Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 25.7.2012 – 2 StR 154/12
I. Sachverhalt
Der Angeklagte war Geschäftsführer einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, die die Vermietung und Verwaltung von Immobilien zum Gegenstand hatte. Die Wohnungsbaugesellschaft arbeitete eng mit einer GmbH zusammen, die den An- und Verkauf und die Montage von Bauelementen sowie Baureparaturen durchführte. Gesellschafter und Geschäftsführer dieser GmbH waren die Ehefrau des Angeklagten und eine weitere Person.
Unter Beteiligung des Angeklagten fassten die zuletzt genannten Personen den Plan, dass bei Ausschreibungen der Wohnungsbaugesellschaft neben dem Angebot der GmbH nur fingierte Angebote mit schlechteren Konditionen abgegeben werden sollten, damit die GmbH den Zuschlag erhalte. Dementsprechend sorgte der Angeklagte bei Durchführung von 14 beschränkten Ausschreibungen dafür, dass neben der GmbH nur zwei Handwerker in den Bieterkreis aufgenommen wurden, die tatsächlich kein Interesse an einer Auftragserteilung hatten und das Angebot der GmbH nicht unterboten. Die GmbH erhielt deshalb in neun Fällen den Zuschlag; in den restlichen Fällen kam es nicht mehr zu einer Auftragserteilung.
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 Abs. 1 StGB) in 14 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe.
II. Entscheidungsgründe
Der Bundesgerichtshof (2. Strafsenat) bestätigte die Verurteilung. In der Entscheidung näher erläutert werden die Fragen, ob es sich bei der zwischen dem Angeklagten, seiner Ehefrau und dem weiteren Geschäftsführer erfolgten Absprache um eine solche des § 298 Abs. 1 StGB handelt und ob der Angeklagte als Nicht-Kartellmitglied tauglicher Täter des Straftatbestandes der wettbewerbsbeschränkenden Absprache bei Ausschreibungen sein kann.
Beide Fragen werden – der Bestätigung der landgerichtlichen Entscheidung entsprechend – vom 2. Strafsenat mit „Ja“ beantwortet: § 298 Abs. 1 StGB verlangt die Abgabe eines Angebotes, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht. Rechtswidrig sei eine Absprache dann, wenn sie gegen das GWB verstoße. Nach der seit dem 1.7.2005 geltenden Fassung von § 1 GWB seien – im Gegensatz zur früheren Gesetzesfassung – nicht nur horizontale, sondern auch vertikale Absprachen als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen einzuordnen. Da § 298 „kartellrechtsakzessorisch“ ausgestaltet sei, seien mithin auch die seit der Gesetzesänderung von § 1 GWB erfassten vertikalen Absprachen tatbestandsmäßig i.S.d. § 298 Abs. 1 StGB.1 Aus der Gesetzesänderung folgt nach der angemerkten Entscheidung außerdem die Möglichkeit der Täterschaft eines Nicht-Kartellmitglieds bzw. des Veranstalters einer Ausschreibung: § 298 StGB sei kein Sonderdelikt. Da seit der Neufassung des § 1 GWB auch vertikale Absprachen den Tatbestand erfüllen, müssten sich nunmehr auch Veranstalter als Täter strafbar machen können, sofern ihnen die Abgabe des Angebots nach den allgemeinen Regeln (§ 25 StGB) zurechenbar sei. Andernfalls würde der mit der kartellrechtskonformen Ausgestaltung des § 298 StGB verfolgte Zweck unterlaufen.2 Für eine Täterstellung sprächen schließlich auch teleologische Überlegungen, namentlich die durch die Vorschrift geschützten Rechtsgüter des freien Wettbewerbs sowie der Vermögensinteressen des Veranstalters.3
III. Anmerkung
Der Entscheidung ist zu widersprechen. Sie wird den Vorstellungen des Gesetzgebers zur Implementierung des § 298 StGB in das StGB im Jahr 1997 und zur Reform des GWB im Jahr 2005 nicht gerecht, über die sie sich ohne nähere Begründung hinwegsetzt. Auch der Charakter des § 298 StGB, bei dem es sich nicht – wie die Entscheidung suggeriert – um eine (unechte) Blankettnorm handelt, zwingt nicht dazu, die Änderung des § 1 GWB auf die strafrechtliche Vorschrift zu übertragen. Sofern eine Täterstellung des für den Veranstalter tätigen Angeklagten bejaht wird, werden die allgemeinen Zurechnungsgrundsätze von der tatbestandlichen Vorfrage überlagert, in welchem Verhältnis die an der Absprache beteiligten Personen zueinander stehen. Dies führt auch insofern zu einem Ergebnis, dem nicht zugestimmt werden kann:
1. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zufolge ergibt sich die Einbeziehung der zwischen dem Angeklagten als Veranstalter und seiner Ehefrau und des weiteren Geschäftsführers auf Seiten eines Bieters erfolgten – mithin vertikalen – Absprache in den Tatbestand aus der im Jahr 2005 in Kraft getretenen Änderung des § 1 GWB, der normiert, bei welchen Vereinbarungen es sich kartellrechtlich um solche handelt, die wettbewerbsbeschränkend sind.4 Während § 1 GWB a.F. noch voraussetzte, dass die Beteiligten einer solchen Vereinbarung „miteinander im Wettbewerb stehen[den]“, ist dieses Merkmal in der Neufassung gestrichen. Hieraus folgt (kartellrechtlich) die Erfassung auch vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen.5 Aus dieser Änderung kann indessen nicht auf eine Änderung des Verständnisses vom Vorliegen einer Absprache i.S.d. Straftatbestandes § 298 Abs. 1 StGB geschlossen werden.
a) Für die Gesetzesauslegung maßgeblich ist insbesondere der Wille des (historischen) Gesetzgebers, wobei mit dem Fortgang der Zeit objektive rechtliche Zwecke und Sachzwänge hinzutreten, deren sich der Gesetzgeber selbst nicht oder nicht in vollem Umfang bewusst gewesen zu sein braucht.6 Ein für die Auslegung des § 298 StGB interessanter Bedeutungswandel ist in der Neufassung des § 1 GWB jedoch nicht zum Ausdruck gekommen. In der Gesetzesbegründung wird die Erstreckung des Verbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen auf vertikale Absprachen mit „integrationspolitischen Zielen“ erklärt; das deutsche Recht könne sich angesichts des erweiterten Vorrangs des europäischen Rechts der systematischen Einordnung vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen auf europäischer Ebene nicht entziehen.7 Ausdrücklich heißt es zum bisherigen deutschen Recht aber, dieses trage der im Vergleich zu Horizontalvereinbarungen grds. geringeren wettbewerbspolitischen Schädlichkeit vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen „angemessen Rechnung“; dies führe in der Praxis auch zu „sachgerechten Ergebnissen“.8 Dementsprechend ist nach dem Willen des Gesetzgebers auch keine Änderung der strafrechtlichen Interpretation des § 298 Abs. 1 StGB angezeigt. Vielmehr gelten die Überlegungen des Gesetzgebers fort, die dieser mit Eingliederung des früheren GWB-Ordnungswidrigkeitentatbestandes im Jahr 1997 in das StGB vertreten hat. Hiernach ergibt sich erkennbar der Wille, lediglich horizontale Absprachen nach § 298 Abs. 1 StGB zu erfassen: In der damaligen Gesetzesbegründung tritt insbesondere die Absicht zutage, als besonders gefährlich erachtete Ringabsprachen „zwischen Wettbewerbern“ strafrechtlich zu erfassen.9 Der Begriff der rechtswidrigen Absprache wird darüber hinaus unter Hinweis auf § 1 und § 25 GWB a.F. erklärt, denen in ihren jeweiligen Fassungen vertikale Absprachen nicht unterfielen. Diesem Verständnis ist insbesondere auch der Bundesgerichtshof (4. Strafsenat) in seiner Rechtsprechung vor Änderung des § 1 GWB gefolgt.10 Vertikalabsprachen fehlt danach die für horizontale Submissionsabsprachen typische, wirtschaftspolitisch gefährliche Tendenz zur Wiederholung, die (allein) mit § 298 StGB bekämpft werden solle.
b) Die Notwendigkeit einer dementsprechend vom gesetzgeberischen Willen nach wie vor nicht getragene (Neu-)Interpretation in der Entscheidung des 2. Strafsenats ergibt sich auch nicht aus dem Charakter des Tatbestandes. Bei § 298 StGB handelt es sich nicht um eine unechte Blankettnorm, bei der sich der Tatbestand erst aus der Verbindung mit einer Sanktions- und Ausfüllungsnorm erschließt, auf die der Strafgesetzgeber Bezug nimmt.11 Auch wenn zur Auslegung und Konkretisierung des Merkmals der Rechtswidrigkeit die Vorschriften des GWB herangezogen werden können, ist die Vorschrift ein abgeschlossener Tatbestand, der nicht automatisch jeder Änderung des GWB (im Sinne einer dynamischen Verweisung) folgen muss.12 Dies ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass es sich bei der Rechtswidrigkeit der Absprache um ein normatives Tatbestandsmerkmal handelt.13 Die insofern gegebene Kartellrechtsakzessorietät des Tatbestandes ist vielmehr als asymmetrische Akzessorietät zu verstehen,14 sodass insbesondere die Interpretation des Merkmals der Rechtswidrigkeit der Absprache für rein strafrechtsspezifische Aspekte – wie sie diese der Gesetzgeber ganz i.S.d. ultima-ratio-Gedankens und Art. 103 Abs. 2 GG formuliert hat – offen und nicht allein vom GWB bestimmt ist. Das GWB zieht die Grenze für eine Strafbarkeit allein insofern, als dass kartellrechtlich zulässiges Verhalten nicht strafbar sein darf.15
2. Aus der Neuregelung von § 1 GWB zieht die angemerkte Entscheidung weiter den Schluss, dass auch der Veranstalter einer Ausschreibung als Täter i.S.d. § 298 Abs. 1 StGB in Betracht kommt, wenn er sich an der (vertikalen) Absprache beteiligt. Diese Folgerung erscheint zunächst auch konsequent; der Entscheidungsbegründung zufolge würde der mit der kartellrechtskonformen Ausgestaltung von § 298 StGB verfolgte Zweck sogar „unterlaufen“, wenn man dies anders sähe. Auch dies kann indessen mit guten Gründen kritisiert werden: Zu folgen ist der Entscheidung zwar sicher darin, dass es sich bei § 298 StGB nicht um ein Sonderdelikt handelt, sodass grds. jedermann als Täter in Betracht kommt.16 Ob eine Täterschaft vorliegt, richtet sich allerdings nach den allgemeinen Regeln der §§ 25 ff. StGB. Auf die insofern für die Zurechnung geltenden Grundsätze wird in der Entscheidung zwar hingewiesen. Zur näheren Begründung, warum diese Zurechnung in dem zugrunde liegenden Fall vorzunehmen war, wird dann allerdings im Wesentlichen auf die zuvor angenommene Einbeziehung von Vertikalabsprachen in den Tatbestand rekurriert. Die Bejahung dieser tatbestandlichen Vorfrage wird damit mit der Frage vermengt, wem die Tathandlung des § 298 Abs. 1 StGB – die Abgabe des Angebots – zuzurechnen ist.17 Tatsächlich wird der Umstand, dass der Veranstalter das Angebot nicht abgibt, sondern entgegennimmt, einer (unmittelbaren) Täterschaft eher entgegenstehen.18 Zwar mag es Ausnahmefälle geben, in denen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB – insb. Tatherrschaft – erfüllt sind; im Regelfall dürfte sich eine derartige Herrschaft, die eben hinsichtlich der Angebotsabgabe bestehen muss, aber nicht belegen lassen. Voraussetzung hierfür wäre eine wesentliche Mitgestaltung des Tatablaufs, durch die eine Abhängigkeit der Beteiligten untereinander begründet wird.19 Ein derartiger Einfluss auf die (spätere) Angebotsabgabe als entscheidender Bezugspunkt wird aber allein durch die Einbeziehung in eine kollusive (vertikale) Absprache nicht begründet. Entsprechendes gilt auch für eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, bei der ein „Hintermann durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen ausnutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte Abläufe auslöst.“20 Die ggf. in diesem Sinne vorliegenden unternehmerischen Organisationsstrukturen erstrecken sich nämlich normalerweise nicht auf ein anderes Unternehmen (hier: den Bieter).21 In diesem Sinne sind auch die in der angemerkten Entscheidung angeführte „teleologischen Überlegungen“ nicht geeignet, Täterschaft zu begründen. Dass die Rechtsgüter des § 298 StGB22 in dem zugrunde liegenden Fall betroffen sind, ändert nichts an dem Fehlen der für eine Zurechnung erforderlichen Tatherrschaft, zumal das Strafrecht „aufgrund seines fragmentarischen Charakters weder im Allgemeinen noch mit § 298 StGB im Besonderen Rechtsgüter umfassend und absolut“ schützt.23 Es verbleibt damit i.d.R. allein die Möglichkeit einer Strafbarkeit der auf Veranstalterseite beteiligten Personen als Teilnehmer.
3. In diesem Sinne ist darauf zu hoffen, dass sich ein anderer Strafsenat des Bundesgerichtshofes noch einmal mit den zugrunde liegenden Fragestellungen zu befassen hat. Da die Maßstäbe, an denen sich die frühere Entscheidung des 4. Strafsenats24 orientiert hat, keineswegs überholt sind, wäre ohnehin bereits eine Vorlage gem. § 132 Abs. 2 GVG in Betracht zu ziehen gewesen. Die vorliegende Konstellation der (kollusiven) Einbeziehung des Veranstalters sollte jedenfalls viel eher nach den Voraussetzungen der §§ 299 StGB bzw. 331 ff. StGB bewertet werden.25
I. Sachverhalt
Der Angeklagte war Geschäftsführer einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, die die Vermietung und Verwaltung von Immobilien zum Gegenstand hatte. Die Wohnungsbaugesellschaft arbeitete eng mit einer GmbH zusammen, die den An- und Verkauf und die Montage von Bauelementen sowie Baureparaturen durchführte. Gesellschafter und Geschäftsführer dieser GmbH waren die Ehefrau des Angeklagten und eine weitere Person.
Unter Beteiligung des Angeklagten fassten die zuletzt genannten Personen den Plan, dass bei Ausschreibungen der Wohnungsbaugesellschaft neben dem Angebot der GmbH nur fingierte Angebote mit schlechteren Konditionen abgegeben werden sollten, damit die GmbH den Zuschlag erhalte. Dementsprechend sorgte der Angeklagte bei Durchführung von 14 beschränkten Ausschreibungen dafür, dass neben der GmbH nur zwei Handwerker in den Bieterkreis aufgenommen wurden, die tatsächlich kein Interesse an einer Auftragserteilung hatten und das Angebot der GmbH nicht unterboten. Die GmbH erhielt deshalb in neun Fällen den Zuschlag; in den restlichen Fällen kam es nicht mehr zu einer Auftragserteilung.
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 Abs. 1 StGB) in 14 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe.
II. Entscheidungsgründe
Der Bundesgerichtshof (2. Strafsenat) bestätigte die Verurteilung. In der Entscheidung näher erläutert werden die Fragen, ob es sich bei der zwischen dem Angeklagten, seiner Ehefrau und dem weiteren Geschäftsführer erfolgten Absprache um eine solche des § 298 Abs. 1 StGB handelt und ob der Angeklagte als Nicht-Kartellmitglied tauglicher Täter des Straftatbestandes der wettbewerbsbeschränkenden Absprache bei Ausschreibungen sein kann.
Beide Fragen werden – der Bestätigung der landgerichtlichen Entscheidung entsprechend – vom 2. Strafsenat mit „Ja“ beantwortet: § 298 Abs. 1 StGB verlangt die Abgabe eines Angebotes, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht. Rechtswidrig sei eine Absprache dann, wenn sie gegen das GWB verstoße. Nach der seit dem 1.7.2005 geltenden Fassung von § 1 GWB seien – im Gegensatz zur früheren Gesetzesfassung – nicht nur horizontale, sondern auch vertikale Absprachen als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen einzuordnen. Da § 298 „kartellrechtsakzessorisch“ ausgestaltet sei, seien mithin auch die seit der Gesetzesänderung von § 1 GWB erfassten vertikalen Absprachen tatbestandsmäßig i.S.d. § 298 Abs. 1 StGB.1 Aus der Gesetzesänderung folgt nach der angemerkten Entscheidung außerdem die Möglichkeit der Täterschaft eines Nicht-Kartellmitglieds bzw. des Veranstalters einer Ausschreibung: § 298 StGB sei kein Sonderdelikt. Da seit der Neufassung des § 1 GWB auch vertikale Absprachen den Tatbestand erfüllen, müssten sich nunmehr auch Veranstalter als Täter strafbar machen können, sofern ihnen die Abgabe des Angebots nach den allgemeinen Regeln (§ 25 StGB) zurechenbar sei. Andernfalls würde der mit der kartellrechtskonformen Ausgestaltung des § 298 StGB verfolgte Zweck unterlaufen.2 Für eine Täterstellung sprächen schließlich auch teleologische Überlegungen, namentlich die durch die Vorschrift geschützten Rechtsgüter des freien Wettbewerbs sowie der Vermögensinteressen des Veranstalters.3
III. Anmerkung
Der Entscheidung ist zu widersprechen. Sie wird den Vorstellungen des Gesetzgebers zur Implementierung des § 298 StGB in das StGB im Jahr 1997 und zur Reform des GWB im Jahr 2005 nicht gerecht, über die sie sich ohne nähere Begründung hinwegsetzt. Auch der Charakter des § 298 StGB, bei dem es sich nicht – wie die Entscheidung suggeriert – um eine (unechte) Blankettnorm handelt, zwingt nicht dazu, die Änderung des § 1 GWB auf die strafrechtliche Vorschrift zu übertragen. Sofern eine Täterstellung des für den Veranstalter tätigen Angeklagten bejaht wird, werden die allgemeinen Zurechnungsgrundsätze von der tatbestandlichen Vorfrage überlagert, in welchem Verhältnis die an der Absprache beteiligten Personen zueinander stehen. Dies führt auch insofern zu einem Ergebnis, dem nicht zugestimmt werden kann:
1. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zufolge ergibt sich die Einbeziehung der zwischen dem Angeklagten als Veranstalter und seiner Ehefrau und des weiteren Geschäftsführers auf Seiten eines Bieters erfolgten – mithin vertikalen – Absprache in den Tatbestand aus der im Jahr 2005 in Kraft getretenen Änderung des § 1 GWB, der normiert, bei welchen Vereinbarungen es sich kartellrechtlich um solche handelt, die wettbewerbsbeschränkend sind.4 Während § 1 GWB a.F. noch voraussetzte, dass die Beteiligten einer solchen Vereinbarung „miteinander im Wettbewerb stehen[den]“, ist dieses Merkmal in der Neufassung gestrichen. Hieraus folgt (kartellrechtlich) die Erfassung auch vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen.5 Aus dieser Änderung kann indessen nicht auf eine Änderung des Verständnisses vom Vorliegen einer Absprache i.S.d. Straftatbestandes § 298 Abs. 1 StGB geschlossen werden.
a) Für die Gesetzesauslegung maßgeblich ist insbesondere der Wille des (historischen) Gesetzgebers, wobei mit dem Fortgang der Zeit objektive rechtliche Zwecke und Sachzwänge hinzutreten, deren sich der Gesetzgeber selbst nicht oder nicht in vollem Umfang bewusst gewesen zu sein braucht.6 Ein für die Auslegung des § 298 StGB interessanter Bedeutungswandel ist in der Neufassung des § 1 GWB jedoch nicht zum Ausdruck gekommen. In der Gesetzesbegründung wird die Erstreckung des Verbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen auf vertikale Absprachen mit „integrationspolitischen Zielen“ erklärt; das deutsche Recht könne sich angesichts des erweiterten Vorrangs des europäischen Rechts der systematischen Einordnung vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen auf europäischer Ebene nicht entziehen.7 Ausdrücklich heißt es zum bisherigen deutschen Recht aber, dieses trage der im Vergleich zu Horizontalvereinbarungen grds. geringeren wettbewerbspolitischen Schädlichkeit vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen „angemessen Rechnung“; dies führe in der Praxis auch zu „sachgerechten Ergebnissen“.8 Dementsprechend ist nach dem Willen des Gesetzgebers auch keine Änderung der strafrechtlichen Interpretation des § 298 Abs. 1 StGB angezeigt. Vielmehr gelten die Überlegungen des Gesetzgebers fort, die dieser mit Eingliederung des früheren GWB-Ordnungswidrigkeitentatbestandes im Jahr 1997 in das StGB vertreten hat. Hiernach ergibt sich erkennbar der Wille, lediglich horizontale Absprachen nach § 298 Abs. 1 StGB zu erfassen: In der damaligen Gesetzesbegründung tritt insbesondere die Absicht zutage, als besonders gefährlich erachtete Ringabsprachen „zwischen Wettbewerbern“ strafrechtlich zu erfassen.9 Der Begriff der rechtswidrigen Absprache wird darüber hinaus unter Hinweis auf § 1 und § 25 GWB a.F. erklärt, denen in ihren jeweiligen Fassungen vertikale Absprachen nicht unterfielen. Diesem Verständnis ist insbesondere auch der Bundesgerichtshof (4. Strafsenat) in seiner Rechtsprechung vor Änderung des § 1 GWB gefolgt.10 Vertikalabsprachen fehlt danach die für horizontale Submissionsabsprachen typische, wirtschaftspolitisch gefährliche Tendenz zur Wiederholung, die (allein) mit § 298 StGB bekämpft werden solle.
b) Die Notwendigkeit einer dementsprechend vom gesetzgeberischen Willen nach wie vor nicht getragene (Neu-)Interpretation in der Entscheidung des 2. Strafsenats ergibt sich auch nicht aus dem Charakter des Tatbestandes. Bei § 298 StGB handelt es sich nicht um eine unechte Blankettnorm, bei der sich der Tatbestand erst aus der Verbindung mit einer Sanktions- und Ausfüllungsnorm erschließt, auf die der Strafgesetzgeber Bezug nimmt.11 Auch wenn zur Auslegung und Konkretisierung des Merkmals der Rechtswidrigkeit die Vorschriften des GWB herangezogen werden können, ist die Vorschrift ein abgeschlossener Tatbestand, der nicht automatisch jeder Änderung des GWB (im Sinne einer dynamischen Verweisung) folgen muss.12 Dies ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass es sich bei der Rechtswidrigkeit der Absprache um ein normatives Tatbestandsmerkmal handelt.13 Die insofern gegebene Kartellrechtsakzessorietät des Tatbestandes ist vielmehr als asymmetrische Akzessorietät zu verstehen,14 sodass insbesondere die Interpretation des Merkmals der Rechtswidrigkeit der Absprache für rein strafrechtsspezifische Aspekte – wie sie diese der Gesetzgeber ganz i.S.d. ultima-ratio-Gedankens und Art. 103 Abs. 2 GG formuliert hat – offen und nicht allein vom GWB bestimmt ist. Das GWB zieht die Grenze für eine Strafbarkeit allein insofern, als dass kartellrechtlich zulässiges Verhalten nicht strafbar sein darf.15
2. Aus der Neuregelung von § 1 GWB zieht die angemerkte Entscheidung weiter den Schluss, dass auch der Veranstalter einer Ausschreibung als Täter i.S.d. § 298 Abs. 1 StGB in Betracht kommt, wenn er sich an der (vertikalen) Absprache beteiligt. Diese Folgerung erscheint zunächst auch konsequent; der Entscheidungsbegründung zufolge würde der mit der kartellrechtskonformen Ausgestaltung von § 298 StGB verfolgte Zweck sogar „unterlaufen“, wenn man dies anders sähe. Auch dies kann indessen mit guten Gründen kritisiert werden: Zu folgen ist der Entscheidung zwar sicher darin, dass es sich bei § 298 StGB nicht um ein Sonderdelikt handelt, sodass grds. jedermann als Täter in Betracht kommt.16 Ob eine Täterschaft vorliegt, richtet sich allerdings nach den allgemeinen Regeln der §§ 25 ff. StGB. Auf die insofern für die Zurechnung geltenden Grundsätze wird in der Entscheidung zwar hingewiesen. Zur näheren Begründung, warum diese Zurechnung in dem zugrunde liegenden Fall vorzunehmen war, wird dann allerdings im Wesentlichen auf die zuvor angenommene Einbeziehung von Vertikalabsprachen in den Tatbestand rekurriert. Die Bejahung dieser tatbestandlichen Vorfrage wird damit mit der Frage vermengt, wem die Tathandlung des § 298 Abs. 1 StGB – die Abgabe des Angebots – zuzurechnen ist.17 Tatsächlich wird der Umstand, dass der Veranstalter das Angebot nicht abgibt, sondern entgegennimmt, einer (unmittelbaren) Täterschaft eher entgegenstehen.18 Zwar mag es Ausnahmefälle geben, in denen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB – insb. Tatherrschaft – erfüllt sind; im Regelfall dürfte sich eine derartige Herrschaft, die eben hinsichtlich der Angebotsabgabe bestehen muss, aber nicht belegen lassen. Voraussetzung hierfür wäre eine wesentliche Mitgestaltung des Tatablaufs, durch die eine Abhängigkeit der Beteiligten untereinander begründet wird.19 Ein derartiger Einfluss auf die (spätere) Angebotsabgabe als entscheidender Bezugspunkt wird aber allein durch die Einbeziehung in eine kollusive (vertikale) Absprache nicht begründet. Entsprechendes gilt auch für eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, bei der ein „Hintermann durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen ausnutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte Abläufe auslöst.“20 Die ggf. in diesem Sinne vorliegenden unternehmerischen Organisationsstrukturen erstrecken sich nämlich normalerweise nicht auf ein anderes Unternehmen (hier: den Bieter).21 In diesem Sinne sind auch die in der angemerkten Entscheidung angeführte „teleologischen Überlegungen“ nicht geeignet, Täterschaft zu begründen. Dass die Rechtsgüter des § 298 StGB22 in dem zugrunde liegenden Fall betroffen sind, ändert nichts an dem Fehlen der für eine Zurechnung erforderlichen Tatherrschaft, zumal das Strafrecht „aufgrund seines fragmentarischen Charakters weder im Allgemeinen noch mit § 298 StGB im Besonderen Rechtsgüter umfassend und absolut“ schützt.23 Es verbleibt damit i.d.R. allein die Möglichkeit einer Strafbarkeit der auf Veranstalterseite beteiligten Personen als Teilnehmer.
3. In diesem Sinne ist darauf zu hoffen, dass sich ein anderer Strafsenat des Bundesgerichtshofes noch einmal mit den zugrunde liegenden Fragestellungen zu befassen hat. Da die Maßstäbe, an denen sich die frühere Entscheidung des 4. Strafsenats24 orientiert hat, keineswegs überholt sind, wäre ohnehin bereits eine Vorlage gem. § 132 Abs. 2 GVG in Betracht zu ziehen gewesen. Die vorliegende Konstellation der (kollusiven) Einbeziehung des Veranstalters sollte jedenfalls viel eher nach den Voraussetzungen der §§ 299 StGB bzw. 331 ff. StGB bewertet werden.25
1 BGH, Beschl. v. 25.7.2012 – 2 StR 154/12, Rn. 4.
4 Die wohl h.M. in der Lit. folgt dieser Sichtweise, insb. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 298 Rn. 10; LK/StGB-Tiedemann, 12. Aufl., § 298 Rn. 14; MK/StGB-Hohmann, 2. Aufl., § 298 Rn. 68; SSW/StGB-Bosch, 2. Aufl., § 298 Rn. 9; a.A. aber NK/StGB-Dannecker, 4. Aufl., § 298 Rn. 64 ff.; Schönke/Schröder/StGB-Heine/Eisele, 29. Aufl., § 298 Rn. 17; G/J/W-Böse, § 298 StGB Rn. 24; AnwK/StGB-Wollschläger, 2. Aufl., § 298 Rn. 13.
12 NK/StGB-Dannecker, a.a.O.; Schönke/Schröder/StGB-Heine/Eisele, 29. Aufl., § 298 Rn. 17; Greeve, NZWiSt 2013, 140 (141).