Dr. Felix Walther

Auf ein Neues: Der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption

Der Beitrag stellt den von der Bundesregierung im März 2015 vorgelegten „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption“ (BT-Drs. 18/4350) vor. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf den Neuregelungen im Bereich der Bestechung Europäischer, ausländischer und internationaler Amtsträger sowie der Bestechung im geschäftlichen Verkehr.

 

I. Einleitung

Es wird ernst mit der Verschärfung des Korruptionsstrafrechts. Nachdem das Bundesjustizministerium zunächst im Mai vergangenen Jahres einen Referentenentwurf vorgelegt hatte,[1]beschloss das Bundeskabinett am 21. März 2015 einen sachlich unveränderten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption[2]. Der Entwurf versteht sich als Gesetz zur Umsetzung internationaler Rechtsinstrumente zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und internationaler Korruption und sieht neben geringfügigen, durch die EU-Richtlinien über Angriffe auf Informationssysteme bzw. über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt veranlassten Ergänzungen der §§ 202c, 329 StGB weitreichende Änderungen des gesamten Korruptionsstrafrechts vor. Nicht ganz zufällig soll offenbar auch der Entwurfstitel eine Kontinuität mit dem Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997 als der sicherlich bedeutsamsten Novelle der Bestechungstatbestände in der jüngeren Vergangenheit vermitteln. Ebenfalls nicht ganz unerwartet hat der Entwurf bereits eine Reihe von (ganz überwiegend kritischen) Stellungnahmen aus der Wissenschaft[3]wie auch von Interessensgruppen und Verbänden[4] hervorgerufen.

II. Hintergrund des Entwurfs

Vor dem Hintergrund der völker- und unionsrechtlichen Bindungen Deutschlands sowie der jüngsten rechtspolitischen Entwicklungen kann der neue Anlauf aus dem Bundesjustizministerium nicht überraschen.

So hatte die Bundesrepublik bereits in den Jahren 1999 bzw. 2003 das Strafrechtsübereinkommen des Europarats über Korruption[5] sowie die UN Antikorruptionskonvention[6] unterzeichnet, beide aber über ein Jahrzehnt hinweg nicht ratifiziert. Einen ersten Anlauf, diesen zunehmend als unangenehm empfundenen Umstand[7] zu beenden, hatte das Justizministerium bereits im Jahr 2006 unternommen und den „Entwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes“[8] vorgelegt. Freilich verstand sich jener Entwurf als Teil einer Gesamtlösung, der durch einen Parlamentsentwurf zur Neuregelung der Abgeordnetenbestechung ergänzt werden sollte. Da es hierzu jedoch auf Grund innerparlamentarischer Widerstände[9] nicht kam und der veröffentlichte Entwurf in der Fachöffentlichkeit nicht eben begeistert aufgenommen wurde,[10] verfiel er zunächst der Diskontinuität.

Das Umsetzungsdefizit im Bereich der Abgeordnetenbestechung ist nun bekanntlich mit der zum 01.09.2014 in Kraft getretenen Neufassung des § 108e StGB[11] beseitigt worden, so dass mittlerweile das UN-Übereinkommen ratifiziert wurde. Der hier zu besprechende Entwurf steht also unerwarteterweise unter umgekehrten Vorzeichen als sein Vorgänger aus dem Jahr 2006: Während die vermeintlich politisch schwerer durchsetzbare Neuregelung der Abgeordnetenbestechung vollzogen ist, soll nun im Bereich der Amtsträgerkorruption und der Korruption im Geschäftsverkehr nachgezogen werden.

Einen Sonderfall unter den internationalen Vorgaben stellt schließlich der EU-Rahmenbeschluss zur Bestechung im privaten Sektor dar. Zum einen betrifft dieser ausschließlich die Bestechungstatbestände im geschäftlichen Verkehr. Zum anderen handelt sich hierbei um das einzige inter- bzw. supranationale Rechtsinstrument, das ohne weiteren Ratifizierungsakt aus sich heraus verbindlich ist. Insoweit stellt seine Umsetzung denn auch weniger eine rechtspolitische Opportunität als vielmehr eine normative Notwendigkeit dar. Dementsprechend begründet der Entwurf die beabsichtigte Änderung von § 299 StGB auch ausdrücklich mit einem Verweis auf den Rahmenbeschluss.[12]

 

III. Inhalt des Entwurfs

Inhaltlich entspricht der aktuelle Entwurf weitgehend dem Vorgängerentwurf aus dem Jahr 2006, geht aber teilweise sogar über diesen hinaus. Er lässt sich unterteilen in Bestimmungen zur Korruption von bzw. gegenüber sog. Europäischen Amtsträgern (dazu 1.), internationalen und ausländischen Amtsträgern (dazu 2.) sowie zu Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (dazu 3.). Erwähnenswert sind auch die zahlreichen (Folge-) Änderungen im Strafanwendungsrecht sowie beim Geldwäschetatbestand, auf die ebenfalls einzugehen sein wird.

1. Korruption unter Beteiligung Europäischer Amtsträger

Für Bestechungshandlungen von und gegenüber öffentlich Bediensteten ausländischer Staaten und supranationaler Organisationen sind die §§ 331 ff. StGB bisher nur über die Verweisungen des IntBestG und des EUBestG anwendbar. Der Entwurf will diese Bestimmungen in das Kernstrafrecht überführen.

a) Legaldefinition für Europäische Amtsträger

Hierzu soll zunächst ein neuer § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB geschaffen werden, der eine Legaldefinition für sog. „Europäische Amtsträger“ enthält. Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, sind hiermit nicht Amtsträger anderer EU-Mitgliedstaaten gemeint. Vielmehr sollen hierunter Mitglieder der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Rechnungshofs, Richter der Europäischen Gerichtshöfe, Unionsbeamte und -bedienstete sowie Personen, die „mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Union oder deren Einrichtungen beauftragt sind“, zu verstehen sein. In der Sache handelt es sich hierbei um den Personenkreis, der bisher von Art. 2 § 1 Abs. 1 EUBestG erfasst war.[13]Für den deutschen Rechtsanwender von Bedeutung ist, dass Bedienstete des Europäischen Patentamts in München weiterhin nicht erfasst sind, da es sich hier um eine auf zwischenstaatlicher Grundlage[14] geschaffene Einrichtung handelt. Auch die Mitglieder des Europäischen Rats der Staats- und Regierungschefs (Art. 15 EUV) und des (Minister-) Rats (Art. 16 EUV) stehen zur Union in keinem Beamten- oder Auftragsverhältnis. Schutzlücken sind insoweit nicht zu besorgen, da der Personenkreis von den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erfasst ist. Für Abgeordnete des Europaparlaments gilt ohnehin § 108e Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 StGB als Spezialvorschrift.

b) Erweiterung der §§ ff. StGB

Um einen Verweis auf den „Europäischen Amtsträger“ erweitert werden sollen die §§ 331 bis 334 StGB. Dies bringt sowohl im Verhältnis zur geltenden Rechtslage wie auch zum Entwurf von 2006 einige Neuerungen mit sich. Während nämlich Art. 2 § 1 Nr. 1 EUBestG lediglich die Bestechlichkeit und Bestechung im Hinblick auf eine künftige konkrete Diensthandlung erfasst, sollen Europäische Amtsträger nun ohne jede Einschränkung deutschen Amtsträgern auch im Rahmen der Vorteilsannahme und -gewährung gleichgestellt werden. Der Regierungsentwurf begründet diese Gleichsetzung mit der „inzwischen noch weiter fortgeschrittenen Integration Deutschlands in die Europäische Union“, der Notwendigkeit des Schutzes der finanziellen Interessen der Union sowie damit, dass die Union nicht selbst die notwendigen Strafvorschriften erlassen könne.[15] Dies trifft zu[16] und überzeugt auch in der Sache, zumal das originäre Eigeninteresse Deutschlands an einer funktionierenden europäischen Verwaltung in Anbetracht der aktuellen politischen Entwicklung mehr als offensichtlich ist.

c) Auslandstaten

Die Neuerungen im Bereich der §§ 331 ff. StGB führen auch zu einer Ausweitung des territorialen Geltungsbereichs deutschen Strafrechts. In Übernahme der Regelung aus Art. 2 § 2 EUBestG sollen nach einem neu gefassten § 5 Nr. 15 StGB nunmehr Taten nach §§ 331, 332 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB erfasst sein, wenn der Täter Deutscher ist oder seine Dienststelle im Inland hat. Für aktive Bestechungstaten gilt gleiches, wenn der Vorteilsgeber Deutscher ist oder der (ausländische) Täter die Zuwendung einem Europäischen Amtsträger deutscher Staatsangehörigkeit macht. Für eine Bestrafung des Gebers nicht ausreichend wäre hingegen, dass der (ausländische) Empfänger einer EU-Institution in Deutschland angehört, wobei hier freilich häufig §§ 3, 9 StGB die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts begründen werden.

2. Korruption unter Beteiligung ausländischer und internationaler Amtsträger – der neue § 335a StGB

a) Überblick

Bestechungskonstellationen unter Beteiligung von Bediensteten ausländischer Staaten und sonstiger internationaler Organisationen werden bekanntlich durch das IntBestG erfasst, das es immerhin bereits zu einigen höchstrichterlichen Stellungnahmen[17] gebracht hat und nun ebenfalls weitgehend in das StGB integriert werden soll. Anders als bei den Europäischen Amtsträgern soll hier freilich keine vollständige Gleichstellung mit nationalen Amtsträgern vorgenommen, was letztlich zu einer diffizilen und nur schwer durchschaubaren Gleichstellungsregelung in einem neuen § 335a StGB führt.

b) Taugliche Täter und Vorteilsempfänger

aa) Ausländische und internationale Amtsträger

Von eher geringer Praxisrelevanz dürfte zunächst § 335a Abs. 2 StGB sein, der – ohne sachliche Änderung der bisherigen Rechtslage[18] – Richter und Bedienstete des Internationalen Strafgerichtshofs für die Zwecke der §§ 331 ff. StGB vollumfänglich deutschen Amtsträgern gleichstellt. Eine Gleichstellung von in Deutschland tätigen NATO-Streitkräften soll gemäß § 335a Abs. 3 (sowie Abs. 1 Nr. 2 lit. c) lediglich bzgl. aktiven Bestechungshandlungen stattfinden.Dies entspricht der bisherigen Rechtslage (§ 1 Abs. 2 Nr. 10 NATO-Truppen-SchutzG).

Zündstoff birgt hingegen zweifelsohne der geplante neue § 335a Abs. 1 StGB, der im Hinblick auf § 332 und § 334 StGB und bei Taten, die sich auf eine künftige Handlung beziehen, Bedienstete ausländischer Staaten und internationaler Organisationen deutschen Amtsträgern gleichstellt. Taugliche Vorteilsempfänger sind zunächst Richter eines ausländischen Staates und eines internationalen Gerichts, Bedienstete eines ausländischen Staates oder einer internationalen Organisation sowie Personen, die beauftragt sind, für einen ausländischen Staat oder eine internationale Organisation (öffentliche) Aufgaben wahrzunehmen. Schließlich sind Soldaten, die für einen ausländischen Staat oder eine internationale Organisation tätig sind, erfasst.

Zwar lehnt sich Gesetzeswortlaut insoweit offenkundig an die bisherigen Formulierungen in Art. 2 § 1 IntBestG an und enthält auf den ersten Blick auch keine sachlichen Neuerungen. Jedoch erscheinen Auslegungsschwierigkeiten hier vorprogrammiert. Während sich das IntBestG nämlich als Umsetzungsgesetz alleine der OECD-Konvention zur Bekämpfung der Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr verstand und der Amtsträgerbegriff dementsprechend unter Rückgriff auf den sog. autonomen Amtsträgerbegriff der Konvention auszulegen war,[19]sollen mit § 335a Abs. 1 StGB ausweislich der Entwurfsbegründung[20]die Vorgaben der UN-Konvention, des Europaratsübereinkommens und der OECD-Konvention umgesetzt werden, die im Rahmen einer völkerrechtskonformen Auslegung gleichrangig nebeneinander zu berücksichtigen sind. Soweit Amtsträger anderer EU-Staaten betroffen sind, ersetzt die Regelung außerdem Art. 2 § 1 Abs. 1 EUBestG, so dass daneben die diesbezüglichen Vorgaben der EU im Rahmen einer unionsrechtskonformen Auslegung zu beachten sind.

Da diese Vorgaben teils autonome Definitionen enthalten, teils auf das Recht des Heimatstaates des Amtsträgers abstellen, sind sie letztlich nicht miteinander in Einklang zu bringen.[21]Hier rächt sich zum Leidwesen der Normunterworfenen und Rechtsanwender, dass die Verhandlungen auf internationaler Ebene gänzlich unkoordiniert vonstattengingen[22]und jede Institution einen anderen politstrategischen Ansatz bei der Korruptionsbekämpfung (Chancengleichheit im wirtschaftlichen Wettbewerb, Herstellung eines einheitlichen Rechtsraums, Erleichterung der Rechtshilfe, umfassende Good Governance) verfolgte.

Sollte der Entwurf ohne weitere Änderung in der vorliegenden Form Gesetz werden, kann eine pragmatische Lösung auf Rechtsanwendungseben m.E. nur so aussehen, dass im Grundsatz von der autonomen Begriffsdefinition der Konventionen von UN und OECD auszugehen ist. Daneben muss aber die Amtsträgerstellung nach dem Heimatrecht des Vorteilsempfängers notwendige (wenn auch nicht hinreichende) Voraussetzung für die Amtsträgerstellung i.S.d. § 335a StGB sein.[23] Wenn es der Gesetzgeber nämlich ernst meint mit dem Schutz der Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und des Vertrauens der Öffentlichkeit in diese Lauterkeit als neues Schutzgut von § 335a i.V.m. §§ 332, 334 StGB,[24] so erscheint eine Pönalisierung, die über das Heimatrecht hinausgeht, schlechterdings sinnlos.

bb) Und was passiert mit den ausländischen und internationalen Abgeordneten?

Der Entwurf will des Weiteren die sachlich-rechtlichen und strafanwendungsrechtlichen Vorschriften des IntBestG zur Bestechung ausländischer und internationaler Abgeordneter (Art. 2 § 2, § 3 Ziff. 2) beibehalten. Damit steht fest, dass die aktive Bestechung ausländischer und internationaler Abgeordneter sowohl nach § 108e StGB Abs. 3 Nrn. 5, 6 n.F. als auch – in eingeschränkterem Umfang – gemäß Art. 2 § 2 IntBestG strafbar sein kann – ein Umstand, den der Gesetzgeber im Zuge der Erweiterung von § 108e StGB mit den „Besonderheiten der Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr“ und den von § 108e StGB n.F. vermeintlich nicht vollständig abgedeckten – Vorgaben der OECD-Konvention begründet hatte.[25]Daneben ließe sich selbst daran denken, ausländische und internationale Parlamentarier nun auch unter den geplanten § 335a Abs. 1 Nr. 2 lit. a/b StGB („Person, die beauftragt ist, öffentliche Aufgaben [bzw. Aufgaben einer internationalen Organisation] wahrzunehmen“) zu fassen. Denn Art. 1 Abs. 4 lit. a der OECD-Konvention und die Mehrheit der ausländische Rechtsordnungen, als für die Auslegung des § 335a StGB in Frage kommende Referenzen, sehen diese Personen bekanntlich als „Amtsträger“ an. Trotz der neu gefassten Gesetzessystematik[26] wird man einem solchen Verständnis jedoch nicht folgen können. Hierfür streitet nicht nur, dass diese Personen in der Entwurfsbegründung mit keinem Wort erwähnt werden, sondern auch der Charakter von § 108e StGB als lex specialis.

c) Reichweite des Bestechungsverbots

Bestechungshandlungen unter Beteiligung ausländischer Amtsträger sollen nach § 335a Abs. 1 StGB auch im Übrigen in deutlich erweiterten Umfang kriminalisiert werden.

So soll anders als nach bisheriger Rechtslage (vgl. Art. 2 § 1 IntBestG) nicht mehr nur die Bestechung (§ 334 StGB), die sich auf eine künftige Handlung und die Erlangung eines Auftrags oder unbilligen Vorteils im internationalen Geschäftsverkehr bezieht, strafbar sein. Vielmehr erfolgt die Gleichstellung nunmehr auch für alle Taten nach § 332 und § 334 StGB, die sich auf (irgend-) ein künftiges Verhalten beziehen. Damit werden zum einen passive Bestechungstaten ausländischer und internationaler Amtsträger vom deutschen Strafrecht erfasst. Zum anderen werden transnationale Bestechungshandlungen außerhalb des Wirtschaftsverkehrs (z.B. von Touristen oder auch Entwicklungshelfern) erfasst. Weitgehend straffrei bleiben hingegen weiterhin sog. Beschleunigungszahlungen („facilitation payments“), die regelmäßig[27] lediglich als Vorteilsgewährung (im Sinne des StGB) strafbar sind.

Diese Neuerungen stellen sicherlich eine neue – hauptsächlich durch die Vorgaben des Europarats erzwungene[28] – Höhenmarke der Internationalisierung der Korruptionsbekämpfung dar. Die Entwurfsverfasser erkennen denn auch, dass sich diese Ausweitung der Kriminalisierung nicht mehr mit der Sicherung der Chancengleichheit im internationalen Wettbewerb rechtfertigen lässt. Vielmehr soll es nunmehr – in Anknüpfung an die Erläuterungen zum Europaratsübereinkommen[29] – auf den Schutz der Lauterkeit des ausländischen (!) öffentlichen Dienstes und des Vertrauens der (ausländischen?) Öffentlichkeit in diese Lauterkeit ankommen. Dass diese Gleichstellung alles andere als unproblematisch ist, erkennt die Entwurfsbegründung implizit an (der Schutzgedanke gelte „wenn auch eingeschränkt“), zumal dann konsequenterweise – wie in Art. 5 des Europaratsübereinkommens grds. vorgesehen – eigentlich eine vorbehaltlose Anwendung der §§ 331 ff. StGB auf alle aktiven und passiven Bestechungstaten unter Beteiligung ausländischer Amtsträger angezeigt wäre.

d) Auslandstaten

Eine gewisse Relativierung erfährt die Ausdehnung der Kriminalisierung von Bestechungshandlungen unter Beteiligung ausländischer Amtsträger dadurch, dass Auslandstaten – die den Großteil der fraglichen Fälle ausmachen werden – weiterhin nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in den Geltungsbereich deutschen Strafrechts fallen.

Entsprechend dem weiteren Anwendungsbereich des neuen § 335a StGB sollen gemäß des neuen § 5 Nr. 15 a/d StGB Auslandstaten ohne Rücksicht auf das Tatortrecht strafbar sein, wenn der Täter oder der Empfänger zur Tatzeit Deutscher ist. Damit sind wie schon bisher (vgl. Art. 2 § 3 IntBestG/Art. 2 § 2 EUBestG) zunächst aktive Bestechungstaten deutscher Staatsangehöriger erfasst. Daneben werden nunmehr aber auch aktive Bestechungstaten von Ausländern gegenüber ausländischen bzw. internationalen Amtsträgern deutscher Staatsangehörigkeit[30] sowie die Bestechlichkeit letztgenannter Personen[31] erfasst – und dies ohne das Erfordernis der (doppelten) Strafbarkeit am ausländischen Tatort oder zumindest im Herkunftsstaat des Amtsträgers.

Die beschriebene Ausweitung deutscher Strafgewalt auf Auslandstaten und den Schutz genuin ausländischer Rechtsgüter hat sowohl im Hinblick auf ihre Verfassungs- und Völkerrechtskonformität als auch die Praktikabilität transnationaler Strafverfolgung bereits vielfältig Kritik erfahren.[32]Auffällig ist jedenfalls die systematisch verfehlte Verortung dieser Fälle in § 5 StGB unter der Überschrift „Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter“. Denn dass die Lauterkeit der Verwaltung eines ausländischen Staates oder einer internationalen Organisation ein inländisches Rechtsgut sei, behauptet nicht einmal der Entwurf. Der Regierungsentwurf aus dem Jahre 2007 hatte daher für § 5 StGB die Überschrift „Auslandstaten mit besonderem Inlandsbezug“ gewählt[33], was jedenfalls die systematischen Unstimmigkeiten abmildern würde (nicht aber die hinter ihnen stehenden kriminalpolitischen und völkerrechtlichen Bedenken gegen eine derartige Ausweitung deutscher Strafgewalt).

3. Erweiterung von § 299 StGB[34]

Wie bereits bei den Vorgängerentwürfen aus den Jahren 2006/2007 zu beobachten,[35] haben die geplanten Erweiterungen von § 299 StGB das bei weitem größte Echo in der Fachöffentlichkeit erfahren. Angesichts der furiosen Karriere der Vorschrift in Wissenschaft und Praxis verwundert dies nicht.

a) Terminologische Anpassung an das UWG

Während zumeist die Erweiterung der Unrechtsvereinbarung um das sog. Geschäftsherrenmodell thematisiert wird (dazu unten b)), finden sich durchaus noch weitere zunächst unscheinbar erscheinende Änderungen. So wird zunächst in Anknüpfung an die moderne wettbewerbsrechtliche Terminologie der Begriff des „geschäftlichen Betriebs“ durch den des „Unternehmens“ ersetzt. Die Entwurfsbegründung äußert insoweit, dass damit keine sachliche Änderung zum bisherigen Rechtszustand beabsichtigt sei und beispielsweise am Wirtschaftsverkehr teilnehmende Behörden ebenfalls erfasst seien.[36] Schon dieses Beispiel legt freilich einen gewissen Schwachpunkt der Anknüpfung an die Terminologie des UWG offen. Dort wird der Unternehmensbegriff nämlich bedenkenlos auf beinahe sämtliche Teilnehmer des Wirtschaftsverkehr außerhalb des rein privaten oder rein hoheitlichen Handelns ausgedehnt[37]– was zwar im Sinne der Schutzzwecktrias nach § 2 UWG liegen mag, aber im Hinblick auf das strafrechtliche Analogieverbot doch arg bedenklich ist.

Daneben soll der Begriff der „gewerblichen Leistungen“ durch den der „Dienstleistungen“ ersetzt werden. Damit würde zwar der seit langem schwelende Streit, ob § 299 StGB auch Bestechungshandlungen im Zusammenhang mit Leistungen von Trägern freier Berufe erfasst, entschieden. Jedoch hat auch hier die unbesehen Übernahme der wettbewerbsrechtlichen Terminologie bereits zu Unstimmigkeiten geführt. Der Entwurf sieht nämlich auch eine entsprechende Anpassung von § 298 StGB vor. Der Bundesrat hat insoweit darauf aufmerksam gemacht, dass das GWB als Bezugsgesetz von § 298 StGB zumindest an einer Stelle (§ 99 GWB) zwischen Bau- und Dienstleistungen unterscheide, so dass in der Tat eine einschränkende Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals in § 298 StGB in Betracht käme.[38]

b) Umgestaltung der Unrechtsvereinbarung

In Umsetzung insbesondere des EU-Rahmenbeschlusses sieht der Entwurf eine bereits vielfach kommentierte Erweiterung der Unrechtsvereinbarung von § 299 StGB vor. Während nach einer ersten Tatbestandsalternative die Zuwendung weiterhin eine Bevorzugung im (in- oder ausländischen) Wettbewerb bezwecken muss, soll es nach einem neuen § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB darauf ankommen, dass der Empfänger als Gegenleistung für die Zuwendung „seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze“. In beiden Fällen muss ein Zusammenhang zum „Bezug von Waren oder Dienstleistungen“ bestehen.

Mit dieser weitergehenden Kriminalisierung soll nach Ansicht des Entwurfsverfassers „der Schutz der Interessen des Geschäftsherrn an der loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pflichten durch seine Angestellten und Beauftragten im Bereich des Austauschs von Waren oder Dienstleistungen“[39]erreicht werden. Dieses sog. Geschäftsherrenmodell[40] liegt in der Tat den internationalen Vorgaben (mit) zu Grunde und befindet sich dementsprechend auch im internationalen Rechtsvergleich auf dem Vormarsch.[41]

Die hieran ansetzende Kritik – insbesondere unter den Aspekten des Bestimmtheitsgebots, des Parlamentsvorbehalts, der Verhältnismäßigkeit und der systematischen Stringenz im Verhältnis zum Untreuetatbestand – ist bekannt und soll an dieser Stelle nicht wiederholt werden.[42]Bedauerlich und überraschend ist jedenfalls, dass der Entwurf trotz achtjähriger „Bedenkzeit“ auf die durchaus massiven Kritikpunkte und Alternativlösungen aus dem Schrifttum mit keinem Wort eingeht, sondern sich darauf beschränkt, den Vorgängervorschlag aus dem Jahr 2006 in unveränderter Form (mit beinahe wortlautgleicher Entwurfsbegründung[43]) vorzulegen.

c) Weitere Änderungen

§ 299 StGB soll auch künftig relatives Antragsdelikt bleiben. Entsprechend der beabsichtigten Änderungen in § 299 StGB sieht der Entwurf aber für § 301 Abs. 2 StGB Folgeänderungen bzgl. des Kreises der Strafantragsberechtigten vor.

Für schon bisher unter § 299 StGB fallende Taten wird wie bisher den Verbänden und Kammern i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 und 4 UWG ein Antragsrecht eingeräumt. Das Strafantragsrecht der Mitbewerber soll aus § 77 Abs. 1 StGB folgen.[44]Für die neu ins Gesetz aufgenommenen Fälle der § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB, in denen es auf die Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen ankommt, sollen hingegen weder Mitbewerber noch Interessensverbände oder Kammern ein Antragsrecht haben. Auch insoweit wird deutlich, dass nach dem Verständnis der Entwurfsverfasser diese Tatbestandsalternative alleine den Geschäftsherrn schützen soll, dem als „Verletzten“ gemäß § 77 Abs. 1 StGB auch ein Strafantragsrecht zukommt.

Gestrichten werden soll schließlich § 299 Abs. 3 StGB, der redaktionell in die beiden ersten Absätze integriert wird. Interessanterweise ist zwar für Auslandsfälle der Bestechung im Geschäftsverkehr keine direkte Erweiterung der §§ 3 ff. StGB geplant. Von Bedeutung ist aber, dass in den Fällen des § 229 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB die Herkunft des Anstellungsunternehmens grundsätzlich keine Rolle spielt, soweit nur ein Anknüpfungspunkt nach den § 3 ff. StGB vorliegt. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass Individualinteressen unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Betroffenen geschützt werden.[45]

4. Erweiterung von § 261 StGB

Vor allem für Verpflichtete i.S.v. § 2 GwG sowie für Institute i.S.d. KWG von Interesse sein dürfte die beabsichtigte Ausweitung des Vortatenkatalogs des Geldwäschetatbestandes, die zu einer entsprechenden Überprüfung und Anpassung der spezialgesetzlichen Sorgfalts- und Anzeigepflichten zwingen könnte.

So soll nach dem Regierungsentwurf zunächst § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. a StGB auf Taten nach §§ 332, 334 jeweils i.V.m. § 335a StGB ausgeweitet werden. Im Hinblick auf die hier interessierenden internationalen Korruptionsfälle stellt also – anders als bisher[46] – nunmehr auch die Bestechlichkeit Europäischer und internationaler bzw. ausländischer Amtsträger eine taugliche Vortat dar. Daneben führt die erweiterte Fassung des § 335a StGB ohne Bezugnahme auf den internationalen Geschäftsverkehr auch zu einer weitergehenden Erfassung aktiver Bestechungstaten gegenüber dem genannten Personenkreis.

Neu ist die Einfügung von § 299 StGB in den Vortatenkatalog des § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 lit. a StGB, so dass jetzt auch die Korruption im Geschäftsverkehr vortattauglich ist. Zu konstatieren ist damit, dass § 299 StGB einerseits weiterhin als relatives Antragsdelikt und Privatklagedelikt ausgestaltet ist, andererseits aber doch als schwerwiegend genug für den Geldwäschekatalog angesehen wird. Ein gewisser Wertungswiderspruch ist hier nicht von der Hand zu weisen, wenn dieser auch dadurch relativiert wird, dass nur gewerbs- oder bandenmäßig begangene Korruptionstaten erfasst sind.

Da gemäß § 261 Abs. 8 StGB auch Auslandstaten (bei – freilich regelmäßig gegebener – Tatortstrafbarkeit) vortattauglich sind, haben schließlich auch die (verbliebenen) strafanwendungsrechtlichen Restriktionen für Korruptionsfälle mit Auslandsbezug im Geldwäschezusammenhang keine Bedeutung. Vielmehr stellen die in §§ 299, 331 ff. StGB beschriebenen Bestechungshandlungen unabhängig vom Tatort und der Erfassung nach den §§ 3 ff. StGB taugliche Vortaten dar.

IV. Ausblick

Dass der hier vorgestellte Entwurf das Schicksal seines Vorgängers aus dem Jahre 2006 teilen wird, ist nicht ernsthaft zu erwarten. Der internationale und unionsrechtliche Umsetzungsdruck auf Deutschland ist nochmals deutlich angewachsen, so dass ein Aussitzen weder politisch noch rechtlich möglich oder opportun erscheint. Es kommt hinzu, dass offensichtlich ein politischer Umsetzungswille über die Parteigrenzen hinweg vorhanden ist, zumal nach der Ausweitung der Abgeordnetenbestechung das größte politische Umsetzungshindernis entfallen ist.

Dies ändert freilich nichts an der Berechtigung mancher Kritik an den vorgeschlagenen Änderungen insbesondere im Bereich der Bestechung ausländischer Amtsträger und des § 299 StGB. Hierbei handelt es sich gerade um die „neuralgischen Punkte“, bei denen die Diskrepanzen zwischen den internationalen Vorgaben und dem aktuellen deutschen Rechtszustand (aber auch dem überkommenen deutschen Verständnis einer rationalen Kriminalpolitik) besonders deutlich werden. Jedoch müssen sich die Kritiker auch fragen lassen, weswegen sie ihre Bedenken nicht zu einem Zeitpunkt angemeldet haben, als noch mit größeren Erfolgsaussichten Einfluss auf die politische Gestaltung genommen werden konnte – nämlich bei der Ausarbeitung der internationalen Vorgaben.

Die Beratungs- und Verteidigungspraxis tut indes gut daran, sich mit den vorgestellten Änderungen vertraut zu machen, zumal diese ohnehin dem Rechtszustand in den meisten anderen europäischen Ländern entsprechen.

 

Der Beitrag stellt den von der Bundesregierung im März 2015 vorgelegten „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption“ (BT-Drs. 18/4350) vor. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf den Neuregelungen im Bereich der Bestechung Europäischer, ausländischer und internationaler Amtsträger sowie der Bestechung im geschäftlichen Verkehr.

 

I. Einleitung

Es wird ernst mit der Verschärfung des Korruptionsstrafrechts. Nachdem das Bundesjustizministerium zunächst im Mai vergangenen Jahres einen Referentenentwurf vorgelegt hatte,[1]beschloss das Bundeskabinett am 21. März 2015 einen sachlich unveränderten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption[2]. Der Entwurf versteht sich als Gesetz zur Umsetzung internationaler Rechtsinstrumente zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und internationaler Korruption und sieht neben geringfügigen, durch die EU-Richtlinien über Angriffe auf Informationssysteme bzw. über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt veranlassten Ergänzungen der §§ 202c, 329 StGB weitreichende Änderungen des gesamten Korruptionsstrafrechts vor. Nicht ganz zufällig soll offenbar auch der Entwurfstitel eine Kontinuität mit dem Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997 als der sicherlich bedeutsamsten Novelle der Bestechungstatbestände in der jüngeren Vergangenheit vermitteln. Ebenfalls nicht ganz unerwartet hat der Entwurf bereits eine Reihe von (ganz überwiegend kritischen) Stellungnahmen aus der Wissenschaft[3]wie auch von Interessensgruppen und Verbänden[4] hervorgerufen.

II. Hintergrund des Entwurfs

Vor dem Hintergrund der völker- und unionsrechtlichen Bindungen Deutschlands sowie der jüngsten rechtspolitischen Entwicklungen kann der neue Anlauf aus dem Bundesjustizministerium nicht überraschen.

So hatte die Bundesrepublik bereits in den Jahren 1999 bzw. 2003 das Strafrechtsübereinkommen des Europarats über Korruption[5] sowie die UN Antikorruptionskonvention[6] unterzeichnet, beide aber über ein Jahrzehnt hinweg nicht ratifiziert. Einen ersten Anlauf, diesen zunehmend als unangenehm empfundenen Umstand[7] zu beenden, hatte das Justizministerium bereits im Jahr 2006 unternommen und den „Entwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes“[8] vorgelegt. Freilich verstand sich jener Entwurf als Teil einer Gesamtlösung, der durch einen Parlamentsentwurf zur Neuregelung der Abgeordnetenbestechung ergänzt werden sollte. Da es hierzu jedoch auf Grund innerparlamentarischer Widerstände[9] nicht kam und der veröffentlichte Entwurf in der Fachöffentlichkeit nicht eben begeistert aufgenommen wurde,[10] verfiel er zunächst der Diskontinuität.

Das Umsetzungsdefizit im Bereich der Abgeordnetenbestechung ist nun bekanntlich mit der zum 01.09.2014 in Kraft getretenen Neufassung des § 108e StGB[11] beseitigt worden, so dass mittlerweile das UN-Übereinkommen ratifiziert wurde. Der hier zu besprechende Entwurf steht also unerwarteterweise unter umgekehrten Vorzeichen als sein Vorgänger aus dem Jahr 2006: Während die vermeintlich politisch schwerer durchsetzbare Neuregelung der Abgeordnetenbestechung vollzogen ist, soll nun im Bereich der Amtsträgerkorruption und der Korruption im Geschäftsverkehr nachgezogen werden.

Einen Sonderfall unter den internationalen Vorgaben stellt schließlich der EU-Rahmenbeschluss zur Bestechung im privaten Sektor dar. Zum einen betrifft dieser ausschließlich die Bestechungstatbestände im geschäftlichen Verkehr. Zum anderen handelt sich hierbei um das einzige inter- bzw. supranationale Rechtsinstrument, das ohne weiteren Ratifizierungsakt aus sich heraus verbindlich ist. Insoweit stellt seine Umsetzung denn auch weniger eine rechtspolitische Opportunität als vielmehr eine normative Notwendigkeit dar. Dementsprechend begründet der Entwurf die beabsichtigte Änderung von § 299 StGB auch ausdrücklich mit einem Verweis auf den Rahmenbeschluss.[12]

 

III. Inhalt des Entwurfs

Inhaltlich entspricht der aktuelle Entwurf weitgehend dem Vorgängerentwurf aus dem Jahr 2006, geht aber teilweise sogar über diesen hinaus. Er lässt sich unterteilen in Bestimmungen zur Korruption von bzw. gegenüber sog. Europäischen Amtsträgern (dazu 1.), internationalen und ausländischen Amtsträgern (dazu 2.) sowie zu Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (dazu 3.). Erwähnenswert sind auch die zahlreichen (Folge-) Änderungen im Strafanwendungsrecht sowie beim Geldwäschetatbestand, auf die ebenfalls einzugehen sein wird.

1. Korruption unter Beteiligung Europäischer Amtsträger

Für Bestechungshandlungen von und gegenüber öffentlich Bediensteten ausländischer Staaten und supranationaler Organisationen sind die §§ 331 ff. StGB bisher nur über die Verweisungen des IntBestG und des EUBestG anwendbar. Der Entwurf will diese Bestimmungen in das Kernstrafrecht überführen.

a) Legaldefinition für Europäische Amtsträger

Hierzu soll zunächst ein neuer § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB geschaffen werden, der eine Legaldefinition für sog. „Europäische Amtsträger“ enthält. Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, sind hiermit nicht Amtsträger anderer EU-Mitgliedstaaten gemeint. Vielmehr sollen hierunter Mitglieder der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Rechnungshofs, Richter der Europäischen Gerichtshöfe, Unionsbeamte und -bedienstete sowie Personen, die „mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Union oder deren Einrichtungen beauftragt sind“, zu verstehen sein. In der Sache handelt es sich hierbei um den Personenkreis, der bisher von Art. 2 § 1 Abs. 1 EUBestG erfasst war.[13]Für den deutschen Rechtsanwender von Bedeutung ist, dass Bedienstete des Europäischen Patentamts in München weiterhin nicht erfasst sind, da es sich hier um eine auf zwischenstaatlicher Grundlage[14] geschaffene Einrichtung handelt. Auch die Mitglieder des Europäischen Rats der Staats- und Regierungschefs (Art. 15 EUV) und des (Minister-) Rats (Art. 16 EUV) stehen zur Union in keinem Beamten- oder Auftragsverhältnis. Schutzlücken sind insoweit nicht zu besorgen, da der Personenkreis von den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erfasst ist. Für Abgeordnete des Europaparlaments gilt ohnehin § 108e Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 StGB als Spezialvorschrift.

b) Erweiterung der §§ ff. StGB

Um einen Verweis auf den „Europäischen Amtsträger“ erweitert werden sollen die §§ 331 bis 334 StGB. Dies bringt sowohl im Verhältnis zur geltenden Rechtslage wie auch zum Entwurf von 2006 einige Neuerungen mit sich. Während nämlich Art. 2 § 1 Nr. 1 EUBestG lediglich die Bestechlichkeit und Bestechung im Hinblick auf eine künftige konkrete Diensthandlung erfasst, sollen Europäische Amtsträger nun ohne jede Einschränkung deutschen Amtsträgern auch im Rahmen der Vorteilsannahme und -gewährung gleichgestellt werden. Der Regierungsentwurf begründet diese Gleichsetzung mit der „inzwischen noch weiter fortgeschrittenen Integration Deutschlands in die Europäische Union“, der Notwendigkeit des Schutzes der finanziellen Interessen der Union sowie damit, dass die Union nicht selbst die notwendigen Strafvorschriften erlassen könne.[15] Dies trifft zu[16] und überzeugt auch in der Sache, zumal das originäre Eigeninteresse Deutschlands an einer funktionierenden europäischen Verwaltung in Anbetracht der aktuellen politischen Entwicklung mehr als offensichtlich ist.

c) Auslandstaten

Die Neuerungen im Bereich der §§ 331 ff. StGB führen auch zu einer Ausweitung des territorialen Geltungsbereichs deutschen Strafrechts. In Übernahme der Regelung aus Art. 2 § 2 EUBestG sollen nach einem neu gefassten § 5 Nr. 15 StGB nunmehr Taten nach §§ 331, 332 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB erfasst sein, wenn der Täter Deutscher ist oder seine Dienststelle im Inland hat. Für aktive Bestechungstaten gilt gleiches, wenn der Vorteilsgeber Deutscher ist oder der (ausländische) Täter die Zuwendung einem Europäischen Amtsträger deutscher Staatsangehörigkeit macht. Für eine Bestrafung des Gebers nicht ausreichend wäre hingegen, dass der (ausländische) Empfänger einer EU-Institution in Deutschland angehört, wobei hier freilich häufig §§ 3, 9 StGB die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts begründen werden.

2. Korruption unter Beteiligung ausländischer und internationaler Amtsträger – der neue § 335a StGB

a) Überblick

Bestechungskonstellationen unter Beteiligung von Bediensteten ausländischer Staaten und sonstiger internationaler Organisationen werden bekanntlich durch das IntBestG erfasst, das es immerhin bereits zu einigen höchstrichterlichen Stellungnahmen[17] gebracht hat und nun ebenfalls weitgehend in das StGB integriert werden soll. Anders als bei den Europäischen Amtsträgern soll hier freilich keine vollständige Gleichstellung mit nationalen Amtsträgern vorgenommen, was letztlich zu einer diffizilen und nur schwer durchschaubaren Gleichstellungsregelung in einem neuen § 335a StGB führt.

b) Taugliche Täter und Vorteilsempfänger

aa) Ausländische und internationale Amtsträger

Von eher geringer Praxisrelevanz dürfte zunächst § 335a Abs. 2 StGB sein, der – ohne sachliche Änderung der bisherigen Rechtslage[18] – Richter und Bedienstete des Internationalen Strafgerichtshofs für die Zwecke der §§ 331 ff. StGB vollumfänglich deutschen Amtsträgern gleichstellt. Eine Gleichstellung von in Deutschland tätigen NATO-Streitkräften soll gemäß § 335a Abs. 3 (sowie Abs. 1 Nr. 2 lit. c) lediglich bzgl. aktiven Bestechungshandlungen stattfinden.Dies entspricht der bisherigen Rechtslage (§ 1 Abs. 2 Nr. 10 NATO-Truppen-SchutzG).

Zündstoff birgt hingegen zweifelsohne der geplante neue § 335a Abs. 1 StGB, der im Hinblick auf § 332 und § 334 StGB und bei Taten, die sich auf eine künftige Handlung beziehen, Bedienstete ausländischer Staaten und internationaler Organisationen deutschen Amtsträgern gleichstellt. Taugliche Vorteilsempfänger sind zunächst Richter eines ausländischen Staates und eines internationalen Gerichts, Bedienstete eines ausländischen Staates oder einer internationalen Organisation sowie Personen, die beauftragt sind, für einen ausländischen Staat oder eine internationale Organisation (öffentliche) Aufgaben wahrzunehmen. Schließlich sind Soldaten, die für einen ausländischen Staat oder eine internationale Organisation tätig sind, erfasst.

Zwar lehnt sich Gesetzeswortlaut insoweit offenkundig an die bisherigen Formulierungen in Art. 2 § 1 IntBestG an und enthält auf den ersten Blick auch keine sachlichen Neuerungen. Jedoch erscheinen Auslegungsschwierigkeiten hier vorprogrammiert. Während sich das IntBestG nämlich als Umsetzungsgesetz alleine der OECD-Konvention zur Bekämpfung der Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr verstand und der Amtsträgerbegriff dementsprechend unter Rückgriff auf den sog. autonomen Amtsträgerbegriff der Konvention auszulegen war,[19]sollen mit § 335a Abs. 1 StGB ausweislich der Entwurfsbegründung[20]die Vorgaben der UN-Konvention, des Europaratsübereinkommens und der OECD-Konvention umgesetzt werden, die im Rahmen einer völkerrechtskonformen Auslegung gleichrangig nebeneinander zu berücksichtigen sind. Soweit Amtsträger anderer EU-Staaten betroffen sind, ersetzt die Regelung außerdem Art. 2 § 1 Abs. 1 EUBestG, so dass daneben die diesbezüglichen Vorgaben der EU im Rahmen einer unionsrechtskonformen Auslegung zu beachten sind.

Da diese Vorgaben teils autonome Definitionen enthalten, teils auf das Recht des Heimatstaates des Amtsträgers abstellen, sind sie letztlich nicht miteinander in Einklang zu bringen.[21]Hier rächt sich zum Leidwesen der Normunterworfenen und Rechtsanwender, dass die Verhandlungen auf internationaler Ebene gänzlich unkoordiniert vonstattengingen[22]und jede Institution einen anderen politstrategischen Ansatz bei der Korruptionsbekämpfung (Chancengleichheit im wirtschaftlichen Wettbewerb, Herstellung eines einheitlichen Rechtsraums, Erleichterung der Rechtshilfe, umfassende Good Governance) verfolgte.

Sollte der Entwurf ohne weitere Änderung in der vorliegenden Form Gesetz werden, kann eine pragmatische Lösung auf Rechtsanwendungseben m.E. nur so aussehen, dass im Grundsatz von der autonomen Begriffsdefinition der Konventionen von UN und OECD auszugehen ist. Daneben muss aber die Amtsträgerstellung nach dem Heimatrecht des Vorteilsempfängers notwendige (wenn auch nicht hinreichende) Voraussetzung für die Amtsträgerstellung i.S.d. § 335a StGB sein.[23] Wenn es der Gesetzgeber nämlich ernst meint mit dem Schutz der Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und des Vertrauens der Öffentlichkeit in diese Lauterkeit als neues Schutzgut von § 335a i.V.m. §§ 332, 334 StGB,[24] so erscheint eine Pönalisierung, die über das Heimatrecht hinausgeht, schlechterdings sinnlos.

bb) Und was passiert mit den ausländischen und internationalen Abgeordneten?

Der Entwurf will des Weiteren die sachlich-rechtlichen und strafanwendungsrechtlichen Vorschriften des IntBestG zur Bestechung ausländischer und internationaler Abgeordneter (Art. 2 § 2, § 3 Ziff. 2) beibehalten. Damit steht fest, dass die aktive Bestechung ausländischer und internationaler Abgeordneter sowohl nach § 108e StGB Abs. 3 Nrn. 5, 6 n.F. als auch – in eingeschränkterem Umfang – gemäß Art. 2 § 2 IntBestG strafbar sein kann – ein Umstand, den der Gesetzgeber im Zuge der Erweiterung von § 108e StGB mit den „Besonderheiten der Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr“ und den von § 108e StGB n.F. vermeintlich nicht vollständig abgedeckten – Vorgaben der OECD-Konvention begründet hatte.[25]Daneben ließe sich selbst daran denken, ausländische und internationale Parlamentarier nun auch unter den geplanten § 335a Abs. 1 Nr. 2 lit. a/b StGB („Person, die beauftragt ist, öffentliche Aufgaben [bzw. Aufgaben einer internationalen Organisation] wahrzunehmen“) zu fassen. Denn Art. 1 Abs. 4 lit. a der OECD-Konvention und die Mehrheit der ausländische Rechtsordnungen, als für die Auslegung des § 335a StGB in Frage kommende Referenzen, sehen diese Personen bekanntlich als „Amtsträger“ an. Trotz der neu gefassten Gesetzessystematik[26] wird man einem solchen Verständnis jedoch nicht folgen können. Hierfür streitet nicht nur, dass diese Personen in der Entwurfsbegründung mit keinem Wort erwähnt werden, sondern auch der Charakter von § 108e StGB als lex specialis.

c) Reichweite des Bestechungsverbots

Bestechungshandlungen unter Beteiligung ausländischer Amtsträger sollen nach § 335a Abs. 1 StGB auch im Übrigen in deutlich erweiterten Umfang kriminalisiert werden.

So soll anders als nach bisheriger Rechtslage (vgl. Art. 2 § 1 IntBestG) nicht mehr nur die Bestechung (§ 334 StGB), die sich auf eine künftige Handlung und die Erlangung eines Auftrags oder unbilligen Vorteils im internationalen Geschäftsverkehr bezieht, strafbar sein. Vielmehr erfolgt die Gleichstellung nunmehr auch für alle Taten nach § 332 und § 334 StGB, die sich auf (irgend-) ein künftiges Verhalten beziehen. Damit werden zum einen passive Bestechungstaten ausländischer und internationaler Amtsträger vom deutschen Strafrecht erfasst. Zum anderen werden transnationale Bestechungshandlungen außerhalb des Wirtschaftsverkehrs (z.B. von Touristen oder auch Entwicklungshelfern) erfasst. Weitgehend straffrei bleiben hingegen weiterhin sog. Beschleunigungszahlungen („facilitation payments“), die regelmäßig[27] lediglich als Vorteilsgewährung (im Sinne des StGB) strafbar sind.

Diese Neuerungen stellen sicherlich eine neue – hauptsächlich durch die Vorgaben des Europarats erzwungene[28] – Höhenmarke der Internationalisierung der Korruptionsbekämpfung dar. Die Entwurfsverfasser erkennen denn auch, dass sich diese Ausweitung der Kriminalisierung nicht mehr mit der Sicherung der Chancengleichheit im internationalen Wettbewerb rechtfertigen lässt. Vielmehr soll es nunmehr – in Anknüpfung an die Erläuterungen zum Europaratsübereinkommen[29] – auf den Schutz der Lauterkeit des ausländischen (!) öffentlichen Dienstes und des Vertrauens der (ausländischen?) Öffentlichkeit in diese Lauterkeit ankommen. Dass diese Gleichstellung alles andere als unproblematisch ist, erkennt die Entwurfsbegründung implizit an (der Schutzgedanke gelte „wenn auch eingeschränkt“), zumal dann konsequenterweise – wie in Art. 5 des Europaratsübereinkommens grds. vorgesehen – eigentlich eine vorbehaltlose Anwendung der §§ 331 ff. StGB auf alle aktiven und passiven Bestechungstaten unter Beteiligung ausländischer Amtsträger angezeigt wäre.

d) Auslandstaten

Eine gewisse Relativierung erfährt die Ausdehnung der Kriminalisierung von Bestechungshandlungen unter Beteiligung ausländischer Amtsträger dadurch, dass Auslandstaten – die den Großteil der fraglichen Fälle ausmachen werden – weiterhin nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in den Geltungsbereich deutschen Strafrechts fallen.

Entsprechend dem weiteren Anwendungsbereich des neuen § 335a StGB sollen gemäß des neuen § 5 Nr. 15 a/d StGB Auslandstaten ohne Rücksicht auf das Tatortrecht strafbar sein, wenn der Täter oder der Empfänger zur Tatzeit Deutscher ist. Damit sind wie schon bisher (vgl. Art. 2 § 3 IntBestG/Art. 2 § 2 EUBestG) zunächst aktive Bestechungstaten deutscher Staatsangehöriger erfasst. Daneben werden nunmehr aber auch aktive Bestechungstaten von Ausländern gegenüber ausländischen bzw. internationalen Amtsträgern deutscher Staatsangehörigkeit[30] sowie die Bestechlichkeit letztgenannter Personen[31] erfasst – und dies ohne das Erfordernis der (doppelten) Strafbarkeit am ausländischen Tatort oder zumindest im Herkunftsstaat des Amtsträgers.

Die beschriebene Ausweitung deutscher Strafgewalt auf Auslandstaten und den Schutz genuin ausländischer Rechtsgüter hat sowohl im Hinblick auf ihre Verfassungs- und Völkerrechtskonformität als auch die Praktikabilität transnationaler Strafverfolgung bereits vielfältig Kritik erfahren.[32]Auffällig ist jedenfalls die systematisch verfehlte Verortung dieser Fälle in § 5 StGB unter der Überschrift „Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter“. Denn dass die Lauterkeit der Verwaltung eines ausländischen Staates oder einer internationalen Organisation ein inländisches Rechtsgut sei, behauptet nicht einmal der Entwurf. Der Regierungsentwurf aus dem Jahre 2007 hatte daher für § 5 StGB die Überschrift „Auslandstaten mit besonderem Inlandsbezug“ gewählt[33], was jedenfalls die systematischen Unstimmigkeiten abmildern würde (nicht aber die hinter ihnen stehenden kriminalpolitischen und völkerrechtlichen Bedenken gegen eine derartige Ausweitung deutscher Strafgewalt).

3. Erweiterung von § 299 StGB[34]

Wie bereits bei den Vorgängerentwürfen aus den Jahren 2006/2007 zu beobachten,[35] haben die geplanten Erweiterungen von § 299 StGB das bei weitem größte Echo in der Fachöffentlichkeit erfahren. Angesichts der furiosen Karriere der Vorschrift in Wissenschaft und Praxis verwundert dies nicht.

a) Terminologische Anpassung an das UWG

Während zumeist die Erweiterung der Unrechtsvereinbarung um das sog. Geschäftsherrenmodell thematisiert wird (dazu unten b)), finden sich durchaus noch weitere zunächst unscheinbar erscheinende Änderungen. So wird zunächst in Anknüpfung an die moderne wettbewerbsrechtliche Terminologie der Begriff des „geschäftlichen Betriebs“ durch den des „Unternehmens“ ersetzt. Die Entwurfsbegründung äußert insoweit, dass damit keine sachliche Änderung zum bisherigen Rechtszustand beabsichtigt sei und beispielsweise am Wirtschaftsverkehr teilnehmende Behörden ebenfalls erfasst seien.[36] Schon dieses Beispiel legt freilich einen gewissen Schwachpunkt der Anknüpfung an die Terminologie des UWG offen. Dort wird der Unternehmensbegriff nämlich bedenkenlos auf beinahe sämtliche Teilnehmer des Wirtschaftsverkehr außerhalb des rein privaten oder rein hoheitlichen Handelns ausgedehnt[37]– was zwar im Sinne der Schutzzwecktrias nach § 2 UWG liegen mag, aber im Hinblick auf das strafrechtliche Analogieverbot doch arg bedenklich ist.

Daneben soll der Begriff der „gewerblichen Leistungen“ durch den der „Dienstleistungen“ ersetzt werden. Damit würde zwar der seit langem schwelende Streit, ob § 299 StGB auch Bestechungshandlungen im Zusammenhang mit Leistungen von Trägern freier Berufe erfasst, entschieden. Jedoch hat auch hier die unbesehen Übernahme der wettbewerbsrechtlichen Terminologie bereits zu Unstimmigkeiten geführt. Der Entwurf sieht nämlich auch eine entsprechende Anpassung von § 298 StGB vor. Der Bundesrat hat insoweit darauf aufmerksam gemacht, dass das GWB als Bezugsgesetz von § 298 StGB zumindest an einer Stelle (§ 99 GWB) zwischen Bau- und Dienstleistungen unterscheide, so dass in der Tat eine einschränkende Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals in § 298 StGB in Betracht käme.[38]

b) Umgestaltung der Unrechtsvereinbarung

In Umsetzung insbesondere des EU-Rahmenbeschlusses sieht der Entwurf eine bereits vielfach kommentierte Erweiterung der Unrechtsvereinbarung von § 299 StGB vor. Während nach einer ersten Tatbestandsalternative die Zuwendung weiterhin eine Bevorzugung im (in- oder ausländischen) Wettbewerb bezwecken muss, soll es nach einem neuen § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB darauf ankommen, dass der Empfänger als Gegenleistung für die Zuwendung „seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze“. In beiden Fällen muss ein Zusammenhang zum „Bezug von Waren oder Dienstleistungen“ bestehen.

Mit dieser weitergehenden Kriminalisierung soll nach Ansicht des Entwurfsverfassers „der Schutz der Interessen des Geschäftsherrn an der loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pflichten durch seine Angestellten und Beauftragten im Bereich des Austauschs von Waren oder Dienstleistungen“[39]erreicht werden. Dieses sog. Geschäftsherrenmodell[40] liegt in der Tat den internationalen Vorgaben (mit) zu Grunde und befindet sich dementsprechend auch im internationalen Rechtsvergleich auf dem Vormarsch.[41]

Die hieran ansetzende Kritik – insbesondere unter den Aspekten des Bestimmtheitsgebots, des Parlamentsvorbehalts, der Verhältnismäßigkeit und der systematischen Stringenz im Verhältnis zum Untreuetatbestand – ist bekannt und soll an dieser Stelle nicht wiederholt werden.[42]Bedauerlich und überraschend ist jedenfalls, dass der Entwurf trotz achtjähriger „Bedenkzeit“ auf die durchaus massiven Kritikpunkte und Alternativlösungen aus dem Schrifttum mit keinem Wort eingeht, sondern sich darauf beschränkt, den Vorgängervorschlag aus dem Jahr 2006 in unveränderter Form (mit beinahe wortlautgleicher Entwurfsbegründung[43]) vorzulegen.

c) Weitere Änderungen

§ 299 StGB soll auch künftig relatives Antragsdelikt bleiben. Entsprechend der beabsichtigten Änderungen in § 299 StGB sieht der Entwurf aber für § 301 Abs. 2 StGB Folgeänderungen bzgl. des Kreises der Strafantragsberechtigten vor.

Für schon bisher unter § 299 StGB fallende Taten wird wie bisher den Verbänden und Kammern i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 und 4 UWG ein Antragsrecht eingeräumt. Das Strafantragsrecht der Mitbewerber soll aus § 77 Abs. 1 StGB folgen.[44]Für die neu ins Gesetz aufgenommenen Fälle der § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB, in denen es auf die Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen ankommt, sollen hingegen weder Mitbewerber noch Interessensverbände oder Kammern ein Antragsrecht haben. Auch insoweit wird deutlich, dass nach dem Verständnis der Entwurfsverfasser diese Tatbestandsalternative alleine den Geschäftsherrn schützen soll, dem als „Verletzten“ gemäß § 77 Abs. 1 StGB auch ein Strafantragsrecht zukommt.

Gestrichten werden soll schließlich § 299 Abs. 3 StGB, der redaktionell in die beiden ersten Absätze integriert wird. Interessanterweise ist zwar für Auslandsfälle der Bestechung im Geschäftsverkehr keine direkte Erweiterung der §§ 3 ff. StGB geplant. Von Bedeutung ist aber, dass in den Fällen des § 229 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB die Herkunft des Anstellungsunternehmens grundsätzlich keine Rolle spielt, soweit nur ein Anknüpfungspunkt nach den § 3 ff. StGB vorliegt. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass Individualinteressen unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Betroffenen geschützt werden.[45]

4. Erweiterung von § 261 StGB

Vor allem für Verpflichtete i.S.v. § 2 GwG sowie für Institute i.S.d. KWG von Interesse sein dürfte die beabsichtigte Ausweitung des Vortatenkatalogs des Geldwäschetatbestandes, die zu einer entsprechenden Überprüfung und Anpassung der spezialgesetzlichen Sorgfalts- und Anzeigepflichten zwingen könnte.

So soll nach dem Regierungsentwurf zunächst § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. a StGB auf Taten nach §§ 332, 334 jeweils i.V.m. § 335a StGB ausgeweitet werden. Im Hinblick auf die hier interessierenden internationalen Korruptionsfälle stellt also – anders als bisher[46] – nunmehr auch die Bestechlichkeit Europäischer und internationaler bzw. ausländischer Amtsträger eine taugliche Vortat dar. Daneben führt die erweiterte Fassung des § 335a StGB ohne Bezugnahme auf den internationalen Geschäftsverkehr auch zu einer weitergehenden Erfassung aktiver Bestechungstaten gegenüber dem genannten Personenkreis.

Neu ist die Einfügung von § 299 StGB in den Vortatenkatalog des § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 lit. a StGB, so dass jetzt auch die Korruption im Geschäftsverkehr vortattauglich ist. Zu konstatieren ist damit, dass § 299 StGB einerseits weiterhin als relatives Antragsdelikt und Privatklagedelikt ausgestaltet ist, andererseits aber doch als schwerwiegend genug für den Geldwäschekatalog angesehen wird. Ein gewisser Wertungswiderspruch ist hier nicht von der Hand zu weisen, wenn dieser auch dadurch relativiert wird, dass nur gewerbs- oder bandenmäßig begangene Korruptionstaten erfasst sind.

Da gemäß § 261 Abs. 8 StGB auch Auslandstaten (bei – freilich regelmäßig gegebener – Tatortstrafbarkeit) vortattauglich sind, haben schließlich auch die (verbliebenen) strafanwendungsrechtlichen Restriktionen für Korruptionsfälle mit Auslandsbezug im Geldwäschezusammenhang keine Bedeutung. Vielmehr stellen die in §§ 299, 331 ff. StGB beschriebenen Bestechungshandlungen unabhängig vom Tatort und der Erfassung nach den §§ 3 ff. StGB taugliche Vortaten dar.

IV. Ausblick

Dass der hier vorgestellte Entwurf das Schicksal seines Vorgängers aus dem Jahre 2006 teilen wird, ist nicht ernsthaft zu erwarten. Der internationale und unionsrechtliche Umsetzungsdruck auf Deutschland ist nochmals deutlich angewachsen, so dass ein Aussitzen weder politisch noch rechtlich möglich oder opportun erscheint. Es kommt hinzu, dass offensichtlich ein politischer Umsetzungswille über die Parteigrenzen hinweg vorhanden ist, zumal nach der Ausweitung der Abgeordnetenbestechung das größte politische Umsetzungshindernis entfallen ist.

Dies ändert freilich nichts an der Berechtigung mancher Kritik an den vorgeschlagenen Änderungen insbesondere im Bereich der Bestechung ausländischer Amtsträger und des § 299 StGB. Hierbei handelt es sich gerade um die „neuralgischen Punkte“, bei denen die Diskrepanzen zwischen den internationalen Vorgaben und dem aktuellen deutschen Rechtszustand (aber auch dem überkommenen deutschen Verständnis einer rationalen Kriminalpolitik) besonders deutlich werden. Jedoch müssen sich die Kritiker auch fragen lassen, weswegen sie ihre Bedenken nicht zu einem Zeitpunkt angemeldet haben, als noch mit größeren Erfolgsaussichten Einfluss auf die politische Gestaltung genommen werden konnte – nämlich bei der Ausarbeitung der internationalen Vorgaben.

Die Beratungs- und Verteidigungspraxis tut indes gut daran, sich mit den vorgestellten Änderungen vertraut zu machen, zumal diese ohnehin dem Rechtszustand in den meisten anderen europäischen Ländern entsprechen.

[2] BT-Drs. 18/4350.

[3] Brockhaus/Haak, HRRS 2015, 218; Dannecker/Schröder, ZRP 2015, 48; Gaede, NZWiSt 2014, 281; Jary, PharmR 2015, 99 (104 ff.); Kubiciel, ZIS 2014, 667; ders., KPKp 4/2014; Schünemann, ZRP 2015, 68.

[4] BDI-Stellungnahme v. 27.08.2014; Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen v. 07.09.2014; DAV-Stellungnahme 46/2014; BRAK-Stellungnahme 6/2015.

[5] ETS Nr. 173; abrufbar (auch in deutscher Übersetzung) unter: 

http://conventions.coe.int/Default.asp?pg=Treaty/Translations/TranslationsChart_en.htm#173 .

[6] In englischer, französischer und deutscher Fassung abgedruckt in BT-Drs. 18/2138, S. 9 ff.

[7] Hinzuweisen ist insbesondere auf den öffentlichkeitswirksamen Appell deutscher Konzernchefs an die Regierung im Sommer 2012 (siehe http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/un-konvention-gegen-korruption-unternehmen-schaemen-sich-fuer-die-regierung/6978220.html ).

[8] Später (nahezu unverändert) veröffentlicht als BT-Drs. 16/6558 vom 04.10.2007.

[9] Exemplarisch die Redebeiträge der Abgeordneten S. Kauder und van Essen in der Bundestagsdebatte vom 25.09.2008 (BT-Plpr. 16/179, S. 1920 ff.).

[10] Nachweise bei Walther, Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftl. Verkehr, S. 179 m. Fn. 745 ff.

[11] BGBl. I, S. 410; zum Zusammenhang mit den internationalen Vorgaben s. BT-Drs. 18/476, S. 5.

[12] BT-Drs 18/4350, S. 1, 13, 20.

[13] Hierzu MünchKomm-StGB/Korte, § 332 Rn. 6 f. m.w.N.

[14] Europäisches Patentübereinkommen vom 05.10.1973 (BGBl. 1976 II S. 649, 826; 1993 II S. 242).

[15] BT-Drs 18/4350, S. 23.

[16] Art. 83 AEUV sieht die Schaffung von Strafvorschriften gegen Korruption vor, erlaubt aber keine Setzung supranationalen Kriminalstrafrechts (Satzger, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 83 AEUV Rn. 2).

[17] BGHSt 52, 323; 53, 205; BGH wistra 2014, 354.

[18] Vgl. § 2 IStGHGleichstG.

[19] S. nur BGH NJW 2009, 89 (94 f.).

[20] BT-Drs. 18/4350, S. 24.

[21] Münkel, Bestechung und Bestechlichkeit ausl. Amtsträger, S. 276; Nestler, StV 2009, 313 (319).

[22] Korte, wistra 1999, 81 (82 f.).

[23] S. auch Kubiciel, KPKp 4/2014, S. 24 f.; Nestler, StV 2009, 313 (317).

[24] BT-Drs. 18/4350, S. 24.

[25] BT-Drs. 18/476, S. 6, dazu bereits kritisch Francuski, HRRS 2014, 220 (229 f.).

[26] Die (bisherige) Nichterfassung der ausländischen Abgeordneten als ausländische Abgeordnete i.S.d. Art. 2 § 1 IntBestG war gerade mit einem Umkehrschluss zu Art. 2 § 2 IntBestG begründet worden (s. nur MünchKomm-StGB/Korte, § 334 Rn. 7).

[27] S. ausf. Dann, wistra 2008, 41 (43 ff.).

[28] Art. 37 des Übereinkommens lässt einen Vorbehalt (z.B. eine Einschränkung i.S.d. IntBestG) lediglich bzgl. Kriminalisierung der Bestechlichkeit der ausländischen Amtsträger zu.

[29] Explanatory Report No. 49: “Again, the aim is not only to protect free competition but the confidence of citizens in democratic institutions and the rule of law.”

[30] Im Hinblick auf Amtsträger der EU und ihrer Mitgliedstaaten waren diese Konstellationen bisher von Art. 2 § 2 EUBestG erfasst.

[31] Auslandstaten deutscher Amtsträger i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB werden bereits von § 5 Nrn. 13/14 StGB erfasst.

[32] Dezidiert v.a. Schünemann, ZRP 2015, 68 (70 f.); zum Ganzen Münkel, (Fn. 21), S. 277 ff.

[33] BT-Drs. 16/6558, S. 10.

[34] Umfassend hierzu: Walther, NZWiSt 2005, Heft 7.

[35] Zu deren Rezeption Walther, (Fn. 10), S. 178 ff.

[36] BT-Drs. 18/4350, S. 21.

[37] S. nur Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 2 Rn. 19 ff.

[38] BR-Drs. 25/15 (B) vom 06.03.2015; aber auch BT-Drs. 18/4350, S. 31 (Gegenäußerung der Bundesregierung).

[39] BT-Drs. 18/4350, S.21.

[40] Auch arbeitsstrafrechtliches Modell oder Pflichtverletzungsmodell.

[41] Vgl. Walther, (Fn. 10), S. 18 f.; 106 ff.

[42] Umfassend Walther, (Fn. 10), S. 195 ff. m.w.N.

[43] Siehe BT-Drs. 18/4350, S. 20 ff. einerseits und BT-Drs. 16/6558, S. 13 f. andererseits.

[44] BT-Drs. 18/4350, S. 22.

[45] Fischer, StGB, 62. Aufl. 2014, Vor § 3 Rn. 8.

[46] Vgl. Art. 3 EUBestG sowie Art. 2 § 4 IntBestG.

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Felix Walther
    Dr. Felix Walther ist Rechtsanwalt am Münchener Standort der Kanzlei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Er ist im Bereich Wirtschaftsstrafrecht und Compliance tätig.

WiJ

  • Jakob Lehners

    Digitale Akteneinsicht in der Untersuchungshaft

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Sigrid Mehring-Zier

    Wirtschaftsvölkerstrafrecht in der europäischen Praxis – und Deutschland?

    Internationales Strafrecht, EU, Rechtshilfe, Auslandsbezüge

  • Dr. Mayeul Hièramente

    Svenja Jutta Luise Karl, Die Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen. Kritik und Verbesserungsvorschläge unter besonderer Berücksichtigung des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens.

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)