslage für den Verband“ soll der umfassende Ausschluss aller an der Verbandsstraftat beteiligten Personen von der Vertretung erforderlich sein.[91]
Daran anknüpfend werden in § 18 Abs. 1 VerbStrG sowohl denjenigen, die wegen der Beteiligung an der Verbandsstraftat verdächtigt werden, als auch der juristischen Person als Verband, umfassende Beschuldigtenrechte zugesprochen. Auf diese Weise soll „die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob, in welcher Form und in welchem Umfang juristischen Personen oder Personenvereinigungen ein Aussageverweigerungsrecht zustehen kann“ geklärt werden.[92] „Die Anwendung des „nemo-tenetur“- Satzes auch auf den Verband sei „notwendige Konsequenz eines Strafverfahrens, wenn dieses sich an den mit einer Kriminalstrafe typischerweise zu verfolgenden Zwecken ausrichtet“[93]. Im Hinblick auf den persönlich Betroffenen stellt die Regelung eigentlich eine Selbstverständlichkeit dar. Hinsichtlich des Verbandes ist die Klarstellung aber begrüßenswert: diesem würde ein umfassendes Schweigerecht eingeräumt werden. Dies hat zur Folge, dass „alle Personen, die zur Vertretung der juristischen Person oder Personenvereinigung berufen sind, als Zeugen im Verfahren gegen den Verband ausscheiden“ und als Beschuldigte zu vernehmen sind und dies selbst dann, wenn sie im Strafverfahren nicht als Repräsentanten des Verbandes auftreten.[94] Was durch Literatur und Rechtsprechung de lege lata schon entwickelt worden ist, würde damit letztlich gesetzlich festgehalten werden.
3.
§ 18 Abs. 2 VerbStrG ermöglicht die gemeinsame Verteidigung von Verband und persönlich Betroffenem, „sofern dies der Aufgabe der Verteidigung nicht widerstreitet“[95]. Ein solcher Widerstreit soll laut Gesetzesbegründung beispielsweise im Falle von Regressansprüchen gegen den persönlich Betroffenen bestehen.[96] In diesem Fall soll das Gericht von Amts wegen einschreiten und den Verteidiger durch Beschluss zurückweisen.[97]
Die Regelung ist im Hinblick auf die §§ 146 f. StPO nicht konsequent. Die Möglichkeit von Regressansprüchen wird grundsätzlich und nicht ausnahmsweise im Raume stehen. Gerade im Interesse des persönlich Betroffenen ist es aber verfehlt, wenn das Gericht erst dann einschreiten soll, sobald sich ein tatsächlicher Interessenwiderstreit abzeichnet. Eine dahingehende Regelung würde das Verbot der Mehrfachverteidigung konterkarieren und ginge zu Lasten des persönlich Betroffenen. Zudem bestünde die skurrile Möglichkeit, dass im Falle mehrerer persönlich Betroffener die Vertretung von Verband und denjenigen persönlich Betroffenen möglich wäre, gegenüber denen (noch) keine Regressansprüche im Raume stehen, und andererseits die gleichzeitige Vertretung von Verband und den weiteren persönlich Betroffenen ausgeschlossen wäre. Eine derartige Konstellation ist dem Strafprozess wesensfremd und führt letztlich nur zu einer Lagerbildung, die zulasten einzelner persönlich Betroffener geht, die sich aufgrund möglicher Regressansprüche sowieso stets in einer schwierigeren Verfahrenssituation befinden. Schließlich gilt § 146 StPO auch im Falle einer Sockelverteidigung, wenn sich die Beschuldigteninteressen entsprechen und sie ihre Verteidigung daher miteinander abstimmen.[98] Das Verbot der Mehrfachverteidigung gilt unabhängig hiervon: die Zurückweisung des Mehrfachverteidigers ist zwingend in § 146a StPO vorgeschrieben.[99] Warum für die Vertretung von Verband und persönlich Betroffenen eine anderweitige Regelung gelten soll, erschließt sich daher nicht.
Das Erfordernis des Verbots der Mehrfachverteidigung folgt letztlich aus der Regelung des § 5 Abs. 2 VerbStrG: Soll dem Verband Straffreiheit eingeräumt werden können, wenn er den Nachweis der Tat des persönlich Betroffenen erleichtert und ihn damit den Strafverfolgungsbehörden letztlich auf einem Silbertablett präsentiert, so besteht für diesen ein zwingendes Schutzbedürfnis vor weiteren Einflussnahmemöglichkeiten des Verbandes, da dessen Interesse an der Schlechterstellung der Verteidigungsmöglichkeiten des persönlich Betroffenen in diesem Fall evident ist.
4.
Dass sich ein Verband durch einen Verteidiger vertreten lassen kann, ergibt sich schon aus § 13 Abs. 1 VerbStrG, welcher die allgemeinen strafprozessualen Regeln für anwendbar erklärt, aber auch aus § 18 Abs. 1 VerbStrG. Einer Konstruktion wie der oben aufgezeigten über §§ 434, 433 StPO bedürfte es für die Stellung des Unternehmensverteidigers dann nicht mehr.
Eine Neuerung ergibt sich allerdings über § 19 VerbStrG, durch den die Möglichkeit der Pflichtverteidigung geschaffen wird. Im Falle fehlender Vertretung kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder eines Mitglieds des Verbandes „ein Pflichtverteidiger als besonderer Vertreter für das Verfahren bestellt, falls mit dem vertretungslosen Zustand Gefahr verbunden ist“[100]. Die Regelung geht damit weiter als die des § 434 Abs. 1 S. 2 StPO, welcher nicht auf die Vorschriften über die Pflichtverteidigung verweist, entspricht letztlich konzeptionell aber auch nur der des § 434 Abs. 2 StPO, der vorsieht, dass das Gericht dem Nebenbeteiligten bei bestehender Notwendigkeit einen Vertreter beiordnet. Die Notwendigkeit der Pflichtverteidigung bei einer Verbandsstrafe soll sich über § 19 Abs. 3 VerbStrG in Anlehnung an § 140 Abs. 1 und. 2 StPO ergeben, wobei § 140 Abs. 2 StPO maßgebliche Bedeutung zukommen soll.[101]
IV. Zusammenfassung
Dem Umfang dieses Beitrages geschuldet beschränkt sich die Darstellung auf das bis hier her Geschriebene. Sicherlich hätte allein die Frage der Umsetzung des Schweigerechtes von juristischer Person und Personenvereinigung (vor allem) im Konzern einen eigenen Beitrag verdient. Zusammenfassend bleibt aber Folgendes festzuhalten:
Der kurze Blick auf die strafprozessuale Umsetzung einer Verbandsstrafe zeigt zwei Dinge: zum einen wird klar, dass sich gravierende Unterschiede zur bisherigen förmlichen Beteiligung von juristischen Personen und Personenvereinigungen gerade im Hinblick auf deren wesentliche Verfahrensrechte nicht ergeben werden. Zugleich wird aber auch deutlich, was ein Gesetz, welches sich der Rolle von Unternehmen im Strafprozess widmet, leisten kann: all denjenigen Fragen, die sich im Hinblick auf die förmliche Beteiligung von Unternehmen im Strafprozess in der bisherigen Praxis ergeben haben, kann durch den Gesetzgeber mit einer klarstellenden gesetzlichen Grundlage abgeholfen werden.
Ob es der Einführung einer Verbandsstrafe in Form einer Kriminalstrafe mittels eines gesonderten „Gesetzbuches“ bedarf, oder ob eine Anpassung des geltenden Rechtes für eine wirksame Sanktionierung und deren adäquater verfahrensrechtlicher Umsetzung ausreichend oder überhaupt notwendig ist, kann an dieser Stelle nicht erörtert werden. Wünschenswert wäre aber sicherlich, auch der bisherigen, zum Teil recht umständlichen förmlichen Beteiligung von juristischen Personen und Personenvereinigungen im Strafprozess gerade im Hinblick auf wesentliche Beschuldigtenrechte mit einem klarstellenden Votum durch den Gesetzgeber zu begegnen.
Nicht außer Acht gelassen werden darf allerdings, dass der (europäische) Gesetzgeber auch an anderer Stelle aktiv ist: am 25.02.2014 hat das EU-Parlament einen Richtlinienentwurf[102] angenommen, der die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union erleichtern soll[103]. Der Entwurf ist Teil einer EU-Strategie u.a. zur Bekämpfung von Korruption und soll den Mitgliedstaaten die Beschlagnahme und (Dritt-) Einziehung auch dann ermöglichen, wenn nicht feststeht, dass die betroffenen Vermögenswerte aus einer Straftat stammen. Zudem soll die Einziehung ohne vorherige Verurteilung für diejenigen Fälle erleichtert werden, in denen die Verurteilung wegen Tod, dauerhafter Erkrankung, Flucht oder Abwesenheit innerhalb einer angemessenen Frist ausscheidet.[104]
Einziehung im Sinne des Richtlinienentwurfes meint nicht nur die Einziehung von Gegenständen sondern gem. Artikel 3 des Entwurfes auch die Einziehung von Erträgen, wobei unter Ertrag gem. Artikel 2 Abs. 1 jeder wirtschaftliche Vorteil gemeint ist.[105] Eine Dritteinziehung kommt gem. Artikel 6 in Betracht, wenn Erträge oder Vermögensgegenstände dem Dritten vom Täter übertragen worden sind und der illegale Ursprung vom Dritten hätte erkannt werden können.[106]
Semantisch scheint der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht zwischen Einziehung und Verfall im Sinne des deutschen StGB zu unterscheiden. Es bleibt daher abzuwarten, inwiefern sich das Gesetzesvorhaben mit dem deutschen System in Einklang bringen lässt oder ob dieses den Anforderungen des Gesetzesvorhabens nicht bereits genügt.
Eines jedoch zeigt das Gesetzesvorhaben: auch ohne die Verhängung einer Verbandsgeldbuße – oder auch Verbandsstrafe – kann sich eine juristische Person oder Personenvereinigung in einer Situation wiederfinden, in der ihr im Falle von unternehmensbezogenen Taten der Verlust von Vermögenswerten droht. Die Notwendigkeit der verfahrensrechtlichen Absicherung und Gewährleistung der Verteidigung hiergegen ist daher – auch abseits der Einführung eines Verbandsstrafgesetzbuches – aktueller denn je.
* Preisträger des WiJ-Aufsatzwettbewerbs 2014.
[44] Minoggio, wistra 2003, S. 121, 128; zustimmend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EMRK SK-StPO/Weßlau, § 444 Rn 11.
[52] KMR/Metzger, § 433 Rn 3; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.1988 – 2 Ws 128/87 = NStZ 1988, 289, 290.
[54] Der Gesetzgeber wollte bewusst auf den Begriff des „Verteidigers“ verzichten, vgl. BT-Drucks. V/1319, S. 77. Zum Begriff des Unternehmensverteidigers vgl. aber Wessing, WiJ 2012, S. 1, 6. Zur Klarstellung: nicht gemeint ist hierbei ein Verteidigertypus, wie bspw. Jahn ihn – freilich überspitzt und humoristisch – in StV 2014, 40, 42 beschreibt („Hier begegnen uns (…) Unternehmensverteidiger, die als Boutiquenanbieter in vieltausendköpfige globalisierte law firms integriert sind und die einen Gerichtssaal kaum noch vom Hörensagen kennen, dafür aber Internal Investigations nach Art eines privaten Ermittlungsverfahrens zu führen wissen, teilweise mit Budgets, die sich in Bruchteilen des Umfangs eines Landesjustizhaushalts sinnvoll darstellen lassen.“), sondern der Vertreter einer förmlich am Strafverfahren beteiligten juristischen Person oder Personenvereinigung.
[58] Vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 08.01.2013 – 3 – 48/12 (Rev) = NJW 2013, 626 ff. mit zust. Anm. Meyer-Mews; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.1988 – 2 Ws 128/87 = NStZ 1988, 289.
[61] Meyer-Goßner, § 434 Rn 4; OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.12.1982 – 1 Ss 501/82 = NJW 1983, 1208.
[70] OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.06.1999 – 5 Ss 52/99 – 36/99; was allerdings noch nicht jedem Gericht bekannt zu sein scheint, vgl. MAH/WirtschaftsstrafR/Rönnau § 13 Rn 363.
[84] Hierzu insgesamt Melot de Beauregard/Gleich, NJW 2013, 824 ff.; sofern hiergegen eingewendet wird, dass D&O-Versicherungen i.d.R. nicht bei Vorsatz eingreifen, besteht ein Interessengegensatz erst recht, da dann mangels Versicherungsschutzes eine deutlich schärfere Innenhaftung für den persönlich Betroffenen gilt.
[85] Vgl. etwa Schönke/Schröder/Eser, StGB, 28. Auflage 2010, Vor §§ 73 ff. StGB Rn 18 ff.; Minoggio, Firmenverteidigung, Rn 189.
[87] Vgl. etwa jüngst Schünemann, Die aktuelle Forderung eines Verbandsstrafrechts – Ein kriminalpolitischer Zombie, ZIS 2014 S. 1.
[89] Vgl. §§ 1, 2 VerbStrG, Gesetzesentwurf VerbStrG, Landtag Nordrhein-Westfalen, Information 16/127, S. 7 f.
[102] Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union, COM(2012) 85 final.
[103]http://www.europarl.europa.eu/news/de/newsroom/content/20140221IPR36627/html/Verm%C3%B6genswerte-von- Kriminellen-einfacher-beschlagnahmen.