Friedrich Frank, Riccarda Kummer, MLaw, Reto Weilenmann, MLaw

Länderbericht Schweiz: Aktuelles Wirtschaftsstrafrecht

 I. Einleitung

Die Entscheide im vorliegenden Länderbericht befassen sich mit ganz grundsätzlichen Fragestellungen des materiellen Wirtschaftsstrafrechts und können vor diesem Hintergrund auch für die deutschen Leser von Interesse sein. Zunächst ein bereits älteres aber gleichwohl sehr erwähnenswertes Urteil des Bundesgerichts vom Juli 2014, in welchem sich das Gericht mit dem geltenden Unternehmensstrafrecht (Art. 102 StGB) auseinandersetzt. Ein bemerkenswerter Vorgang, ist doch die strafrechtliche Verfolgung von Unternehmen trotz der seit mehr als zehn Jahren gesetzlich verankerten Unternehmensstrafbarkeit eine seltene Ausnahme. Weiter befasste sich das Bundesgericht im März 2015 mit der Einwilligungsfähigkeit in die ungetreue Geschäftsführung bei einer Einmanngesellschaft. Zuletzt führte die von den schweizerischen Banken neu verfolgte Weissgeldstrategie im Februar diesen Jahres zu einem Entscheid des Zürcher Obergerichts über die strafrechtliche Relevanz der Nichtausführung einer Zahlungsanweisung.

Die Gesetzgebung war in der Berichtsperiode vorwiegend von internationalen Entwicklungen geprägt. So führte die Umsetzung der Empfehlungen der Groupe d’action financière (kurz GAFI) u.a. zu Anpassungen im Strafgesetzbuch und im Geldwäschereigesetz, die per 1. Januar 2016 in Kraft treten werden und auf welche im Folgenden besonders eingegangen wird. Des Weiteren unterzeichnete der Bundesrat am 27. Mai 2015 das Abkommen mit der Europäischen Union über den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen und verabschiedete am 5. Juni 2015 zwei Botschaften zum selben Thema. In innerschweizerischer Hinsicht ist besonders erwähnenswert, dass die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates die Vorlage betreffend die Privatbestechung einstimmig angenommen hat.

II. Neue wirtschaftsstrafrechtliche Gesetzesvorhaben

1. Umsetzung der Empfehlungen der Groupe d’action financière (Steuerstrafrecht/Geldwäscherei)

In früheren Länderberichten wurde bereits mehrfach über die Empfehlungen der GAFI aus dem Jahre 2012 und über deren Umsetzung in der Schweiz berichtet.[1] Der Bundesrat erliess am 13. Dezember 2013 einen Gesetzesentwurf, der im schweizerischen Parlament auf teils heftigen Widerstand stiess. Dabei wurden insbesondere die Revision des Geldwäschereitatbestands sowie die Regelung der Zulässigkeit von Bargeldzahlungen über CHF 100’000.– intensiv diskutiert. Erst nach Einsetzung einer Einigungskonferenz wurde das neue Bundesgesetz am 12. Dezember 2014 von beiden Räten angenommen. Die Referendumsfrist lief nun bis zum 2. April diesen Jahres und blieb ungenutzt. Die revidierten Gesetzesbestimmungen, welche in ihren Grundzügen nachfolgend dargestellt werden[2], treten definitiv am 1. Januar 2016 in Kraft.

a) Relevante Änderungen im StGB und im VStrR

Zunächst zum Geldwäschereitatbestand, Art. 305bis StGB. Dieser wird dahingehend revidiert, dass nicht mehr nur (alle) Verbrechen, sondern auch das Vergehen des Steuerbetrugs eine taugliche Vortat zur Geldwäscherei darstellt, wenn die hinterzogene Steuer einen bestimmten Schwellenwert überschreitet (sog. „qualifiziertes Steuervergehen“). Die Norm lautet nun neu in ihrem ersten Absatz:

  1. Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss,   aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Als qualifizierte Steuervergehen in diesem Sinne gelten Art. 186 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) und Art. 59 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG), wenn – und das ist entscheidend – die hinterzogenen Steuern pro Steuerperiode mehr als CHF 300‘000.– betragen. Beide Bestimmungen bedingen die Verwendung von gefälschten, verfälschten oder inhaltlich unwahren Urkunden zum Zwecke der Steuerhinterziehung (sog. Steuerbetrug). Die neue Regelung stellt einen – man kann ruhig auch sagen: faulen – Kompromiss dar: qualifizierte Steuervergehen sind zwar nun Vortaten zur Geldwäscherei, jedoch weiterhin Vergehen und keine Verbrechen. Damit setzt sich der Gesetzgeber über den ursprünglich bewusst als explizite Tatbestandsvoraussetzung gewählten Begriff des „Verbrechens“ als Vortat hinweg und schafft Ausnahmeregeln, welche eigentlich gerade nicht geschaffen werden sollten. Es scheint vor diesem Hintergrund nur eine Frage der Zeit, bis weitere Ausnahmetatbestände hinzukommen.

Neben der Änderung von Art. 305bis StGB wird folgerichtig auch Art. 305ter Abs. 2 StGB und das darin enthaltene Melderecht des Finanzintermediärs[3] an die MROS, die Meldestelle für Geldwäscherei, erweitert. Er darf dieser nunmehr auch dann Wahrnehmungen mitteilen, welche darauf schliessen lassen, dass Vermögenswerte aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren.

Und auch im Verwaltungsstrafrecht kommt es zu Änderungen. Dies in Art. 14 Abs. 4 VStrR, einem Verbrechenstatbestand, dessen Anwendungsbereich erweitert wird, erfordert der qualifizierte Abgabebetrug in Zukunft weder eine gewerbliche noch eine bandenmässige Begehung.

b) Auswirkungen auf die Pflichten für Finanzintermediäre und Händler

Die strafrechtlichen Rechtsfolgen sind damit geklärt. Praktisch mindestens ebenso bedeutsam sind indes die damit einhergehenden Änderungen im Geldwäschereigesetz (GwG). Diejenigen Personen, welche dem Geldwäschereigesetz unterstellt sind, treffen nunmehr nämlich eine Vielzahl an Pflichten. Dies sind, wie sich zeigen wird, nicht mehr nur Finanzintermediäre. Zunächst aber zu diesen und deren Abklärungs- und Meldepflichten.

aa) Auswirkungen auf Finanzintermediäre

Zunächst wurde die grundlegende Pflicht zur Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person gemäss Art. 4 nGwG revidiert. Neu muss diese nicht nur bei Zweifeln, sondern immer festgestellt werden, wir dies bisher schon in der Praxis üblich war (eine Ausnahme gilt bei börsenkotierten Gesellschaften).

Weiter wurden die – nun neu so bezeichneten – „besonderen Sorgfaltspflichten“ der Finanzintermediäre in Art. 6 nGwG erweitert. Dies zum einen in der Weise, dass in dessen Abs. 1 neue Abklärungsbereiche hinzugefügt wurde. Diese richten sich nach dem Risiko, das die Vertragspartei darstellt. Dies betrifft die Hierarchiestufe, auf welcher der Entscheid, eine Geschäftsbeziehung einzugehen oder weiterzuführen, getroffen werden muss, sowie die Periodizität von Kontrollen.

Weiter wurden in Art. 6 Abs. 2 nGwG zusätzliche Situationen eingefügt, bei welchen der Finanzintermediär die Hintergründe und den Zweck einer Transaktion oder eine Geschäftsbeziehung abklären muss:

  • Wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass Vermögenswerte aus einem qualifizierten Steuervergehen nach Art. 305bis Ziff. 1bis StGB herrühren;
  • Wenn die Daten einer Vertragspartei, einer wirtschaftlich berechtigten oder einer zeichnungsberechtigten Person einer Geschäftsbeziehung oder Transaktion mit den Daten über terroristische Aktivitäten, welche dem Finanzintermediär gemäss Art. 22a nGwG übermittelt wurden, übereinstimmen oder sehr ähnlich sind.

Auch die Meldepflichten des Art. 9 nGwG wurden analog zur Erweiterung der besonderen Sorgfaltspflichten angepasst. Ein Finanzintermediär muss zukünftig auch dann Meldung an die MROS machen, wenn er von einem Steuerbetrug weiss oder einen diesbezüglichen, begründeten Verdacht hat. Solches Wissen oder ein derartiger Verdacht sind in der Praxis aber wohl selten zu bejahen. Denn zum einem dürfte es dem Finanzintermediär schwer bis unmöglich sein, die Verwendung unwahrer oder auch gefälschter Urkunden zu erkennen. Zum anderen dürfte auch die Berechnung der Höhe der mutmasslich hinterzogenen Steuern pro Steuerperiode, also das Überschreiten der Schwelle von CHF 300‘000.– Schwierigkeiten bereiten, sofern der Kunde nicht bekanntermassen über sehr grosses Einkommen und dementsprechendes Vermögen verfügt. Denn er müsste eigentlich über die vollständige Einkommens- und Vermögenssituation im Bilde sein. Dies ist wohl auch der Grund, warum eine solche Meldung neu nicht mehr in jedem Fall zu Sperrung der betroffenen Vermögenswerte führen muss. Grundsätzlich erfolgt die Vermögenssperre erst dann, wenn die MROS nach Prüfung der Meldung dem Finanzintermediär innert zwanzig Arbeitstagen mitteilt, dass sie die Meldung an eine Strafverfolgungsbehörde weiterleitet.

Darüber hinaus hat sich der Katalog der politisch exponierten Personen, der PEPs, erweitert. Auch dies wird zu einem Mehraufwand führen. Gemäss dem neuen Gesetz gelten nicht nur Machthaber im Ausland, sondern auch Personen in der Schweiz als PEP, beispielsweise Mitglieder der Eidgenössischen Räte.

bb) Auswirkungen auf Händlerinnen und Händler

Neben diesen Pflichten für Finanzintermediäre gilt das GwG und die darin verankerten Pflichten neu nunmehr aber auch für Händlerinnen und Händler. Dies zeigt sich bereits daran, dass der Titel im Geldwäschereigesetz geändert wird: neu heisst es nur noch „Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung“ – der Zusatz „im Finanzsektor“ wurde ersatzlos gestrichen.

Zunächst stellt sich die Frage, welche Personen denn als Händlerinnen und Händler in diesem Sinne zu qualifizieren sind. Das sind natürliche und juristische Personen, die gewerblich mit Gütern handeln und dabei Bargeld entgegennehmen (Art. 2 Abs. 1 lit. b nGwG). Erfasst werden sollten damit wohl insbesondere Immobilien-, Kunst- und Edelsteinhändler.

Diese Händler und Händlerinnen sind zwar keine Finanzintermediäre, sie dürfen Handelsgeschäfte mit Barzahlungen über CHF 100‘000.– aber entweder nur noch über die dem Geldwäschereigesetz unterstellten Finanzintermediäre abwickeln (Art. 8a Abs. 4 nGwG) oder aber sie müssen Sorgfaltspflichten einhalten, welche jenen von Finanzintermediären sehr ähnlich sind. Diese Pflichten sind gem. Art. 8a Abs. 1 nGwG:

  •  Identifizierung der Vertragspartei
  •  Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person 
  • Dokumentationspflicht

Darüber hinaus müssen sie die Hintergründe und den Zweck eines Geschäfts abklären, wenn:

  •  es ungewöhnlich erscheint, es sein denn, seine Rechtmässigkeit ist erkennbar; oder
  •  Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Vermögenswerte aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren.

Auch die Händlerinnen und Händler treffen die Meldepflichten (Art. 9 Abs. 1bis nGwG), welche für Finanzintermediäre gelten – auch wenn dies der Gesetzestext nicht explizit vorsieht, sollte dies freilich nur bei Barzahlungen über CHF 100‘000.– gelten. Kommen die Händler ihrer Meldepflicht nicht nach, muss die Revisionsstelle gemäss Art. 15 Abs. 5 nGwG unverzüglich Meldung bei der MROS erstatten.

Natürlich kann und muss man diese Erweiterung, die dem Zuschnitt des Geldwäschereigesetzes auf den Finanzsektor zuwider läuft, kritisieren. Eines darf gleichwohl nicht unbeachtet bleiben: Für Unternehmen, welche in geldwäschereisensiblen Gebieten tätig sind (zB im Immobiliensektor etc.), galten derartige Prüfpflichten auch schon vor der Änderung des Geldwäschereigesetzes. Dies nämlich dann, wenn sie sich nicht über Art. 102 Abs. 2 StGB der Gefahr einer unternehmensstrafrechtlichen Verantwortlichkeit aussetzen wollten.

2. Bilaterales Abkommen zwischen der Schweiz und der EU

Der Bundesrat hat am 27. Mai 2015 das Abkommen mit der Europäischen Union über den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen unterzeichnet und die Vernehmlassung dazu eröffnet, welche am 17. September 2015 endet.[4] Die Schweiz und die 28 EU-Mitgliedstaaten beabsichtigen, ab 2017 Kontodaten zu erheben und ab 2018 auszutauschen. Banken sollen ihren nationalen Behörden die Kontonummer, Name, Adresse und Geburtsdatum des Anlegers, Zinsen, Dividenden, Einnahmen aus bestimmten Versicherungsverträgen, Kontoguthaben und Erlöse aus der Veräusserung von Finanzvermögen übermitteln. Die nationalen Behörden werden die Informationen dann automatisch an die Behörden der Herkunftsländer weiterleiten. Das schweizerische Bankgeheimnis (Art. 47 BankG) ist bereits heute durch die Gutheissung zahlreicher Amtshilfegesuche ausgehöhlt – ab 2018 gehört es damit aber endgültig der Vergangenheit an.

3. Botschaften zu den gesetzlichen Grundlagen für den automatischen Informationsaustausch

Am 5. Juni 2015 verabschiedete der Bundesrat zwei Botschaften zum automatischen Informationsaustausch zuhanden des Parlaments: zum einen die Botschaft über das multilaterale Übereinkommen des Europarats und der OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen[5], zum anderen die Botschaft über die für die Umsetzung des Standards für den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIA) erforderlichen Gesetzesgrundlagen[6].

Die Schweiz hat am 15. Oktober 2013 das Übereinkommen des Europarats und der OECD über die Amtshilfe in Steuersachen unterzeichnet. Das Übereinkommen sieht drei Formen des Informationsaustauschs vor: auf Ersuchen, spontan und automatisch. Der Bundesrat sieht vor, durch Änderungen im Steueramtshilfegesetz, den Informationsaustausch auf Ersuchen und den spontanen Austausch von Informationen, die voraussichtlich für die ausländische Behörde interessant sind, einzuführen. Die zweite Botschaft betrifft die Multilaterale Vereinbarung der zuständigen Behörden über den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten (Multilateral Competent Authority Agreement, MCAA), die am 19. November 2014 von der Schweiz unterzeichnet wurde. Damit die Bestimmungen dieser Vereinbarung sowie diejenigen des globalen Standards für den automatischen Informationsaustausch angewendet werden können, braucht es ein entsprechendes Bundesgesetz. Das neue Bundesgesetz über den internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIA-Gesetz) enthält Bestimmungen über die Organisation, das Verfahren, die Rechtswege sowie die anwendbaren Strafbestimmungen. Erwähnenswert ist, dass bestehende Konten natürlicher Personen ab Beginn der Anwendbarkeit des automatischen Informationsaustausches mit einem Partnerstaat innerhalb von ein bzw. zwei Jahren (bei mehr als 1 Mio. CHF) und Konten juristischer Personen innerhalb von zwei Jahren überprüft werden müssen. Unter gewissen Bedingungen kann auf eine Selbstauskunft des Kunden abgestellt werden, wobei der Kunde Änderungen von sich aus mitteilen muss und für falsche Auskünfte bzw. für die Verletzung der Mitteilungspflicht mit einer Busse bis zu CHF 10‘000.– bestraft werden kann.

Die Vernehmlassungen zu den beiden Vorlagen wurden abgeschlossen und die Eidgenössischen Räte werden die Beratungen zu den Vorlagen im Herbst 2015 aufnehmen. Selbst wenn das Referendum ergriffen wird, könnten die gesetzlichen Grundlagen somit Anfang des Jahres 2017 in Kraft treten, und der erste Informationsaustausch mit den Partnerstaaten im Jahre 2018 erfolgen.

4. Privatbestechung

Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates hat die Vorlage betreffend die Privatbestechung (Art. 322octies und 322novies nStGB) einstimmig angenommen.[7] Entgegen dem Vorschlag des Bundesrats will die Mehrheit der Kommission bei der Privatbestechung indes in leichten Fällen keine Verfolgung von Amtes wegen.

Mit 6 zu 6 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten hat die Kommission entschieden, dass bei der Bestechung Privater der Täter nur auf Antrag verfolgt wird, wenn durch die Tat keine öffentlichen Interessen verletzt oder gefährdet sind. Die Minderheit will die Lösung des Bundesrats, die im Unterscheid zur geltenden Regelung bei allen Fällen der Privatbestechung die Verfolgung von Amtes wegen vorsieht. Angenommen wurde auch ein Antrag, wonach im Geschäftsleben übliche Vorteile keinen nicht gebührenden Vorteil darstellen sollen. Abgelehnt wurde hingegen ein Antrag, welcher Vorteile von der Strafbarkeit ausnehmen will, die den Gläubiger bei der Eintreibung einer bestehenden Forderung im Ausland unterstützten. Mit 5 zu 5 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten lehnte die Kommission schliesslich einen Antrag ab, welcher bei schweren Fällen der Privatbestechung (Vorteil von mehr als 10‘000.– Franken) die Strafandrohung über den Vorschlag des Bundesrates hinaus erhöhen will (Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren).

III. Neues aus der wirtschaftsstrafrechtlichen Rechtsprechung

1. Entscheid des Bundesgerichts 6B_7/2014 vom 21. Juli 2014[8] (Verjährungsbeginn der subsidiären Unternehmenshaftung gem. Art. 102 Abs. 1 StGB)

a) Sachverhalt

A war Gewerkschaftsführer des Unternehmens B (Tochterfirma des international tätigen Unternehmens N) in Kolumbien. Zwischen dem 10. und 11. September 2005 wurde A von Angehörigen der kolumbianischen Paramilitärs entführt und getötet. Im März 2012 erhob die Witwe X in der Schweiz Strafklage gegen fünf Personen, welche zum Tatzeitpunkt alle Kaderpositionen im Unternehmen N bekleideten. Im Wesentlichen machte X geltend, die Vorgenannten hätten nichts unternommen, um den Tod von A zu verhindern, weshalb sie sich der fahrlässigen Tötung strafbar gemacht haben. Subsidiär sei das Unternehmen N gem. Art. 102 Abs. 1 StGB ins Recht zu fassen und zu einer Geldbusse zu verurteilen. Die Staatsanwaltschaft erliess einen Nichteintretensentscheid, da der Vorwurf der fahrlässigen Tötung bereits verjährt sei. Gegen diese Verfügung erhob X Beschwerde, welche vom Kantonsgericht abgewiesen wurde. Gegen diesen Entscheid gelangte X an das Bundesgericht.

b) Urteil

Das Bundesgericht warf zunächst die Frage auf, ob X überhaupt legitimiert sei, sich auf Art. 102 Abs. 1 StGB zu berufen. Dies wäre aus Sicht des Gerichts eventuell zu bejahen, wenn man die fragliche Bestimmung als Zurechnungsnorm verstehen würde. Die Legitimation sei hingegen ernsthaft zu bezweifeln, wenn die Norm als eigenständiger Straftatbestand (Vergehen oder Übertretung) qualifiziert werde, wobei das geschützte Rechtsgut die Rechtspflege darstellt. In casu konnte diese Frage nach Ansicht des Bundesgerichts jedoch offen gelassen werden (E. 1.2).

Gemäss Art. 102 Abs. 1 StGB werden dem Unternehmen Verbrechen oder Vergehen zugerechnet, welche in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks begangen werden und aufgrund mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden können.

Die Vorinstanz war der Auffassung, dass die Verjährung der Anlasstat in jedem Fall eine subsidiäre Verantwortlichkeit des Unternehmens ausschliesse. Die Unmöglichkeit, die Straftat einer natürlichen Person zuzurechnen, sei nicht auf einen Organisationsmangel des Unternehmens zurückzuführen, sondern Folge der eingetretenen Verjährung. Zu diesem Resultat gelange man unabhängig davon, welche Lehrmeinung zur Anwendung gelange (E. 3.2). Das Bundesgericht hielt diesbezüglich fest, dass die Frage nach der Verjährung dieser Bestimmung in der Lehre äusserst kontrovers diskutiert wird. Die Antwort bestimme sich nach der Rechtsnatur von Art. 102 Abs. 1 StGB, welche jedoch selbst umstritten sei (E. 3.4). In der Folge setzte sich das Bundesgericht ausführlich mit den vorherrschenden Lehrmeinungen auseinander und führt aus:

Ein Teil der Lehre geht davon aus, dass es sich bei Art. 102 Abs. 1 StGB um eine klassische Zurechnungsnorm handelt (z.B. Niklaus Schmid, Strafbarkeit des Unternehmens: Die Prozessuale Seite, Recht 2003 S. 201 ff.; Alain Macaluso, La responsabilité pénale de l’entreprise, 2004, N 508 ff., S. 90 f.; Gunther Arzt, Die kommende Strafbarkeit der Bank als juristischer Person, in Banken und Bankrecht im Wandel, 2004, S. 82). Ein anderer Teil der Lehre wiederum qualifiziert die Norm als Straftatbestand sui generis, der entweder als Teilnahmetatbestand oder aber als Mischbestimmung (Sanktionsnorm und Zurechnungsbestimmung) verstanden wird (z.B. Matthias Forster, Die Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens nach Art. 102 StGB, 2006, S. 73 f.; vgl. auch die zitierten Meinungen in Niggli/Gfeller, Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. A. 2013, Art. 102 StGB N 19). Das Bundesgericht hielt fest, dass sich die Verjährung gemäss dem Verständnis dieser Auffassungen logischerweise nach der Anlasstat richten müsse (E. 3.4.1).

Eine dritte Ansicht sieht in Art. 102 Abs. 1 StGB dagegen eine eigene Strafbestimmung für Unternehmen, wobei die Anlasstat als objektives Tatbestandsmerkmal verstanden wird. Der Straftatbestand liegt im Organisationsdefizit, welches zur Folge hat, dass entweder der Verantwortliche für die Anlasstat überhaupt erst gar nicht bestimmt werden kann oder keine natürliche Person alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Anlasstat erfüllt (mit Hinweis auf weitere Autoren: Niggli/Gfeller, Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. A. 2013, Art. 102 StGB N 18 ff.; Stefan Trechsel et al., Praxiskommentar, 2. A. 2013, Art. 102 StGB N 7b). Das strafbare Verhalten besteht im Unterlassen des Unternehmens die notwendigen organisatorischen Massnahmen zu ergreifen, um eine Zurechnungsunmöglichkeit zu verhindern. Diese Auffassung geht schliesslich davon aus, dass es sich um ein Dauerdelikt handelt, wobei der Verjährungslauf im Zeitpunkt beginnt, in welchem das Organisationsdefizit beseitigt wird (Niggli/Gfeller, Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. A. 2013, Art. 102 StGB N 47; Matthias Heiniger, Der Konzern im Unternehmensstrafrecht gemäss Art. 102 StGB, 2011, N 317 S. 128; a.M. Stefan Trechsel et al., Praxiskommentar, 2. A. 2013, Art. 102 StGB N 7c). Die Autoren vertreten ausserdem, dass die Verjährung der Anlasstat die Strafbarkeit des Unternehmens ausschliesst, da die Zurechnungsunmöglichkeit nicht mehr durch das Organisationsdefizit verursacht wird. Gemäss Bundesgericht verkennt die Autorenschaft, dass der Gesetzgeber die Anwendbarkeit von Art. 102 Abs. 1 StGB von drei kumulativen Voraussetzungen abhängig macht: der Ausübung einer Anlasstat, der (Prä-)Existenz eines Organisationsdefizits und der Tatsache, dass der Organisationsmangel verhindert, dass die Anlasstat einer natürlichen Person zugerechnet werden kann. Das geschützte Rechtsgut der Norm ist das einwandfreie Funktionieren der Justiz, weshalb das Organisationsdefizit nur insoweit massgebend ist, als dass es auch tatsächlich zu Beweisproblemen führt, welche die Zurechnungsunmöglichkeit zur Folge haben. Dieser Aspekt muss massgeblich mitberücksichtigt werden für die Behandlung der Verjährungsfrage. Da das Organisationsdefizit im Resultat zur Zurechnungsunmöglichkeit führen muss, kann Art. 102 Abs. 1 StGB gemäss Bundesgericht eben gerade nicht als Dauerdelikt angesehen werden. Vielmehr handelt es sich um ein Zustandsdelikt dessen Verjährung im Zeitpunkt beginnt, in welchem alle Voraussetzungen erfüllt sind (E. 3.4.3).

Das Bundesgericht statuiert schliesslich, dass die Verjährung spätestens am Tag der Begehung der Anlasstat beginne. Dies selbst dann, wenn man der Ansicht, dass die subsidiäre Verantwortung des Unternehmens bei Verjährung der Anlasstat generell ausgeschlossen sei, nicht folge. Vorbehaltlich der Frage nach der Dauer der Verjährung gelangt das Bundesgericht somit zum selben Ergebnis, wie die Lehrmeinungen, welche Art. 102 Abs. 1 StGB als Zurechnungstatbestand bzw. Mischbestimmung verstehen (E. 3.4.4).

Die Beschwerde von X wurde deswegen abgewiesen.

c) Bemerkung

Der Entscheid zeigt auf, dass die Rechtsnatur von Art. 102 Abs. 1 StGB in der schweizerischen Strafrechtswissenschaft äusserst uneinheitlich verstanden wird. In der konkreten Fallkonstellation führten die verschiedenen Ansichten indes alle zum selben Ergebnis: es liess sich nichts zu Gunsten von X ableiten, eine Strafbarkeit des Unternehmens N gemäss Art. 102 Abs. 1 ist verjährt.

Das Bundesgericht beschränkte sich interessanterweise lediglich auf die Festlegung des Beginns der Verjährung ohne sich jedoch konkret zur Dauer derselben zu äussern. Dies würde nämlich eine genauere Qualifizierung von Art. 102 Abs. 1 StGB erfordern, knüpft doch u.a. die Dauer der Verjährung an die Dreiteilung der Straftaten in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen an. Doch bereits dieser Aspekt ist in der Lehre umstritten und auch das Bundesgericht lässt diese Frage bewusst offen. Diese Verhaltenheit lässt sich wohl darauf zurückführen, dass das Bundesgericht vorliegend einen staatsanwaltschaftlichen Nichteintretensentscheid zu beurteilen hatte, der im Ermessen der Behörden liegt, wobei das Bundesgericht nur äusserst zurückhaltend korrigierend eingreift. Es stellt sich die Frage, ob im Falle einer inhaltlichen Überprüfung das Bundesgericht nicht konkreter zur Einordnungsproblematik von Art. 102 Abs. 1 StGB Stellung nehmen müsste. Diese bleibenden Unklarheiten haben möglicherweise auch dazu beigetragen, dass der Entscheid trotz seiner Relevanz für das Unternehmensstrafrecht nicht amtlich publiziert wurde.[9]

2. Entscheid des Bundesgerichts 6B_20/2015 vom 16. März 2015[10] (Einwilligungsfähigkeit in die ungetreue Geschäftsführung bei einer Einmanngesellschaft)

a) Sachverhalt

Der Beschuldigte war alleiniger Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft. Die Aktiengesellschaft hatte einen einzigen Aktionär (nachfolgend Alleinaktionär), der gleichzeitig Direktor der Aktiengesellschaft war. Der Beschuldigte hatte in der Bilanz der Aktiengesellschaft per 31. Dezember 2001, welche pflichtwidrig erst am 25. Juni 2003 erstellt wurde, eine Forderung nicht vollständig wertberichtigt und zudem in der Bilanz per 31. Dezember 2002 eine angebliche Schadenersatzforderung aktiviert und anschliessend nicht vollständig wertberichtigt. Aufgrund dieser Buchungen war die Überschuldung weder in der Bilanz per 31. Dezember 2001 noch in der Bilanz per 31. Dezember 2002 ersichtlich und der Konkurs über die Gesellschaft wurde erst am 23. September 2004 eröffnet. In der Zwischenzeit fielen als einzige Ausgaben die Löhne des Alleinaktionärs und des Beschuldigten an.

Der Beschuldigte wurde vom Kantonsgericht Schaffhausen wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung in Form des Treuebruchtatbestandes (Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), der Misswirtschaft (Art. 165 StGB) und der mehrfachen Bevorzugung eines Gläubigers (Art. 167 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen führte der Beschuldigte Beschwerde und verlangte, dass man ihn vom Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung freispricht. Er argumentierte, dass der Alleinaktionär von den Auslagen zu Lasten der Aktiengesellschaften jederzeit Kenntnis gehabt habe, die Aktiengesellschaft und der Alleinaktionär eine wirtschaftliche Identität bilden würden – weshalb eine rechtsgültige Einwilligung vorliege – und Art. 158 StGB nicht die Interessen der Gläubiger schützen würde.

b) Urteil

Das Bundesgericht wies die Beschwerde des Beschuldigten ab. Es hielt fest, dass der Beschuldigte als einziger Verwaltungsrat für die Vermögensverwaltung bzw. die Aufsicht über die Vermögensverwaltung zuständig war und qualifizierte diesen daher als Geschäftsführer i.S.v. Art. 158 Ziff. 1 StGB. Die Einwilligung des Alleinaktionärs in eine Schädigungshandlung sei irrelevant, da auch eine Einpersonen-AG ein eigenständiges Rechtssubjekt sei. Für Handlungen der Gesellschaftsorgane hafte gegenüber Dritten grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen, weshalb das Aktienrecht diverse zwingende Bestimmungen enthalte, die das Gesellschaftsvermögen schützen würden. Verletzte der Geschäftsführer diese Bestimmungen und werde dadurch das Gesellschaftsvermögen geschädigt, handle er pflichtwidrig und erfülle somit den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung. Die Interessen der Gläubiger würden folglich nicht nur durch die Konkursdelikte, sondern auch durch Art. 158 StGB geschützt.

Das Bundesgericht begrenzt die Anwendbarkeit von Art. 158 StGB zum Schutz der Gläubiger aber insoweit, als eine Vermögensdisposition im Lichte von Art. 158 StGB nur dann relevant sei, wenn sie das Reinvermögen der Aktiengesellschaft im Umfang des Aktienkapitals und der gebundenen (gesetzlichen) Reserven betreffe.

c) Bemerkung

Das Bundesgericht bestätigte die in BGE 117 IV 259[11] entwickelte Rechtsprechung, wonach der Geschäftsführer aufgrund aktienrechtlicher Bestimmungen gehalten ist, das Vermögen der Gesellschaft in einem gewissen Grad zu erhalten. Der mittelbare Schaden der Gläubiger ist zwar kein i.S.v. Art. 158 StGB relevanter Vermögensschaden, das Bundesgericht entschied aber, dass auf den Schaden der Aktiengesellschaft abgestellt werden kann und dass eine Einwilligung des Alleinaktionärs in eine Handlung, die gegen aktienrechtliche Kapitalschutzbestimmungen verstösst, irrelevant ist, sofern das Gesellschaftsvermögen, das sich aus dem Aktienkapital und den gebundenen Reserven zusammensetzt, betroffen ist. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Solche Handlungen sind zwar pflichtwidrig, eine Einwilligung aller Aktionäre, welche das Willensbildungsorgan der geschädigten Aktiengesellschaft bilden, muss aber rechtfertigend sein. Art. 158 Ziff. 1 StGB bezweckt den Schutz des Treueverhältnisses zwischen dem Geschäftsführers und dem Geschäftsherrn. Liegt eine Einwilligung des Geschäftsherrn vor, handelt der Geschäftsführer nicht treuwidrig. Ein Treueverhältnis zwischen Geschäftsführer und Gläubigern des Geschäftsherrn besteht nicht, deren Interessen werden durch die Konkursdelikte geschützt, weshalb sich eine Einschränkung der Einwilligungsfähigkeit bezüglich Art. 158 Ziff. 1 StGB nicht rechtfertigt.[12]

3. Entscheid des Obergerichts Zürich vom 2. Februar 2015 UE140091[13] (Strafrechtliche Relevanz der Nichtausführung einer Zahlungsanweisung)

a) Sachverhalt

Ein Kunde wies seine Bank an, sein Kontoguthaben auf ein auf ihn lautendes Konto bei einer russischen Bank zu überweisen. Die Bank machte hierfür zur Bedingung, dass der Bankkunde einen US-Steueranwalt beizieht, der bestätigt, dass er in den USA nicht steuerpflichtig ist bzw. seinen Steuerpflichten nachgekommen ist. Da der Bankkunde eine solche Bestätigung nicht beibrachte, weigerte sich die Bank, die Überweisung durchzuführen, worauf der Bankkunde Anzeige gegen unbekannte Bankmitarbeiter wegen Nötigung (Art. 181 StGB) einreichte.

Die zuständige Staatsanwaltschaft erliess eine Nichtanhandnahmeverfügung, gegen welche der Bankkunde Beschwerde führte. Er machte geltend, dass sowohl die Nichtherausgabe seiner Gelder gegen seinen Willen, als auch die Aufforderung, einen US-Steueranwalt beizuziehen, eine Nötigung darstellen würden.

b) Urteil

Die Beschwerde wurde vom Obergericht des Kantons Zürich abgewiesen. Es erwog zwar, dass keine öffentlich-rechtlichen Bestimmungen in Kraft seien, die eine Sperrung der Gelder rechtfertigen würden, folgte aber dem Argument des Rechtsvertreters des unbekannten Bankmitarbeiters, dass sich die Bank gemäss ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Pfand- und Verrechnungsrecht ausbedungen habe und dass die Bank aus einer ihr allenfalls auferlegten Busse des amerikanischen Justizdepartements eine Forderung gegen den Bankkunden habe, da dieser ihr gegenüber unwahre Angaben über seinen Aufenthalt und Wohnsitz sowie seine Steuerpflicht in den USA gemacht habe. Mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach ein vertraglich vereinbartes Pfandrecht an einer Sache die Strafbarkeit der Nichtherausgabe der Sache ausschliesst (BGE 115 IV 207, E. 2b ), kam das Obergericht zum Schluss, dass bereits die Möglichkeit des Bestehens einer Gegenforderung den Tatbestand der Nötigung ausschliesst.

c) Bemerkung

Der Entscheid des Obergerichts erging in einer rechtlich angespannten Situation. Der Steuerstreit zwischen der Schweiz bzw. den Schweizer Banken und den USA und anderen Ländern hat dazu geführt, dass Schweizer Banken sicherstellen wollen, dass man ihnen keinen Vorwurf machen kann, dass sie Personen bei der Hinterziehung von Steuern unterstützt würden. Aus diesem Grund verlangen Banken von ihren Kunden, ohne dass hierfür eine gültige gesetzliche Grundlage bestehen würde, den Nachweis der Steuerehrlichkeit. Erbringt der Kunde den Beweis hierfür nicht, wird die Kundenbeziehung aufgelöst und zudem weigern sich die Banken, gewisse Zahlungsanweisungen zu befolgen.

Das Obergericht hat nun zwar nicht darüber entschieden, ob der mit der Verweigerung der Zahlungsanweisung verfolgte Zweck, das Mittel oder die Zweck-Mittel-Relation per se rechtsmässig ist[14], was von der Staatsanwaltschaft bejaht wurde, sondern nur, dass Kontosperren gerechtfertigt sind, sofern sich die Bank auf eine vertragliche Vereinbarung berufen und behaupten kann, gegen den Kunden eine Forderung aus einer ihr auferlegten bzw. drohenden Busse zu haben.[15]

Abschliessend ist auf die oben vorgestellten Änderungen im Geldwäschereigesetz hinzuweisen[16], wobei sich auch in den neuen Bestimmungen keine Norm findet, welche Finanzintermediäre zur eigenmächtigen Anordnung einer Vermögenssperre wegen Steuerdelikten berechtigen würde.

 I. Einleitung

Die Entscheide im vorliegenden Länderbericht befassen sich mit ganz grundsätzlichen Fragestellungen des materiellen Wirtschaftsstrafrechts und können vor diesem Hintergrund auch für die deutschen Leser von Interesse sein. Zunächst ein bereits älteres aber gleichwohl sehr erwähnenswertes Urteil des Bundesgerichts vom Juli 2014, in welchem sich das Gericht mit dem geltenden Unternehmensstrafrecht (Art. 102 StGB) auseinandersetzt. Ein bemerkenswerter Vorgang, ist doch die strafrechtliche Verfolgung von Unternehmen trotz der seit mehr als zehn Jahren gesetzlich verankerten Unternehmensstrafbarkeit eine seltene Ausnahme. Weiter befasste sich das Bundesgericht im März 2015 mit der Einwilligungsfähigkeit in die ungetreue Geschäftsführung bei einer Einmanngesellschaft. Zuletzt führte die von den schweizerischen Banken neu verfolgte Weissgeldstrategie im Februar diesen Jahres zu einem Entscheid des Zürcher Obergerichts über die strafrechtliche Relevanz der Nichtausführung einer Zahlungsanweisung.

Die Gesetzgebung war in der Berichtsperiode vorwiegend von internationalen Entwicklungen geprägt. So führte die Umsetzung der Empfehlungen der Groupe d’action financière (kurz GAFI) u.a. zu Anpassungen im Strafgesetzbuch und im Geldwäschereigesetz, die per 1. Januar 2016 in Kraft treten werden und auf welche im Folgenden besonders eingegangen wird. Des Weiteren unterzeichnete der Bundesrat am 27. Mai 2015 das Abkommen mit der Europäischen Union über den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen und verabschiedete am 5. Juni 2015 zwei Botschaften zum selben Thema. In innerschweizerischer Hinsicht ist besonders erwähnenswert, dass die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates die Vorlage betreffend die Privatbestechung einstimmig angenommen hat.

II. Neue wirtschaftsstrafrechtliche Gesetzesvorhaben

1. Umsetzung der Empfehlungen der Groupe d’action financière (Steuerstrafrecht/Geldwäscherei)

In früheren Länderberichten wurde bereits mehrfach über die Empfehlungen der GAFI aus dem Jahre 2012 und über deren Umsetzung in der Schweiz berichtet.[1] Der Bundesrat erliess am 13. Dezember 2013 einen Gesetzesentwurf, der im schweizerischen Parlament auf teils heftigen Widerstand stiess. Dabei wurden insbesondere die Revision des Geldwäschereitatbestands sowie die Regelung der Zulässigkeit von Bargeldzahlungen über CHF 100’000.– intensiv diskutiert. Erst nach Einsetzung einer Einigungskonferenz wurde das neue Bundesgesetz am 12. Dezember 2014 von beiden Räten angenommen. Die Referendumsfrist lief nun bis zum 2. April diesen Jahres und blieb ungenutzt. Die revidierten Gesetzesbestimmungen, welche in ihren Grundzügen nachfolgend dargestellt werden[2], treten definitiv am 1. Januar 2016 in Kraft.

a) Relevante Änderungen im StGB und im VStrR

Zunächst zum Geldwäschereitatbestand, Art. 305bis StGB. Dieser wird dahingehend revidiert, dass nicht mehr nur (alle) Verbrechen, sondern auch das Vergehen des Steuerbetrugs eine taugliche Vortat zur Geldwäscherei darstellt, wenn die hinterzogene Steuer einen bestimmten Schwellenwert überschreitet (sog. „qualifiziertes Steuervergehen“). Die Norm lautet nun neu in ihrem ersten Absatz:

  1. Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss,   aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Als qualifizierte Steuervergehen in diesem Sinne gelten Art. 186 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) und Art. 59 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG), wenn – und das ist entscheidend – die hinterzogenen Steuern pro Steuerperiode mehr als CHF 300‘000.– betragen. Beide Bestimmungen bedingen die Verwendung von gefälschten, verfälschten oder inhaltlich unwahren Urkunden zum Zwecke der Steuerhinterziehung (sog. Steuerbetrug). Die neue Regelung stellt einen – man kann ruhig auch sagen: faulen – Kompromiss dar: qualifizierte Steuervergehen sind zwar nun Vortaten zur Geldwäscherei, jedoch weiterhin Vergehen und keine Verbrechen. Damit setzt sich der Gesetzgeber über den ursprünglich bewusst als explizite Tatbestandsvoraussetzung gewählten Begriff des „Verbrechens“ als Vortat hinweg und schafft Ausnahmeregeln, welche eigentlich gerade nicht geschaffen werden sollten. Es scheint vor diesem Hintergrund nur eine Frage der Zeit, bis weitere Ausnahmetatbestände hinzukommen.

Neben der Änderung von Art. 305bis StGB wird folgerichtig auch Art. 305ter Abs. 2 StGB und das darin enthaltene Melderecht des Finanzintermediärs[3] an die MROS, die Meldestelle für Geldwäscherei, erweitert. Er darf dieser nunmehr auch dann Wahrnehmungen mitteilen, welche darauf schliessen lassen, dass Vermögenswerte aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren.

Und auch im Verwaltungsstrafrecht kommt es zu Änderungen. Dies in Art. 14 Abs. 4 VStrR, einem Verbrechenstatbestand, dessen Anwendungsbereich erweitert wird, erfordert der qualifizierte Abgabebetrug in Zukunft weder eine gewerbliche noch eine bandenmässige Begehung.

b) Auswirkungen auf die Pflichten für Finanzintermediäre und Händler

Die strafrechtlichen Rechtsfolgen sind damit geklärt. Praktisch mindestens ebenso bedeutsam sind indes die damit einhergehenden Änderungen im Geldwäschereigesetz (GwG). Diejenigen Personen, welche dem Geldwäschereigesetz unterstellt sind, treffen nunmehr nämlich eine Vielzahl an Pflichten. Dies sind, wie sich zeigen wird, nicht mehr nur Finanzintermediäre. Zunächst aber zu diesen und deren Abklärungs- und Meldepflichten.

aa) Auswirkungen auf Finanzintermediäre

Zunächst wurde die grundlegende Pflicht zur Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person gemäss Art. 4 nGwG revidiert. Neu muss diese nicht nur bei Zweifeln, sondern immer festgestellt werden, wir dies bisher schon in der Praxis üblich war (eine Ausnahme gilt bei börsenkotierten Gesellschaften).

Weiter wurden die – nun neu so bezeichneten – „besonderen Sorgfaltspflichten“ der Finanzintermediäre in Art. 6 nGwG erweitert. Dies zum einen in der Weise, dass in dessen Abs. 1 neue Abklärungsbereiche hinzugefügt wurde. Diese richten sich nach dem Risiko, das die Vertragspartei darstellt. Dies betrifft die Hierarchiestufe, auf welcher der Entscheid, eine Geschäftsbeziehung einzugehen oder weiterzuführen, getroffen werden muss, sowie die Periodizität von Kontrollen.

Weiter wurden in Art. 6 Abs. 2 nGwG zusätzliche Situationen eingefügt, bei welchen der Finanzintermediär die Hintergründe und den Zweck einer Transaktion oder eine Geschäftsbeziehung abklären muss:

  • Wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass Vermögenswerte aus einem qualifizierten Steuervergehen nach Art. 305bis Ziff. 1bis StGB herrühren;
  • Wenn die Daten einer Vertragspartei, einer wirtschaftlich berechtigten oder einer zeichnungsberechtigten Person einer Geschäftsbeziehung oder Transaktion mit den Daten über terroristische Aktivitäten, welche dem Finanzintermediär gemäss Art. 22a nGwG übermittelt wurden, übereinstimmen oder sehr ähnlich sind.

Auch die Meldepflichten des Art. 9 nGwG wurden analog zur Erweiterung der besonderen Sorgfaltspflichten angepasst. Ein Finanzintermediär muss zukünftig auch dann Meldung an die MROS machen, wenn er von einem Steuerbetrug weiss oder einen diesbezüglichen, begründeten Verdacht hat. Solches Wissen oder ein derartiger Verdacht sind in der Praxis aber wohl selten zu bejahen. Denn zum einem dürfte es dem Finanzintermediär schwer bis unmöglich sein, die Verwendung unwahrer oder auch gefälschter Urkunden zu erkennen. Zum anderen dürfte auch die Berechnung der Höhe der mutmasslich hinterzogenen Steuern pro Steuerperiode, also das Überschreiten der Schwelle von CHF 300‘000.– Schwierigkeiten bereiten, sofern der Kunde nicht bekanntermassen über sehr grosses Einkommen und dementsprechendes Vermögen verfügt. Denn er müsste eigentlich über die vollständige Einkommens- und Vermögenssituation im Bilde sein. Dies ist wohl auch der Grund, warum eine solche Meldung neu nicht mehr in jedem Fall zu Sperrung der betroffenen Vermögenswerte führen muss. Grundsätzlich erfolgt die Vermögenssperre erst dann, wenn die MROS nach Prüfung der Meldung dem Finanzintermediär innert zwanzig Arbeitstagen mitteilt, dass sie die Meldung an eine Strafverfolgungsbehörde weiterleitet.

Darüber hinaus hat sich der Katalog der politisch exponierten Personen, der PEPs, erweitert. Auch dies wird zu einem Mehraufwand führen. Gemäss dem neuen Gesetz gelten nicht nur Machthaber im Ausland, sondern auch Personen in der Schweiz als PEP, beispielsweise Mitglieder der Eidgenössischen Räte.

bb) Auswirkungen auf Händlerinnen und Händler

Neben diesen Pflichten für Finanzintermediäre gilt das GwG und die darin verankerten Pflichten neu nunmehr aber auch für Händlerinnen und Händler. Dies zeigt sich bereits daran, dass der Titel im Geldwäschereigesetz geändert wird: neu heisst es nur noch „Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung“ – der Zusatz „im Finanzsektor“ wurde ersatzlos gestrichen.

Zunächst stellt sich die Frage, welche Personen denn als Händlerinnen und Händler in diesem Sinne zu qualifizieren sind. Das sind natürliche und juristische Personen, die gewerblich mit Gütern handeln und dabei Bargeld entgegennehmen (Art. 2 Abs. 1 lit. b nGwG). Erfasst werden sollten damit wohl insbesondere Immobilien-, Kunst- und Edelsteinhändler.

Diese Händler und Händlerinnen sind zwar keine Finanzintermediäre, sie dürfen Handelsgeschäfte mit Barzahlungen über CHF 100‘000.– aber entweder nur noch über die dem Geldwäschereigesetz unterstellten Finanzintermediäre abwickeln (Art. 8a Abs. 4 nGwG) oder aber sie müssen Sorgfaltspflichten einhalten, welche jenen von Finanzintermediären sehr ähnlich sind. Diese Pflichten sind gem. Art. 8a Abs. 1 nGwG:

  •  Identifizierung der Vertragspartei
  •  Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person 
  • Dokumentationspflicht

Darüber hinaus müssen sie die Hintergründe und den Zweck eines Geschäfts abklären, wenn:

  •  es ungewöhnlich erscheint, es sein denn, seine Rechtmässigkeit ist erkennbar; oder
  •  Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Vermögenswerte aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren.

Auch die Händlerinnen und Händler treffen die Meldepflichten (Art. 9 Abs. 1bis nGwG), welche für Finanzintermediäre gelten – auch wenn dies der Gesetzestext nicht explizit vorsieht, sollte dies freilich nur bei Barzahlungen über CHF 100‘000.– gelten. Kommen die Händler ihrer Meldepflicht nicht nach, muss die Revisionsstelle gemäss Art. 15 Abs. 5 nGwG unverzüglich Meldung bei der MROS erstatten.

Natürlich kann und muss man diese Erweiterung, die dem Zuschnitt des Geldwäschereigesetzes auf den Finanzsektor zuwider läuft, kritisieren. Eines darf gleichwohl nicht unbeachtet bleiben: Für Unternehmen, welche in geldwäschereisensiblen Gebieten tätig sind (zB im Immobiliensektor etc.), galten derartige Prüfpflichten auch schon vor der Änderung des Geldwäschereigesetzes. Dies nämlich dann, wenn sie sich nicht über Art. 102 Abs. 2 StGB der Gefahr einer unternehmensstrafrechtlichen Verantwortlichkeit aussetzen wollten.

2. Bilaterales Abkommen zwischen der Schweiz und der EU

Der Bundesrat hat am 27. Mai 2015 das Abkommen mit der Europäischen Union über den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen unterzeichnet und die Vernehmlassung dazu eröffnet, welche am 17. September 2015 endet.[4] Die Schweiz und die 28 EU-Mitgliedstaaten beabsichtigen, ab 2017 Kontodaten zu erheben und ab 2018 auszutauschen. Banken sollen ihren nationalen Behörden die Kontonummer, Name, Adresse und Geburtsdatum des Anlegers, Zinsen, Dividenden, Einnahmen aus bestimmten Versicherungsverträgen, Kontoguthaben und Erlöse aus der Veräusserung von Finanzvermögen übermitteln. Die nationalen Behörden werden die Informationen dann automatisch an die Behörden der Herkunftsländer weiterleiten. Das schweizerische Bankgeheimnis (Art. 47 BankG) ist bereits heute durch die Gutheissung zahlreicher Amtshilfegesuche ausgehöhlt – ab 2018 gehört es damit aber endgültig der Vergangenheit an.

3. Botschaften zu den gesetzlichen Grundlagen für den automatischen Informationsaustausch

Am 5. Juni 2015 verabschiedete der Bundesrat zwei Botschaften zum automatischen Informationsaustausch zuhanden des Parlaments: zum einen die Botschaft über das multilaterale Übereinkommen des Europarats und der OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen[5], zum anderen die Botschaft über die für die Umsetzung des Standards für den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIA) erforderlichen Gesetzesgrundlagen[6].

Die Schweiz hat am 15. Oktober 2013 das Übereinkommen des Europarats und der OECD über die Amtshilfe in Steuersachen unterzeichnet. Das Übereinkommen sieht drei Formen des Informationsaustauschs vor: auf Ersuchen, spontan und automatisch. Der Bundesrat sieht vor, durch Änderungen im Steueramtshilfegesetz, den Informationsaustausch auf Ersuchen und den spontanen Austausch von Informationen, die voraussichtlich für die ausländische Behörde interessant sind, einzuführen. Die zweite Botschaft betrifft die Multilaterale Vereinbarung der zuständigen Behörden über den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten (Multilateral Competent Authority Agreement, MCAA), die am 19. November 2014 von der Schweiz unterzeichnet wurde. Damit die Bestimmungen dieser Vereinbarung sowie diejenigen des globalen Standards für den automatischen Informationsaustausch angewendet werden können, braucht es ein entsprechendes Bundesgesetz. Das neue Bundesgesetz über den internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIA-Gesetz) enthält Bestimmungen über die Organisation, das Verfahren, die Rechtswege sowie die anwendbaren Strafbestimmungen. Erwähnenswert ist, dass bestehende Konten natürlicher Personen ab Beginn der Anwendbarkeit des automatischen Informationsaustausches mit einem Partnerstaat innerhalb von ein bzw. zwei Jahren (bei mehr als 1 Mio. CHF) und Konten juristischer Personen innerhalb von zwei Jahren überprüft werden müssen. Unter gewissen Bedingungen kann auf eine Selbstauskunft des Kunden abgestellt werden, wobei der Kunde Änderungen von sich aus mitteilen muss und für falsche Auskünfte bzw. für die Verletzung der Mitteilungspflicht mit einer Busse bis zu CHF 10‘000.– bestraft werden kann.

Die Vernehmlassungen zu den beiden Vorlagen wurden abgeschlossen und die Eidgenössischen Räte werden die Beratungen zu den Vorlagen im Herbst 2015 aufnehmen. Selbst wenn das Referendum ergriffen wird, könnten die gesetzlichen Grundlagen somit Anfang des Jahres 2017 in Kraft treten, und der erste Informationsaustausch mit den Partnerstaaten im Jahre 2018 erfolgen.

4. Privatbestechung

Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates hat die Vorlage betreffend die Privatbestechung (Art. 322octies und 322novies nStGB) einstimmig angenommen.[7] Entgegen dem Vorschlag des Bundesrats will die Mehrheit der Kommission bei der Privatbestechung indes in leichten Fällen keine Verfolgung von Amtes wegen.

Mit 6 zu 6 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten hat die Kommission entschieden, dass bei der Bestechung Privater der Täter nur auf Antrag verfolgt wird, wenn durch die Tat keine öffentlichen Interessen verletzt oder gefährdet sind. Die Minderheit will die Lösung des Bundesrats, die im Unterscheid zur geltenden Regelung bei allen Fällen der Privatbestechung die Verfolgung von Amtes wegen vorsieht. Angenommen wurde auch ein Antrag, wonach im Geschäftsleben übliche Vorteile keinen nicht gebührenden Vorteil darstellen sollen. Abgelehnt wurde hingegen ein Antrag, welcher Vorteile von der Strafbarkeit ausnehmen will, die den Gläubiger bei der Eintreibung einer bestehenden Forderung im Ausland unterstützten. Mit 5 zu 5 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten lehnte die Kommission schliesslich einen Antrag ab, welcher bei schweren Fällen der Privatbestechung (Vorteil von mehr als 10‘000.– Franken) die Strafandrohung über den Vorschlag des Bundesrates hinaus erhöhen will (Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren).

III. Neues aus der wirtschaftsstrafrechtlichen Rechtsprechung

1. Entscheid des Bundesgerichts 6B_7/2014 vom 21. Juli 2014[8] (Verjährungsbeginn der subsidiären Unternehmenshaftung gem. Art. 102 Abs. 1 StGB)

a) Sachverhalt

A war Gewerkschaftsführer des Unternehmens B (Tochterfirma des international tätigen Unternehmens N) in Kolumbien. Zwischen dem 10. und 11. September 2005 wurde A von Angehörigen der kolumbianischen Paramilitärs entführt und getötet. Im März 2012 erhob die Witwe X in der Schweiz Strafklage gegen fünf Personen, welche zum Tatzeitpunkt alle Kaderpositionen im Unternehmen N bekleideten. Im Wesentlichen machte X geltend, die Vorgenannten hätten nichts unternommen, um den Tod von A zu verhindern, weshalb sie sich der fahrlässigen Tötung strafbar gemacht haben. Subsidiär sei das Unternehmen N gem. Art. 102 Abs. 1 StGB ins Recht zu fassen und zu einer Geldbusse zu verurteilen. Die Staatsanwaltschaft erliess einen Nichteintretensentscheid, da der Vorwurf der fahrlässigen Tötung bereits verjährt sei. Gegen diese Verfügung erhob X Beschwerde, welche vom Kantonsgericht abgewiesen wurde. Gegen diesen Entscheid gelangte X an das Bundesgericht.

b) Urteil

Das Bundesgericht warf zunächst die Frage auf, ob X überhaupt legitimiert sei, sich auf Art. 102 Abs. 1 StGB zu berufen. Dies wäre aus Sicht des Gerichts eventuell zu bejahen, wenn man die fragliche Bestimmung als Zurechnungsnorm verstehen würde. Die Legitimation sei hingegen ernsthaft zu bezweifeln, wenn die Norm als eigenständiger Straftatbestand (Vergehen oder Übertretung) qualifiziert werde, wobei das geschützte Rechtsgut die Rechtspflege darstellt. In casu konnte diese Frage nach Ansicht des Bundesgerichts jedoch offen gelassen werden (E. 1.2).

Gemäss Art. 102 Abs. 1 StGB werden dem Unternehmen Verbrechen oder Vergehen zugerechnet, welche in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks begangen werden und aufgrund mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden können.

Die Vorinstanz war der Auffassung, dass die Verjährung der Anlasstat in jedem Fall eine subsidiäre Verantwortlichkeit des Unternehmens ausschliesse. Die Unmöglichkeit, die Straftat einer natürlichen Person zuzurechnen, sei nicht auf einen Organisationsmangel des Unternehmens zurückzuführen, sondern Folge der eingetretenen Verjährung. Zu diesem Resultat gelange man unabhängig davon, welche Lehrmeinung zur Anwendung gelange (E. 3.2). Das Bundesgericht hielt diesbezüglich fest, dass die Frage nach der Verjährung dieser Bestimmung in der Lehre äusserst kontrovers diskutiert wird. Die Antwort bestimme sich nach der Rechtsnatur von Art. 102 Abs. 1 StGB, welche jedoch selbst umstritten sei (E. 3.4). In der Folge setzte sich das Bundesgericht ausführlich mit den vorherrschenden Lehrmeinungen auseinander und führt aus:

Ein Teil der Lehre geht davon aus, dass es sich bei Art. 102 Abs. 1 StGB um eine klassische Zurechnungsnorm handelt (z.B. Niklaus Schmid, Strafbarkeit des Unternehmens: Die Prozessuale Seite, Recht 2003 S. 201 ff.; Alain Macaluso, La responsabilité pénale de l’entreprise, 2004, N 508 ff., S. 90 f.; Gunther Arzt, Die kommende Strafbarkeit der Bank als juristischer Person, in Banken und Bankrecht im Wandel, 2004, S. 82). Ein anderer Teil der Lehre wiederum qualifiziert die Norm als Straftatbestand sui generis, der entweder als Teilnahmetatbestand oder aber als Mischbestimmung (Sanktionsnorm und Zurechnungsbestimmung) verstanden wird (z.B. Matthias Forster, Die Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens nach Art. 102 StGB, 2006, S. 73 f.; vgl. auch die zitierten Meinungen in Niggli/Gfeller, Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. A. 2013, Art. 102 StGB N 19). Das Bundesgericht hielt fest, dass sich die Verjährung gemäss dem Verständnis dieser Auffassungen logischerweise nach der Anlasstat richten müsse (E. 3.4.1).

Eine dritte Ansicht sieht in Art. 102 Abs. 1 StGB dagegen eine eigene Strafbestimmung für Unternehmen, wobei die Anlasstat als objektives Tatbestandsmerkmal verstanden wird. Der Straftatbestand liegt im Organisationsdefizit, welches zur Folge hat, dass entweder der Verantwortliche für die Anlasstat überhaupt erst gar nicht bestimmt werden kann oder keine natürliche Person alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Anlasstat erfüllt (mit Hinweis auf weitere Autoren: Niggli/Gfeller, Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. A. 2013, Art. 102 StGB N 18 ff.; Stefan Trechsel et al., Praxiskommentar, 2. A. 2013, Art. 102 StGB N 7b). Das strafbare Verhalten besteht im Unterlassen des Unternehmens die notwendigen organisatorischen Massnahmen zu ergreifen, um eine Zurechnungsunmöglichkeit zu verhindern. Diese Auffassung geht schliesslich davon aus, dass es sich um ein Dauerdelikt handelt, wobei der Verjährungslauf im Zeitpunkt beginnt, in welchem das Organisationsdefizit beseitigt wird (Niggli/Gfeller, Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. A. 2013, Art. 102 StGB N 47; Matthias Heiniger, Der Konzern im Unternehmensstrafrecht gemäss Art. 102 StGB, 2011, N 317 S. 128; a.M. Stefan Trechsel et al., Praxiskommentar, 2. A. 2013, Art. 102 StGB N 7c). Die Autoren vertreten ausserdem, dass die Verjährung der Anlasstat die Strafbarkeit des Unternehmens ausschliesst, da die Zurechnungsunmöglichkeit nicht mehr durch das Organisationsdefizit verursacht wird. Gemäss Bundesgericht verkennt die Autorenschaft, dass der Gesetzgeber die Anwendbarkeit von Art. 102 Abs. 1 StGB von drei kumulativen Voraussetzungen abhängig macht: der Ausübung einer Anlasstat, der (Prä-)Existenz eines Organisationsdefizits und der Tatsache, dass der Organisationsmangel verhindert, dass die Anlasstat einer natürlichen Person zugerechnet werden kann. Das geschützte Rechtsgut der Norm ist das einwandfreie Funktionieren der Justiz, weshalb das Organisationsdefizit nur insoweit massgebend ist, als dass es auch tatsächlich zu Beweisproblemen führt, welche die Zurechnungsunmöglichkeit zur Folge haben. Dieser Aspekt muss massgeblich mitberücksichtigt werden für die Behandlung der Verjährungsfrage. Da das Organisationsdefizit im Resultat zur Zurechnungsunmöglichkeit führen muss, kann Art. 102 Abs. 1 StGB gemäss Bundesgericht eben gerade nicht als Dauerdelikt angesehen werden. Vielmehr handelt es sich um ein Zustandsdelikt dessen Verjährung im Zeitpunkt beginnt, in welchem alle Voraussetzungen erfüllt sind (E. 3.4.3).

Das Bundesgericht statuiert schliesslich, dass die Verjährung spätestens am Tag der Begehung der Anlasstat beginne. Dies selbst dann, wenn man der Ansicht, dass die subsidiäre Verantwortung des Unternehmens bei Verjährung der Anlasstat generell ausgeschlossen sei, nicht folge. Vorbehaltlich der Frage nach der Dauer der Verjährung gelangt das Bundesgericht somit zum selben Ergebnis, wie die Lehrmeinungen, welche Art. 102 Abs. 1 StGB als Zurechnungstatbestand bzw. Mischbestimmung verstehen (E. 3.4.4).

Die Beschwerde von X wurde deswegen abgewiesen.

c) Bemerkung

Der Entscheid zeigt auf, dass die Rechtsnatur von Art. 102 Abs. 1 StGB in der schweizerischen Strafrechtswissenschaft äusserst uneinheitlich verstanden wird. In der konkreten Fallkonstellation führten die verschiedenen Ansichten indes alle zum selben Ergebnis: es liess sich nichts zu Gunsten von X ableiten, eine Strafbarkeit des Unternehmens N gemäss Art. 102 Abs. 1 ist verjährt.

Das Bundesgericht beschränkte sich interessanterweise lediglich auf die Festlegung des Beginns der Verjährung ohne sich jedoch konkret zur Dauer derselben zu äussern. Dies würde nämlich eine genauere Qualifizierung von Art. 102 Abs. 1 StGB erfordern, knüpft doch u.a. die Dauer der Verjährung an die Dreiteilung der Straftaten in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen an. Doch bereits dieser Aspekt ist in der Lehre umstritten und auch das Bundesgericht lässt diese Frage bewusst offen. Diese Verhaltenheit lässt sich wohl darauf zurückführen, dass das Bundesgericht vorliegend einen staatsanwaltschaftlichen Nichteintretensentscheid zu beurteilen hatte, der im Ermessen der Behörden liegt, wobei das Bundesgericht nur äusserst zurückhaltend korrigierend eingreift. Es stellt sich die Frage, ob im Falle einer inhaltlichen Überprüfung das Bundesgericht nicht konkreter zur Einordnungsproblematik von Art. 102 Abs. 1 StGB Stellung nehmen müsste. Diese bleibenden Unklarheiten haben möglicherweise auch dazu beigetragen, dass der Entscheid trotz seiner Relevanz für das Unternehmensstrafrecht nicht amtlich publiziert wurde.[9]

2. Entscheid des Bundesgerichts 6B_20/2015 vom 16. März 2015[10] (Einwilligungsfähigkeit in die ungetreue Geschäftsführung bei einer Einmanngesellschaft)

a) Sachverhalt

Der Beschuldigte war alleiniger Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft. Die Aktiengesellschaft hatte einen einzigen Aktionär (nachfolgend Alleinaktionär), der gleichzeitig Direktor der Aktiengesellschaft war. Der Beschuldigte hatte in der Bilanz der Aktiengesellschaft per 31. Dezember 2001, welche pflichtwidrig erst am 25. Juni 2003 erstellt wurde, eine Forderung nicht vollständig wertberichtigt und zudem in der Bilanz per 31. Dezember 2002 eine angebliche Schadenersatzforderung aktiviert und anschliessend nicht vollständig wertberichtigt. Aufgrund dieser Buchungen war die Überschuldung weder in der Bilanz per 31. Dezember 2001 noch in der Bilanz per 31. Dezember 2002 ersichtlich und der Konkurs über die Gesellschaft wurde erst am 23. September 2004 eröffnet. In der Zwischenzeit fielen als einzige Ausgaben die Löhne des Alleinaktionärs und des Beschuldigten an.

Der Beschuldigte wurde vom Kantonsgericht Schaffhausen wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung in Form des Treuebruchtatbestandes (Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), der Misswirtschaft (Art. 165 StGB) und der mehrfachen Bevorzugung eines Gläubigers (Art. 167 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen führte der Beschuldigte Beschwerde und verlangte, dass man ihn vom Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung freispricht. Er argumentierte, dass der Alleinaktionär von den Auslagen zu Lasten der Aktiengesellschaften jederzeit Kenntnis gehabt habe, die Aktiengesellschaft und der Alleinaktionär eine wirtschaftliche Identität bilden würden – weshalb eine rechtsgültige Einwilligung vorliege – und Art. 158 StGB nicht die Interessen der Gläubiger schützen würde.

b) Urteil

Das Bundesgericht wies die Beschwerde des Beschuldigten ab. Es hielt fest, dass der Beschuldigte als einziger Verwaltungsrat für die Vermögensverwaltung bzw. die Aufsicht über die Vermögensverwaltung zuständig war und qualifizierte diesen daher als Geschäftsführer i.S.v. Art. 158 Ziff. 1 StGB. Die Einwilligung des Alleinaktionärs in eine Schädigungshandlung sei irrelevant, da auch eine Einpersonen-AG ein eigenständiges Rechtssubjekt sei. Für Handlungen der Gesellschaftsorgane hafte gegenüber Dritten grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen, weshalb das Aktienrecht diverse zwingende Bestimmungen enthalte, die das Gesellschaftsvermögen schützen würden. Verletzte der Geschäftsführer diese Bestimmungen und werde dadurch das Gesellschaftsvermögen geschädigt, handle er pflichtwidrig und erfülle somit den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung. Die Interessen der Gläubiger würden folglich nicht nur durch die Konkursdelikte, sondern auch durch Art. 158 StGB geschützt.

Das Bundesgericht begrenzt die Anwendbarkeit von Art. 158 StGB zum Schutz der Gläubiger aber insoweit, als eine Vermögensdisposition im Lichte von Art. 158 StGB nur dann relevant sei, wenn sie das Reinvermögen der Aktiengesellschaft im Umfang des Aktienkapitals und der gebundenen (gesetzlichen) Reserven betreffe.

c) Bemerkung

Das Bundesgericht bestätigte die in BGE 117 IV 259[11] entwickelte Rechtsprechung, wonach der Geschäftsführer aufgrund aktienrechtlicher Bestimmungen gehalten ist, das Vermögen der Gesellschaft in einem gewissen Grad zu erhalten. Der mittelbare Schaden der Gläubiger ist zwar kein i.S.v. Art. 158 StGB relevanter Vermögensschaden, das Bundesgericht entschied aber, dass auf den Schaden der Aktiengesellschaft abgestellt werden kann und dass eine Einwilligung des Alleinaktionärs in eine Handlung, die gegen aktienrechtliche Kapitalschutzbestimmungen verstösst, irrelevant ist, sofern das Gesellschaftsvermögen, das sich aus dem Aktienkapital und den gebundenen Reserven zusammensetzt, betroffen ist. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Solche Handlungen sind zwar pflichtwidrig, eine Einwilligung aller Aktionäre, welche das Willensbildungsorgan der geschädigten Aktiengesellschaft bilden, muss aber rechtfertigend sein. Art. 158 Ziff. 1 StGB bezweckt den Schutz des Treueverhältnisses zwischen dem Geschäftsführers und dem Geschäftsherrn. Liegt eine Einwilligung des Geschäftsherrn vor, handelt der Geschäftsführer nicht treuwidrig. Ein Treueverhältnis zwischen Geschäftsführer und Gläubigern des Geschäftsherrn besteht nicht, deren Interessen werden durch die Konkursdelikte geschützt, weshalb sich eine Einschränkung der Einwilligungsfähigkeit bezüglich Art. 158 Ziff. 1 StGB nicht rechtfertigt.[12]

3. Entscheid des Obergerichts Zürich vom 2. Februar 2015 UE140091[13] (Strafrechtliche Relevanz der Nichtausführung einer Zahlungsanweisung)

a) Sachverhalt

Ein Kunde wies seine Bank an, sein Kontoguthaben auf ein auf ihn lautendes Konto bei einer russischen Bank zu überweisen. Die Bank machte hierfür zur Bedingung, dass der Bankkunde einen US-Steueranwalt beizieht, der bestätigt, dass er in den USA nicht steuerpflichtig ist bzw. seinen Steuerpflichten nachgekommen ist. Da der Bankkunde eine solche Bestätigung nicht beibrachte, weigerte sich die Bank, die Überweisung durchzuführen, worauf der Bankkunde Anzeige gegen unbekannte Bankmitarbeiter wegen Nötigung (Art. 181 StGB) einreichte.

Die zuständige Staatsanwaltschaft erliess eine Nichtanhandnahmeverfügung, gegen welche der Bankkunde Beschwerde führte. Er machte geltend, dass sowohl die Nichtherausgabe seiner Gelder gegen seinen Willen, als auch die Aufforderung, einen US-Steueranwalt beizuziehen, eine Nötigung darstellen würden.

b) Urteil

Die Beschwerde wurde vom Obergericht des Kantons Zürich abgewiesen. Es erwog zwar, dass keine öffentlich-rechtlichen Bestimmungen in Kraft seien, die eine Sperrung der Gelder rechtfertigen würden, folgte aber dem Argument des Rechtsvertreters des unbekannten Bankmitarbeiters, dass sich die Bank gemäss ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Pfand- und Verrechnungsrecht ausbedungen habe und dass die Bank aus einer ihr allenfalls auferlegten Busse des amerikanischen Justizdepartements eine Forderung gegen den Bankkunden habe, da dieser ihr gegenüber unwahre Angaben über seinen Aufenthalt und Wohnsitz sowie seine Steuerpflicht in den USA gemacht habe. Mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach ein vertraglich vereinbartes Pfandrecht an einer Sache die Strafbarkeit der Nichtherausgabe der Sache ausschliesst (BGE 115 IV 207, E. 2b ), kam das Obergericht zum Schluss, dass bereits die Möglichkeit des Bestehens einer Gegenforderung den Tatbestand der Nötigung ausschliesst.

c) Bemerkung

Der Entscheid des Obergerichts erging in einer rechtlich angespannten Situation. Der Steuerstreit zwischen der Schweiz bzw. den Schweizer Banken und den USA und anderen Ländern hat dazu geführt, dass Schweizer Banken sicherstellen wollen, dass man ihnen keinen Vorwurf machen kann, dass sie Personen bei der Hinterziehung von Steuern unterstützt würden. Aus diesem Grund verlangen Banken von ihren Kunden, ohne dass hierfür eine gültige gesetzliche Grundlage bestehen würde, den Nachweis der Steuerehrlichkeit. Erbringt der Kunde den Beweis hierfür nicht, wird die Kundenbeziehung aufgelöst und zudem weigern sich die Banken, gewisse Zahlungsanweisungen zu befolgen.

Das Obergericht hat nun zwar nicht darüber entschieden, ob der mit der Verweigerung der Zahlungsanweisung verfolgte Zweck, das Mittel oder die Zweck-Mittel-Relation per se rechtsmässig ist[14], was von der Staatsanwaltschaft bejaht wurde, sondern nur, dass Kontosperren gerechtfertigt sind, sofern sich die Bank auf eine vertragliche Vereinbarung berufen und behaupten kann, gegen den Kunden eine Forderung aus einer ihr auferlegten bzw. drohenden Busse zu haben.[15]

Abschliessend ist auf die oben vorgestellten Änderungen im Geldwäschereigesetz hinzuweisen[16], wobei sich auch in den neuen Bestimmungen keine Norm findet, welche Finanzintermediäre zur eigenmächtigen Anordnung einer Vermögenssperre wegen Steuerdelikten berechtigen würde.

[1] Vgl. Frank/Murmann, Länderbericht Schweiz: Aktuelles Wirtschaftsstrafrecht, WiJ 2015, S. 51 mit weiteren Hinweisen (abrufbar unter: http://www.wi-j.de/index.php/de/wij/aktuelle-ausgabe/item/320-länderbericht-schweiz-aktuelles-wirtschaftsstrafrecht ; zuletzt besucht am 6. Juli 2015).

[2] Vgl. dazu auch ausführlich Kunz, Umsetzung der GAFI-Empfehlungen 2012 – Die Geldwäschereiprävention verlässt den Finanzsektor, in Jusletter v. 23. Februar 2015 und Lutz/Kern, Umsetzung der GAFI-Empfehlungen: Massgebliche Auswirkungen bei der Geldwäschereibekämpfung und im Gesellschaftsrecht, SJZ 2015, S. 301ff.

[3] Ein Begriff, der im deutschen Recht unbekannt ist, und diejenigen Personen meint, welche berufsmässig mit fremden Vermögenswerten arbeiten. Zur Legaldefinition vgl. Art. 2 Abs. 2 und 3 GwG (abrufbar unter: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19970427/index.html ; zuletzt besucht am 6. Juli 2015).

[4] Medienmitteilung des Bundesrates mit Links zum Abkommen und erläuterndem Bericht abrufbar unter: https://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&;;msg-id=57397 (zuletzt besucht am 6. Juli 2015).

[5] Abrufbar unter: http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/39746.pdf (zuletzt besucht am 6. Juli 2015).

[6] Abrufbar unter: http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/39761.pdf (zuletzt besucht am 6. Juli 2015).

[7] Medienmitteilung RK-S, abrufbar unter: http://www.parlament.ch/D/mm/2015/Seiten/mm-rk-s-2015-04-24.aspx (zuletzt besucht am 6. Juli 2015). Vgl. dazu bereits Frank/Kottmann, Länderbericht Schweiz: Aktuelles Wirtschaftsstrafrecht 2014, S. 160f. (abrufbar unter: http://www.wi-j.de/index.php/de/wij/aktuelle-ausgabe/item/277-länderbericht-schweiz-aktuelles-wirtschaftsstrafrecht ; zuletzt besucht am 6. Juli 2015).

[8] Abrufbar unter: http://www.servat.unibe.ch/dfr/bger/140721_6B_7-2014.html (zuletzt besucht am 6. Juli 2015).

[9] Auch Macaluso/Gabarski äussern sich erstaunt, dass der Entscheid nicht zur Publikation vorgesehen war (vgl. dieslb., Nr. 56 Tribunal fédéral, Cour de droit pénal, Arrêt du 21 juillet 2014 dans la cause X. contre Ministère public central du canton de Vaud – 6B_7/2014, forumpoenale 6/2014 S. 322, S. 324).

[10] Abrufbar unter: http://www.servat.unibe.ch/dfr/bger/150316_6B_20-2015.html (zuletzt besucht am 6. Juli 2015).

[11] Abrufbar unter: http://www.servat.unibe.ch/dfr/bge/c4117259.html (zuletzt besucht am 6. Juli 2015).

[12] Vgl. zum Ganzen die Urteilsbesprechung von Graf, Einmanngesellschaften und ungetreue Geschäftsbesorgung, in: Jusletter v. 20. April 2015.

[13] Abrufbar unter: http://www.gerichte-zh.ch/fileadmin/user_upload/entscheide/oeffentlich/UE140091-O6.pdf (zuletzt besucht am 6. Juli 2015).

[14] Zur positiven Begründung der Rechtswidrigkeit der Nötigung vgl. BGE 137 IV 326, E. 3.3.1.

http://www.servat.unibe.ch/dfr/bge/c4137326.html (zuletzt besucht am 6. Juli 2015).

[15] Vgl. zum Ganzen die Urteilsbesprechung von Baumann/Stengel, Kontosperre durch die Bank bei Verdacht auf Steuerdelikt im Ausland, in: Jusletter v. 11. Mai 2015.

[16] Vgl. dazu bereits ausführlich oben II. 1. (Umsetzung der Empfehlungen der Groupe d’action financière).

Autorinnen und Autoren

  • Friedrich Frank
    Nach dem Studium an der Universität Tübingen assistierte Friedrich Frank an der Universität Bern und arbeitete als Rechtsanwalt in Stuttgart sowie als Tutor für Wirtschaftsstrafrecht an der Universität St. Gallen (HSG). Er besitzt die deutsche und die bernische Rechtsanwaltszulassung, ist Fachanwalt SAV Strafrecht und arbeitet als Anwalt bei der Kanzlei Jetzer Frank in Zürich, ausschliesslich im Bereich Strafrecht.
  • Riccarda Kummer, MLaw
    Riccarda Kummer, MLaw, absolvierte ihren Bachelor an der Universität Freiburg i.Ü. mit dem Zusatz Bilingue (d/f). Anschliessend erwarb sie ihren Master an den Universitäten Dublin (University College of Dublin, IRL) und Freiburg i.Ü. Sie macht zurzeit ein Praktikum in einer Kanzlei in Quito (Ecuador) und beginnt im Oktober ihr Anwaltspraktikum im Kanton Solothurn.
  • Reto Weilenmann, MLaw
    Reto Weilenmann, MLaw, studierte an den Universitäten Bern und Utrecht (NL). Er bereitet sich im Moment auf die schweizerische Anwaltsprüfung vor. Zuvor hat er Praktika bei einer kantonalen Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte und in einer Zürcher Anwaltskanzlei absolviert.

WiJ

  • Dr. Simon Ulc , Marc Neuhaus

    Übernahme von Kosten für Verteidiger und Zeugenbeistände – eine Praxisübersicht

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Ricarda Schelzke

    BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23

    Individual- und Unternehmenssanktionen

  • Dr. Marius Haak , Joshua Pawel LL.M.

    Umweltkriminalität im Visier der EU – Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Rat beschlossen

    Produkthaftung, Umwelt, Fahrlässigkeit und Zurechnung