Raimund Weyand

Entscheidungen zum Insolvenzstrafrecht

I. Strafgesetzbuch

1. § 266 StGB – Untreue

a) Untreue eines Insolvenzverwalters

Den Insolvenzverwalter trifft bei der Ausübung seines Amts gegenüber allen Beteiligten die Hauptpflicht, die Sorgfalt eines gewissenhaften und ordentlichen Insolvenzverwalters anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Verwertung der Insolvenzmasse muss er mit dem Ziel einer effizienten Massemehrung durchführen und sich hierbei an kaufmännischen Maßstäben orientieren.

Ein Missbrauch der Verfügungsbefugnis iSd § 266 StGB liegt vor, wenn der Verwalter im Außenverhältnis rechtlich wirksam über das ihm anvertraute Vermögen des Schuldners verfügt, hierdurch aber im Innenverhältnis gegen ihn treffende besondere Pflichten verstößt.

Macht der Verwalter gegenüber dem Gericht vorsätzlich unrichtige Angaben, um über eine Scheinsitzverlegung zu täuschen und die Zuständigkeit des von ihm gewünschten Gerichts zu erreichen, verstößt dieses Verhalten in besonders gravierender Weise gegen die Pflichten eines ordentlichen Insolvenzverwalters.

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 15.11.2012 – 5/26 KLs 7640 Js 208746/10, ZInsO 2014, 1668.

b) „Schwarze Kasse“

Bereits das Einrichten einer „schwarzen Kasse“ erfüllt den Tatbestand der Untreue im Sinne des § 266 StGB.

BGH, Beschluss vom 27.08.2014 – 5 StR 181/14, NStZ-RR 2014, 343 = ZInsO 2014, 2227. Grundlegend insoweit BGH, Urteile vom 29.08.2008 – 2 StR 587/07, wistra 2009, 61 mit Anm. Wytibul, BB 2009, 111, und vom 27.08.2010 – 2 StR 111/09, wistra 2011, 106 mit Anm. Bittmann, NJW 2011, 96. S. zu der Problematik weiter Rönnau, StV 2009, 246, Brand, JR 2011, 400, Kudlich, ZWH 2011, 1 sowie Becker, HRRS 2012, 237

2. § 355 StGB – Bruch des Steuergeheimnisses

Mit der Weitergabe von Steuerdaten des Insolvenzschuldners ohne dessen Zustimmung (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO) an den Insolvenzverwalter offenbart der für die Finanzverwaltung handelnde Amtsträger nicht im Sinne des § 30 Abs. 2 AO unbefugt Steuerdaten. Die Informationsweitergabe verstößt insbesondere nicht gegen § 355 StGB.

VG Münster, Urteil vom 27.06.2014 – 1 K 101/14, ZInsO 2014, 1957. In gleicher Weise hat auch das OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.08.2014 – OVG 12 N 36.14, ZInsO 2014, 2174 entschieden; vgl. ferner OVG Münster, Urteil vom 15.06.2011 – 8 A 1150/10, ZInsO 2011, 1553 mit Anm. Blank, EWiR 2011, 505, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.09.2014 –OVG 12 N 84.13, ZInsO 2014, 2231 sowie VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26.09.2014 – 17 K 944/14, BeckRS 2014, 57689. S. zu der Thematik aktuell auch Schmittmann, NZI 2014, 873.

II. Prozessrecht

1. § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO – Haftgrund der Fluchtgefahr

Hat der Beschuldigte seinen Wohnsitz im Ausland, begründet dies für sich allein keine Fluchtgefahr, kann aber bei der erforderlichen Gesamtwürdigung mitberücksichtigt werden. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn dies als Anhaltspunkt für die Fluchtgefahr gewertet wird.

KG, Beschluss vom 21.08.2014 – 1 Ws 61/14 – 161 AR 21/14, BeckRS 2014, 19266. S. dazu weiter KG, Beschluss vom 03.11.2011 – 4 Ws 96/11, StV 2012, 350.

2. § 475 StPO – Akteneinsichtsrecht des Insolvenzverwalters

Das Recht des Insolvenzverwalters auf Akteneinsicht gemäß § 475 StPO setzt grundsätzlich voraus, dass das Verfahren, in dessen Akten Einsicht begehrt wird, Straftaten zum Nachteil des von ihm vertretenen Unternehmens zum Gegenstand hat. Die Einsichtnahme in andere Akten ist mit dem datenschutzrechtlichen Charakter des § 475 StPO regelmäßig nicht vereinbar.

OLG Köln, Beschluss vom 16.10.2014 – 2 Ws 396/14, BeckRS 2014, 19624 = ZInsO 2014, 2501. Zu der Problematik vgl. weiter OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.06.2013 – 2 Ws 51/13, ZWH 2013, 204 mit zust. Anm. Weyand; s. auch Deutscher, jurisPR-StrafR 18/2013, Anm. 1. Zur Frage, ob der Insolvenzverwalter Verletzter iSd § 406e StPO ist, vgl. (verneinend) LG Mühlhausen, Beschluss vom 26.09.2005 – 9 Qs 21/05, wistra 2006, 76 mit Anm. Freye, wistra 2006, 78; offen gelassen durch LG Hildesheim, Beschluss vom 26.03.2007 – 25 Qs 17/06, NJW 2008, 531. Zum Akteneinsichtsrecht des gerichtlich bestellten Insolvenzgutachters vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 04.07.2013 – 1 Ws 53/13, ZInsO 2013, 242 = NZI 2014, 358 mit Anm. Fecht.

III. Zivilrechtliche Entscheidungen mit strafrechtlicher Bedeutung

1. GmbHG

§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG – Inhabilität des Geschäftsführers einer GmbH

Nur im Ausland begangene vorsätzliche Straftaten, nicht jedoch bloße Ordnungswidrigkeiten, führen zur Inhabilität.

OLG München, Beschluss vom 18.06.2014 – 31 Wx 250/14, ZInsO 2014, 2177 = GmbHR 2014, 869 mit Anm. Wachter.

2. Insolvenzordnung

a) §§ 59, 63 InsO – Auswirkung von Untreuehandlungen auf die Verwaltervergütung

Ein Insolvenzverwalter verwirkt seinen Vergütungsanspruch, wenn er über mehrere Jahre ungenehmigte Entnahmen aus verschiedenen Insolvenzmassen tätigt und damit seine Befugnis, über fremdes Vermögen verfügen zu können, im Eigeninteresse missbraucht.

LG Deggendorf, Beschluss vom 24.07.2013 – 13 T 57/13, NZI 2013, 1028 = ZInsO 2014, 1774. S. hierzu weiter Wolff, jurisPR-InsR 3/2014 Anm. 5

b) § 133 Abs.1 InsO – Anfechtbare Begleichung einer Geldstrafe

Begleicht der Schuldner im Wissen um seine Zahlungsunfähigkeit eine Geldstrafe, kann die Vorsatzanfechtung durchgreifen, wenn die Strafvollstreckungsbehörde über die ungünstige Vermögenslage des Schuldners unterrichtet ist.

BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 280/13, ZInsO 2014, 1947 = NZI 2014, 863. S. weiter Rein, NJW-Spezial 2014, 661.

3. Aktiengesetz

§§ 94, 93 Abs. 4 AktG – Zustimmungspflicht der Hauptversammlung

Wenn das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft durch eine Handlung, die Gegenstand eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist, gleichzeitig seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat, muss die Hauptversammlung einer Übernahme der Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage durch die Gesellschaft zustimmen.

BGH, Urteil vom 08.07.2014 – II ZR 174/13, ZInsO 2014, 2009 = NZG 2014, 1058. S. zu der Entscheidung die Anmerkungen von Krebs, BB 2014, 2409, von Backhaus/Brand, jurisPR-HaGesR 10/2014 Anm. 3, Maier-Reimer, EWiR 2014, 609 sowie von Weyand, PStR 2014, 279.

I. Strafgesetzbuch

1. § 266 StGB – Untreue

a) Untreue eines Insolvenzverwalters

Den Insolvenzverwalter trifft bei der Ausübung seines Amts gegenüber allen Beteiligten die Hauptpflicht, die Sorgfalt eines gewissenhaften und ordentlichen Insolvenzverwalters anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Verwertung der Insolvenzmasse muss er mit dem Ziel einer effizienten Massemehrung durchführen und sich hierbei an kaufmännischen Maßstäben orientieren.

Ein Missbrauch der Verfügungsbefugnis iSd § 266 StGB liegt vor, wenn der Verwalter im Außenverhältnis rechtlich wirksam über das ihm anvertraute Vermögen des Schuldners verfügt, hierdurch aber im Innenverhältnis gegen ihn treffende besondere Pflichten verstößt.

Macht der Verwalter gegenüber dem Gericht vorsätzlich unrichtige Angaben, um über eine Scheinsitzverlegung zu täuschen und die Zuständigkeit des von ihm gewünschten Gerichts zu erreichen, verstößt dieses Verhalten in besonders gravierender Weise gegen die Pflichten eines ordentlichen Insolvenzverwalters.

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 15.11.2012 – 5/26 KLs 7640 Js 208746/10, ZInsO 2014, 1668.

b) „Schwarze Kasse“

Bereits das Einrichten einer „schwarzen Kasse“ erfüllt den Tatbestand der Untreue im Sinne des § 266 StGB.

BGH, Beschluss vom 27.08.2014 – 5 StR 181/14, NStZ-RR 2014, 343 = ZInsO 2014, 2227. Grundlegend insoweit BGH, Urteile vom 29.08.2008 – 2 StR 587/07, wistra 2009, 61 mit Anm. Wytibul, BB 2009, 111, und vom 27.08.2010 – 2 StR 111/09, wistra 2011, 106 mit Anm. Bittmann, NJW 2011, 96. S. zu der Problematik weiter Rönnau, StV 2009, 246, Brand, JR 2011, 400, Kudlich, ZWH 2011, 1 sowie Becker, HRRS 2012, 237

2. § 355 StGB – Bruch des Steuergeheimnisses

Mit der Weitergabe von Steuerdaten des Insolvenzschuldners ohne dessen Zustimmung (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO) an den Insolvenzverwalter offenbart der für die Finanzverwaltung handelnde Amtsträger nicht im Sinne des § 30 Abs. 2 AO unbefugt Steuerdaten. Die Informationsweitergabe verstößt insbesondere nicht gegen § 355 StGB.

VG Münster, Urteil vom 27.06.2014 – 1 K 101/14, ZInsO 2014, 1957. In gleicher Weise hat auch das OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.08.2014 – OVG 12 N 36.14, ZInsO 2014, 2174 entschieden; vgl. ferner OVG Münster, Urteil vom 15.06.2011 – 8 A 1150/10, ZInsO 2011, 1553 mit Anm. Blank, EWiR 2011, 505, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.09.2014 –OVG 12 N 84.13, ZInsO 2014, 2231 sowie VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26.09.2014 – 17 K 944/14, BeckRS 2014, 57689. S. zu der Thematik aktuell auch Schmittmann, NZI 2014, 873.

II. Prozessrecht

1. § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO – Haftgrund der Fluchtgefahr

Hat der Beschuldigte seinen Wohnsitz im Ausland, begründet dies für sich allein keine Fluchtgefahr, kann aber bei der erforderlichen Gesamtwürdigung mitberücksichtigt werden. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn dies als Anhaltspunkt für die Fluchtgefahr gewertet wird.

KG, Beschluss vom 21.08.2014 – 1 Ws 61/14 – 161 AR 21/14, BeckRS 2014, 19266. S. dazu weiter KG, Beschluss vom 03.11.2011 – 4 Ws 96/11, StV 2012, 350.

2. § 475 StPO – Akteneinsichtsrecht des Insolvenzverwalters

Das Recht des Insolvenzverwalters auf Akteneinsicht gemäß § 475 StPO setzt grundsätzlich voraus, dass das Verfahren, in dessen Akten Einsicht begehrt wird, Straftaten zum Nachteil des von ihm vertretenen Unternehmens zum Gegenstand hat. Die Einsichtnahme in andere Akten ist mit dem datenschutzrechtlichen Charakter des § 475 StPO regelmäßig nicht vereinbar.

OLG Köln, Beschluss vom 16.10.2014 – 2 Ws 396/14, BeckRS 2014, 19624 = ZInsO 2014, 2501. Zu der Problematik vgl. weiter OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.06.2013 – 2 Ws 51/13, ZWH 2013, 204 mit zust. Anm. Weyand; s. auch Deutscher, jurisPR-StrafR 18/2013, Anm. 1. Zur Frage, ob der Insolvenzverwalter Verletzter iSd § 406e StPO ist, vgl. (verneinend) LG Mühlhausen, Beschluss vom 26.09.2005 – 9 Qs 21/05, wistra 2006, 76 mit Anm. Freye, wistra 2006, 78; offen gelassen durch LG Hildesheim, Beschluss vom 26.03.2007 – 25 Qs 17/06, NJW 2008, 531. Zum Akteneinsichtsrecht des gerichtlich bestellten Insolvenzgutachters vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 04.07.2013 – 1 Ws 53/13, ZInsO 2013, 242 = NZI 2014, 358 mit Anm. Fecht.

III. Zivilrechtliche Entscheidungen mit strafrechtlicher Bedeutung

1. GmbHG

§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG – Inhabilität des Geschäftsführers einer GmbH

Nur im Ausland begangene vorsätzliche Straftaten, nicht jedoch bloße Ordnungswidrigkeiten, führen zur Inhabilität.

OLG München, Beschluss vom 18.06.2014 – 31 Wx 250/14, ZInsO 2014, 2177 = GmbHR 2014, 869 mit Anm. Wachter.

2. Insolvenzordnung

a) §§ 59, 63 InsO – Auswirkung von Untreuehandlungen auf die Verwaltervergütung

Ein Insolvenzverwalter verwirkt seinen Vergütungsanspruch, wenn er über mehrere Jahre ungenehmigte Entnahmen aus verschiedenen Insolvenzmassen tätigt und damit seine Befugnis, über fremdes Vermögen verfügen zu können, im Eigeninteresse missbraucht.

LG Deggendorf, Beschluss vom 24.07.2013 – 13 T 57/13, NZI 2013, 1028 = ZInsO 2014, 1774. S. hierzu weiter Wolff, jurisPR-InsR 3/2014 Anm. 5

b) § 133 Abs.1 InsO – Anfechtbare Begleichung einer Geldstrafe

Begleicht der Schuldner im Wissen um seine Zahlungsunfähigkeit eine Geldstrafe, kann die Vorsatzanfechtung durchgreifen, wenn die Strafvollstreckungsbehörde über die ungünstige Vermögenslage des Schuldners unterrichtet ist.

BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 280/13, ZInsO 2014, 1947 = NZI 2014, 863. S. weiter Rein, NJW-Spezial 2014, 661.

3. Aktiengesetz

§§ 94, 93 Abs. 4 AktG – Zustimmungspflicht der Hauptversammlung

Wenn das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft durch eine Handlung, die Gegenstand eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist, gleichzeitig seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat, muss die Hauptversammlung einer Übernahme der Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage durch die Gesellschaft zustimmen.

BGH, Urteil vom 08.07.2014 – II ZR 174/13, ZInsO 2014, 2009 = NZG 2014, 1058. S. zu der Entscheidung die Anmerkungen von Krebs, BB 2014, 2409, von Backhaus/Brand, jurisPR-HaGesR 10/2014 Anm. 3, Maier-Reimer, EWiR 2014, 609 sowie von Weyand, PStR 2014, 279.

Autorinnen und Autoren

  • Raimund Weyand
    Raimund Weyand war bis zum seinem Eintritt in den Ruhestand am 31.12.2021 stellvertretender Leiter der Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Insolvenz-, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht und hat auf diesen Themengebieten bereits zahlreiche Beiträge publiziert. Weyand ist (Mit-)Verfasser mehrerer insolvenz- und wirtschaftsstrafrechtlicher Buchveröffentlichungen, Mitautor des Kommentars von Graf/Jäger/Wittig zum Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht und gehört seit deren Gründung dem Herausgebergremium der Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht (ZInsO) an.

WiJ

  • Dr. Carolin Raspé , Dr. Roland Stein

    Strafrechtliche Risiken bei der Sanktions- Compliance Teil 1

    Außenwirtschaftsrecht Kriegswaffenkontrollrecht

  • Sigrid Mehring-Zier

    Wirtschaftsvölkerstrafrecht in der europäischen Praxis – und Deutschland?

    Auslandsbezüge EU Internationales Strafrecht Rechtshilfe

  • Jakob Lehners

    Digitale Akteneinsicht in der Untersuchungshaft

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)