Anmerkung zu OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.12.2014, 4 Ss 232/14
Abgrenzung von Abfall zur Beseitigung und Abfall zur Verwertung bei der Nutzung von Bauschutt als Recyclingbaustoff für den Bau von Waldwegen
Ordnungswidrige Ablagerung von Abfällen außerhalb einer zugelassenen Anlage, § 61 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG
I. Sachverhalt
1. Der Betroffene war Geschäftsführer und Gesellschafter eines Unternehmens, das im Jahr 2009 den Abbruch eines Gebäudes durchführte. Der dabei angefallene Bauschutt war erkennbar mit Gussasphalt, Kabeln, Steckdosen, Holz, Metallstücken, Gummi, Resten von Bodenbelag, Drahtgeflecht, Styropor und Glaswolle durchsetzt. Zum Teil enthielt das eingebrachte Material auch ungebrochene Ziegelsteine. Der Bauschutt enthielt eine Konzentration an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), Mineralölkohlenwasserstoffen und Sulfat. Das Material wurde in Kenntnis des Betroffenen von Mitarbeitern seiner Unternehmung zur Errichtung bzw. Erneuerung von Waldwegen verwendet. Dem Waldbesitzer entstanden weder für die Anlieferung noch für den Einbau Kosten.
2. Gegen den Betroffenen verhängte das AG Tettnang eine Geldbuße i.H.v. EUR 30.000,– wegen fahrlässiger Beseitigung von Abfällen außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage oder Einrichtung. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wurde dieses Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des AG zurückverwiesen.
3. Nach neuer Verhandlung wurde der Betroffene wegen „fahrlässiger Ablagerung von Abfällen außerhalb einer zugelassenen Abfallbeseitigungsanlage“[1] gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 2, § 27 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG[2] zu einer Geldbuße i.H.v. EUR 5.000,– verurteilt. Hiergegen legte der Betroffene abermals Rechtsbeschwerde ein.
Nach Ansicht des 4. Senats für Bußgeldsachen des OLG Stuttgart war der Schuldspruch nicht zu beanstanden.
II. Gründe
1. Bei dem zur Errichtung von Waldwegen verwendeten Bauschutt habe es sich um Abfall zur Beseitigung i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 2 HS 2 KrW/AbfG gehandelt. Danach seien Abfälle, die nicht verwertet werden, solche zur Beseitigung. Was Abfall zur Beseitigung sei, so der Senat, beurteile sich nach den im Zeitpunkt der Beendigung der Tat geltenden Rechtsnormen, normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften und technischen Normen.[3]
2. Bei der Bestimmung des Begriffs Abfall zur Beseitigung sei die abfallrechtliche Definition heranzuziehen und nicht etwa die des § 326 Abs. 1 StGB.[4] Den im KrW/AbfG enthaltenen Bußgeldtatbeständen liege die abfallrechtliche Definition zugrunde. Zweck von § 61 Abs. 1 Nr. 2 KrW/AbfG sei die Sanktionierung der Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten. Das Abfallrecht wolle sicherstellen, „dass sich die Verantwortlichen entsprechend diesen verwaltungsrechtlichen Pflichten verhalten.“[5]
3. Zwecks Abgrenzung von Abfall zur Verwertung und Abfall zur Beseitigung sei zu prüfen gewesen, ob eine stoffliche Verwertung nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG stattgefunden hat. Es komme darauf an, ob sich „die Nutzung des Abfalles wirtschaftlich als Hauptzweck der Maßnahme darstellt“[6], was anzunehmen sei, „wenn nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, unter Berücksichtigung der im einzelnen Abfall bestehenden Verunreinigungen, der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt.“[7] Im Vordergrund der wertenden Betrachtung stehe die Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der Vorstellungen desjenigen, der die Maßnahme durchführt.[8] Die maßgebliche wirtschaftliche Betrachtungsweise, so der Senat, schließe einerseits das „isolierte Abstellen auf die von den Beteiligten gewählte rechtliche Bezeichnung des Vorgangs aus“, verlange andererseits aber „nicht das alleinige Abstellen auf die ökonomische Vorteilhaftigkeit“. Vielmehr sei eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung unter Berücksichtigung der Ziele des KrW-/AbfG geboten.[9] Eine Schadstoffbelastung hindere die Einstufung als Abfall zur Verwertung nicht von vornherein.[10]
4. Das Tatgericht habe das eingebaute Material nach dieser Maßgabe und vor dem Hintergrund der zum Tatzeitpunkt gültigen Rechtslage zutreffend als Abfall zur Beseitigung qualifiziert. Wenn auch der Einsatz des Bauschutts zum Wegebau zunächst darauf schließen lasse, dass nach dem Willen des Betroffenen ein Verwertungsvorgang vorgelegen haben könnte, habe das Tatgericht bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zutreffend angenommen, dass der Hauptzweck nicht in einer Verwertung bestand.[11] Der Umstand, dass der Waldbesitzer weder für die Anlieferung des Materials noch für den vom Unternehmen des Betroffenen durchgeführten Einbau Kosten zu tragen hatte, deute „mit Gewicht darauf hin, dass hier bei der gebotenen wirtschaftliche Betrachtungsweise die Beseitigung des Schadstoffpotentials erkennbar im Vordergrund stand.“[12]
5. Tathandlung des § 61 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG sei die Ablagerung von Abfall [zur Beseitigung] außerhalb einer zugelassenen Anlage. Dabei bedeute das Ablagern das endgültige Ablegen des Stoffes. Der Einbau des Bauschutts in die Waldwege sei ein solches Ablagern. Das Tatgericht habe die fahrlässig verwirklichte Ordnungswidrigkeit rechtsfehlerfrei begründet.[13]
III. Anmerkung
Dem ist zuzustimmen.
1. Der Abfallbegriff war nach den Vorschriften dieses Gesetzes, nämlich nach § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG zu bestimmen, wonach alle unter Anhang I des Gesetzes fallenden Gegenstände, deren sich der Besitzer entledigen will oder muss, Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts waren.
a. Der verwaltungsrechtliche Abfallbegriff in § 3 KrW-/AbfG hatte eine objektive und eine subjektive Komponente. Der objektive Abfallbegriff bezog sich auf Zwangsabfall im Sinne des § 3 Abs. 4 KrW/AbfG, d.h. auf Sachen, die nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet werden, aufgrund ihres konkreten Zustandes geeignet sind, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt zu gefährden und deren Gefährdungspotential nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung nach den Vorschriften dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ausgeschlossen werden kann. Die subjektive Komponente stellte auf das Entledigenwollen oder das Sich-Entledigen durch den Besitzer ab.
Nach § 3 Abs. 2 KrW/AbfG war eine Entledigung (widerlegbar) zu vermuten, wenn der Besitzer eine bewegliche Sache, einer Verwertung im Sinne des Anhangs II B oder einer Beseitigung im Sinne des Anhangs II A zum KrW/AbfG zugeführt oder die tatsächliche Sachherrschaft über sie unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgegeben hat. Die vorgenannten Entledigungsformen verbindet, „dass der Besitzer die Sache, so wie sie ist, nach Wegfall oder Aufhebung ihres Verwendungszwecks ‚loswerden‘ will“.[14]
Der Wille zur Entledigung ist dem Entledigen zeitlich vorgelagert[15] und war nach § 3 Abs. 3 KrW/AbfG u.a. anzunehmen, wenn Sachen bei der Herstellung, Behandlung oder Nutzung von Stoffen oder Erzeugnissen anfallen, ohne dass der Zweck der Handlung hierauf gerichtet ist (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 KrW/AbfG) oder wenn die ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck an diese Stelle tritt. Aus Sicht des Gesetzgebers war insoweit entscheidend, ob eine Entledigungsabsicht oder eine Produktions- oder Verwertungsabsicht des Besitzers oder Erzeugers bestand, denn bei Vorliegen einer Produktionsabsicht fehle es am Entledigungswillen, mithin am Abfall.[16]
b. Hinsichtlich der an die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstandes angeknüpften verwaltungsrechtlichen Pflichten, hatte das Tatgericht zu seiner Überzeugung festzustellen, ob Abfall – und wenn ja – ob ein solcher zur Verwertung oder zur Beseitigung vorlag. Dabei waren die Ziele des KrW-/AbfG, Abfälle in erster Linie zu vermeiden und in zweiter Linie stofflich zu verwerten, zu berücksichtigen.
Im Ordnungswidrigkeitenverfahren können die in § 3 Abs. 2 und 3 KrW-/AbfG genannten Kriterien „nur als Anhaltspunkt bei der Auslegung und Beweiswürdigung dienen und den positiven Nachweis der Voraussetzungen eines nach § 61 Krw-/AbfG ordnungswidrigen Verhaltens nicht entbehrlich machen. Es bedarf stets der Feststellung von Tatsachen, auf denen die richterliche Überzeugung basiert, dass die Tatobjekte tatsächlich Abfall, insbesondere gewillkürter Abfall gewesen sind, weil sich der Betroffenen ihrer entledigen wollte [vgl. OLG Köln VRS 103, 207], und der die Annahme fahrlässigen oder vorsätzlichen Handelns tragenden Umstände. Diese sind so ausführlich in den Urteilsgründen darzulegen, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung auf Rechtsfehler ermöglicht wird.“[17]
Zutreffend führt der Senat aus, dass eine stoffliche Verwertung i.S.d. § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG nicht stattgefunden hat. Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG beinhaltete die stoffliche Verwertung die Substitution von Rohstoffen durch das Gewinnen von Stoffen aus Abfällen (sekundäre Rohstoffe) oder die Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfälle für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke mit Ausnahme der unmittelbaren Energierückgewinnung. Hier wäre allenfalls eine stoffliche Verwertung in Form der Nutzung von stofflichen Eigenschaften der Abfälle in Betracht gekommen. Eine solche wäre gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG anzunehmen gewesen, wenn nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, unter Berücksichtigung der im einzelnen Abfall bestehenden Verunreinigungen, der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials gelegen hätte.
Letzteres war nach den Feststellungen des Tatgerichts nicht der Fall. Diese legten nahe, dass im vorliegenden Fall die Beseitigung des beim Abbruch des Gebäudes angefallenen, ungetrennten und belasteten Materials und damit des Schadstoffpotentials im Vordergrund stand. Neben der Belastung mit PAK, auf die sich das Tatgericht nicht überwiegend gestützt hat, sprach die Unentgeltlichkeit bei wirtschaftlicher Betrachtung gegen eine Verwertung.
Der Vorgang lässt sich nicht einem in Anhang II B zum KrW-/AbfG genannten Verwertungsverfahren zuordnen[18], wohl aber dem in Anhang II A unter D1 bezeichneten Verfahren der Beseitigung durch „Ablagerungen in oder auf dem Boden (z. B. Deponien usw.)“.
2. Die Ausführungen des Senats zu dem 2012 in Kraft getretenen KrWG[19] und einem abweichenden Abfallbegriff in § 326 StGB geben mit Blick auf jüngere Sachverhalte und solche, die mit den Mitteln des Strafrechts verfolgt werden, Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
a. Die Novellierung des Abfallrechts durch Einführung des KrWG hat keine Änderungen zum Abfallbegriff hervorgebracht. Gemäß § 3 Abs. 1 KrWG sind Abfälle im Sinne dieses Gesetzes alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur Beseitigung. § 3 Abs. 2 KrWG bestimmt, dass eine Entledigung im Sinne des Absatzes 1 anzunehmen ist, wenn der Besitzer Stoffe oder Gegenstände einer Verwertung im Sinne der Anlage 2 oder einer Beseitigung im Sinne der Anlage 1 zuführt oder die tatsächliche Sachherrschaft über sie unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgibt. In § 3 Abs. 3 KrWG enthält weiterhin Vorgaben, wann von einer Entledigung auszugehen ist. Auch nach dem KrWG ist Abfall eine „Belastung, von der sich der Besitzer befreien möchte“.[20]
Auswirkungen auf Fälle, die dem KrWG unterfallen, kann aber die vom Senat angeführte Objektivierung der Kriterien zur Abgrenzung von Abfall zur Verwertung und Abfall zur Beseitigung haben.[21] Insofern wird zumindest zu prüfen sein, ob das KrWG das mildere Gesetz darstellt.
b. Ob der Hinweis des Senats darauf, dass bei Anwendung des § 61 KrW-/AbfG die Bestimmung des Abfallbegriffs nach § 3 KrW-/AbfG und nicht nach § 326 StGB zu erfolgen hat, durch das Verteidigungsvorbringen veranlasst war, wird in der Entscheidung nicht mitgeteilt. Anlass dazu hätte es aus Sicht der Verfasserin sonst nicht gegeben.
Entsprechend verwundert die gleichwohl erfolgte Bezugnahme des Senats auf eine in BGHSt 59, 45 abgedruckte Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH, als ausgeführt wird, was Abfall zur Beseitigung sei, beurteile sich nach dem Zeitpunkt der Beendigung der Tat geltenden Rechtsnormen, normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften und technischen Normen.[22]
Bei strafrechtlich zu beurteilenden Fällen ist zu beachten: Nach der Rechtsprechung des BGH ist der strafrechtliche Abfallbegriff „in Anlehnung an das Abfallverwaltungsrecht selbständig zu bestimmen. (…) Abfall sind danach alle Stoffe und Gegenstände, derer sich der Besitzer durch Beseitigung oder Verwertung entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Diese Definition entspricht dem zur Tatzeit geltenden § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG“[23] (und § 3 KrWG).
Im Schrifttum wird vertreten, dass der strafrechtliche Abfallbegriff durch die allgemeine Wortbedeutung begrenzt sei und es nicht darauf ankomme, ob Abfälle dem Regime des KrW-/AbfG unterworfen sind. § 326 StGB sei „nicht akzessorisch zum KrW-/AbfG.“[24] Überwiegend besteht Einigkeit darin, dass mit dem strafrechtlichen Abfallbegriff jedenfalls keine Akzessorietät in dem Sinne der oben dargestellten widerlegbaren Vermutung in § 3 Krw-/AbfG besteht.[25] Nur „wenn die Entledigung oder der Entledigungswille tatsächlich feststellbar sind, liegt ein Abfall im strafrechtlichen Sinne vor.“[26]
Der Streit Bedeutung erlangen, wenn ein Sachverhalt zugleich den Tatbestand des § 326 StGB und § 61 KrW-/AbfG erfüllt. Die im Abfallrecht vorzunehmende Unterscheidung zwischen Abfällen zur Verwertung oder zur Beseitigung ist für die strafrechtliche Begriffsbestimmung nicht entscheidend.[27] Nach der Novelle des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts einerseits und der Neufassung von § 326 Abs. 1 StGB durch das 45. StÄG vom 06.12.2011[28] behalten die Bußgeldvorschriften des § 69 KrWG „ihre Bedeutung für nichtgefährliche Abfälle“, werden aber – so Fischer[29] – „im Übrigen von § 326 überlagert.“
Abgrenzung von Abfall zur Beseitigung und Abfall zur Verwertung bei der Nutzung von Bauschutt als Recyclingbaustoff für den Bau von Waldwegen
Ordnungswidrige Ablagerung von Abfällen außerhalb einer zugelassenen Anlage, § 61 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG
I. Sachverhalt
1. Der Betroffene war Geschäftsführer und Gesellschafter eines Unternehmens, das im Jahr 2009 den Abbruch eines Gebäudes durchführte. Der dabei angefallene Bauschutt war erkennbar mit Gussasphalt, Kabeln, Steckdosen, Holz, Metallstücken, Gummi, Resten von Bodenbelag, Drahtgeflecht, Styropor und Glaswolle durchsetzt. Zum Teil enthielt das eingebrachte Material auch ungebrochene Ziegelsteine. Der Bauschutt enthielt eine Konzentration an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), Mineralölkohlenwasserstoffen und Sulfat. Das Material wurde in Kenntnis des Betroffenen von Mitarbeitern seiner Unternehmung zur Errichtung bzw. Erneuerung von Waldwegen verwendet. Dem Waldbesitzer entstanden weder für die Anlieferung noch für den Einbau Kosten.
2. Gegen den Betroffenen verhängte das AG Tettnang eine Geldbuße i.H.v. EUR 30.000,– wegen fahrlässiger Beseitigung von Abfällen außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage oder Einrichtung. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wurde dieses Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des AG zurückverwiesen.
3. Nach neuer Verhandlung wurde der Betroffene wegen „fahrlässiger Ablagerung von Abfällen außerhalb einer zugelassenen Abfallbeseitigungsanlage“[1] gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 2, § 27 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG[2] zu einer Geldbuße i.H.v. EUR 5.000,– verurteilt. Hiergegen legte der Betroffene abermals Rechtsbeschwerde ein.
Nach Ansicht des 4. Senats für Bußgeldsachen des OLG Stuttgart war der Schuldspruch nicht zu beanstanden.
II. Gründe
1. Bei dem zur Errichtung von Waldwegen verwendeten Bauschutt habe es sich um Abfall zur Beseitigung i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 2 HS 2 KrW/AbfG gehandelt. Danach seien Abfälle, die nicht verwertet werden, solche zur Beseitigung. Was Abfall zur Beseitigung sei, so der Senat, beurteile sich nach den im Zeitpunkt der Beendigung der Tat geltenden Rechtsnormen, normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften und technischen Normen.[3]
2. Bei der Bestimmung des Begriffs Abfall zur Beseitigung sei die abfallrechtliche Definition heranzuziehen und nicht etwa die des § 326 Abs. 1 StGB.[4] Den im KrW/AbfG enthaltenen Bußgeldtatbeständen liege die abfallrechtliche Definition zugrunde. Zweck von § 61 Abs. 1 Nr. 2 KrW/AbfG sei die Sanktionierung der Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten. Das Abfallrecht wolle sicherstellen, „dass sich die Verantwortlichen entsprechend diesen verwaltungsrechtlichen Pflichten verhalten.“[5]
3. Zwecks Abgrenzung von Abfall zur Verwertung und Abfall zur Beseitigung sei zu prüfen gewesen, ob eine stoffliche Verwertung nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG stattgefunden hat. Es komme darauf an, ob sich „die Nutzung des Abfalles wirtschaftlich als Hauptzweck der Maßnahme darstellt“[6], was anzunehmen sei, „wenn nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, unter Berücksichtigung der im einzelnen Abfall bestehenden Verunreinigungen, der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt.“[7] Im Vordergrund der wertenden Betrachtung stehe die Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der Vorstellungen desjenigen, der die Maßnahme durchführt.[8] Die maßgebliche wirtschaftliche Betrachtungsweise, so der Senat, schließe einerseits das „isolierte Abstellen auf die von den Beteiligten gewählte rechtliche Bezeichnung des Vorgangs aus“, verlange andererseits aber „nicht das alleinige Abstellen auf die ökonomische Vorteilhaftigkeit“. Vielmehr sei eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung unter Berücksichtigung der Ziele des KrW-/AbfG geboten.[9] Eine Schadstoffbelastung hindere die Einstufung als Abfall zur Verwertung nicht von vornherein.[10]
4. Das Tatgericht habe das eingebaute Material nach dieser Maßgabe und vor dem Hintergrund der zum Tatzeitpunkt gültigen Rechtslage zutreffend als Abfall zur Beseitigung qualifiziert. Wenn auch der Einsatz des Bauschutts zum Wegebau zunächst darauf schließen lasse, dass nach dem Willen des Betroffenen ein Verwertungsvorgang vorgelegen haben könnte, habe das Tatgericht bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zutreffend angenommen, dass der Hauptzweck nicht in einer Verwertung bestand.[11] Der Umstand, dass der Waldbesitzer weder für die Anlieferung des Materials noch für den vom Unternehmen des Betroffenen durchgeführten Einbau Kosten zu tragen hatte, deute „mit Gewicht darauf hin, dass hier bei der gebotenen wirtschaftliche Betrachtungsweise die Beseitigung des Schadstoffpotentials erkennbar im Vordergrund stand.“[12]
5. Tathandlung des § 61 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG sei die Ablagerung von Abfall [zur Beseitigung] außerhalb einer zugelassenen Anlage. Dabei bedeute das Ablagern das endgültige Ablegen des Stoffes. Der Einbau des Bauschutts in die Waldwege sei ein solches Ablagern. Das Tatgericht habe die fahrlässig verwirklichte Ordnungswidrigkeit rechtsfehlerfrei begründet.[13]
III. Anmerkung
Dem ist zuzustimmen.
1. Der Abfallbegriff war nach den Vorschriften dieses Gesetzes, nämlich nach § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG zu bestimmen, wonach alle unter Anhang I des Gesetzes fallenden Gegenstände, deren sich der Besitzer entledigen will oder muss, Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts waren.
a. Der verwaltungsrechtliche Abfallbegriff in § 3 KrW-/AbfG hatte eine objektive und eine subjektive Komponente. Der objektive Abfallbegriff bezog sich auf Zwangsabfall im Sinne des § 3 Abs. 4 KrW/AbfG, d.h. auf Sachen, die nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet werden, aufgrund ihres konkreten Zustandes geeignet sind, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt zu gefährden und deren Gefährdungspotential nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung nach den Vorschriften dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ausgeschlossen werden kann. Die subjektive Komponente stellte auf das Entledigenwollen oder das Sich-Entledigen durch den Besitzer ab.
Nach § 3 Abs. 2 KrW/AbfG war eine Entledigung (widerlegbar) zu vermuten, wenn der Besitzer eine bewegliche Sache, einer Verwertung im Sinne des Anhangs II B oder einer Beseitigung im Sinne des Anhangs II A zum KrW/AbfG zugeführt oder die tatsächliche Sachherrschaft über sie unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgegeben hat. Die vorgenannten Entledigungsformen verbindet, „dass der Besitzer die Sache, so wie sie ist, nach Wegfall oder Aufhebung ihres Verwendungszwecks ‚loswerden‘ will“.[14]
Der Wille zur Entledigung ist dem Entledigen zeitlich vorgelagert[15] und war nach § 3 Abs. 3 KrW/AbfG u.a. anzunehmen, wenn Sachen bei der Herstellung, Behandlung oder Nutzung von Stoffen oder Erzeugnissen anfallen, ohne dass der Zweck der Handlung hierauf gerichtet ist (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 KrW/AbfG) oder wenn die ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck an diese Stelle tritt. Aus Sicht des Gesetzgebers war insoweit entscheidend, ob eine Entledigungsabsicht oder eine Produktions- oder Verwertungsabsicht des Besitzers oder Erzeugers bestand, denn bei Vorliegen einer Produktionsabsicht fehle es am Entledigungswillen, mithin am Abfall.[16]
b. Hinsichtlich der an die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstandes angeknüpften verwaltungsrechtlichen Pflichten, hatte das Tatgericht zu seiner Überzeugung festzustellen, ob Abfall – und wenn ja – ob ein solcher zur Verwertung oder zur Beseitigung vorlag. Dabei waren die Ziele des KrW-/AbfG, Abfälle in erster Linie zu vermeiden und in zweiter Linie stofflich zu verwerten, zu berücksichtigen.
Im Ordnungswidrigkeitenverfahren können die in § 3 Abs. 2 und 3 KrW-/AbfG genannten Kriterien „nur als Anhaltspunkt bei der Auslegung und Beweiswürdigung dienen und den positiven Nachweis der Voraussetzungen eines nach § 61 Krw-/AbfG ordnungswidrigen Verhaltens nicht entbehrlich machen. Es bedarf stets der Feststellung von Tatsachen, auf denen die richterliche Überzeugung basiert, dass die Tatobjekte tatsächlich Abfall, insbesondere gewillkürter Abfall gewesen sind, weil sich der Betroffenen ihrer entledigen wollte [vgl. OLG Köln VRS 103, 207], und der die Annahme fahrlässigen oder vorsätzlichen Handelns tragenden Umstände. Diese sind so ausführlich in den Urteilsgründen darzulegen, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung auf Rechtsfehler ermöglicht wird.“[17]
Zutreffend führt der Senat aus, dass eine stoffliche Verwertung i.S.d. § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG nicht stattgefunden hat. Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG beinhaltete die stoffliche Verwertung die Substitution von Rohstoffen durch das Gewinnen von Stoffen aus Abfällen (sekundäre Rohstoffe) oder die Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfälle für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke mit Ausnahme der unmittelbaren Energierückgewinnung. Hier wäre allenfalls eine stoffliche Verwertung in Form der Nutzung von stofflichen Eigenschaften der Abfälle in Betracht gekommen. Eine solche wäre gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG anzunehmen gewesen, wenn nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, unter Berücksichtigung der im einzelnen Abfall bestehenden Verunreinigungen, der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials gelegen hätte.
Letzteres war nach den Feststellungen des Tatgerichts nicht der Fall. Diese legten nahe, dass im vorliegenden Fall die Beseitigung des beim Abbruch des Gebäudes angefallenen, ungetrennten und belasteten Materials und damit des Schadstoffpotentials im Vordergrund stand. Neben der Belastung mit PAK, auf die sich das Tatgericht nicht überwiegend gestützt hat, sprach die Unentgeltlichkeit bei wirtschaftlicher Betrachtung gegen eine Verwertung.
Der Vorgang lässt sich nicht einem in Anhang II B zum KrW-/AbfG genannten Verwertungsverfahren zuordnen[18], wohl aber dem in Anhang II A unter D1 bezeichneten Verfahren der Beseitigung durch „Ablagerungen in oder auf dem Boden (z. B. Deponien usw.)“.
2. Die Ausführungen des Senats zu dem 2012 in Kraft getretenen KrWG[19] und einem abweichenden Abfallbegriff in § 326 StGB geben mit Blick auf jüngere Sachverhalte und solche, die mit den Mitteln des Strafrechts verfolgt werden, Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
a. Die Novellierung des Abfallrechts durch Einführung des KrWG hat keine Änderungen zum Abfallbegriff hervorgebracht. Gemäß § 3 Abs. 1 KrWG sind Abfälle im Sinne dieses Gesetzes alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur Beseitigung. § 3 Abs. 2 KrWG bestimmt, dass eine Entledigung im Sinne des Absatzes 1 anzunehmen ist, wenn der Besitzer Stoffe oder Gegenstände einer Verwertung im Sinne der Anlage 2 oder einer Beseitigung im Sinne der Anlage 1 zuführt oder die tatsächliche Sachherrschaft über sie unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgibt. In § 3 Abs. 3 KrWG enthält weiterhin Vorgaben, wann von einer Entledigung auszugehen ist. Auch nach dem KrWG ist Abfall eine „Belastung, von der sich der Besitzer befreien möchte“.[20]
Auswirkungen auf Fälle, die dem KrWG unterfallen, kann aber die vom Senat angeführte Objektivierung der Kriterien zur Abgrenzung von Abfall zur Verwertung und Abfall zur Beseitigung haben.[21] Insofern wird zumindest zu prüfen sein, ob das KrWG das mildere Gesetz darstellt.
b. Ob der Hinweis des Senats darauf, dass bei Anwendung des § 61 KrW-/AbfG die Bestimmung des Abfallbegriffs nach § 3 KrW-/AbfG und nicht nach § 326 StGB zu erfolgen hat, durch das Verteidigungsvorbringen veranlasst war, wird in der Entscheidung nicht mitgeteilt. Anlass dazu hätte es aus Sicht der Verfasserin sonst nicht gegeben.
Entsprechend verwundert die gleichwohl erfolgte Bezugnahme des Senats auf eine in BGHSt 59, 45 abgedruckte Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH, als ausgeführt wird, was Abfall zur Beseitigung sei, beurteile sich nach dem Zeitpunkt der Beendigung der Tat geltenden Rechtsnormen, normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften und technischen Normen.[22]
Bei strafrechtlich zu beurteilenden Fällen ist zu beachten: Nach der Rechtsprechung des BGH ist der strafrechtliche Abfallbegriff „in Anlehnung an das Abfallverwaltungsrecht selbständig zu bestimmen. (…) Abfall sind danach alle Stoffe und Gegenstände, derer sich der Besitzer durch Beseitigung oder Verwertung entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Diese Definition entspricht dem zur Tatzeit geltenden § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG“[23] (und § 3 KrWG).
Im Schrifttum wird vertreten, dass der strafrechtliche Abfallbegriff durch die allgemeine Wortbedeutung begrenzt sei und es nicht darauf ankomme, ob Abfälle dem Regime des KrW-/AbfG unterworfen sind. § 326 StGB sei „nicht akzessorisch zum KrW-/AbfG.“[24] Überwiegend besteht Einigkeit darin, dass mit dem strafrechtlichen Abfallbegriff jedenfalls keine Akzessorietät in dem Sinne der oben dargestellten widerlegbaren Vermutung in § 3 Krw-/AbfG besteht.[25] Nur „wenn die Entledigung oder der Entledigungswille tatsächlich feststellbar sind, liegt ein Abfall im strafrechtlichen Sinne vor.“[26]
Der Streit Bedeutung erlangen, wenn ein Sachverhalt zugleich den Tatbestand des § 326 StGB und § 61 KrW-/AbfG erfüllt. Die im Abfallrecht vorzunehmende Unterscheidung zwischen Abfällen zur Verwertung oder zur Beseitigung ist für die strafrechtliche Begriffsbestimmung nicht entscheidend.[27] Nach der Novelle des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts einerseits und der Neufassung von § 326 Abs. 1 StGB durch das 45. StÄG vom 06.12.2011[28] behalten die Bußgeldvorschriften des § 69 KrWG „ihre Bedeutung für nichtgefährliche Abfälle“, werden aber – so Fischer[29] – „im Übrigen von § 326 überlagert.“
[1] OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.12.2014, 4 Ss 232/14, Rn. 5 zitiert nach juris.
[10] OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.12.2014, 4 Ss 232/14, Rn. 17, zitiert nach juris, mit Verweis auf VGH Mannheim, Beschluss vom 31.05.1999, 10 S 2766/98, Rn. 23 zitiert nach juris.
[14] Schönke/Schröder-Heine/Hecker, StGB, 29. Auflage 2014, § 326 Rn. 2c zum verwaltungsrechtlichen Abfallbegriff.
[17] KG Berlin, Beschluss vom 02.08.2008, 3 Ws 38/08, 2 Ss 239/07 – 3 Ws (B) 38/08, Rn. 5 zitiert nach juris.
[18] Dazu zählten: R 1 Hauptverwendung als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung, R 2 Rückgewinnung/Regenerierung von Lösemitteln, R 3 Verwertung/Rückgewinnung organischer Stoffe, die nicht als Lösemittel verwendet werden (einschließlich der Kompostierung und sonstiger biologischer Umwandlungsverfahren), R 4 Verwertung/Rückgewinnung von Metallen und Metallverbindungen, R 5 Verwertung/Rückgewinnung von anderen anorganischen Stoffen, R 6 Regenerierung von Säuren und Basen, R 7 Wiedergewinnung von Bestandteilen, die der Bekämpfung der Verunreinigung dienen, R 8 Wiedergewinnung von Katalysatorenbestandteilen, R 9 Ölraffination oder andere Wiederverwendungsmöglichkeiten von Öl, R 10 Aufbringung auf den Boden zum Nutzen der Landwirtschaft oder der Ökologie, R 11 Verwendung von Abfällen, die bei einem der unter R 1 bis R 10 aufgeführten Verfahren gewonnen werden, R 12 Austausch von Abfällen, um sie einem der unter R 1 bis R 11 aufgeführten Verfahren zu unterziehen, R 13 Ansammlung von Abfällen, um sie einem der unter R 1 bis R 12 aufgeführten Verfahren zu unterziehen (ausgenommen zeitweilige Lagerung – bis zum Einsammeln – auf dem Gelände der Entstehung der Abfälle).