Dr. André-M. Szesny, LL.M.

Editorial

WiJ – Journal der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V., erste Ausgabe 2015

Das Jahr 2015 ist noch jung, hält aber jetzt schon bemerkenswerte Diskussionspunkte auf der wirtschaftsstrafrechtlichen Tagesordnung bereit. Beiträge zu einigen heiß diskutierten Themen finden sich in der aktuellen Ausgabe der WiJ:

Nestler stellt die mit der AWG-Novelle aus der Taufe gehobene bußgeldbefreiende Selbstanzeige vor und befasst sich insbesondere mit dem Merkmal der „Freiwilligkeit“. Mit Blick auf die gesetzgeberische Fiktion, dass eine Anzeige als freiwillig „gilt“, wenn Behörden (noch) nicht ermitteln, qualifiziert Nestler die Regelung weniger als Selbstanzeige, sondern mehr als Einschränkung des im Bußgeldrecht herrschenden Opportunitätsprinzips (§ 47 OWiG).

Vor dem Hintergrund der nicht immer unaufgeregten und thesenhaft geführten Diskussion um die Einführung eines Sonderstrafrechts für Unternehmen wirft Hennecke einen Blick auf die Beteiligungs- und Sanktionierungsmöglichkeiten hinsichtlich juristischer Personen und Personenmehrheiten, die das geltende Recht bereit hält. Die im Rahmen des WiJ-Aufsatzwettbewerbes 2014 preisgekrönte Abhandlung beleuchtet den einschlägigen, in der rechtspolitischen Diskussion bislang aber wohl vernachlässigten Teil der Strafprozessordnung der §§ 430 ff. StPO und vergleicht ihn sodann mit dem Entwurf eines Verbandsstrafgesetzbuches. Die nüchterne und wohltuend emotionsabstinente Analyse Henneckes führt beim Leser zu grundlegenden Zweifeln an der Erforderlichkeit eines Verbandsstrafgesetzbuches.

Den Fall des niedersächsischen Richters, der als Referatsleiter im Justizprüfungsamt mutmaßlich schwächeren Kandidaten Examensklausuren nebst Lösungsskizzen gegen Geld zur Verfügung gestellt hat, nimmt Fölsing zum Anlass, den strafrechtlich vergleichsweise einfach gelagerten Sachverhalt auf seine rechtsgebietsübergreifenden Nebenwirkungen zu untersuchen. Das Fazit: unüberschaubar!

Einen kleinen Schwerpunkt des aktuellen Heftes bilden der Rechtsprechungsüberblick über aktuelle Entscheidungen zum Insolvenzstrafrecht von Weyand, eine Anmerkung zur Entscheidung des BGH zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit von Apfel und Lenger und die insolvenzstrafrechtliche Literaturschau von Brand. Einen Blick über die Grenzen bieten der Beitrag von Holenstein zur Bedeutung der eidgenössischen Steueramtshilfe im Rahmen grenzüberschreitender Steuerstrafverfolgung und der bereits etablierte Länderbericht Schweiz von Murmann und Frank.

Mit der Haftung von Geschäftsleitern befassen sich schließlich eine Anmerkung zur sog. „Neubürger“-Entscheidung des Landgerichts München und eine Rezension: Dann erkennt im Münchener Richterspruch einen möglichen Wegbereiter für Bußgeldverfahren wegen Aufsichtspflichtverletzungen nach § 130 OWiG, warnt aber gleichzeitig davor, das Auftreten von kritischen Sachverhalten ohne Weiteres als Indikator für ein Versagen des Compliance-Systems zu erkennen. Dass der Verurteilte sich erfolglos darauf berief, dass zum Zeitpunkt der Verfehlung Compliance noch nicht derart etabliert war wie heute, passt zum Thema der von Auffermann rezensierten Dissertation „Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage“.

Die erste Ausgabe der WiJ im Jahr 2015 könnte Aktuelleres kaum bieten: Ich wünsche spannende und erhellende Lektüre!

 

WiJ – Journal der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V., erste Ausgabe 2015

Das Jahr 2015 ist noch jung, hält aber jetzt schon bemerkenswerte Diskussionspunkte auf der wirtschaftsstrafrechtlichen Tagesordnung bereit. Beiträge zu einigen heiß diskutierten Themen finden sich in der aktuellen Ausgabe der WiJ:

Nestler stellt die mit der AWG-Novelle aus der Taufe gehobene bußgeldbefreiende Selbstanzeige vor und befasst sich insbesondere mit dem Merkmal der „Freiwilligkeit“. Mit Blick auf die gesetzgeberische Fiktion, dass eine Anzeige als freiwillig „gilt“, wenn Behörden (noch) nicht ermitteln, qualifiziert Nestler die Regelung weniger als Selbstanzeige, sondern mehr als Einschränkung des im Bußgeldrecht herrschenden Opportunitätsprinzips (§ 47 OWiG).

Vor dem Hintergrund der nicht immer unaufgeregten und thesenhaft geführten Diskussion um die Einführung eines Sonderstrafrechts für Unternehmen wirft Hennecke einen Blick auf die Beteiligungs- und Sanktionierungsmöglichkeiten hinsichtlich juristischer Personen und Personenmehrheiten, die das geltende Recht bereit hält. Die im Rahmen des WiJ-Aufsatzwettbewerbes 2014 preisgekrönte Abhandlung beleuchtet den einschlägigen, in der rechtspolitischen Diskussion bislang aber wohl vernachlässigten Teil der Strafprozessordnung der §§ 430 ff. StPO und vergleicht ihn sodann mit dem Entwurf eines Verbandsstrafgesetzbuches. Die nüchterne und wohltuend emotionsabstinente Analyse Henneckes führt beim Leser zu grundlegenden Zweifeln an der Erforderlichkeit eines Verbandsstrafgesetzbuches.

Den Fall des niedersächsischen Richters, der als Referatsleiter im Justizprüfungsamt mutmaßlich schwächeren Kandidaten Examensklausuren nebst Lösungsskizzen gegen Geld zur Verfügung gestellt hat, nimmt Fölsing zum Anlass, den strafrechtlich vergleichsweise einfach gelagerten Sachverhalt auf seine rechtsgebietsübergreifenden Nebenwirkungen zu untersuchen. Das Fazit: unüberschaubar!

Einen kleinen Schwerpunkt des aktuellen Heftes bilden der Rechtsprechungsüberblick über aktuelle Entscheidungen zum Insolvenzstrafrecht von Weyand, eine Anmerkung zur Entscheidung des BGH zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit von Apfel und Lenger und die insolvenzstrafrechtliche Literaturschau von Brand. Einen Blick über die Grenzen bieten der Beitrag von Holenstein zur Bedeutung der eidgenössischen Steueramtshilfe im Rahmen grenzüberschreitender Steuerstrafverfolgung und der bereits etablierte Länderbericht Schweiz von Murmann und Frank.

Mit der Haftung von Geschäftsleitern befassen sich schließlich eine Anmerkung zur sog. „Neubürger“-Entscheidung des Landgerichts München und eine Rezension: Dann erkennt im Münchener Richterspruch einen möglichen Wegbereiter für Bußgeldverfahren wegen Aufsichtspflichtverletzungen nach § 130 OWiG, warnt aber gleichzeitig davor, das Auftreten von kritischen Sachverhalten ohne Weiteres als Indikator für ein Versagen des Compliance-Systems zu erkennen. Dass der Verurteilte sich erfolglos darauf berief, dass zum Zeitpunkt der Verfehlung Compliance noch nicht derart etabliert war wie heute, passt zum Thema der von Auffermann rezensierten Dissertation „Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage“.

Die erste Ausgabe der WiJ im Jahr 2015 könnte Aktuelleres kaum bieten: Ich wünsche spannende und erhellende Lektüre!

Autorinnen und Autoren

  • Dr. André-M. Szesny, LL.M.
    Dr. André-M. Szesny, LL.M. ist Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek und leitet die dortige Praxisgruppe Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Er berät und verteidigt Unternehmen und Einzelpersonen in Strafverfahren und allen Fragen der Compliance. Daneben ist er Sprecher des Arbeitskreises Kapitalmarktstrafrecht der WisteV und Redaktionsmitglied der WiJ.

WiJ

  • Dr. Simon Ulc , Marc Neuhaus

    Übernahme von Kosten für Verteidiger und Zeugenbeistände – eine Praxisübersicht

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Ricarda Schelzke

    BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23

    Individual- und Unternehmenssanktionen

  • Dr. Marius Haak , Joshua Pawel LL.M.

    Umweltkriminalität im Visier der EU – Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Rat beschlossen

    Produkthaftung, Umwelt, Fahrlässigkeit und Zurechnung