WisteV-Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen – § 299a StGB-E
I. Vorbemerkung
Ungeachtet der politischen Vorgaben, welche Anlass für den Entwurf waren, und unabhängig von beruflichen Prioritäten vermissen wir in der Gesetzesbegründung Ausführungen zur Notwendigkeit der Neuregelung, wenn nicht insgesamt, so doch zumindest zu den konkreten Vorschlägen. Wir vermögen auch nicht zu erkennen, dass und wie sich die neue Vorschrift harmonisch in die bestehenden sozial- und berufsrechtlichen Regelungen einfügen würde.
1. Zweck berufsrechtlicher Regelungen
Die Sicherung des Vertrauens der Bevölkerung in den eigenen Berufsstand ist originäre Verpflichtung der jeweiligen Berufskammern selbst. Bei der Berufsaufsicht handelt es sich um ein tragendes Element der Selbstverwaltung. Die Kammern haben die gesetzliche Pflicht, für das Einhalten beruflicher Grundsätze zu sorgen. Es ist Aufgabe der Berufskammern, die Erfüllung der Berufspflichten der Kammerangehörigen zu überwachen sowie die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände zu treffen (vgl. z.B. § 6 Abs. 1 Nr. 6 Heilberufsgesetz NRW, Art. 2 Heilberufe-Kammergesetz Bayern). Zur Durchsetzung dieser Aufgaben steht die Berufsgerichtsbarkeit zur Verfügung. Mögliche berufsrechtliche Sanktionen sind: Warnung, Verweis, Entziehung des passiven Berufswahlrechtes, Geldbuße bis zu 50.000 Euro, Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs. Weitere mögliche, z.T. existenzgefährdende Maßnahmen sind bei Verstößen gegen die Berufspflicht überdies u.a. die Aberkennung der Approbation durch die zuständige Aufsichtsbehörde sowie der Entzug der Zulassung als Vertragsarzt durch die kassenärztliche Vereinigung.
2. Vorhandene berufsrechtliche Regelungen
Die bestehenden standesrechtlichen Regelungen in den jeweiligen Berufsordnungen enthalten bereits – dem spezifischen Aufgabenbereich der Berufsgruppe entsprechende – Verbots- und Sanktionsnormen für die gemäß dem Entwurf zukünftig strafbewehrten Handlungen i.S.d. § 299a StGB-E. Dazu im Einzelnen:
– § 31 MBO-Ä (Musterberufsordnung für in Deutschland tätige Ärztinnen und Ärzte) verbietet Ärztinnen und Ärzten unter der Überschrift „Unerlaubte Zuweisung“ (quasi) all jene Handlungen, die auch vom neuen § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E umfasst sind. Der Wortlaut des § 31 MBO-Ä ist insoweit nahezu identisch mit § 299a Abs. 1 StGB-E.
– § 13 BO-A (Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker) verbietet alle Vereinbarungen, Absprachen und schlüssige Handlungen, die darauf abzielen, bestimmte Arzneimittel ausschließlich oder bevorzugt anzubieten oder abzugeben bzw. die Auswahl der abzugebenden Arzneimittel auf das Angebot bestimmter Hersteller zu beschränken. Darüber hinaus verbietet § 19 Nr. 5 BO-A unangemessene Zuwendungen und Geschenke an Angehörige anderer Heilberufe sowie an sonstige Institutionen im Gesundheitswesen.
– § 2 Abs. 7, Abs. 8 MBO-ZÄ (Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer) verbietet die Vorteilsannahme für die Verordnung, die Empfehlung oder den Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln und Medizinprodukten sowie für die Zuweisung oder Vermittlung von Patienten.
– § 5 Abs. 7 MBO-P (Musterberufsordnung der Psychotherapeuten) verbietet die Zuweisung oder Überweisung von Patienten gegen Entgelt oder sonstige Vorteile.
Neben den standesrechtlichen Regelungen bestehen überdies zur Sicherung des Ansehens und der Zuverlässigkeit heilberuflicher Betätigung insbesondere folgende weitergehende berufs-, sozial- und ordnungsrechtliche Regelungen:
– Nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 4a HWG handelt ordnungswidrig, wer als Angehöriger eines Fachkreises i.S.d. § 2 HWG (insb. Angehörige der Heilberufe) Zuwendungen oder sonstige Werbegaben annimmt.
– § 128 SGB V sanktioniert die Abgabe von Hilfsmitteln durch Vertragsärzte an Versicherte gegen Vorteilsgewährung (§ 128 Abs. 1 SGB V) sowie die Beteiligung der Vertragsärzte an der Versorgung von Patienten mit Hilfsmitteln (§ 128 Abs. 2 S. 1 1. Alt.) bzw. die Annahme oder Gewährung von Zuwendungen im Zusammenhang mit der Verordnung solcher Hilfsmittel (§ 128 Abs. 2 S. 1 2. Alt.).
– § 95 Abs. 6 SGB i.V.m. der Zulassungsverordnung ermöglicht es, dem Vertragsarzt die kassenärztliche Zulassung zu entziehen, wenn die Voraussetzungen zur Erteilung der Zulassung nicht (mehr) vorliegen oder der Berufsträger seine Berufspflichten gröblich verletzt hat.
– § 5 BÄO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO (bzw. entsprechende Berufsordnungen der anderen akademischen Heilberufe) ermöglicht den Widerruf der Approbation, wenn sich der Berufsträger eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung seines Berufes ergibt.
3. Verhältnis zu § 299a StGB-E
Die berufs-, sozial- und ordnungsrechtlichen Regelungen greifen die berufstypischen Risiken auf und sanktionieren die Verletzung von Berufsausübungspflichten. § 299a StGB-E erfasst keine weitergehenden Verstöße, sondern knüpft an sie lediglich zusätzlich noch strafrechtliche Rechtsfolgen. Mit dem pauschalen Verweis auf die Berufsordnungen nimmt der neue § 299a StGB-E aber auch keinerlei Differenzierung zwischen solchen Verstößen vor, die mit den bisherigen Instrumenten ausreichend sanktioniert werden können, und anderen, die zudem als strafwürdig erscheinen. Dies ist bereits insoweit bedenklich, als eine derartige Trennung überhaupt nicht erwogen wurde. Das hat zur Folge, dass einerseits möglicherweise gar nicht strafwürdiges Verhalten unter Strafdrohung stünde, und andererseits die Reichweite fürderhin strafbarer Handlungen an deren Rändern nur für Fachkundige des Berufsrechts überhaupt erkennbar wäre. Für alle anderen bliebe der Anwendungsbereich in möglicherweise nennenswertem Umfang im Dunkel.
4. Regelungsgehalt des § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E
Tatbestandsmerkmal des § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E ist die Verletzung von Berufsausübungspflichten (in sonstiger Weise). Es bleibt unklar, wie sich diese Berufsausübungspflichten bundesweit definieren. Nach dem Referentenentwurf ist auf die jeweils geltenden Berufsordnungen abzustellen. Für die Strafbarkeit käme es dann gem. § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E darauf an, welchen landes- oder kammerrechtlichen Regelungen der jeweilige Täter unterfällt. Es könnte daher – je nach Ansässigkeitsort – zu voneinander abweichenden strafrechtlichen Beurteilungen vergleichbarer Handlungen kommen, so dass ein- und dieselbe Tat im Bezirk einer Kammer einen Verstoß gegen Berufsausübungspflichten darstellt, wohingegen die Berufsordnung des Nachbarbezirks eine entsprechende Regelung nicht enthält und die Tat daher nicht § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E unterfällt. Zwar mag die o.g. Fallkonstellation nur Randbereiche der Strafbarkeit des § 299a StGB-E erfassen, sie zeigt aber, dass strafrechtlich nicht pauschal die Verletzung von Berufsausübungspflichten sanktioniert werden kann.
Im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG, ist überdies zu prüfen, ob es mit dem Prinzip der Allgemeinheit des Gesetzes vereinbar ist, mit § 299a StGB-E allein Angehörige von Heilberufen für Handlungen bestrafen zu wollen, die bei anderen Angehörigen freier Berufe und sonstigen Selbständigen, die – wie Ärzte – im Auftrag einer Privatperson tätig sind, weiterhin straflos bleiben sein sollen (zur Thematik vgl. Schneider, in: HRRS 2013, S. 473 m.w.N.).
5. Verhältnis des § 299a StGB-E zu den berufsrechtlichen Verfahren
Probleme bestehen überdies hinsichtlich der Auswirkungen der Neuregelung des § 299a StGB-E auf die bestehenden berufsrechtlichen Verfahren. Soweit § 299a StGB-E (neben dem Schutz des Wettbewerbs) auch dem Schutz des Vertrauens der Patienten in eine von unlauteren Zuwendungen unbeeinflusste Gesundheitsvorsorge dient, liegt eine Identität mit dem Schutzzweck der berufs- und standesrechtlichen Regelungen vor. Es stellt sich daher die Frage, welche Auswirkungen die Schaffung des § 299a StGB-E auf die bestehenden sozial- und berufsrechtlichen Parallelverfahren haben würde.
a) Verstöße gegen standesrechtliche Berufspflichten
Bei einem Verstoß gegen standesrechtliche Berufspflichten sehen die Kammer- und Heilberufsgesetze der Bundesländer die Verhängung berufsspezifischer Sanktionen vor, die den Charakter von Disziplinarmaßnahmen haben (s.o.). Eine Sanktionierung durch Heilberufsgerichte kann jedoch – unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – nur erfolgen, wenn ein berufsrechtlicher Überhang verbleibt, der ein über die strafrechtliche Sanktionierung hinausgehendes Ahndungsbedürfnis rechtfertigt (vgl. BVerfG, NJW 1970, 507; BVerwG, NJW 2010, 2901 ff.). Ein berufsrechtlicher Überhang besteht generell nur dort, wo die speziellen berufsrechtlichen Gesichtspunkte der Ansehens- und Vertrauenswahrung der Patienten durch den strafrechtlichen Ausspruch nicht hinreichend berücksichtigt werden. Erforderlich ist insoweit, dass – auch bei einem typischen Arzt- oder Apothekerdelikt – eine Notwendigkeit besteht, „über die in der Strafe liegende allgemeine Missbilligung der Verletzung des Rechtsgutes hinaus, die besondere Missbilligung wegen der Verletzung der Berufspflicht zum Ausdruck zu bringen“ (BVerfG a.a.O.). Es obliegt daher den berufsständischen Organen, im Einzelfall zu prüfen, ob eine zusätzliche Disziplinarmaßnahme notwendig erscheint.
Die tatbestandliche Annahme von Vorteilen i.S.d. § 299a StGB-E verstößt aufgrund der Verweisung im Tatbestand zugleich gegen entsprechende standesrechtliche Berufsausübungspflichten (s.o.). Über den Strafausspruch hinausgehende berufsrechtliche Pflichtverstöße sind daher nur ersichtlich, wenn der Täter über die Vorteilsannahme hinausgehende standesrechtliche Pflichtverletzungen begangen hat (z.B. die Verordnung ungeeigneter Medikamente oder die Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterialien in Kenntnis der Mangelhaftigkeit der Tätigkeit des Empfängers). Die Vorteilsannahme selbst ist für die Annahme eines berufsrechtlichen Überhangs nicht ausreichend, da diese bereits – aufgrund der Identität der straf- und berufsrechtlich tatbestandlichen Handlung – durch das Strafverfahren ausreichend sanktioniert wird. Da die Verletzung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts in der Verletzung einer Berufsausübungspflicht besteht, bringt die strafrechtliche Bewertung dieser Handlung als Straftat aufgrund des in dieser Bewertung liegenden Unwerturteils gerade die besondere Missbilligung der Verletzung der Berufsausübungspflicht zum Ausdruck. Für berufsrechtliche Maßnahmen besteht daher im Anwendungsbereich des § 299a StGB-E in Ermangelung eines berufsrechtlichen Überhangs – von Ausnahmefällen abgesehen – kein Platz mehr. Durch die Schaffung des § 299a StGB-E werden die berufsrechtlichen Regelungen im Bereich der Vorteilsannahme daher nahezu obsolet.
b) Auswirkungen auf die Kassenzulassung
Straftaten mit Berufsbezug führen gem. § 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. der Zulassungsverordnung (auch ohne Rücknahme oder Widerruf der Approbation) zum Entzug der kassenärztlichen Zulassung, wenn die Voraussetzungen zur Erteilung der Zulassung nicht (mehr) vorliegen oder der Berufsträger seine Berufspflicht gröblich verletzt hat. Eine gröbliche Verletzung der Berufspflichten liegt insbesondere vor, wenn das Vertrauensverhältnis zur kassenärztlichen Vereinigung oder zu den Krankenkassen in spezifischer Weise durch die Begehung einer Straftat berührt wird (vgl. Bracher, in: MAH Strafverteidigung, 2. Aufl., § 33 Rn. 51 m.w.N.).
Die Voraussetzungen zum Entzug der kassenärztlichen Zulassung dürften bei einer Tatbegehung i.S.d. § 299a StGB-E regelmäßig vorliegen. Die Krankenkassen bzw. die kassenärztlichen Vereinigungen sind als Träger möglicher Mehrkosten unmittelbar durch die in § 299a StGB-E sanktionierten Tathandlungen betroffen. Strafrechtlichen Entscheidungen kommt bei der Zulassungsentscheidung zwar keine Bindungswirkung zu, die Annahme einer gröblichen Pflichtverletzung kann sich aber auf die Tatsachenfeststellungen in bestandskräftigen Entscheidungen stützen (vgl. BSG, Beschluss vom 05.05.2010 – B 6 KA 32/09 B –, juris m.w.N.). Die Sozialgerichte dürfen die Beweisergebnisse aus anderen Verfahren ihrer Entscheidung ohne eigene Ermittlungen zugrunde legen (BSG a.a.O.).
c) Entzug der Approbation
Die Approbation ist zu widerrufen, wenn sich der Berufsträger nach Erteilung der Approbation eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt (vgl. z.B. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BÄO).
aa) Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit
Unwürdigkeit liegt vor, wenn der Berufsträger aufgrund seines schwerwiegenden Fehlverhaltens nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist (vgl. Bracher, in MAH Strafverteidigung, 2. Aufl., § 33 Rn. 44). Das Regelungsziel intendiert keine Sanktionierung des Fehlverhaltens, sondern den Schutz des Ansehens der jeweiligen Berufsgruppe und des Berufsbilds in den Augen der Öffentlichkeit (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 09.12.2003 – 13 B 1944/03). Generell wird angenommen, dass aufgrund der abweichenden Zweckrichtungen von straf- und verwaltungsrechtlichen Verfahren keine Doppelbestrafung i.S.d. Art. 103 Abs. 3 GG vorliegen kann (VG München a.a.O. m.w.N.).
Es erscheint jedoch fraglich, ob diese Unterschiedlichkeit der Zweckrichtungen auch bei einer Kriminalisierung des Verstoßes gegen Berufsausübungspflichten i.S.d. § 299a StGB-E noch vorliegt. Schutzzweck des § 299a StGB-E ist – zumindest für die Tatbestandsvariante des Abs. 1 Nr. 2 – dem Wortlaut des Referentenentwurfes nach „das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen“. § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E bezweckt daher – ebenso wie der Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit – den Schutz des Ansehens der Berufsgruppe sowie das Vertrauen der Öffentlichkeit in deren berufliche Tätigkeit. Soweit aber sowohl das verwaltungs- als auch das strafrechtliche Verfahren einen vergleichbaren Zweck verfolgen, bestehen zumindest Zweifel daran, ob eine Verurteilung wegen § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E bei gleichzeitigem Widerruf der Approbation im verwaltungsbehördlichen Verfahren verfassungsrechtlich zulässig wäre. Die Bedenken speisen sich nicht aus dem Verbot der Doppelbestrafung, bezieht sich doch Art. 103 Abs. 3 GG nur auf strafrechtliche Entscheidungen, wohl aber aus dem Übermaßverbot.
bb) Widerruf der Approbation wegen Unzuverlässigkeit
Ein Berufsträger ist als unzuverlässig zu bewerten, wenn er aufgrund seines bisherigen Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er seinen Beruf zukünftig ordnungsgemäß ausüben und den in den Berufsordnungen (vgl. z.B. § 1 BÄO) zum Ausdruck kommenden Berufspflichten genügen wird. Das Tatbestandsmerkmal der Unzuverlässigkeit erfordert daher eine prognostische Bewertung. Für die Prognoseentscheidung genügt die begründete Besorgnis, dass der Berufsträger den genannten Berufspflichten und Anforderungen in Zukunft nicht mehr gerecht werde (vgl. VG München, Urteil vom 31.03.2009 – M 16 K 08.4603 –, juris m.w.N.).
Hinsichtlich des Widerrufs der Approbation wegen Unzuverlässigkeit des Berufsträgers besteht regelmäßig ein berufsrechtlicher Überhang, da die präventiven Zwecke des Approbationsentzugs nicht vom strafrechtlichen Verfahren erfasst werden. Etwas anderes gilt nur, wenn zeitgleich mit der Verurteilung nach § 299a StGB-E ein Berufsverbot i.S.d. § 70 StGB angeordnet wird. Die Zielsetzung des Berufsverbots ist die Verhinderung der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten im Zusammenhang mit der Berufsausübung (vgl. Fischer, StGB, § 70 Rn. 9). Eine vergleichbare Zweckrichtung verfolgt auch der Entzug der Approbation wegen Unzuverlässigkeit (s.o., vgl. VG München a.a.O.). Ein berufsrechtlicher Überhang besteht daher nur, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Täter auch außerhalb des Geltungsbereichs des § 299a StGB-E gegen seine ärztlichen Pflichten verstoßen hat. Im Übrigen wäre die verwaltungsbehördliche Maßnahme des Widerrufs der Approbation durch die Verhängung der berufsrechtlichen Maßnahme i.S.d. § 70 StGB durch das Strafgericht gesperrt (vgl. VG München a.a.O. m.w.N.).
cc) Bestimmungen zur Verfahrensdurchführung und Mitteilungspflichten
Durch § 299a Abs. 1 S. 2 StGB-E werden Verstöße gegen Berufsausübungspflichten strafrechtlich sanktioniert. Die rechtliche Bewertung von Verstößen gegen Berufsausübungspflichten war bisher ausdrücklich den Heilberufsgerichten und Aufsichtsbehörden vorbehalten. Es stellt sich daher die Frage, ob sich § 299a StGB-E mit den bestehenden berufsrechtlichen Verfahren in Einklang bringen lässt.
dd) Verhältnis des Strafverfahrens zum berufsrechtlichen Verfahren
Die bestehende verfahrensrechtliche Systematik sieht vor, dass die berufs- und verwaltungsrechtlichen Verfahren im Anschluss an ein etwaiges Strafverfahren durchgeführt werden, um die Berufsbezogenheit der strafrechtlichen Pflichtverletzung auf der Grundlage des strafrechtlich ermittelten Sachverhalts zu beurteilen und erforderlichenfalls berufsrechtliche Sanktionen zu beschließen.
Dazu im Einzelnen:
– Berufsgerichtliche Verfahren sind bis zur Beendigung strafgerichtlicher Verfahren auszusetzen. Soweit im Strafverfahren ein Freispruch erfolgt, kann das berufsgerichtliche Verfahren hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts nur dann eröffnet oder fortgesetzt werden, wenn dieser Sachverhalt – ohne den Tatbestand eines Strafgesetzes zu erfüllen – ein Berufsvergehen enthält. Die tatsächlichen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils sind für die Entscheidung im berufsgerichtlichen Verfahren generell bindend (vgl. z.B. § 76 HeilBerG NW, Art. 67 HKaG Bayern).
– Im verwaltungsrechtlichen Verfahren zum Widerruf der Approbation können die strafrechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage der verwaltungsrechtlichen Beurteilung gemacht werden (BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 – 3 B 6/11 –, juris). Die Verwaltungsbehörden und -gerichte unterziehen die Erkenntnisse und Beweismittel aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren einer eigenständigen Überprüfung daraufhin, ob sich aus diesen Erkenntnissen und Beweismitteln hinreichende Schlussfolgerungen für das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Widerruf der Approbation ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.01.1991 – 1 BvR 1326/90, NJW 1991, 1530).
Die tatsächliche bzw. faktische Bindung an die Feststellungen aus dem strafgerichtlichen Verfahren zeigt die Intention des Gesetzgebers, die berufsrechtliche Bewertung einer strafrechtlichen Handlung, quasi als Annex zum strafrechtlichen Verfahren, durch die Heilberufsgerichte und Aufsichtsbehörde vornehmen zu lassen. Zu diesem Zweck bestehen für die Staatsanwaltschaft bereits zum jetzigen Zeitpunkt gegenüber den zuständigen Berufskammern und Aufsichtsbehörden Mitteilungspflichten, wenn der Tatvorwurf in einem Verfahren auf die Verletzung von Pflichten schließen lässt, die bei der Berufsausübung zu beachten sind oder in anderer Weise geeignet erscheinen, Zweifel an der Eignung, Zuverlässigkeit oder Befähigung hervorzurufen, vgl. Nr. 26 MiStra. Die Mitteilungspflicht umfasst alle Entscheidungen, durch die ein vorläufiges Berufsverbot angeordnet (oder aufgehoben), die öffentlichen Klage erhoben oder ein Haft- oder Unterbringungsbefehl erlassen bzw. vollzogen wird. Die Übermittlung der verfahrensgegenständlichen personenbezogenen Daten ist zulässig gem. §§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 EGGVG.
ee) Auswirkungen des § 299a StGB-E auf die berufsrechtlichen Verfahren
Die dargestellte Abhängigkeit des berufsrechtlichen Verfahrens vom Strafverfahren zeigt, dass die abschließende Entscheidungsbefugnis für die Bewertung der berufsrechtlichen Relevanz einer Straftat dem berufsrechtlichen Verfahren überlassen sein sollte. Die Prüfung und Sanktionierung berufsbezogener Pflichtverletzung ist nach der Intention des Gesetzgebers ureigene Zuständigkeit der Heilberufsgerichte und Aufsichtsbehörden. Durch die staatsanwaltschaftlichen Mitteilungspflichten soll insoweit sichergestellt werden, dass die entscheidungsbefugten Stellen von den relevanten Sachverhalten Kenntnis erlangen. § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E steht im Widerspruch zu dieser Systematik, da er die bisherige Trennung zwischen der strafrechtlichen Sanktionierung auf der einen, und der berufsrechtlichen Folgebewertung einer Handlung auf der anderen Seite faktisch aufhebt. Aufgaben der Kammern würden damit in erheblichem Umfang auf die Staatsanwaltschaften verlagert, ohne die Berufsgerichte wirklich zu entlasten, weil sie akribisch einen etwaigen berufsrechtlichen Überhang prüfen müssten.
ff) Folgewirkungen für die berufsrechtlichen Verfahren
Eine weitere Entwertung würden die berufsrechtlichen Verfahren dadurch erfahren, dass sich die einschlägigen Ermittlungs- und Strafverfahren häufig sehr lange hinziehen und nicht selten 5 oder mehr Jahre vom Aufgreifen eines Anfangsverdachts bis zum rechtskräftigen Urteil verstreichen. Der Ablauf einer derart langen Zeit erschwert nicht nur das Führen eines nachfolgenden berufsrechtlichen Verfahrens, sondern es entbehrt damit auch weitgehend seines eigentlichen Kerns, der Wahrung des allgemeinen Ansehens des Berufsstandes.
II. Taugliche Täter
Die Frage nach dem erfassten Kreis tauglicher Täter stellt sich sowohl in rechtssystematischer Hinsicht als auch mit Blick auf die konkret betroffenen Personen.
1. Personenkreis
a) Kammerberufe und Angehörige eines Heilberufs mit staatlicher Ausbildungsordnung
Im Gegensatz zu dem Entwurf des Freistaats Bayern, der sich auf Kammerberufe beschränkt, wählt der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz einen breiteren Ansatz. Er erstreckt sich auf alle Angehörige eines Heilberufs mit staatlicher Ausbildungsordnung und erfasst damit auchdie nicht-akademischen Heilberufe, die regelmäßig nicht verkammert sind. Obwohl die Tathandlungen typischerweise von selbständigen Anbietern (und auf der Gegenseite von deren Kunden) begangen werden, lassen sich unschwer Bestellungen und Abgaben vorstellen, über welche das Pflegepersonal (zumindest: faktisch) selbst entscheidet – und sich dafür bereits de lege lata gemäß § 299 StGB strafbar macht. Hinsichtlich der keiner Kammer angehörenden Anbieter hebt die Bayerische Begründung (BR-Drs. 16/15, S. 17 f.) zutreffend hervor, dass sie weitgehend auf Geberseite stehen und sich mit der Zuwendung bereits wegen aktiver Bestechung strafbar machen. Das mindere das Bedürfnis nach Gleichsetzung mit den sog. akademischen Anbietern.
b) Zweifel an der Notwendigkeit, den Täterkreis näher zu beschreiben
aa) Zweifel an Ausdehnung über die Kammerberufe hinaus
Die Notwendigkeit für eine Ausweitung des Täterkreises über die akademischen, verkammerten Berufe hinaus ist nicht ersichtlich. Untersuchungen, die etwas anderes nahelegen, sind nicht bekannt und der Entwurf beruft sich darauf auch nicht. Während die Gesetzesbegründung sonst nicht mit Beispielen geizt, fehlt es hier völlig an einer Plausibilisierung des Strafbedürfnisses. In dieser Hinsicht erweist sich die Begründung des Referentenentwurfs (in gewissem Gegensatz zu derjenigen des Freistaats Bayern, a.a.O., Vorbemerkung S. 1 f. und Gesetzesbegründung S. 4 – 10) als wenig aussagekräftig, weil sie den Bedarf für eine Neuregelung nur allgemein äußert und insbesondere nicht darlegt, welche konkreten Berufe im einzelnen erfasst werden sollen.
bb) Identifikation tauglicher Täter über einschlägige Tathandlungen
Weil die beschriebenen Tathandlungen von vorn herein nur von einem begrenzten Personenkreis begangen werden können, erschließt sich die Notwendigkeit, daneben auch noch den Kreis der tauglichen Täter näher zu beschreiben, jedenfalls nicht anhand der Begründung des Referentenentwurfs. Das bedeutet, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren entweder auf der Basis einer noch ausstehenden Analyse der Korruptionsgeneigtheit der jeweiligen beruflichen Funktion detailliert dargelegt und geprüft werden muss, welcher genaue Personenkreis auf welche Art und in welchem Umfang in die Neuregelung einbezogen werden soll, oder dass auf dessen Beschränkung vollkommen verzichtet wird.
Unabhängig davon bedarf es der Abgrenzung zwischen illegitimen und wünschenswerten Zuwendungen (Stichworte: Honorarärzte, Kooperation mit niedergelassenen Praxen, Zuweisung gegen Entgelt, Anwendungsbeobachtung, Berufsausübungsgemeinschaft von Ärzten, Bonuszahlungen). Dieser Aspekt berührt zwar vor allem die Frage nach dem jeweils unter Strafe gestellten (empfangenen oder gewährten) Vorteil. Er hat aber auch bereits Auswirkungen auf den der in Aussicht genommenen Norm unterfallenden Personenkreis. Es darf nicht jeder Geldverkehr in allen eingangs dieses Absatzes angeführten Konstellationen unter Strafe stehen. Aus Gründen der Rechtsklarheit muss sich die Differenzierung zwischen legalem und illegalem, ggf. strafbarem Verhalten aus dem Gesetz ergeben oder jedenfalls im Gesetz angelegt sein. Dies könnte etwa in der Weise geschehen, dass für bestimmte Verhaltensweisen entweder der Erlass von Musterordnungen oder die Notwendigkeit von Einzelfallgenehmigungen vorgeschrieben und die dafür jeweils zuständige Institution bestimmt werden würde. Ausführungen in der Gesetzesbegründung, wie sie sich für Anwendungsbeobachtungen (S. 17, Bayern: S. 8) und Berufsausübungsgemeinschaften (S. 18), nicht aber z.B. für die Abgabe von Medikamentenproben, finden, dürften dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot nur schwerlich genügen.
2. Verbale Beschreibung des Personenkreises
Der Entwurf stellt (ebenso wie der bayerische) in § 299a StGB-E auf Angehörige eines Heilberufs ab und pönalisiert allein Handlungen, die im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufs stehen. Damit nimmt er nicht nur zu Recht Handlungen im privaten Bereich aus dem Bereich der Strafbarkeit aus, sondern wirft zudem die Frage auf, ob es genügt, dass die Tathandlung einen Berührungspunkt zu irgendeinem, vielleicht gar nur verwaltungsbezogenen Aspekt der Berufsausübung aufweist, oder ob ein spezifischer Zusammenhang dergestalt erforderlich sein soll, dass sich die konkrete Tat unmittelbar auf eine heilende Tätigkeit (oder zumindest auf die Berufsausübung selbst) beziehen muss. Problematisch wäre es, den Bezug zu heilender Tätigkeit zu verneinen, wo allein die Pflege in Rede steht, eine Heilung z.B. aus medizinischen Gründen ausgeschlossen ist (z.B. nach Amputation und erfolgtem Wundverschluss) und entweder nur eine Verschlechterung des Krankheitsbildes vermieden (etwa nach HIV-Infektion) oder ein Überleben mit der Krankheit (Hepatitis C) gesichert bzw. das Vermeiden unnötigen Leidens (Palliativmedizin) erreicht werden soll. Beim Erfordernis eines derartigen Unrechtszusammenhangs fielen ganze Berufsgruppen ebenso wie reine Hilfsmittel aus dem intendiert weitgehenden Anwendungsbereich heraus. Jedenfalls wäre in jedem die Strafverfolgungsbehörden beschäftigenden Fall eine genaue Betrachtung des geförderten Zwecks und dessen Subsumtion unter den Begriff der Heilung erforderlich. Eine umfassende Regelung für korruptive Praktiken auf dem Gesundheitssektor wäre auf diese Weise nicht erreicht.
Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens bedarf es deshalb der Klarstellung, welcher Art und Intensität der Zusammenhang zwischen Berufstätigkeit und Tathandlung gemeint ist. Es ist kaum anzunehmen, dass dies allein mit dem im Entwurf verwendeten Begriff des Heilberufs gelingen kann.
3. Systematik
Von der Antwort auf die Fragen sowohl nach dem einzubeziehenden Personenkreis als auch nach dem erforderlichen Grad des Unrechtszusammenhangs hängt auch ab, welche Regelungstechnik als die sachgerechteste erscheint.
Der Entwurf sieht die Schaffung eines eigenen Tatbestands vor. Eine ernsthafte Alternative könnte darin bestehen, eine oder mehrere der bestehenden Korruptionsnormen auch für den Gesundheitssektor (oder Teile davon) für anwendbar zu erklären. Dies könnte den Vorteil einer Vereinfachung der Anwendung mit sich bringen: neu hinzu käme nur ein zusätzlicher Personenkreis, auf den die weiteren Tatbestandsmerkmale aber in bekannter Weise Anwendung finden könnten.
Die Ausweitung des Anwendungsbereichs bisheriger Regeln könnte auf verschiedene Weise erfolgen.
a) Nähe zur Amtsträgerkorruption?
Zwar ist die abstrakte Strafdrohung in den §§ 299, 331, 333 StGB und 299a StGB gleich. Da aber § 299a StGB eine Pflichtverletzung voraussetzt, weist die neue Vorschrift eine größere Nähe zu den mit höherem Strafrahmen versehenen §§ 332 und 334 StGB auf. Eine pauschale Zuordnung des Gesundheitssektors zu einer der bereits bestehenden Korruptionsnormen scheidet daher aus.
Bei Bejahung eines etwaig gemilderten Strafbedürfnisses für einen Teil des neu zu erfassenden Täterkreises könnte entweder ein minder schwerer Fall oder die Anwendung von § 49 StGB vorgesehen werden. Dies erscheint allerdings als entbehrlich, weil die Rechtsprechung bewiesen hat, dass sie bei Anwendung der bisherigen Korruptionsvorschriften in der Lage ist, die jeweilige Funktion des Täters sachgerecht zu würdigen und nichts dafür spricht, dass sich dies auf Fälle aus dem Gesundheitssektor nicht übertragen ließe.
b) Nähe zu § 299 StGB?
Ein Blick auf die jeweilige Tatbestandsstruktur scheint mit dem Abstellen auf die Beeinflussung des Wettbewerbs sowohl im Referentenentwurf als auch im bayerischen Vorschlag eine Nähe zu den Fällen des § 299 StGB zu zeigen. Bei genauer Betrachtung besteht sie tatsächlich jedoch nicht. Die für § 299 StGB de lege ferenda vorgesehene und in § 299a Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Nr. 2 StGB-E vorweggenommene Erweiterung um das Geschäftsherrenmodell führt dazu, dass, wie in den Begründungen beider Gesetzesentwürfe zutreffend ausgeführt wird, die Verletzung von Berufsausübungspflichten den Grundtatbestand darstellt. Das führt aber auch dazu, dass der Wettbewerbsverstoß, § 299a Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 StGB-E, lediglich einen Ausschnitt aus dem Anwendungsbereich der jeweiligen Nr. 2 darstellt. Strafbarkeitsbegründende Funktion kommt deshalb der jeweiligen Nr. 1 nicht zu (ebenso wie auch der Missbrauchstatbestand in § 266 StGB angesichts des herrschenden monistischen Verständnisses des Untreuetatbestands folgenlos entfallen könnte). Damit ist nicht nur die systematische Einordnung als Straftat gegen den Wettbewerb fragwürdig, sondern es fehlt auch ein die § 299 StGB und § 299a StGB-E verbindendes Element.
Die Abweichungen im Tatbestand beider Bestimmungen werden noch deutlicher bei Betrachtung der unterschiedlichen Tathandlungen. Damit erweist sich der Zusammenhang zwischen beiden Vorschriften als ein im Kern lediglich äußerer. Demnach bietet es sich nicht an, die Fälle des § 299a StGB als Unterfall von § 299 StGB zu normieren.
c) Alternative: Modifizierte Anwendung von Vorschriften der Amtsträgerkorruption
Das für § 299a StGB (auch) vorgesehene und auf eine Rechtsverletzung abstellende Geschäftsherrenmodell rückt die neue Vorschrift in die Nähe der §§ 332 und 334 StGB. Die wesentlichen Unterschiede bestehen in der Strafdrohung und bezüglich vergangener Pflichtverletzungen. Sie ließen sich jedoch gesetzestechnisch leicht erfassen.
Das bedeutet:
Es genügt vorzuschreiben (prinzipiell gleichwertig in einem gesonderten Absatz des § 332 StGB oder in einer eigenständigen Ausweitungsnorm), dass § 332 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 StGB mit einer Strafdrohung von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe auch auf denjenigen (ggf. eingegrenzt auf bestimmte Berufsgruppen) Anwendung findet, der im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs eine der in § 299a Abs. 1 StGB-E näher beschriebenen Tathandlungen begeht. Da sowieso nur pflichtwidriges Handeln erfaßt wäre, bedürfte es der Eingrenzung gemäß § 299a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StGB nicht mehr. Gleiches gölte spiegelbildlich für § 334 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 StGB.
III. Unrechtsvereinbarung
Die Begründung des Gesetzentwurfs weist ausdrücklich (S. 17) darauf hin, dass auch § 299a StGB-E eine „Unrechtsvereinbarung“ vergleichbar denen der übrigen Korruptionstatbestände (§§ 299, 331 ff. StGB) voraussetzt, d.h. „ der Täter… den Vorteil… als Gegenleistung für eine zumindest intendiert unlautere Bevorzugung im Wettbewerb oder eine Verletzung von Berufsausübungspflichten…fordern, sich versprechen lassen oder annehmen“ muss, d.h. „eine inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung, die gemeinhin als Unrechtsvereinbarung bezeichnet wird“, erfordert.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die explizite Klarstellung in der Begründung, dass es an dem erforderlichen Leistungsverhältnis zwischen Vorteil und Pflichtverletzung fehlt, wenn sich die Pflichtverletzung des Nehmers in der Annahme des Vorteils erschöpft (S. 21). Der Verstoß gegen das berufsrechtliche Verbot von unerlaubten Zuwendungen – bei Ärzten in § 32 MBO-Ä bzw. entsprechend in den jeweils konkret anwendbaren Vorschriften der Landesärzteordnungen geregelt – stellt daher für sich genommen gerade keine Straftat nach der vorgeschlagenen Vorschrift dar. Ein Vorteil, dessen Annahme eine Pflichtwidrigkeit darstellt, ist zudem nicht als Gegenleistung für diese – in dessen Annahme liegende – Pflichtverletzung anzusehen (S. 21).
Die Unrechtsvereinbarung des § 299a StGB-E ist ausweislich der Gesetzesbegründung (S. 15) zudem grundsätzlich an die Struktur des § 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) und nicht an die der Amtsträgerbestechungsdelikte angelehnt. Die Unrechtsvereinbarung des § 299a StGB-E wird jedoch gegenüber der relativ schlanken Formulierung des § 299 StGB – auch der des § 299 StGB unter Einbeziehung der Pflichtverletzung (Geschäftsherrenmodell) – durch spezifische Bezugnahme auf einen bestimmten heilberuflichen Kontext angereichert und hierdurch auch deutlich komplexer. Der Angehörige eines Heilberufs (s.o. II.) muss „bei dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial“ (1.) sowie “im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs“ (2.) im Hinblick auf den Vorteil (s. u. V.) einen anderen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugen (s.u. IV.) oder in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletzen (s.u. IV.). Der Vorteil (s.u. V.) muss final für diese (zukünftige, gedachte) Bevorzugungs- oder Pflichtverletzungshandlung (Gegenleistung) bestimmt sein (3.).
Dennoch kann man sowohl unter dem Gesichtspunkt des Ultima Ratio-Gedankens als auch der Unterschiedlichkeit des einbezogenen Personenkreises die Frage aufwerfen, ob es nicht einer noch ausgeprägteren Präzisierung, Differenzierung und Beschränkung der Unrechtsvereinbarung im Hinblick auf eindeutig strafwürdiges Verhalten bedarf (etwa umsatzbezogene Rückvergütungen beim Bezug von Arzneimitteln oder Medizinprodukten, „kick backs“, vgl. § 266 StGB; und andere Fallgruppen, die der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung spezifisch im Auge hat, vgl. Geiger NK 2013, 136 ff.) Wenig hilfreich wäre hingegen die Einführung von Regelbeispielen, die letzten Endes den Anwendungsbereich der Strafrechtsnorm nicht konkretisieren können (so aber Ramb/Reich Compliance-Berater 2015, 72, 75) und damit unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots auch nicht zu optimieren vermögen.
1. In Bezug genommene Gegenleistung – unlautere Bevorzugung im Wettbewerb oder Pflichtverletzung bei bestimmten Vergabehandlungen
In Abgrenzung zu § 299 StGB sind die Handlungen, bei denen eine tatbestandsrelevante Bevorzugung im Wettbewerb oder eine Pflichtverletzung möglich ist, bei § 299a StGB-E verhältnismäßig genau beschrieben und durch implizite Bezugnahme auf die in Spezialgesetzen enthaltenen Definitionen in verhältnismäßig ausgeprägter Weise bestimmt. Insofern kann festgehalten werden, dass jedenfalls im Verhältnis zur Vorschrift des § 299 StGB – oder auch derjenigen der §§ 331 ff. StGB – die (pflichtwidrigen bzw. wettbewerbswidrigen) Gegenleistungshandlungen durch die Bezugnahme auf den Kontext, in denen sie auftreten müssen („bei…“), dem Grunde nach hinreichend bestimmt (Art. 103 Abs. 2 GG) sein dürften. Dieser Eindruck wandelt sich jedoch bei näherer Betrachtung.
Angesichts dessen, dass die berufsrechtlichen Regelungen der §§ 31, 32 der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) und die geltenden – inhaltlich weitestgehend entsprechenden – Normen der Berufsordnungen auf Landesebene jedenfalls Ärzten bereits mehr oder weniger ähnliche „Unrechtsvereinbarungen“ verbieten, erscheint ein Vergleich der Unrechtsvereinbarung der geplanten Strafvorschrift mit dem berufsrechtswidrigen Verhalten geboten.
§ 31 Abs. 1 MBO-Ä (Unerlaubte Zuweisung) lautet wie folgt:
„Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten oder Untersuchungsmaterial oder für die Verordnung oder den Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten ein Entgelt oder andere Vorteile zu fordern, sich oder Dritten versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.“
Im Vergleich mit der Regelung des geplanten Straftatbestands ergibt sich dessen Inkongruenz mit dieser berufsrechtlichen Vorgabe, insofern als der Straftatbestand weitergehend zu sein scheint, als das berufsrechtliche Verbot. Das berufsrechtliche Verbot bezieht sich in der Person des Arztes auf die Vorteilsannahme „für“ die Zuweisung bzw. Verordnung oder den Bezug. Der Straftatbestand hingegen erfasst (u.a.) in der Person des Arztes die Vorteilsannahme für die unlautere Bevorzugung im Wettbewerb bzw. die Pflichtverletzung „bei“ Zuweisung bzw. Verordnung oder Bezug, d.h., der Vorteil muss sich nicht final auf die letztgenannten Handlungen beziehen. Es soll vielmehr ausreichend sein, das „hierbei“ (final angestrebte) Pflichtverletzungen oder unlautere Bevorzugung im Wettbewerb begangen werden. Es lässt sich nicht erkennen, weshalb in der Person eines Arztes ein Verhalten nach § 299a StGB-E strafbar sein soll, welches nach der gedanklich zweifellos zu Grunde gelegten berufsrechtlichen Vorschrift des § 31 Abs. 1 MBO-Ä nicht verboten ist (s.a. dessen Inbezugnahme in der Begründung, S. 20). Dies legt nahe, die Formulierung des Gesetzentwurfs § 31 Abs. 1 MBO-Ä weitgehend anzupassen (d.h. auf die umständliche Formulierung mit „bei…“ zu verzichten), wobei allerdings klarzustellen wäre, dass in der (angestrebten) Zuweisung (etc.) zugleich eine pflichtwidrige Bevorzugung im Wettbewerb bzw. eine Pflichtverletzung liegen muss, um den Gleichlauf mit § 299 StGB-E zu wahren.
Auslegungs- und Bestimmtheitsprobleme der Unrechtsvereinbarung des §§ 299a StGB-E könnten sich daraus ergeben, dass sozialrechtlich inzwischen zulässige Kooperationsverhältnisse, die der Sache nach auch die Gewährung von Vorteilen an Angehörige eines Heilberufs „bei“ bzw. im Zusammenhang mit den im Gesetz genannten Bezugs- o. Zuweisungshandlungen (ausdrücklich oder implizit) vorsehen oder jedenfalls erlauben, das strafrechtliche Verbot möglicherweise durch spezielle (sozialrechtliche) Normen dergestalt einschränken, dass nur der gezielt als Gegenleistung für die Bevorzugung im Wettbewerb oder für eine Pflichtverletzung gewährte Vorteil strafbewehrt ist. Dies würde jedenfalls zur Folge haben, dass allein die Gewährung eines Vorteils bei Gelegenheit der oder im sachlichen Zusammenhang mit den in der Folge genannten Bezugshandlungen bzw. Zuführungshandlungen (a. – c.) oder auch als Gegenleistung für diese nicht von vornherein als tatbestandsmäßig angesehen werden dürfte.
Da eine solche Konnexität aber erst nach Durchführung von Ermittlungen (oder gar nach einer umfassenden Hauptverhandlung) verneint werden kann und der Strafjustiz das sozialrechtliche Spezialwissen über zulässige Kooperationen kaum stets geläufig sein kann, besteht die absehbare Folge in einer Vielzahl aufwendiger Ermittlungs- und ggf. auch Strafverfahren, die allein schon deswegen zu einem sehr, jedenfalls zu hohen Anteil ohne Bestrafung enden werden, aber nicht nur die knappen Kapazitäten der Justiz kontraproduktiv noch stärker als bislang belasten, sondern vor allem auch (nachgerade aufgrund der damit typischerweise einhergehen Zwangsmaßnahmen, insbesondere Durchsuchungen) die berufliche und soziale Reputation der betroffenen Angehörigen der Heilberufe stark belasten oder gar trotz Einstellung bzw. Freispruchs zerstören werden. Die Problematik besteht aber nicht nur im unbekannten Grad der Vertrautheit der Strafjustiz mit sozialgesetzlich erlaubten Kooperationsverhältnissen, sondern auch in der rechtlichen Unklarheit, ob das sozialrechtlich Erlaubte die Strafbarkeit beschränkt oder umgekehrt die Strafbarkeit das sozialrechtlich Gestattete begrenzt. Letzteres liegt angesichts der Abhängigkeit der Strafbarkeit von zugrundeliegenden subjektiven Tendenzen durchaus nicht fern. Auf der Basis des vorliegenden Entwurfs ist jedenfalls zu befürchten, dass eine Vielzahl von wichtigen und legitimen Kooperation mit Heilberuflern zunächst einmal in den Fokus der Ermittlungsbehörden geraten können (vgl. auch Ramb/Reich Compliance-Berater 2015, 72, 76).
Wie begründet die Sorgen sowohl bezüglich einer hinreichenden Bestimmtheit des Tatbestands als auch des Anwendungsbereichs der vorgesehenen Vorschriften sind, zeigt sich bereits daran, dass sich das BMJV genötigt sah, auf 2 Absätzen zu begründen (S. 20), weshalb das Aushandeln und Annehmen von Preisvorteilen (Rabatten) – d.h. (Dritt-)Vorteilen – im Interesse der Krankenkassen, kassenärztlichen Vereinigungen etc. durch Heilberufsträger keine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb i.S.d. § 299a StGB-E darstelle, um dieses positive Verdikt wiederum (unter Bezugnahme auf OLG Hamm, Urteil vom 22.12.2004 – 3 Ss 431/04; BVerwG, Urteil vom 23.5.2009 – 8 C 1.09) dadurch einzuschränken, dass Preisnachlässe, die gezielt in verdeckter Form gewährt werden, durchaus doch unter § 299a StGB-E fallen. Hieran erscheint schon problematisch, dass sich die Unlauterkeit im Einzelfall aus der bloßen äußerlichen Gestaltung der Vorteilsgewährung ableiten lassen soll, während in der Rechtsprechung des BGH in Strafsachen anerkannt ist, dass es sich hierbei lediglich um ein Indiz handelt. Im Übrigen zeigt das Beispiel, dass die Einbeziehung des Drittvorteils hier wie auch bei § 299 StGB in zahlreichen Konstellationen Probleme aufwirft. Das legt die Prüfung nahe, zur Vermeidung ungewollter, schuldunangemessener oder unverhältnismäßiger Folgen – eine gesetzliche oder in der justitiellen Praxis zu entwickelnde teleologische Reduktion des Tatbestands vorzunehmen.
Dem betroffenen Personenkreis und der überlasteten Justiz kommt zupass, dass die Tatbestandsmäßigkeit einer Lockerung der Unrechtsvereinbarung im Sinne des §§ 331, 333 StGB – der Vorteilsgewährung bzw. -annahme für ein bloßes allgemeines Wohlwollen des Nehmers – durch die klare Bezugnahme des Wortlauts auf einen bestimmten Gegenleistungskontext („bei…“) und bestimmte Gegenleistungshandlungen (Pflichtverletzung/unlautere Bevorzugung im Wettbewerb) ausgeschlossen ist (vgl. S. 17).
a) Bei Bezug, Abgabe o. Verordnung von Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten
Dem Tatbestandsmerkmal der Bevorzugung „beim Bezug, bei der Abgabe oder der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten“ kommt unter Bestimmtheitsgesichtspunkten zu Gute, dass die Begrifflichkeiten „Verordnung“ und „Bezug“ aus der ärztlichen Berufsordnung (§ 31 MBO-Ä) stammt und „Arzneimittel“ im Arzneimittelgesetz (AMG) und „Medizinprodukte“ im Medizinproduktegesetz (MPG) definiert sind (§ 2 AMG, § 3 MPG), sowie die Begriffe „Heil- und Hilfsmittel“ den §§ 32 und 33 SGB V entnommen sind, weshalb auf die entsprechenden – richterlich konkretisierten – Begriffsbestimmungen auch im Rahmen der Auslegung des § 299a StGB-E zurückgegriffen werden kann (S. 19).
Eine völlig trennscharfe Unterscheidung, was hier im Zusammenhang mit der Vergütung von Prüfärzten im Rahmen klinischer (insbesondere Medikamenten-)Studien, wissenschaftlichen Entwicklungsverträgen erlaubt und was verboten ist, lässt sich auf der Basis des vorgeschlagenen Gesetzestextes und unter Berücksichtigung der Entwurfsbegründung allerdings nicht treffen (vgl. Ramb/Reich Compliance-Berater 2015, 72, 76).
Immerhin ist nach dem Willen des Gesetzgebers ausgeschlossen, dass Bonuszahlungen an Vertragsärzte im Sinne des § 84 Abs. 4 SGB V für die Verordnung des preisgünstigen Präparats in den Tatbestand fallen: Sie dienen schließlich sowohl dem wirtschaftlichen Wettbewerb als auch den Interessen des Patienten bzw. der gesetzlichen Krankenversicherung und werden deshalb nicht etwa für eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb oder eine sonstige Pflichtverletzung gewährt (S. 18). Nach dem Wortlaut der Vorschrift hätte man hieran bereits Zweifel haben können.
Dass die vergütete Anwendungsbeobachtung (§ 67 Abs. 6 AMG) grundsätzlich nicht den Tatbestand erfüllen soll (S. 17) wenn die Entschädigung, die an Ärzte für die Beteiligung geleistet werden, nach ihrer Art und Höhe so bemessen sind, dass kein Anreiz für eine bevorzugte Verschreibung oder Empfehlung bestimmter Arzneimittel entsteht (§ 67 Abs. 6 S. 3 AMG), ist zwar systematisch wegen des Einklangs mit dem Sozialrecht konsequent. Dass es aber nach § 299a StGB-E strafbar sein soll, wenn die Anwendungsbeobachtung Bestandteil einer Unrechtsvereinbarung ist und die vorgesehene Vergütung den teilnehmenden Arzt nicht für seinen zusätzlichen Aufwand, sondern für die unlautere Bevorzugung bestimmter Präparate entschädigen soll (S. 18), verstärkt die bereits mehrfach erwähnten Bedenken im Hinblick auf Bestimmtheit, Praxisgerechtigkeit und Nebenwirkungsträchtigkeit der vorgesehenen Regelung. Zwar handelt es sich hier um schwierige Abgrenzungsfragen auch nach der inneren Willensrichtung (Zwecksetzung der Anwendungsbeobachtung/Vergütung), die für das Korruptionsstrafrecht nicht untypisch sind. Es ist jedoch kaum zu gewährleisten, dass zumindest der Anfangsverdacht nicht allein aus der i.S.d. § 67 Abs. 6 S. 3 AMG überhöhten Vergütung die Existenz einer Unrechtsvereinbarung abgeleitet wird.
b) Bei Zuführung von Patienten und von Untersuchungsmaterialien
Dass die derzeitige Entwurfsfassung des Tatbestands riskiert, legitime Formen der Kooperation von Leistungserbringern des Gesundheitswesens unter Strafe zu stellen oder jedenfalls die beteiligten Personen (unnötigen) strafprozessualen Ermittlungen auszusetzen, soll hier beispielhaft anhand der im SGB V vorgesehenen – überdies legitimen und notwendigen – Kooperation zwischen Krankenhausträgern und – freiberuflichen, niedergelassenen – so genannten Honorarärzten unter dem Gesichtspunkt der Zuführung von Patienten dargelegt werden.
Als Fallbeispiel mag die Zusammenarbeit zwischen einem Krankenhaus und einem niedergelassenen Facharzt dienen, bei dem dieser für seine (freiberufliche) Erbringung von Dienstleistungen bzw. Werkleistungen im Krankenhaus – stationäre Operationen von Patienten aus dem eigenen Patientenstamm bei Abrechnung durch das Krankenhaus im Rahmen der Fallpauschalen (DRG) gegenüber den Krankenkassen – seitens des Krankenhauses einen bestimmten Betrag (u.U. auch einen bestimmten Prozentsatz der einschlägigen DRG) als Vergütung erhält. Nimmt man in dem konkreten Fall an, dass ein regionales Überangebot an Krankenhausbetten/konkurrierenden Krankenhäusern und ein regionales Unterangebot an entsprechenden (externen und krankenhausinternen) Fachärzten besteht, könnte die Vergütung des Honorararztes u.U. als Vorteil für eine unlautere Bevorzugung des Krankenhauses im Wettbewerb bei der Zuführung von Patienten charakterisiert werden. Nach dem Wortlaut des § 299a StGB-E käme es wohl allein darauf an, ob die Vergütung tatsächlich nicht als Gegenleistung für die Diensterbringung/Werkleistung (Operation), sondern als Gegenleistung für die Zuführung der Patienten des niedergelassenen Facharztes zu dem Krankenhaus X (und nicht zu dem benachbarten Krankenhaus Y eines anderen Trägers) angesehen wird. Dies dürfte beweisrechtlich schwierige Fragen aufwerfen, zumal die vertragliche Regelung zwischen Krankenhaus und Arzt selbstverständlich die Vergütung als Gegenleistung für die Operation definieren wird; maßgeblich dürfte es auf kaum ermittelbare Vorstellungen und Willensrichtungen des Arztes und der Entscheidungsträger des Krankenhauses ankommen. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die Staatsanwaltschaft bei der Frage, ob Ermittlungen einzuleiten sind – folgt man der Begründung des Gesetzentwurfs – wohl gerade nicht zu Gunsten der Beteiligten maßgeblich darauf abstellen darf, dass der Vorteilsgewährung ein Vertrag zwischen Arzt und Krankenhaus zu Grunde liegt, bei der das Entgelt des Arztes seinen Leistungen wirtschaftlich angemessen ist, etwa eine übliche prozentuale Quote der jeweiligen DRG ausmacht. Der Entwurf (S. 17) bezieht sich nämlich ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BGH, wonach ein Vorteil auch in dem (nicht geschuldeten) Abschluss eines Vertrages liegen kann, der Leistungen an den Täter (Arzt) zur Folge hat und zwar selbst dann, wenn diese nur das angemessene Entgelt für die von ihm – hier dem Arzt – selbst aufgrund des Vertrages geschuldeten Leistungen sind (vgl. BGH, Urteil vom 10.3.1983 – 4 StR 375 75/82). In diesem Zusammenhang gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die berufsrechtliche Rechtsprechung regelmäßig bei Zuwendungen auf vertraglicher Grundlage, die im Wert der Gegenleistung des Arztes entsprachen bzw. diese im Wert nicht nachweislich überschritten gerade nicht von einer Zuweisung gegen Entgelt ausgegangen sein dürfte (vgl. BGH NJW 2002, 962 = GRUR 2002, 271, 272; BGH NJW 2011, 2211, 2217). Es erscheint vor diesem Hintergrund fraglich, ob die Anknüpfung der strafrechtlichen Vorschrift (Vorteil auch bei vertraglicher Grundlage und wirtschaftliche Angemessenheit des Vorteils im Verhältnis zur Gegenleistung) an § 31 Abs. 1 MBO-Ä stimmig zur Deckung zu bringen ist, jedenfalls wenn man die herkömmliche Auslegung der berufsrechtlichen Vorschrift heranzieht. Auf der Basis des Entwurfs wäre hingegen die Angemessenheit und Üblichkeit der Vergütung wohl allenfalls ein Indiz unter vielen. Bei der oben geschilderten Konkurrenzsituation der Krankenhäuser wird man nicht ohne weiteres ausschließen können, dass das Entgelt zumindest auch im Hinblick auf die Patientenzuführung gezahlt wird. Dass das Auslösen von Ermittlungen auf Basis eines derart vagen Verdachts nicht sachgerecht ist, dürfte auf der Hand liegen.
In materiell-rechtlicher Hinsicht ist nicht sicher, ob man eine teleologische Reduktion des vorgeschlagenen Tatbestands erreichen kann, indem man auf einschlägige sozialrechtliche Normen rekurriert, die bestimmte Kooperationsformen grundsätzlich legalisieren. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass sich die Begründung des Entwurfs (wie dieser selbst) einer Klarstellung des Verhältnisses zwischen Straf-, Sozial- und Berufsrecht enthält. Der tatbestandliche Begriff der Zuführung soll sämtliche berufsrechtlich verbotenen Verhaltensweisen der Zuweisung gegen Entgelt (vgl. § 31 Abs. 1 MBO-Ä; vgl. § 73 Abs. 7 SGB V) umfassen (S. 19), sich aber auch auf vertragliche Kooperationen wie Berufsausübungsgemeinschaften beziehen (ebd.). Derartige Kooperationen zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern sind aber sozialrechtlich erlaubt. Soll es in Zukunft strafbar sein, einem Patienten das Nutzen der eigenen Belegbetten nahezulegen, weil der vom empfehlenden Arzt zu tragende Anteil an allgemeinen Betriebskosten mit jedem in das entsprechende Krankenhaus eingewiesenen Patienten sinkt, der Arzt also auf diese Weise einen Vorteil annimmt? Auf welche Normen können sich die Beteiligten für die Erlaubtheit ihres Handelns stützen? Rechtssicher vorhersehbar ist dies auf der Basis des vorliegenden Entwurfs nicht. Das ist mit strafrechtlichen Prinzipien nicht in Einklang zu bringen. Es ist zwar anzunehmen, dass der Entwurf nicht beabsichtigt, sachrechtlich zulässiges Verhalten unter Strafe zu stellen. Das aber kommt weder klar zum Ausdruck noch gibt es eine verlässliche Hürde gegen eine ausdehnende Interpretation.
Besonders bedenklich ist, dass der strafrechtlich vorgesehene Begriff der Zuführung weitergefasst ist als der berufsrechtliche der Zuweisung (Zuweisungen, Überweisungen, Verweisungen und Empfehlungen), weil er sich z.B. auch auf „mündliche und unverbindliche Empfehlungen“ erstrecken soll. Jedenfalls soweit der Wortlaut der Strafvorschrift einen weitergehenden Anwendungsbereich als der berufsrechtliche § 31 Abs. 1 MBO-Ä eröffnete, wäre dies weder inhaltlich sachgerecht noch systematisch stimmig, ist doch das Strafrecht das letzte und nicht das erste (oder gar einzige) Mittel. Schon deshalb und auch im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte daher klargestellt werden, daß die vorgeschlagene Vorschrift keinen weitergehenden Begriffs der Zuführung verwendet als den der Zuweisung i.S.d. § 31 Abs. 1 MBO-Ä.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Frage der tatbestandsmäßigen Bestimmtheit des Zuweisungsverbots gegen Entgelt – die im Rahmen des § 31 Abs. 1 MBO-Ä nie thematisiert wurde – deshalb im Rahmen einer Strafvorschrift nicht ohne Weiteres unproblematisch ist, da naturgemäß die Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nur für den zukünftigen § 299a StGB-E gelten würden. Hinzu kommt, dass diese oder sogar strengere Vorgaben nunmehr nicht nur für eine homogene „verkammerte“ Berufsgruppe wie Ärzte gelten würden, sondern auch für alle „Geber“ sowie für Heilberufsträger, die ein weniger gefestigtes Berufs- und (Selbst-)Bild haben und denen die Verrechtlichung der Berufsausübung schon angesichts ihrer geringeren (Aus-)Bildungsvoraussetzungen weniger klar sein dürfte. Hier zeigt sich deutlich, wie problematisch der Verzicht auf eine nähere Konturierung der Unrechtsvereinbarung (z.B. Gewährung eines „Bonus“ an den Arzt in Abhängigkeit von der Anzahl der vorgenommenen Operationen/zugeführten Patienten) gerade deshalb ist, weil der Täterkreis geöffnet wird. Bleibt es bei Letzterem (oder verzichtet man noch weitergehend auf jede Einschränkung, s. dazu oben II 1 b), so ist es aufgrund des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots zwingend erforderlich, die Unrechtsvereinbarungen, die unter den Tatbestand fallen, zumindest im Hinblick auf das Verhältnis zum Berufs- und Sozialrecht zu spezifizieren und zudem die Notwendigkeit einer Abstufung im Strafrahmen nach den verschiedenen Tätergruppen (etwa Kammerangehörige und sonstige Angehörige von Heilberufen, ggf. auch noch Sonstige) zu prüfen.
2. Zusammenhang mit der heilberuflichen Berufsausübung
Zu Recht ist in der Literatur bereits im Hinblick auf den Gesetzesentwurf des bayerischen Staatsministeriums der Justiz darauf hingewiesen worden, dass die Erfassung aller (oben beschriebenen Gegenleistungs-)Tathandlungen des Heilberufsträgers, die im „Zusammenhang mit der Ausübung“ seines (Heil-)„Berufs“ stehen, unnötig unbestimmt ist, da der Begriff des – mittelbaren oder unmittelbaren? – Zusammenhangs im strafrechtlichen Kontext vielfach kontroversen und disparaten Auslegungen unterworfen wurde (Kubiciel/Tsambikakis, medstra 2015, 11, 14). Es erscheint zwecks Präzisierung des Tatbestands naheliegend und wünschenswert, lediglich Gegenleistungshandlungen der Heilberufsträger “in Ausübung dieses Berufs“ (d.h. des Heilberufs) als tatbestandsmäßig vorzusehen (Kubiciel/Tsambikakis medstra 2015, 11, 14). Angesichts dessen, dass es bei der (vorgestellten) Gegenleistungshandlung des Heilberufsträgers erkennbar um die Zuführung von Patienten, die Zuführung von Untersuchungsmaterial oder Bezug, Abgabe oder Verordnung von Heilmitteln, Hilfsmitteln oder Medikamenten bzw. Medizinprodukten in der jeweiligen heilberuflichen Funktion gehen soll, ist sowieso anzunehmen, dass nur Handlungen in Ausübung und nicht solche bei Gelegenheit der Ausübung des Heilberufs vom Straftatbestand erfasst sein sollten. Dies erscheint auch im Hinblick darauf geboten, dass § 299a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB-E ausdrücklich auf die Verletzung der Berufsausübungspflichten durch die Gegenleistungshandlung abstellt und somit für diese Alternative implizit klarmacht, dass die vorgestellte Gegenleistung durch die Verletzung von Berufspflichten gekennzeichnet sein muss. Im Rahmen von § 299a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB-E sollte zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen derselbe Maßstab gelten, was am Leichtesten durch die hier nahe gelegte Klarstellung erfolgen kann. Im Übrigen weist auch der Entwurf (S. 16) zusammenfassend darauf hin, dass (nur) „heilberufliche Entscheidungen“ vor unzulässiger Einflussnahme durch Vorteile geschützt werden sollen; dies können nach dem Wortsinn kaum Entscheidungen bloß bei Gelegenheit der Berufsausübung sein, zumal im Entwurf (Seite 21) die Tatbestandsvariante der Nr. 2 als Grundtatbestand gegenüber der Nr. 1 angesehen wird, da „es sich auch bei den von Nr. 1 erfassten wettbewerbsrechtlichen Pflichten um Berufsausübungspflichten handelt“. Da sowohl die Fortbildung als auch die ärztlichen Verordnungen und sonstigen Entscheidungen zur Berufsausübung gehören, fielen auch bei derartiger Beschränkung des Tatbestands weder Schein-Kongresse noch unternehmensfinanzierte Lustreisen aus dem Tatbestand. Zudem erleichterte diese Konkretisierung auch den Weg, auf eine Beschränkung des Täterkreises im Tatbestand zu verzichten, weil die danach erfassten Unrechtsvereinbarungen sowieso nur von dem Täterkreis getroffen werden könnten, auf den sich auch der Entwurf erstreckt.
Auch unter den verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten des Schuldgrundsatzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips erschiene es wenig überzeugend, wenn die Vorteilsgewährung für eine Zuführung von Patienten lediglich bei Gelegenheit (und nicht in Ausübung) der ärztlichen Berufsausübung – etwa für die Empfehlung eines nicht behandelnden und auch sonst nicht zuständigen Arztes – unter die nicht unerhebliche Strafdrohung der neuen Vorschrift gestellt wird.
3. Finalitätszusammenhang (zukünftige Gegenleistungshandlung)
§ 299a StGB-E bezieht – entsprechend der Vorschrift des § 299 StGB (S. 18; Fischer, StGB, 62. Auflage, § 299 Rn. 13) – keine Zuwendungen für eine in der Vergangenheit liegende Bevorzugung bzw. Pflichtverletzung (Gegenleistungshandlung) in den Tatbestand ein. Weil einer solchen nachträglichen Zuwendung aber ihrerseits eine vorausgegangene Unrechtsvereinbarung zu Grunde liegen kann, drohen hier dieselben Beweisschwierigkeiten, die insofern auch die Anwendung des Straftatbestands der Bestechung im geschäftlichen Verkehr kennzeichnen und diesbezüglich auch bereits zu Forderungen geführt haben, die Vorteilsgewährung für vergangene Handlungen einzubeziehen oder gar eine Lockerung der Unrechtsvereinbarung vergleichbar mit §§ 331, 333 StGB vorzunehmen. Unterhalb der Schwelle erneuter gesetzgeberischer Intervention stünden mit Inkrafttreten des § 299a StGB-E Staatsanwaltschaften (ggf. nachfolgend auch die Gerichte) vor der Aufgabe zu entscheiden, wann, wieweit und mit welchen Mitteln sie versuchen müssten aufzuklären, ob es vor der Zuwendung eine in die Zukunft weisende Vereinbarung darüber gab: soll etwa die Gewährung bzw. Entgegennahme erheblicher Vorteile genügen, auch ohne das Vorliegen zusätzlicher tragfähiger Anhaltspunkte auf eine vorgelagerte zukunftsgerichtete und damit tatbestandsmäßige Vereinbarung zur Gewährung künftiger Gegenleistungen für Handlungen des Heilberufsträgers zu schließen? Selbst wenn man dies verneint, wird die Justiz vielfach um aufwendige und nebenwirkungsträchtige Ermittlungen zu diesem Aspekt (gerade auch angesichts der breiten und scharfen gesellschaftlichen und medialen Verurteilung von unberechtigten Vorteilsannahmen durch Heilberufsträger) nicht herumkommen. Dies verstärkt die bereits erwähnten Befürchtungen kontraproduktiver Effekte (dazu oben III 1).
IV. Rechtsgut
Ziel des Gesetzes ist, dass heilberufliche Entscheidungen frei von unzulässiger Einflussnahme getroffen werden. Um dies zu gewährleisten, ist der Straftatbestand so ausgestaltet, dass er direkt einen doppelten Rechtsgüterschutz verfolgt, nämlich einerseits der Sicherung eines Wettbewerbs und andererseits dem Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen. Zudem wird erwartet, dass mittelbar die Vermögensinteressen der Wettbewerber im Gesundheitswesen sowie der Patienten und der gesetzlichen Krankenversicherungen geschützt werden (Seite 11 des Referentenentwurfes).
Der Wettbewerbsschutz ergibt sich aus § 299a Abs. 1, Ziffer 1 bzw. Abs. 2, Ziffer 1 StGB-E (wie § 299 StGB in der aktuellen Fassung). Der Vertrauensschutz in die Integrität der heilberuflichen Entscheidungen soll durch § 299a Abs. 1 Ziffer 2 bzw. Abs. 2 Ziffer 2 StGB-E (vermutlich in Anlehnung an das „Geschäftsherrenmodells“ des geplanten § 299 StGB B-E) erfolgen, indem die Verletzung von Berufsausübungspflichten unter bestimmten Voraussetzungen als Gegenleistung einer Unrechtsvereinbarung sanktioniert wird.
Die Hoffnung auf einen (mittelbaren) vermögensrechtlichen Schutz fußt wohl darauf, dass ärztliche Leistungen nicht mehr in der bisherigen Form erbracht, ggfl. günstigere Arzneimittel oder Medizinprodukte verordnet (da vermeintlich die Entscheidung über das konkrete Arzneimittel bzw. Medizinprodukt auf sachfremden Erwägungen beruht habe) oder etwaige Vergünstigungen nicht mehr in der bisherigen Form ausgereicht bzw. an den Patienten/die Krankenkassen weiter gegeben werden. Insofern könnte das Gesundheitswesen finanziell entlastet bzw. Aufwendungen erspart werden.
Bemerkenswert ist, dass in dem Referentenentwurf auf Seite 11 nur von den Vermögensinteressen der Wettbewerber, Patienten und gesetzlichen Krankenkassen die Rede ist und die privaten Krankenversicherungen keine Erwähnung finden, die aber ebenfalls z.B. an einer Änderung einer Verordnungspraxis von Ärzten wirtschaftlich partizipieren könnten (die nach der Einleitung des Entwurfes auf Seite 1 auch ausdrücklich in den Schutz des Gesetzes einbezogen werden sollen). Dies wirft die Frage auf, ob der (indirekte) Vermögensschutz der gesetzlichen Krankenkassen nicht einen wesentlicheren Grund für die Einführung des Gesetzes darstellt, als die Begründung des Referentenentwurfes darlegt.
1. Schutz des Wettbewerbes
a) Entsprechung zu § 299 StGB
Zu den Voraussetzungen und Grenzen des Wettbewerbsschutzes kann in einigen Konstellationen auf die Rechtsprechung zum § 299 StGB zurückgegriffen werden, was auch in dem Referentenentwurf ausdrücklich als Erwartung formuliert wird (Seite 20 des Referentenentwurfes). Es wird davon ausgegangen, dass die bislang entwickelten Auslegungsgrundsätze übertragbar sind.
b) Modifizierungen
Ob sich diese Erwartung tatsächlich bestätigen wird, ist allerding fraglich. Zum einen zielt diese Norm auf eine neue und sehr inhomogene „Tätergruppe“ (dazu näher oben II) und Handlungsweisen ab, die bislang noch nicht in dieser Form pönalisiert sind. Zum andern stellen sich die Fragen zur Sozialadäquanz, Gegenleistung/Unrechtsvereinbarung und unlauteren Bevorzugung in Berufsumfeldern, die sich sehr von den bisherigen klassischen korruptionsanfälligen Bereichen, wie beispielsweise Hoch-, Tief- und Anlagenbau unterscheiden.
Unter dem Begriff der unlauteren Bevorzugung ist dabei eine sachfremde Entscheidung zwischen zwei Bewerbern zu verstehen und setzt damit einen Wettbewerb und eine Benachteiligung eines Konkurrenten voraus (Seite 20 des Referentenentwurfes). Wie eine solche sachfremde Entscheidung zum Beispiel bei einem Apotheker zu verstehen ist, ist derzeit nicht eindeutig. Dieser kann Arzneimittel oder sonstige Waren teilweise vom Hersteller, teilweise von Großhändlern beziehen, wobei es in Deutschland nur wenige Arzneimittelgroßhändler gibt, die teilweise auch unterschiedliche Arzneimittel im Programm haben. Es wird zukünftig in Strafverfahren wohl diskutiert werden, ob es sich hier insofern um eine Wettbewerbssituation handelt, woran die Sachgemäßheit festzumachen ist sowie ob und ggf. ab wann die Entscheidung über den Bezug eines Arzneimittels von dem einen anstelle von dem anderen Großhändler nicht (mehr) als sachgemäß zu bewerten ist.
Gleiches gilt für die Verschreibung eines bestimmten Arznei- oder Hilfsmittels für einen Patienten. Einem Arzt wird zukünftig anzuraten sein, genau zu dokumentieren, warum er nicht nur einen Wirkstoff oder warum er ein konkretes Präparat, Hilfsmittel, etc. verordnet hat. Es stellt sich zudem die Frage, ob die – naheliegende – Begründung „es wirkt am besten“ bzw. „es ist am verträglichsten“ dann ausreichend sein wird. Zum einen ist dies schwer nachzuweisen und es kann zum anderen von den Ermittlungsbehörden auch als Schutzbehauptung aufgefasst werden.
Zukünftig wird sich der Organisationsaufwand bei den betroffenen Berufsgruppen erhöhen, um im Falle eines Falles die Sachgemäßheit einer Entscheidung nachweisen zu können. Doch auch durch eine verstärkte Dokumentation tritt keine Rechtssicherheit in punkto „Sachgemäßheit“ einer Entscheidung bei den betroffenen Berufsträgern ein.
Die Teilnahme an vergüteten Anwendungsbeobachtungen (s.a. unter dem Gesichtspunkt des Vorteils unten V) ist ebenso ein sehr berufsspezifischer Bereich. Diese Anwendungsbeobachtungen werden in dem Referentenentwurf als notwendig erkannt, da sie „forschungs- und gesundheitspolitisch wünschenswert sind“ (Seite 17 des Referentenentwurfes). Daher sollen sie per se nicht unter den Tatbestand fallen, es sei denn sie dienen reinen Marketingzwecken, die Ergebnisse sollen nicht öffentlich zugänglich gemacht werden oder die Aufwandsentschädigung ist nach Art und Höhe in einem Bereich, der einen Anreiz für eine bevorzugte Verschreibung oder Empfehlung bestimmter Arzneimittel bietet (§ 67 Abs. 6 Satz 3 AMG). Ob eine Anwendungsbeobachtung tatsächlich nur zu reinen Marketingzwecken erfolgt und ob die Erkenntnisse letztlich auch veröffentlich werden, liegt nicht im Einflussbereich eines Arztes und kann daher zum Zeitpunkt der Teilnahme an der Anwendungsbeobachtung gar nicht überblickt werden. Dies als ein strafrechtlich relevantes Kriterium eines Korruptionstatbestandes heranzuziehen, ist daher für den Arzt schwer nachzuvollziehen. Eine Gewährleistung, dass heilberufliche Entscheidungen frei von unzulässiger Einflussnahme getroffen werden, kann mit der so konzipierten Norm in diesem Berufsfeld nicht erbracht werden.
2. Verletzung der Berufsausübungspflicht
Mit Einführung dieser Alternative soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass durch korruptive Verhaltensweisen nicht nur der Wettbewerb, sondern auch Patienten- und Gemeinwohlinteressen betroffen sein können.
a) Verletzung von Berufsausübungspflichten
Für diese Tatbestandsalternative der Verletzung von Berufsausübungspflichten gibt es keine Entsprechung in den aktuellen Normen der Korruption im geschäftlichen Verkehr. Begründet wird die Notwendigkeit der Einführung in dem Referentenentwurf damit, dass Pflichtverletzungen außerhalb von Wettbewerbslagen ebenfalls einer strafrechtlichen Sanktion unterworfen werden und insbesondere bei der Monopolisierung eines etwaigen Vorteilsgebers, sowie in Fällen von medizinisch nicht indizierter Verschreibungen zum Tragen kommen sollen.
Möglicherweise wird mit der Einführung einer solchen Tatbestandsalternative schlicht der Erfahrung Rechnung getragen, dass eine Wettbewerbsverletzung tatsächlich schwer und nur unter enormen Ermittlungsaufwand nachgewiesen werden kann.
Mit dieser Regelung wird hinsichtlich der Sanktionierung von korruptiven Verhaltensweisen Neuland betreten. Das sogenannte „Geschäftsherrenmodell“, das mit dem geplanten Gesetz zur Bekämpfung der Korruption in den § 299 StGB B-E eingeführt werden soll, hat eine andere Zielrichtung – nämlich die Vermögensinteressen der Geschäftsinhaber – und es gibt auch keine Erfahrungswerte oder Rechtsprechung, die als Auslegungshilfe (zu Korruptionsgesichtspunkten) herangezogen werden könnten.
b) Feststellungsprobleme
Es stellt sich zudem die Frage, wie Feststellungen und Bewertungen vermeintlich medizinisch nicht indizierter Verordnung oder Vergabe von Arzneimittel, Behandlungen, Hilfsmittel, etc. getroffen werden sollen. Hier werden verschiedene Nichtberufsträger, wie z.B. Ermittlungsbeamte, Mitarbeiter von Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigungen, Patienten oder letztlich Richter zu „Prüforganen“ berufen, ob diese Verschreibungen (ggf. gerade noch) medizinisch indiziert waren oder nicht. Ob zum Beispiel ein Präparat die Genesung gefördert hat, kann – insbesondere im Nachhinein – nur eingeschränkt beurteilt werden.
Dies bedeutet für die Praxis, dass die Gefahr von regelmäßigen „Gutachterschlachten“ an diesem Punkt sehr hoch ist und der hinter der Einführung stehende Zweck sodann nur schwer erreicht wird. Zudem wird vermutlich auch die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege auf eine harte Probe gestellt.
c) Außenwirkung
Ein verbesserter Schutz der Rechtsgüter der Patienten- und Gemeinwohlinteressen wird mit diesen geplanten strafrechtlichen Mitteln wahrscheinlich nicht gewährleistet werden können. Das Vertrauen der Patienten in die Integrität von ärztlichen (Einzel-)Entscheidungen wird nicht dadurch gestärkt werden, dass ein Strafverfahren gegen einen Arzt wegen des Vorwurfes der Korruption geführt wird. Ein berufsrechtliches Verfahren, das ggf. durch eine Beschwerde von Patienten angestoßen wurde, ist für die Patienten greifbarer, wird schneller durchgeführt und ist eher geeignet, das Vertrauen in die Integrität der Heilberufe zu stärken.
d) Fiskalinteressen
Mit dieser Tatbestandsalternative soll eine (missbräuchliche) Verordnungspraxis aufgrund sachfremder Motive sanktioniert werden. Die Eindämmung ggf. unnötiger Kosten durch nicht benötigte Arznei-, Hilfs- oder Heilmittel kommt den Krankenkassen und mittelbar den Patienten zu Gute, wenn Krankenkassenbeiträge reduziert werden können. Insofern werden mit dieser Tatbestandsalternative primär Fiskalinteressen verfolgt und geschützt, was in der Begründung des Referentenentwurfes allerdings als ein mittelbarer, reflexhafter Schutz dargestellt wird.
e) Mangelnde Konkretheit
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass sich aus der Regelung des § 299a StGB-E und der Begründung des Referentenentwurfes nur ein grobes Raster ergibt, das in der Anwendung der Norm erst verdichtet werden müsste. Konkrete Ausführungen zu den Tatbestandsgrenzen oder eine konkret bezifferte Bagatellgrenze finden sich nicht. Daher steht zu vermuten, dass eine ähnliche Kasuistik (mit z.T. widersprüchliche Entscheidungen) in der Rechtsprechung entstehen wird, wie dies bei § 299 StGB der Fall ist. Eine Übertragbarkeit der bisherigen Grundsätze und Grenzen auf diesen Berufszweig ist hinsichtlich des avisierten Wettbewerbsschutzes voraussichtlich nur ansatzweise möglich.
Eine strafrechtliche Sanktionierung der Verletzung von Berufsausübungspflichten unter Korruptionsgesichtspunkten ist in der vorliegenden Form vermutlich wenig geeignet, die Rechtsgüter der Patienten- und Gemeinwohlinteressen zu schützen. Die Konzeption der Norm zielt eher darauf ab, einen Angriffspunkt zu haben, um Vermögensinteressen von gesetzlichen Krankenkassen zu wahren, indem ggf. missbräuchlichen Verschreibungspraxen eingedämmt und die Kosten gespart werden. Hierzu ist die Verortung der Norm in den Gesetzen zum Schutz des Wettbewerbs nicht sachgerecht.
V. Vorteilsbegriff
Nach dem Referentenentwurf entspricht der Vorteilsbegriff i.S.d. § 299a StGB-E dem Vorteilsbegriff iSd. §§ 299, 331 ff. StGB, der „jede Zuwendung [erfasst], auf die der Täter keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert“ (vgl. BGH, Urteil vom 11.04.2001, 3 StR 503/00). Der Begriff umfasst sämtliche materiellen und immateriellen Zuwendungen. Die Vorteilsgewährung ist sowohl gegenüber dem Täter als auch gegenüber einem Dritten möglich.
Zur Bestimmung des Vorteilsbegriffs iSd. §§ 299, 331 ff. StGB gibt es eine umfassende Kasuistik. So hat die Rechtsprechung den Begriff des Vorteils in mehreren Entscheidungen zu § 299 StGB und §§ 331 ff. StGB fortentwickelt. Die bestehenden Probleme rund um die Konkretisierung des Vorteilsbegriffs, insbesondere bei der Zuwendung immaterieller Vorteile, sind daher bekannt.
Der Vorteilsbegriff i.S.d. § 299 StGB ist jedoch nicht geeignet, die erforderliche Eingrenzung des § 299a StGB hinsichtlich der berufstypischen Besonderheiten (Geschenke von Patienten, Vergütungen bei Anwendungsbeobachtungen etc.) rechtssicher vorzunehmen. Besonders problematisch erscheint dabei, dass § 299a StGB B-E weder eine Bagatellgrenze enthält, bei deren Unterschreitung eine Strafbarkeit ausgeschlossen ist, noch die Möglichkeit einer Genehmigung sozialadäquater Zuwendungen vorsieht. Dies ist insbesondere deshalb relevant, weil auch Amtsträger (Chefärzte etc.) als Täter i.S.d. § 299a StGB-E in Betracht kommen. Da angesichts der unterschiedlichen Rechtsgüter nicht auszuschließen ist, dass in einschlägigen Fällen tatbestandlich Tateinheit vorliegt, wird es wohl auch für § 299a StGB-E die Möglichkeit der Genehmigung der Annahme eines (maßvollen) Vorteils geben müssen, weil andernfalls die für § 331 Abs. 3 StGB als dem schwereren Delikt, allerdings nur bei im Übrigen zu bejahender Rechtmäßigkeit, ausreichende Genehmigung dem Amtsträger eventuell keine Straffreiheit verschaffen würde.
Die Einführung einer Bagatellgrenze bzw. die Möglichkeit der Genehmigung sozialadäquater Zuwendungen ist auch deshalb erforderlich, weil durch die angedachte, pauschalisierende Regelung des § 299a StGB-E eine Vielzahl berufsordnungsrechtlich erlaubter Verhaltensweisen vom Anwendungsbereich umfasst werden (zur Notwendigkeit näherer Bestimmung pönalisierter Vorteile unter dem Gesichtspunkt des Kreises tauglicher Täter s. bereits oben II 1 c und unter dem Aspekt der Unrechtsvereinbarung oben III). Neben der oben angesprochenen Problematik des Nichtbestehens einer Bagatellgrenze – insbesondere für Geschenke von Patienten (vgl. § 12 S. 2 BO-Ä – Berufsordnung der Apotheker; § 32 Abs. 1 MBO-Ä – Musterberufsordnung der Ärzte) sei der Konflikt zwischen (notwendiger) berufsrechtlicher Zulässigkeit und strafrechtlicher Sanktionierung durch § 299a StGB-E anhand folgender Beispiele verdeutlicht:
– Ärzten ist es gestattet, sich für (freiwillige) Leistungen an Hersteller von Arznei- und Hilfsmitteln bzw. Medizinprodukten (z.B. Anwendungsbeobachtungen, Versuchsreihendurchführung etc.; dazu unter dem Gesichtspunkt des Rechtsguts bereits oben IV 1 b) angemessen vergüten zu lassen. Entsprechende Verträge sind der Ärztekammer vorzulegen (vgl. § 33 MBO-Ä). Die Durchführung entsprechender Anwendungsbeobachtungen und Versuchsreihen ist regelmäßig mit erhöhten Kosten und Aufwendungen für die teilnehmenden Ärzte verbunden. Sie ist jedoch erforderlich, um wirksame Medikamente überhaupt erst entwickeln und erproben zu können. Die Durchführung solcher Maßnahmen leistet daher einen elementaren Beitrag zur Fortentwicklung der Medikation. Der Vertragsabschluss kann trotz alledem – auch bei Angemessenheit des Entgelts – einen Vorteil i.S.d. §§ 299, 331 ff. StGB darstellen, da kein Rechtsanspruch auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrages besteht (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 331 Rn. 12 m.w.N.).
– Die Annahme von Beiträgen Dritter zur Finanzierung wissenschaftlicher Fortbildungsveranstaltungen (sog. Sponsoring) ist nach den berufsrechtlichen Vorschriften im angemessenen Umfang erlaubt, soweit Bedingungen und Umfang des Sponsorings offen gelegt werden (§ 32 Abs. 3 MBO-Ä). Dasselbe gilt für die Teilnahmekosten an ausschließlich berufsbezogenen Fortbildungen, soweit die Kostenübernahme auf die notwendigen Reisekosten und die reinen Tagungsgebühren begrenzt ist (§ 32 Abs. 2 MBO-Ä). Ärzte sind berufsrechtlich verpflichtet, sich in dem Umfang beruflich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Entwicklung der zu ihrer Berufsausübung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist (vgl. § 4 MBO-Ä). Durch die Kostenübernahme wird die fachliche Qualifikation von Ärzten sichergestellt. Dies betrifft insbesondere Vertragsärzte in kleineren Praxen, denen ansonsten eine regelmäßige Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen aufgrund der damit verbundenen Kosten (An- und Abreise, Teilnahmegebühren, Unterbringungsgebühren, Verdienstausfall) schlicht nicht möglich wäre. Durch die Begrenzung auf die Reisekosten und Tagungsgebühren wird insoweit sichergestellt, dass keine Bereicherung der Ärzte vorliegt. Trotz der fehlenden Bereicherung unterfällt die Kostenübernahme dem Vorteilsbegriff der §§ 299, 331 ff. StGB (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 331 Rn. 11c).
Die Tatbestandsmäßigkeit berufsordnungsrechtlich erlaubter Verhaltensweisen widerspricht der Zweckrichtung des § 299a StGB-E, allein korruptive Verhaltensweisen zu sanktionieren. Die erforderliche Eingrenzung des Geltungsbereichs des § 299a StGB-E kann – auch vor dem Hintergrund des ungeklärten Konkurrenzverhältnisses zu § 331 ff. StGB – nicht allein im Rahmen der Prüfung des Vorliegens einer Unrechtsvereinbarung vorgenommen werden, da ansonsten hinsichtlich der Annahme (vermeintlich) sozialadäquater Zuwendungen eine erhebliche, nicht zu beseitigende Rechtsunsicherheit bestehen würde. Insoweit ist auch zu beachten, dass sozialadäquate Zuwendungen nach dem Referentenentwurf ausdrücklich nicht vom Tatbestand des § 299a StGB-E erfasst sein sollen. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, die Besonderheiten der Berufsstände bei der Schaffung des § 299a StGB-E zu berücksichtigen und den Vorteilsbegriff auf diese Besonderheiten hin anzupassen.
VI. Strafrechtliche Folgeänderungen
1. Strafschärfung für besonders schwere Fälle, § 300 StGB-E
a) Regelbeispiele
Während der Referentenentwurf lediglich zwei Regelbeispiele aufführt (großes Ausmaß bzw. gewerbs- oder bandenmäßige Begehungsweise) sieht der Entwurf des Freistaats Bayern als 3. Regelbeispiel die Gefahr einer erheblichen Gesundheitsschädigung vor. Wiewohl bei einer derartigen Folge auch auf der Basis des Referentenentwurfs ein unbenannter besonders schwerer Fall angenommen werden könnte, wäre der forensische Begründungsaufwand dafür größer. Aus Gründen der Rechtsklarheit und der Praktikabilität sollte daher erwogen werden, insoweit dem Vorschlag Bayerns zu folgen.
b) Schärfung bei Anfall von Vorteilen beim Anstellungsunternehmen?
Nach der Rechtsprechung verlangt gewerbsmäßiges Handeln das Streben nach einem eigenen Vorteil. Dieser muss zwar nicht als unmittelbarer erstrebt werden, wohl aber als Handlungsziel. Damit fallen solche Konstellationen unter den Begriff, in welchen ein monetärer Vorteil über verschiedene vorübergehend berührte Vermögenskreise beim Täter anlangt. Nicht erfasst sind hingegen Fälle, in denen der wiederkehrende Vorteil beim Anstellungsunternehmen verbleibt, dieses also gewerbsmäßig begünstigt wird. Es ist eine in der Begründung des Entwurfs nicht gestellte Frage, ob es einen Bedarf für die Einbeziehung derartiger Gestaltungen in § 300 StGB-E (und für eine demgemäße Folgeregelung in § 302 StGB, dazu unten 3.) gibt oder nicht. Ihre Aufnahme würde jedoch die Anwendbarkeit auch dann erleichtern, wenn diese Konstruktionen über Provisionen oder umsatz- bzw. gewinnabhängige Entlohnungssystems als (auch) eigennützig anzusehen wären.
c) Konsequenzen im Alternativ-Fall der Angleichung an die Amtsträgerkorruption
Sollte, anstatt einen eigenen Tatbestand zu schaffen, bestimmt werden, dass bestehende Korruptionsvorschriften (ganz oder partiell) auch auf (ggf.: Teile der) Akteure des Gesundheitswesens Anwendung zu finden haben, so könnte das zur Folge haben, dass (je nach Gestaltung: auch oder nur) § 335 StGB mit erweitert werden müsste.
2. Strafantrag, § 301 StGB-E
a) Fragliche Sinnhaftigkeit der Ausgestaltung als Antrags- und Privatklagedelikt
Ob es rechtstatsächlich bedeutsam ist, dass § 299 StGB als relatives Antragsdelikt ausgestaltet und selbiges auch für § 299a StGB-E vorgesehen ist, darf bezweifelt werden. Die antragsbefugten Verbände dürfen auch Amtsdelikte anzeigen. Bagatellen lassen sich von den Staatsanwaltschaften über die Opportunitätsregeln der Strafprozessordnung erledigen. Der wesentliche Unterschied besteht in der Frage der Zulässigkeit einer Privatklage. Sie kann allerdings auch für ein Nicht-Antragsdelikt bereitgestellt werden (Beispiel: Bedrohung, § 374 Abs. 1 Nr. 5, 2. Alt. StPO). Es ist jedoch nicht bekannt, dass von der Möglichkeit des § 374 Abs. 1 Nr. 5a StPO, der Privatklage in einem Fall des § 299 StGB, jemals Gebrauch gemacht wurde. Angesichts der Ermittlungsnotwendigkeiten ist das nicht eben wahrscheinlich.
Ob aus diesem Grunde oder doch eher unbewusst im Entwurf auf den Vorschlag verzichtet wurde, § 299a StGB-E in den Kreis der Privatklagedelikte aufzunehmen, ist offen. Es dürfte jedoch einer Überlegung wert sein, sowohl für § 299 StGB als auch für § 299a StGB-E kumulativ auf das Strafantragserfordernis einerseits und die Privatklagefähigkeit andererseits zu verzichten.
b) Abstimmungsbedarf zwischen (etwaigem) Antragsrecht und Täterkreis
Sieht man für § 299a StGB-E weiterhin das relative Strafantragserfordernis vor, so bedarf es jedoch einer Änderung des § 301 Abs. 2 Nr. 2 lit. a StGB-E. Nach dem Referentenentwurf soll danach das Recht, Strafantrag zu stellen, der berufsständischen Kammer zustehen, in der der Täter zum Tatzeitpunkt Mitglied war. Abgesehen davon, dass der Referentenentwurf gerade keine Beschränkung auf verkammerte Berufe enthält, erfasst der Wortlaut des § 301 Abs. 2 Nr. 2 lit. a StGB-E nur die Fälle des § 299a Abs. 1 StGB-E, also die Empfängerseite. Das aber ist in sich nicht stimmig. Plausibilität erlangte die Regelung nur dadurch, dass für die nach dem Eingangswortlaut des § 301 Abs. 2 Nr. 2 StGB-E miterfassten Fälle des § 299a Abs. 2 StGB auf die Kammerzugehörigkeit des Empfängers (und nicht auf die des Zuwendenden) abgestellt würde. Insgesamt erscheint es fragwürdig, einen Straftatbestand zu schaffen, weil man den Selbstreinigungskräften der berufsständischen Selbstverwaltung nicht mehr traut, um dann aber gleichzeitig das Antragserfordernis in deren Hände zu legen.
3. Erweiterter Verfall, § 302 StGB-E
Die sich bereits im Hinblick auf § 300 Nr. 2 StGB-E (dazu oben 1 b) stellende Thematik des gewerbsmäßig begünstigten Anstellungsunternehmens kehrt auch im Anwendungsbereich des § 302 StGB-E wieder. Die bisherige Wortfassung erstreckt sich nicht auf das begünstigte Unternehmen. Es hat die Anordnung des erweiterten Verfalls nur dann zu gewärtigen, wenn dies gemäß § 73d StGB möglich sein sollte. Falls insoweit Regelungsbedarf bestehen sollte, dürfte es sich anbieten, diesen nicht bereichsspezifisch allein für die Fälle des § 299 StGB und des § 299a StGB-E zu erfüllen.
VII. Sozialrechtliche Folgeregelungen, Änderungen des SGB V
Die vorgesehenen Änderungen des SGB V erweitern die Verpflichtungen der Krankenkassen und der kassenärztlichen Vereinigungen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen. Die kassenärztliche Bundesvereinigung wird, ebenso wie der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, zur Organisation und Durchführung eines regelmäßigen Erfahrungsaustauschs verpflichtet. Die vorgesehenen Treffen sollen „den direkten fachlichen Austausch der verantwortlichen Personen und die gemeinsame Abstimmung über das Vorgehen bei streitigen oder unklaren Fragestellungen“ ermöglichen. An dem Erfahrungsaustausch sind die berufsständischen Kammern und die Staatsanwaltschaften „in geeigneter Form“ zu beteiligen. Die zuständigen Aufsichtsbehörden sind über die Ergebnisse zu informieren. In den Berichten sind Anzahl, Art und Schwere des vermuteten und festgestellten Fehlverhaltens und die dagegen getroffenen Maßnahmen zu benennen (§ 81a Abs. 3 S. 2, Abs. 5 S. 2 f. SGB V; § 197a Abs. 3 S. 2, Abs. 5 S. 2 f.).
Die Novellierung der §§ 81a, 197a SGB V und die sich daraus ergebende Berichtspflicht stehen in keinem (erkennbaren) unmittelbaren Zusammenhang zur Einführung des § 299a StGB-E. Der Referentenentwurf führt zum Zweck der Novellierung der §§ 81a, 197a SGB V aus, dass die Berichte erforderlich seien, um „die im Berichtszeitraum aufgetretene Zahl der bekannt gewordenen Fälle, deren Art, Schwere und Ahndung zu dokumentieren“ und den jeweiligen „Gesamtschaden für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung zu beziffern, der durch die Prüfung vermieden werden konnte und der nicht vermieden werden konnte. Dadurch soll auch das tatsächlich weitgehend unklare Ausmaß des Fehlverhaltens im Gesundheitswesen erhellt werden“ (vgl. Bl. 23 des Referentenentwurfs).
Aufgrund der genannten Zielrichtung besteht die Vermutung, dass durch die Berichtspflichten eine nachträgliche Legitimation der strafrechtlichen Sanktionierung des § 299a StGB-E ermöglicht werden soll. Es wäre jedoch Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, vor der strafrechtlichen Normierung – und nicht erst danach – zu eruieren, ob aufgrund des Ausmaßes des Fehlverhaltens eine strafrechtliche Sanktionierung tatsächlich erforderlich ist, und wenn ja, in welcher spezifischen Form. Soweit das bestehende Ausmaß des Fehlverhaltens im Gesundheitswesen tatsächlich – wie im Referentenentwurf dargestellt – weitgehend unklar ist, stellt sich daher die Frage, wieso eine (noch dazu pauschalierende) strafrechtliche Sanktionierung trotzdem als notwendig und erforderlich erachtet wurde.
Die Ausführungen im Referentenentwurf legen überdies die Vermutung nahe, dass – auch nach Ansicht des Gesetzgebers – von den nicht akademischen Heilberufsgruppen (zu den Bedenken, sie in den Kreis der tauglichen Täter aufzunehmen, s. bereits oben II 1) keine erheblichen Korruptionsrisiken ausgehen, da die Berufsvereinigungen nichtakademischer Heilberufe – anders als die Berufskammern – nicht am Erfahrungsaustausch zu beteiligen sind, vgl. §§ 81a Abs. 3, 197a Abs. 3 SGB V. Die Notwendigkeit strafrechtlicher Sanktionierung im Sinne des § 299a StGB-E erscheint für Angehörige nichtakademischer Heilberufe auch vor diesem Hintergrund fraglich.
Überdies ist ein sich ergebender Mehrwert aus der Verpflichtung zum Erfahrungsaustausch nicht ersichtlich. Die bestehenden Organisationseinheiten zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen sollen bereits zum jetzigen Zeitpunkt gem. §§ 81a Abs. 4, 197a Abs. 4 SGB V bei einem sich ergebenden Anfangsverdacht auf eine strafbare Handlung mit nicht nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Krankenversicherung unverzüglich die zuständige Staatsanwaltschaft unterrichten. Ein entsprechender Austausch findet daher bereits statt. Auch bestehen bereits zum jetzigen Zeitpunkt Berichtspflichten an die zuständigen Aufsichtsbehörden, vgl. §§ 81a Abs. 5, 197a Abs. 5 SGB V. Es ist nicht ersichtlich, wie der durchzuführende, regelmäßige Erfahrungsaustausch unter Beteiligung der berufsständischen Kammern und der Staatsanwaltschaften den Zweck der §§ 81a Abs. 1, 197a Abs. 1 SGB V weiter fördern können soll. Insbesondere für die Staatsanwaltschaften stellt sich überdies (vor dem Hintergrund der bestehenden Arbeitsbelastung) die Frage der Notwendigkeit einer Teilnahme an entsprechende Veranstaltungen.
I. Vorbemerkung
Ungeachtet der politischen Vorgaben, welche Anlass für den Entwurf waren, und unabhängig von beruflichen Prioritäten vermissen wir in der Gesetzesbegründung Ausführungen zur Notwendigkeit der Neuregelung, wenn nicht insgesamt, so doch zumindest zu den konkreten Vorschlägen. Wir vermögen auch nicht zu erkennen, dass und wie sich die neue Vorschrift harmonisch in die bestehenden sozial- und berufsrechtlichen Regelungen einfügen würde.
1. Zweck berufsrechtlicher Regelungen
Die Sicherung des Vertrauens der Bevölkerung in den eigenen Berufsstand ist originäre Verpflichtung der jeweiligen Berufskammern selbst. Bei der Berufsaufsicht handelt es sich um ein tragendes Element der Selbstverwaltung. Die Kammern haben die gesetzliche Pflicht, für das Einhalten beruflicher Grundsätze zu sorgen. Es ist Aufgabe der Berufskammern, die Erfüllung der Berufspflichten der Kammerangehörigen zu überwachen sowie die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände zu treffen (vgl. z.B. § 6 Abs. 1 Nr. 6 Heilberufsgesetz NRW, Art. 2 Heilberufe-Kammergesetz Bayern). Zur Durchsetzung dieser Aufgaben steht die Berufsgerichtsbarkeit zur Verfügung. Mögliche berufsrechtliche Sanktionen sind: Warnung, Verweis, Entziehung des passiven Berufswahlrechtes, Geldbuße bis zu 50.000 Euro, Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs. Weitere mögliche, z.T. existenzgefährdende Maßnahmen sind bei Verstößen gegen die Berufspflicht überdies u.a. die Aberkennung der Approbation durch die zuständige Aufsichtsbehörde sowie der Entzug der Zulassung als Vertragsarzt durch die kassenärztliche Vereinigung.
2. Vorhandene berufsrechtliche Regelungen
Die bestehenden standesrechtlichen Regelungen in den jeweiligen Berufsordnungen enthalten bereits – dem spezifischen Aufgabenbereich der Berufsgruppe entsprechende – Verbots- und Sanktionsnormen für die gemäß dem Entwurf zukünftig strafbewehrten Handlungen i.S.d. § 299a StGB-E. Dazu im Einzelnen:
– § 31 MBO-Ä (Musterberufsordnung für in Deutschland tätige Ärztinnen und Ärzte) verbietet Ärztinnen und Ärzten unter der Überschrift „Unerlaubte Zuweisung“ (quasi) all jene Handlungen, die auch vom neuen § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E umfasst sind. Der Wortlaut des § 31 MBO-Ä ist insoweit nahezu identisch mit § 299a Abs. 1 StGB-E.
– § 13 BO-A (Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker) verbietet alle Vereinbarungen, Absprachen und schlüssige Handlungen, die darauf abzielen, bestimmte Arzneimittel ausschließlich oder bevorzugt anzubieten oder abzugeben bzw. die Auswahl der abzugebenden Arzneimittel auf das Angebot bestimmter Hersteller zu beschränken. Darüber hinaus verbietet § 19 Nr. 5 BO-A unangemessene Zuwendungen und Geschenke an Angehörige anderer Heilberufe sowie an sonstige Institutionen im Gesundheitswesen.
– § 2 Abs. 7, Abs. 8 MBO-ZÄ (Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer) verbietet die Vorteilsannahme für die Verordnung, die Empfehlung oder den Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln und Medizinprodukten sowie für die Zuweisung oder Vermittlung von Patienten.
– § 5 Abs. 7 MBO-P (Musterberufsordnung der Psychotherapeuten) verbietet die Zuweisung oder Überweisung von Patienten gegen Entgelt oder sonstige Vorteile.
Neben den standesrechtlichen Regelungen bestehen überdies zur Sicherung des Ansehens und der Zuverlässigkeit heilberuflicher Betätigung insbesondere folgende weitergehende berufs-, sozial- und ordnungsrechtliche Regelungen:
– Nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 4a HWG handelt ordnungswidrig, wer als Angehöriger eines Fachkreises i.S.d. § 2 HWG (insb. Angehörige der Heilberufe) Zuwendungen oder sonstige Werbegaben annimmt.
– § 128 SGB V sanktioniert die Abgabe von Hilfsmitteln durch Vertragsärzte an Versicherte gegen Vorteilsgewährung (§ 128 Abs. 1 SGB V) sowie die Beteiligung der Vertragsärzte an der Versorgung von Patienten mit Hilfsmitteln (§ 128 Abs. 2 S. 1 1. Alt.) bzw. die Annahme oder Gewährung von Zuwendungen im Zusammenhang mit der Verordnung solcher Hilfsmittel (§ 128 Abs. 2 S. 1 2. Alt.).
– § 95 Abs. 6 SGB i.V.m. der Zulassungsverordnung ermöglicht es, dem Vertragsarzt die kassenärztliche Zulassung zu entziehen, wenn die Voraussetzungen zur Erteilung der Zulassung nicht (mehr) vorliegen oder der Berufsträger seine Berufspflichten gröblich verletzt hat.
– § 5 BÄO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO (bzw. entsprechende Berufsordnungen der anderen akademischen Heilberufe) ermöglicht den Widerruf der Approbation, wenn sich der Berufsträger eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung seines Berufes ergibt.
3. Verhältnis zu § 299a StGB-E
Die berufs-, sozial- und ordnungsrechtlichen Regelungen greifen die berufstypischen Risiken auf und sanktionieren die Verletzung von Berufsausübungspflichten. § 299a StGB-E erfasst keine weitergehenden Verstöße, sondern knüpft an sie lediglich zusätzlich noch strafrechtliche Rechtsfolgen. Mit dem pauschalen Verweis auf die Berufsordnungen nimmt der neue § 299a StGB-E aber auch keinerlei Differenzierung zwischen solchen Verstößen vor, die mit den bisherigen Instrumenten ausreichend sanktioniert werden können, und anderen, die zudem als strafwürdig erscheinen. Dies ist bereits insoweit bedenklich, als eine derartige Trennung überhaupt nicht erwogen wurde. Das hat zur Folge, dass einerseits möglicherweise gar nicht strafwürdiges Verhalten unter Strafdrohung stünde, und andererseits die Reichweite fürderhin strafbarer Handlungen an deren Rändern nur für Fachkundige des Berufsrechts überhaupt erkennbar wäre. Für alle anderen bliebe der Anwendungsbereich in möglicherweise nennenswertem Umfang im Dunkel.
4. Regelungsgehalt des § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E
Tatbestandsmerkmal des § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E ist die Verletzung von Berufsausübungspflichten (in sonstiger Weise). Es bleibt unklar, wie sich diese Berufsausübungspflichten bundesweit definieren. Nach dem Referentenentwurf ist auf die jeweils geltenden Berufsordnungen abzustellen. Für die Strafbarkeit käme es dann gem. § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E darauf an, welchen landes- oder kammerrechtlichen Regelungen der jeweilige Täter unterfällt. Es könnte daher – je nach Ansässigkeitsort – zu voneinander abweichenden strafrechtlichen Beurteilungen vergleichbarer Handlungen kommen, so dass ein- und dieselbe Tat im Bezirk einer Kammer einen Verstoß gegen Berufsausübungspflichten darstellt, wohingegen die Berufsordnung des Nachbarbezirks eine entsprechende Regelung nicht enthält und die Tat daher nicht § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E unterfällt. Zwar mag die o.g. Fallkonstellation nur Randbereiche der Strafbarkeit des § 299a StGB-E erfassen, sie zeigt aber, dass strafrechtlich nicht pauschal die Verletzung von Berufsausübungspflichten sanktioniert werden kann.
Im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG, ist überdies zu prüfen, ob es mit dem Prinzip der Allgemeinheit des Gesetzes vereinbar ist, mit § 299a StGB-E allein Angehörige von Heilberufen für Handlungen bestrafen zu wollen, die bei anderen Angehörigen freier Berufe und sonstigen Selbständigen, die – wie Ärzte – im Auftrag einer Privatperson tätig sind, weiterhin straflos bleiben sein sollen (zur Thematik vgl. Schneider, in: HRRS 2013, S. 473 m.w.N.).
5. Verhältnis des § 299a StGB-E zu den berufsrechtlichen Verfahren
Probleme bestehen überdies hinsichtlich der Auswirkungen der Neuregelung des § 299a StGB-E auf die bestehenden berufsrechtlichen Verfahren. Soweit § 299a StGB-E (neben dem Schutz des Wettbewerbs) auch dem Schutz des Vertrauens der Patienten in eine von unlauteren Zuwendungen unbeeinflusste Gesundheitsvorsorge dient, liegt eine Identität mit dem Schutzzweck der berufs- und standesrechtlichen Regelungen vor. Es stellt sich daher die Frage, welche Auswirkungen die Schaffung des § 299a StGB-E auf die bestehenden sozial- und berufsrechtlichen Parallelverfahren haben würde.
a) Verstöße gegen standesrechtliche Berufspflichten
Bei einem Verstoß gegen standesrechtliche Berufspflichten sehen die Kammer- und Heilberufsgesetze der Bundesländer die Verhängung berufsspezifischer Sanktionen vor, die den Charakter von Disziplinarmaßnahmen haben (s.o.). Eine Sanktionierung durch Heilberufsgerichte kann jedoch – unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – nur erfolgen, wenn ein berufsrechtlicher Überhang verbleibt, der ein über die strafrechtliche Sanktionierung hinausgehendes Ahndungsbedürfnis rechtfertigt (vgl. BVerfG, NJW 1970, 507; BVerwG, NJW 2010, 2901 ff.). Ein berufsrechtlicher Überhang besteht generell nur dort, wo die speziellen berufsrechtlichen Gesichtspunkte der Ansehens- und Vertrauenswahrung der Patienten durch den strafrechtlichen Ausspruch nicht hinreichend berücksichtigt werden. Erforderlich ist insoweit, dass – auch bei einem typischen Arzt- oder Apothekerdelikt – eine Notwendigkeit besteht, „über die in der Strafe liegende allgemeine Missbilligung der Verletzung des Rechtsgutes hinaus, die besondere Missbilligung wegen der Verletzung der Berufspflicht zum Ausdruck zu bringen“ (BVerfG a.a.O.). Es obliegt daher den berufsständischen Organen, im Einzelfall zu prüfen, ob eine zusätzliche Disziplinarmaßnahme notwendig erscheint.
Die tatbestandliche Annahme von Vorteilen i.S.d. § 299a StGB-E verstößt aufgrund der Verweisung im Tatbestand zugleich gegen entsprechende standesrechtliche Berufsausübungspflichten (s.o.). Über den Strafausspruch hinausgehende berufsrechtliche Pflichtverstöße sind daher nur ersichtlich, wenn der Täter über die Vorteilsannahme hinausgehende standesrechtliche Pflichtverletzungen begangen hat (z.B. die Verordnung ungeeigneter Medikamente oder die Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterialien in Kenntnis der Mangelhaftigkeit der Tätigkeit des Empfängers). Die Vorteilsannahme selbst ist für die Annahme eines berufsrechtlichen Überhangs nicht ausreichend, da diese bereits – aufgrund der Identität der straf- und berufsrechtlich tatbestandlichen Handlung – durch das Strafverfahren ausreichend sanktioniert wird. Da die Verletzung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts in der Verletzung einer Berufsausübungspflicht besteht, bringt die strafrechtliche Bewertung dieser Handlung als Straftat aufgrund des in dieser Bewertung liegenden Unwerturteils gerade die besondere Missbilligung der Verletzung der Berufsausübungspflicht zum Ausdruck. Für berufsrechtliche Maßnahmen besteht daher im Anwendungsbereich des § 299a StGB-E in Ermangelung eines berufsrechtlichen Überhangs – von Ausnahmefällen abgesehen – kein Platz mehr. Durch die Schaffung des § 299a StGB-E werden die berufsrechtlichen Regelungen im Bereich der Vorteilsannahme daher nahezu obsolet.
b) Auswirkungen auf die Kassenzulassung
Straftaten mit Berufsbezug führen gem. § 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. der Zulassungsverordnung (auch ohne Rücknahme oder Widerruf der Approbation) zum Entzug der kassenärztlichen Zulassung, wenn die Voraussetzungen zur Erteilung der Zulassung nicht (mehr) vorliegen oder der Berufsträger seine Berufspflicht gröblich verletzt hat. Eine gröbliche Verletzung der Berufspflichten liegt insbesondere vor, wenn das Vertrauensverhältnis zur kassenärztlichen Vereinigung oder zu den Krankenkassen in spezifischer Weise durch die Begehung einer Straftat berührt wird (vgl. Bracher, in: MAH Strafverteidigung, 2. Aufl., § 33 Rn. 51 m.w.N.).
Die Voraussetzungen zum Entzug der kassenärztlichen Zulassung dürften bei einer Tatbegehung i.S.d. § 299a StGB-E regelmäßig vorliegen. Die Krankenkassen bzw. die kassenärztlichen Vereinigungen sind als Träger möglicher Mehrkosten unmittelbar durch die in § 299a StGB-E sanktionierten Tathandlungen betroffen. Strafrechtlichen Entscheidungen kommt bei der Zulassungsentscheidung zwar keine Bindungswirkung zu, die Annahme einer gröblichen Pflichtverletzung kann sich aber auf die Tatsachenfeststellungen in bestandskräftigen Entscheidungen stützen (vgl. BSG, Beschluss vom 05.05.2010 – B 6 KA 32/09 B –, juris m.w.N.). Die Sozialgerichte dürfen die Beweisergebnisse aus anderen Verfahren ihrer Entscheidung ohne eigene Ermittlungen zugrunde legen (BSG a.a.O.).
c) Entzug der Approbation
Die Approbation ist zu widerrufen, wenn sich der Berufsträger nach Erteilung der Approbation eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt (vgl. z.B. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BÄO).
aa) Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit
Unwürdigkeit liegt vor, wenn der Berufsträger aufgrund seines schwerwiegenden Fehlverhaltens nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist (vgl. Bracher, in MAH Strafverteidigung, 2. Aufl., § 33 Rn. 44). Das Regelungsziel intendiert keine Sanktionierung des Fehlverhaltens, sondern den Schutz des Ansehens der jeweiligen Berufsgruppe und des Berufsbilds in den Augen der Öffentlichkeit (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 09.12.2003 – 13 B 1944/03). Generell wird angenommen, dass aufgrund der abweichenden Zweckrichtungen von straf- und verwaltungsrechtlichen Verfahren keine Doppelbestrafung i.S.d. Art. 103 Abs. 3 GG vorliegen kann (VG München a.a.O. m.w.N.).
Es erscheint jedoch fraglich, ob diese Unterschiedlichkeit der Zweckrichtungen auch bei einer Kriminalisierung des Verstoßes gegen Berufsausübungspflichten i.S.d. § 299a StGB-E noch vorliegt. Schutzzweck des § 299a StGB-E ist – zumindest für die Tatbestandsvariante des Abs. 1 Nr. 2 – dem Wortlaut des Referentenentwurfes nach „das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen“. § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E bezweckt daher – ebenso wie der Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit – den Schutz des Ansehens der Berufsgruppe sowie das Vertrauen der Öffentlichkeit in deren berufliche Tätigkeit. Soweit aber sowohl das verwaltungs- als auch das strafrechtliche Verfahren einen vergleichbaren Zweck verfolgen, bestehen zumindest Zweifel daran, ob eine Verurteilung wegen § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E bei gleichzeitigem Widerruf der Approbation im verwaltungsbehördlichen Verfahren verfassungsrechtlich zulässig wäre. Die Bedenken speisen sich nicht aus dem Verbot der Doppelbestrafung, bezieht sich doch Art. 103 Abs. 3 GG nur auf strafrechtliche Entscheidungen, wohl aber aus dem Übermaßverbot.
bb) Widerruf der Approbation wegen Unzuverlässigkeit
Ein Berufsträger ist als unzuverlässig zu bewerten, wenn er aufgrund seines bisherigen Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er seinen Beruf zukünftig ordnungsgemäß ausüben und den in den Berufsordnungen (vgl. z.B. § 1 BÄO) zum Ausdruck kommenden Berufspflichten genügen wird. Das Tatbestandsmerkmal der Unzuverlässigkeit erfordert daher eine prognostische Bewertung. Für die Prognoseentscheidung genügt die begründete Besorgnis, dass der Berufsträger den genannten Berufspflichten und Anforderungen in Zukunft nicht mehr gerecht werde (vgl. VG München, Urteil vom 31.03.2009 – M 16 K 08.4603 –, juris m.w.N.).
Hinsichtlich des Widerrufs der Approbation wegen Unzuverlässigkeit des Berufsträgers besteht regelmäßig ein berufsrechtlicher Überhang, da die präventiven Zwecke des Approbationsentzugs nicht vom strafrechtlichen Verfahren erfasst werden. Etwas anderes gilt nur, wenn zeitgleich mit der Verurteilung nach § 299a StGB-E ein Berufsverbot i.S.d. § 70 StGB angeordnet wird. Die Zielsetzung des Berufsverbots ist die Verhinderung der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten im Zusammenhang mit der Berufsausübung (vgl. Fischer, StGB, § 70 Rn. 9). Eine vergleichbare Zweckrichtung verfolgt auch der Entzug der Approbation wegen Unzuverlässigkeit (s.o., vgl. VG München a.a.O.). Ein berufsrechtlicher Überhang besteht daher nur, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Täter auch außerhalb des Geltungsbereichs des § 299a StGB-E gegen seine ärztlichen Pflichten verstoßen hat. Im Übrigen wäre die verwaltungsbehördliche Maßnahme des Widerrufs der Approbation durch die Verhängung der berufsrechtlichen Maßnahme i.S.d. § 70 StGB durch das Strafgericht gesperrt (vgl. VG München a.a.O. m.w.N.).
cc) Bestimmungen zur Verfahrensdurchführung und Mitteilungspflichten
Durch § 299a Abs. 1 S. 2 StGB-E werden Verstöße gegen Berufsausübungspflichten strafrechtlich sanktioniert. Die rechtliche Bewertung von Verstößen gegen Berufsausübungspflichten war bisher ausdrücklich den Heilberufsgerichten und Aufsichtsbehörden vorbehalten. Es stellt sich daher die Frage, ob sich § 299a StGB-E mit den bestehenden berufsrechtlichen Verfahren in Einklang bringen lässt.
dd) Verhältnis des Strafverfahrens zum berufsrechtlichen Verfahren
Die bestehende verfahrensrechtliche Systematik sieht vor, dass die berufs- und verwaltungsrechtlichen Verfahren im Anschluss an ein etwaiges Strafverfahren durchgeführt werden, um die Berufsbezogenheit der strafrechtlichen Pflichtverletzung auf der Grundlage des strafrechtlich ermittelten Sachverhalts zu beurteilen und erforderlichenfalls berufsrechtliche Sanktionen zu beschließen.
Dazu im Einzelnen:
– Berufsgerichtliche Verfahren sind bis zur Beendigung strafgerichtlicher Verfahren auszusetzen. Soweit im Strafverfahren ein Freispruch erfolgt, kann das berufsgerichtliche Verfahren hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts nur dann eröffnet oder fortgesetzt werden, wenn dieser Sachverhalt – ohne den Tatbestand eines Strafgesetzes zu erfüllen – ein Berufsvergehen enthält. Die tatsächlichen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils sind für die Entscheidung im berufsgerichtlichen Verfahren generell bindend (vgl. z.B. § 76 HeilBerG NW, Art. 67 HKaG Bayern).
– Im verwaltungsrechtlichen Verfahren zum Widerruf der Approbation können die strafrechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage der verwaltungsrechtlichen Beurteilung gemacht werden (BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 – 3 B 6/11 –, juris). Die Verwaltungsbehörden und -gerichte unterziehen die Erkenntnisse und Beweismittel aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren einer eigenständigen Überprüfung daraufhin, ob sich aus diesen Erkenntnissen und Beweismitteln hinreichende Schlussfolgerungen für das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Widerruf der Approbation ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.01.1991 – 1 BvR 1326/90, NJW 1991, 1530).
Die tatsächliche bzw. faktische Bindung an die Feststellungen aus dem strafgerichtlichen Verfahren zeigt die Intention des Gesetzgebers, die berufsrechtliche Bewertung einer strafrechtlichen Handlung, quasi als Annex zum strafrechtlichen Verfahren, durch die Heilberufsgerichte und Aufsichtsbehörde vornehmen zu lassen. Zu diesem Zweck bestehen für die Staatsanwaltschaft bereits zum jetzigen Zeitpunkt gegenüber den zuständigen Berufskammern und Aufsichtsbehörden Mitteilungspflichten, wenn der Tatvorwurf in einem Verfahren auf die Verletzung von Pflichten schließen lässt, die bei der Berufsausübung zu beachten sind oder in anderer Weise geeignet erscheinen, Zweifel an der Eignung, Zuverlässigkeit oder Befähigung hervorzurufen, vgl. Nr. 26 MiStra. Die Mitteilungspflicht umfasst alle Entscheidungen, durch die ein vorläufiges Berufsverbot angeordnet (oder aufgehoben), die öffentlichen Klage erhoben oder ein Haft- oder Unterbringungsbefehl erlassen bzw. vollzogen wird. Die Übermittlung der verfahrensgegenständlichen personenbezogenen Daten ist zulässig gem. §§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 EGGVG.
ee) Auswirkungen des § 299a StGB-E auf die berufsrechtlichen Verfahren
Die dargestellte Abhängigkeit des berufsrechtlichen Verfahrens vom Strafverfahren zeigt, dass die abschließende Entscheidungsbefugnis für die Bewertung der berufsrechtlichen Relevanz einer Straftat dem berufsrechtlichen Verfahren überlassen sein sollte. Die Prüfung und Sanktionierung berufsbezogener Pflichtverletzung ist nach der Intention des Gesetzgebers ureigene Zuständigkeit der Heilberufsgerichte und Aufsichtsbehörden. Durch die staatsanwaltschaftlichen Mitteilungspflichten soll insoweit sichergestellt werden, dass die entscheidungsbefugten Stellen von den relevanten Sachverhalten Kenntnis erlangen. § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E steht im Widerspruch zu dieser Systematik, da er die bisherige Trennung zwischen der strafrechtlichen Sanktionierung auf der einen, und der berufsrechtlichen Folgebewertung einer Handlung auf der anderen Seite faktisch aufhebt. Aufgaben der Kammern würden damit in erheblichem Umfang auf die Staatsanwaltschaften verlagert, ohne die Berufsgerichte wirklich zu entlasten, weil sie akribisch einen etwaigen berufsrechtlichen Überhang prüfen müssten.
ff) Folgewirkungen für die berufsrechtlichen Verfahren
Eine weitere Entwertung würden die berufsrechtlichen Verfahren dadurch erfahren, dass sich die einschlägigen Ermittlungs- und Strafverfahren häufig sehr lange hinziehen und nicht selten 5 oder mehr Jahre vom Aufgreifen eines Anfangsverdachts bis zum rechtskräftigen Urteil verstreichen. Der Ablauf einer derart langen Zeit erschwert nicht nur das Führen eines nachfolgenden berufsrechtlichen Verfahrens, sondern es entbehrt damit auch weitgehend seines eigentlichen Kerns, der Wahrung des allgemeinen Ansehens des Berufsstandes.
II. Taugliche Täter
Die Frage nach dem erfassten Kreis tauglicher Täter stellt sich sowohl in rechtssystematischer Hinsicht als auch mit Blick auf die konkret betroffenen Personen.
1. Personenkreis
a) Kammerberufe und Angehörige eines Heilberufs mit staatlicher Ausbildungsordnung
Im Gegensatz zu dem Entwurf des Freistaats Bayern, der sich auf Kammerberufe beschränkt, wählt der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz einen breiteren Ansatz. Er erstreckt sich auf alle Angehörige eines Heilberufs mit staatlicher Ausbildungsordnung und erfasst damit auchdie nicht-akademischen Heilberufe, die regelmäßig nicht verkammert sind. Obwohl die Tathandlungen typischerweise von selbständigen Anbietern (und auf der Gegenseite von deren Kunden) begangen werden, lassen sich unschwer Bestellungen und Abgaben vorstellen, über welche das Pflegepersonal (zumindest: faktisch) selbst entscheidet – und sich dafür bereits de lege lata gemäß § 299 StGB strafbar macht. Hinsichtlich der keiner Kammer angehörenden Anbieter hebt die Bayerische Begründung (BR-Drs. 16/15, S. 17 f.) zutreffend hervor, dass sie weitgehend auf Geberseite stehen und sich mit der Zuwendung bereits wegen aktiver Bestechung strafbar machen. Das mindere das Bedürfnis nach Gleichsetzung mit den sog. akademischen Anbietern.
b) Zweifel an der Notwendigkeit, den Täterkreis näher zu beschreiben
aa) Zweifel an Ausdehnung über die Kammerberufe hinaus
Die Notwendigkeit für eine Ausweitung des Täterkreises über die akademischen, verkammerten Berufe hinaus ist nicht ersichtlich. Untersuchungen, die etwas anderes nahelegen, sind nicht bekannt und der Entwurf beruft sich darauf auch nicht. Während die Gesetzesbegründung sonst nicht mit Beispielen geizt, fehlt es hier völlig an einer Plausibilisierung des Strafbedürfnisses. In dieser Hinsicht erweist sich die Begründung des Referentenentwurfs (in gewissem Gegensatz zu derjenigen des Freistaats Bayern, a.a.O., Vorbemerkung S. 1 f. und Gesetzesbegründung S. 4 – 10) als wenig aussagekräftig, weil sie den Bedarf für eine Neuregelung nur allgemein äußert und insbesondere nicht darlegt, welche konkreten Berufe im einzelnen erfasst werden sollen.
bb) Identifikation tauglicher Täter über einschlägige Tathandlungen
Weil die beschriebenen Tathandlungen von vorn herein nur von einem begrenzten Personenkreis begangen werden können, erschließt sich die Notwendigkeit, daneben auch noch den Kreis der tauglichen Täter näher zu beschreiben, jedenfalls nicht anhand der Begründung des Referentenentwurfs. Das bedeutet, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren entweder auf der Basis einer noch ausstehenden Analyse der Korruptionsgeneigtheit der jeweiligen beruflichen Funktion detailliert dargelegt und geprüft werden muss, welcher genaue Personenkreis auf welche Art und in welchem Umfang in die Neuregelung einbezogen werden soll, oder dass auf dessen Beschränkung vollkommen verzichtet wird.
Unabhängig davon bedarf es der Abgrenzung zwischen illegitimen und wünschenswerten Zuwendungen (Stichworte: Honorarärzte, Kooperation mit niedergelassenen Praxen, Zuweisung gegen Entgelt, Anwendungsbeobachtung, Berufsausübungsgemeinschaft von Ärzten, Bonuszahlungen). Dieser Aspekt berührt zwar vor allem die Frage nach dem jeweils unter Strafe gestellten (empfangenen oder gewährten) Vorteil. Er hat aber auch bereits Auswirkungen auf den der in Aussicht genommenen Norm unterfallenden Personenkreis. Es darf nicht jeder Geldverkehr in allen eingangs dieses Absatzes angeführten Konstellationen unter Strafe stehen. Aus Gründen der Rechtsklarheit muss sich die Differenzierung zwischen legalem und illegalem, ggf. strafbarem Verhalten aus dem Gesetz ergeben oder jedenfalls im Gesetz angelegt sein. Dies könnte etwa in der Weise geschehen, dass für bestimmte Verhaltensweisen entweder der Erlass von Musterordnungen oder die Notwendigkeit von Einzelfallgenehmigungen vorgeschrieben und die dafür jeweils zuständige Institution bestimmt werden würde. Ausführungen in der Gesetzesbegründung, wie sie sich für Anwendungsbeobachtungen (S. 17, Bayern: S. 8) und Berufsausübungsgemeinschaften (S. 18), nicht aber z.B. für die Abgabe von Medikamentenproben, finden, dürften dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot nur schwerlich genügen.
2. Verbale Beschreibung des Personenkreises
Der Entwurf stellt (ebenso wie der bayerische) in § 299a StGB-E auf Angehörige eines Heilberufs ab und pönalisiert allein Handlungen, die im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufs stehen. Damit nimmt er nicht nur zu Recht Handlungen im privaten Bereich aus dem Bereich der Strafbarkeit aus, sondern wirft zudem die Frage auf, ob es genügt, dass die Tathandlung einen Berührungspunkt zu irgendeinem, vielleicht gar nur verwaltungsbezogenen Aspekt der Berufsausübung aufweist, oder ob ein spezifischer Zusammenhang dergestalt erforderlich sein soll, dass sich die konkrete Tat unmittelbar auf eine heilende Tätigkeit (oder zumindest auf die Berufsausübung selbst) beziehen muss. Problematisch wäre es, den Bezug zu heilender Tätigkeit zu verneinen, wo allein die Pflege in Rede steht, eine Heilung z.B. aus medizinischen Gründen ausgeschlossen ist (z.B. nach Amputation und erfolgtem Wundverschluss) und entweder nur eine Verschlechterung des Krankheitsbildes vermieden (etwa nach HIV-Infektion) oder ein Überleben mit der Krankheit (Hepatitis C) gesichert bzw. das Vermeiden unnötigen Leidens (Palliativmedizin) erreicht werden soll. Beim Erfordernis eines derartigen Unrechtszusammenhangs fielen ganze Berufsgruppen ebenso wie reine Hilfsmittel aus dem intendiert weitgehenden Anwendungsbereich heraus. Jedenfalls wäre in jedem die Strafverfolgungsbehörden beschäftigenden Fall eine genaue Betrachtung des geförderten Zwecks und dessen Subsumtion unter den Begriff der Heilung erforderlich. Eine umfassende Regelung für korruptive Praktiken auf dem Gesundheitssektor wäre auf diese Weise nicht erreicht.
Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens bedarf es deshalb der Klarstellung, welcher Art und Intensität der Zusammenhang zwischen Berufstätigkeit und Tathandlung gemeint ist. Es ist kaum anzunehmen, dass dies allein mit dem im Entwurf verwendeten Begriff des Heilberufs gelingen kann.
3. Systematik
Von der Antwort auf die Fragen sowohl nach dem einzubeziehenden Personenkreis als auch nach dem erforderlichen Grad des Unrechtszusammenhangs hängt auch ab, welche Regelungstechnik als die sachgerechteste erscheint.
Der Entwurf sieht die Schaffung eines eigenen Tatbestands vor. Eine ernsthafte Alternative könnte darin bestehen, eine oder mehrere der bestehenden Korruptionsnormen auch für den Gesundheitssektor (oder Teile davon) für anwendbar zu erklären. Dies könnte den Vorteil einer Vereinfachung der Anwendung mit sich bringen: neu hinzu käme nur ein zusätzlicher Personenkreis, auf den die weiteren Tatbestandsmerkmale aber in bekannter Weise Anwendung finden könnten.
Die Ausweitung des Anwendungsbereichs bisheriger Regeln könnte auf verschiedene Weise erfolgen.
a) Nähe zur Amtsträgerkorruption?
Zwar ist die abstrakte Strafdrohung in den §§ 299, 331, 333 StGB und 299a StGB gleich. Da aber § 299a StGB eine Pflichtverletzung voraussetzt, weist die neue Vorschrift eine größere Nähe zu den mit höherem Strafrahmen versehenen §§ 332 und 334 StGB auf. Eine pauschale Zuordnung des Gesundheitssektors zu einer der bereits bestehenden Korruptionsnormen scheidet daher aus.
Bei Bejahung eines etwaig gemilderten Strafbedürfnisses für einen Teil des neu zu erfassenden Täterkreises könnte entweder ein minder schwerer Fall oder die Anwendung von § 49 StGB vorgesehen werden. Dies erscheint allerdings als entbehrlich, weil die Rechtsprechung bewiesen hat, dass sie bei Anwendung der bisherigen Korruptionsvorschriften in der Lage ist, die jeweilige Funktion des Täters sachgerecht zu würdigen und nichts dafür spricht, dass sich dies auf Fälle aus dem Gesundheitssektor nicht übertragen ließe.
b) Nähe zu § 299 StGB?
Ein Blick auf die jeweilige Tatbestandsstruktur scheint mit dem Abstellen auf die Beeinflussung des Wettbewerbs sowohl im Referentenentwurf als auch im bayerischen Vorschlag eine Nähe zu den Fällen des § 299 StGB zu zeigen. Bei genauer Betrachtung besteht sie tatsächlich jedoch nicht. Die für § 299 StGB de lege ferenda vorgesehene und in § 299a Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Nr. 2 StGB-E vorweggenommene Erweiterung um das Geschäftsherrenmodell führt dazu, dass, wie in den Begründungen beider Gesetzesentwürfe zutreffend ausgeführt wird, die Verletzung von Berufsausübungspflichten den Grundtatbestand darstellt. Das führt aber auch dazu, dass der Wettbewerbsverstoß, § 299a Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 StGB-E, lediglich einen Ausschnitt aus dem Anwendungsbereich der jeweiligen Nr. 2 darstellt. Strafbarkeitsbegründende Funktion kommt deshalb der jeweiligen Nr. 1 nicht zu (ebenso wie auch der Missbrauchstatbestand in § 266 StGB angesichts des herrschenden monistischen Verständnisses des Untreuetatbestands folgenlos entfallen könnte). Damit ist nicht nur die systematische Einordnung als Straftat gegen den Wettbewerb fragwürdig, sondern es fehlt auch ein die § 299 StGB und § 299a StGB-E verbindendes Element.
Die Abweichungen im Tatbestand beider Bestimmungen werden noch deutlicher bei Betrachtung der unterschiedlichen Tathandlungen. Damit erweist sich der Zusammenhang zwischen beiden Vorschriften als ein im Kern lediglich äußerer. Demnach bietet es sich nicht an, die Fälle des § 299a StGB als Unterfall von § 299 StGB zu normieren.
c) Alternative: Modifizierte Anwendung von Vorschriften der Amtsträgerkorruption
Das für § 299a StGB (auch) vorgesehene und auf eine Rechtsverletzung abstellende Geschäftsherrenmodell rückt die neue Vorschrift in die Nähe der §§ 332 und 334 StGB. Die wesentlichen Unterschiede bestehen in der Strafdrohung und bezüglich vergangener Pflichtverletzungen. Sie ließen sich jedoch gesetzestechnisch leicht erfassen.
Das bedeutet:
Es genügt vorzuschreiben (prinzipiell gleichwertig in einem gesonderten Absatz des § 332 StGB oder in einer eigenständigen Ausweitungsnorm), dass § 332 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 StGB mit einer Strafdrohung von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe auch auf denjenigen (ggf. eingegrenzt auf bestimmte Berufsgruppen) Anwendung findet, der im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs eine der in § 299a Abs. 1 StGB-E näher beschriebenen Tathandlungen begeht. Da sowieso nur pflichtwidriges Handeln erfaßt wäre, bedürfte es der Eingrenzung gemäß § 299a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StGB nicht mehr. Gleiches gölte spiegelbildlich für § 334 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 StGB.
III. Unrechtsvereinbarung
Die Begründung des Gesetzentwurfs weist ausdrücklich (S. 17) darauf hin, dass auch § 299a StGB-E eine „Unrechtsvereinbarung“ vergleichbar denen der übrigen Korruptionstatbestände (§§ 299, 331 ff. StGB) voraussetzt, d.h. „ der Täter… den Vorteil… als Gegenleistung für eine zumindest intendiert unlautere Bevorzugung im Wettbewerb oder eine Verletzung von Berufsausübungspflichten…fordern, sich versprechen lassen oder annehmen“ muss, d.h. „eine inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung, die gemeinhin als Unrechtsvereinbarung bezeichnet wird“, erfordert.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die explizite Klarstellung in der Begründung, dass es an dem erforderlichen Leistungsverhältnis zwischen Vorteil und Pflichtverletzung fehlt, wenn sich die Pflichtverletzung des Nehmers in der Annahme des Vorteils erschöpft (S. 21). Der Verstoß gegen das berufsrechtliche Verbot von unerlaubten Zuwendungen – bei Ärzten in § 32 MBO-Ä bzw. entsprechend in den jeweils konkret anwendbaren Vorschriften der Landesärzteordnungen geregelt – stellt daher für sich genommen gerade keine Straftat nach der vorgeschlagenen Vorschrift dar. Ein Vorteil, dessen Annahme eine Pflichtwidrigkeit darstellt, ist zudem nicht als Gegenleistung für diese – in dessen Annahme liegende – Pflichtverletzung anzusehen (S. 21).
Die Unrechtsvereinbarung des § 299a StGB-E ist ausweislich der Gesetzesbegründung (S. 15) zudem grundsätzlich an die Struktur des § 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) und nicht an die der Amtsträgerbestechungsdelikte angelehnt. Die Unrechtsvereinbarung des § 299a StGB-E wird jedoch gegenüber der relativ schlanken Formulierung des § 299 StGB – auch der des § 299 StGB unter Einbeziehung der Pflichtverletzung (Geschäftsherrenmodell) – durch spezifische Bezugnahme auf einen bestimmten heilberuflichen Kontext angereichert und hierdurch auch deutlich komplexer. Der Angehörige eines Heilberufs (s.o. II.) muss „bei dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial“ (1.) sowie “im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs“ (2.) im Hinblick auf den Vorteil (s. u. V.) einen anderen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugen (s.u. IV.) oder in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletzen (s.u. IV.). Der Vorteil (s.u. V.) muss final für diese (zukünftige, gedachte) Bevorzugungs- oder Pflichtverletzungshandlung (Gegenleistung) bestimmt sein (3.).
Dennoch kann man sowohl unter dem Gesichtspunkt des Ultima Ratio-Gedankens als auch der Unterschiedlichkeit des einbezogenen Personenkreises die Frage aufwerfen, ob es nicht einer noch ausgeprägteren Präzisierung, Differenzierung und Beschränkung der Unrechtsvereinbarung im Hinblick auf eindeutig strafwürdiges Verhalten bedarf (etwa umsatzbezogene Rückvergütungen beim Bezug von Arzneimitteln oder Medizinprodukten, „kick backs“, vgl. § 266 StGB; und andere Fallgruppen, die der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung spezifisch im Auge hat, vgl. Geiger NK 2013, 136 ff.) Wenig hilfreich wäre hingegen die Einführung von Regelbeispielen, die letzten Endes den Anwendungsbereich der Strafrechtsnorm nicht konkretisieren können (so aber Ramb/Reich Compliance-Berater 2015, 72, 75) und damit unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots auch nicht zu optimieren vermögen.
1. In Bezug genommene Gegenleistung – unlautere Bevorzugung im Wettbewerb oder Pflichtverletzung bei bestimmten Vergabehandlungen
In Abgrenzung zu § 299 StGB sind die Handlungen, bei denen eine tatbestandsrelevante Bevorzugung im Wettbewerb oder eine Pflichtverletzung möglich ist, bei § 299a StGB-E verhältnismäßig genau beschrieben und durch implizite Bezugnahme auf die in Spezialgesetzen enthaltenen Definitionen in verhältnismäßig ausgeprägter Weise bestimmt. Insofern kann festgehalten werden, dass jedenfalls im Verhältnis zur Vorschrift des § 299 StGB – oder auch derjenigen der §§ 331 ff. StGB – die (pflichtwidrigen bzw. wettbewerbswidrigen) Gegenleistungshandlungen durch die Bezugnahme auf den Kontext, in denen sie auftreten müssen („bei…“), dem Grunde nach hinreichend bestimmt (Art. 103 Abs. 2 GG) sein dürften. Dieser Eindruck wandelt sich jedoch bei näherer Betrachtung.
Angesichts dessen, dass die berufsrechtlichen Regelungen der §§ 31, 32 der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) und die geltenden – inhaltlich weitestgehend entsprechenden – Normen der Berufsordnungen auf Landesebene jedenfalls Ärzten bereits mehr oder weniger ähnliche „Unrechtsvereinbarungen“ verbieten, erscheint ein Vergleich der Unrechtsvereinbarung der geplanten Strafvorschrift mit dem berufsrechtswidrigen Verhalten geboten.
§ 31 Abs. 1 MBO-Ä (Unerlaubte Zuweisung) lautet wie folgt:
„Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten oder Untersuchungsmaterial oder für die Verordnung oder den Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten ein Entgelt oder andere Vorteile zu fordern, sich oder Dritten versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.“
Im Vergleich mit der Regelung des geplanten Straftatbestands ergibt sich dessen Inkongruenz mit dieser berufsrechtlichen Vorgabe, insofern als der Straftatbestand weitergehend zu sein scheint, als das berufsrechtliche Verbot. Das berufsrechtliche Verbot bezieht sich in der Person des Arztes auf die Vorteilsannahme „für“ die Zuweisung bzw. Verordnung oder den Bezug. Der Straftatbestand hingegen erfasst (u.a.) in der Person des Arztes die Vorteilsannahme für die unlautere Bevorzugung im Wettbewerb bzw. die Pflichtverletzung „bei“ Zuweisung bzw. Verordnung oder Bezug, d.h., der Vorteil muss sich nicht final auf die letztgenannten Handlungen beziehen. Es soll vielmehr ausreichend sein, das „hierbei“ (final angestrebte) Pflichtverletzungen oder unlautere Bevorzugung im Wettbewerb begangen werden. Es lässt sich nicht erkennen, weshalb in der Person eines Arztes ein Verhalten nach § 299a StGB-E strafbar sein soll, welches nach der gedanklich zweifellos zu Grunde gelegten berufsrechtlichen Vorschrift des § 31 Abs. 1 MBO-Ä nicht verboten ist (s.a. dessen Inbezugnahme in der Begründung, S. 20). Dies legt nahe, die Formulierung des Gesetzentwurfs § 31 Abs. 1 MBO-Ä weitgehend anzupassen (d.h. auf die umständliche Formulierung mit „bei…“ zu verzichten), wobei allerdings klarzustellen wäre, dass in der (angestrebten) Zuweisung (etc.) zugleich eine pflichtwidrige Bevorzugung im Wettbewerb bzw. eine Pflichtverletzung liegen muss, um den Gleichlauf mit § 299 StGB-E zu wahren.
Auslegungs- und Bestimmtheitsprobleme der Unrechtsvereinbarung des §§ 299a StGB-E könnten sich daraus ergeben, dass sozialrechtlich inzwischen zulässige Kooperationsverhältnisse, die der Sache nach auch die Gewährung von Vorteilen an Angehörige eines Heilberufs „bei“ bzw. im Zusammenhang mit den im Gesetz genannten Bezugs- o. Zuweisungshandlungen (ausdrücklich oder implizit) vorsehen oder jedenfalls erlauben, das strafrechtliche Verbot möglicherweise durch spezielle (sozialrechtliche) Normen dergestalt einschränken, dass nur der gezielt als Gegenleistung für die Bevorzugung im Wettbewerb oder für eine Pflichtverletzung gewährte Vorteil strafbewehrt ist. Dies würde jedenfalls zur Folge haben, dass allein die Gewährung eines Vorteils bei Gelegenheit der oder im sachlichen Zusammenhang mit den in der Folge genannten Bezugshandlungen bzw. Zuführungshandlungen (a. – c.) oder auch als Gegenleistung für diese nicht von vornherein als tatbestandsmäßig angesehen werden dürfte.
Da eine solche Konnexität aber erst nach Durchführung von Ermittlungen (oder gar nach einer umfassenden Hauptverhandlung) verneint werden kann und der Strafjustiz das sozialrechtliche Spezialwissen über zulässige Kooperationen kaum stets geläufig sein kann, besteht die absehbare Folge in einer Vielzahl aufwendiger Ermittlungs- und ggf. auch Strafverfahren, die allein schon deswegen zu einem sehr, jedenfalls zu hohen Anteil ohne Bestrafung enden werden, aber nicht nur die knappen Kapazitäten der Justiz kontraproduktiv noch stärker als bislang belasten, sondern vor allem auch (nachgerade aufgrund der damit typischerweise einhergehen Zwangsmaßnahmen, insbesondere Durchsuchungen) die berufliche und soziale Reputation der betroffenen Angehörigen der Heilberufe stark belasten oder gar trotz Einstellung bzw. Freispruchs zerstören werden. Die Problematik besteht aber nicht nur im unbekannten Grad der Vertrautheit der Strafjustiz mit sozialgesetzlich erlaubten Kooperationsverhältnissen, sondern auch in der rechtlichen Unklarheit, ob das sozialrechtlich Erlaubte die Strafbarkeit beschränkt oder umgekehrt die Strafbarkeit das sozialrechtlich Gestattete begrenzt. Letzteres liegt angesichts der Abhängigkeit der Strafbarkeit von zugrundeliegenden subjektiven Tendenzen durchaus nicht fern. Auf der Basis des vorliegenden Entwurfs ist jedenfalls zu befürchten, dass eine Vielzahl von wichtigen und legitimen Kooperation mit Heilberuflern zunächst einmal in den Fokus der Ermittlungsbehörden geraten können (vgl. auch Ramb/Reich Compliance-Berater 2015, 72, 76).
Wie begründet die Sorgen sowohl bezüglich einer hinreichenden Bestimmtheit des Tatbestands als auch des Anwendungsbereichs der vorgesehenen Vorschriften sind, zeigt sich bereits daran, dass sich das BMJV genötigt sah, auf 2 Absätzen zu begründen (S. 20), weshalb das Aushandeln und Annehmen von Preisvorteilen (Rabatten) – d.h. (Dritt-)Vorteilen – im Interesse der Krankenkassen, kassenärztlichen Vereinigungen etc. durch Heilberufsträger keine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb i.S.d. § 299a StGB-E darstelle, um dieses positive Verdikt wiederum (unter Bezugnahme auf OLG Hamm, Urteil vom 22.12.2004 – 3 Ss 431/04; BVerwG, Urteil vom 23.5.2009 – 8 C 1.09) dadurch einzuschränken, dass Preisnachlässe, die gezielt in verdeckter Form gewährt werden, durchaus doch unter § 299a StGB-E fallen. Hieran erscheint schon problematisch, dass sich die Unlauterkeit im Einzelfall aus der bloßen äußerlichen Gestaltung der Vorteilsgewährung ableiten lassen soll, während in der Rechtsprechung des BGH in Strafsachen anerkannt ist, dass es sich hierbei lediglich um ein Indiz handelt. Im Übrigen zeigt das Beispiel, dass die Einbeziehung des Drittvorteils hier wie auch bei § 299 StGB in zahlreichen Konstellationen Probleme aufwirft. Das legt die Prüfung nahe, zur Vermeidung ungewollter, schuldunangemessener oder unverhältnismäßiger Folgen – eine gesetzliche oder in der justitiellen Praxis zu entwickelnde teleologische Reduktion des Tatbestands vorzunehmen.
Dem betroffenen Personenkreis und der überlasteten Justiz kommt zupass, dass die Tatbestandsmäßigkeit einer Lockerung der Unrechtsvereinbarung im Sinne des §§ 331, 333 StGB – der Vorteilsgewährung bzw. -annahme für ein bloßes allgemeines Wohlwollen des Nehmers – durch die klare Bezugnahme des Wortlauts auf einen bestimmten Gegenleistungskontext („bei…“) und bestimmte Gegenleistungshandlungen (Pflichtverletzung/unlautere Bevorzugung im Wettbewerb) ausgeschlossen ist (vgl. S. 17).
a) Bei Bezug, Abgabe o. Verordnung von Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten
Dem Tatbestandsmerkmal der Bevorzugung „beim Bezug, bei der Abgabe oder der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten“ kommt unter Bestimmtheitsgesichtspunkten zu Gute, dass die Begrifflichkeiten „Verordnung“ und „Bezug“ aus der ärztlichen Berufsordnung (§ 31 MBO-Ä) stammt und „Arzneimittel“ im Arzneimittelgesetz (AMG) und „Medizinprodukte“ im Medizinproduktegesetz (MPG) definiert sind (§ 2 AMG, § 3 MPG), sowie die Begriffe „Heil- und Hilfsmittel“ den §§ 32 und 33 SGB V entnommen sind, weshalb auf die entsprechenden – richterlich konkretisierten – Begriffsbestimmungen auch im Rahmen der Auslegung des § 299a StGB-E zurückgegriffen werden kann (S. 19).
Eine völlig trennscharfe Unterscheidung, was hier im Zusammenhang mit der Vergütung von Prüfärzten im Rahmen klinischer (insbesondere Medikamenten-)Studien, wissenschaftlichen Entwicklungsverträgen erlaubt und was verboten ist, lässt sich auf der Basis des vorgeschlagenen Gesetzestextes und unter Berücksichtigung der Entwurfsbegründung allerdings nicht treffen (vgl. Ramb/Reich Compliance-Berater 2015, 72, 76).
Immerhin ist nach dem Willen des Gesetzgebers ausgeschlossen, dass Bonuszahlungen an Vertragsärzte im Sinne des § 84 Abs. 4 SGB V für die Verordnung des preisgünstigen Präparats in den Tatbestand fallen: Sie dienen schließlich sowohl dem wirtschaftlichen Wettbewerb als auch den Interessen des Patienten bzw. der gesetzlichen Krankenversicherung und werden deshalb nicht etwa für eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb oder eine sonstige Pflichtverletzung gewährt (S. 18). Nach dem Wortlaut der Vorschrift hätte man hieran bereits Zweifel haben können.
Dass die vergütete Anwendungsbeobachtung (§ 67 Abs. 6 AMG) grundsätzlich nicht den Tatbestand erfüllen soll (S. 17) wenn die Entschädigung, die an Ärzte für die Beteiligung geleistet werden, nach ihrer Art und Höhe so bemessen sind, dass kein Anreiz für eine bevorzugte Verschreibung oder Empfehlung bestimmter Arzneimittel entsteht (§ 67 Abs. 6 S. 3 AMG), ist zwar systematisch wegen des Einklangs mit dem Sozialrecht konsequent. Dass es aber nach § 299a StGB-E strafbar sein soll, wenn die Anwendungsbeobachtung Bestandteil einer Unrechtsvereinbarung ist und die vorgesehene Vergütung den teilnehmenden Arzt nicht für seinen zusätzlichen Aufwand, sondern für die unlautere Bevorzugung bestimmter Präparate entschädigen soll (S. 18), verstärkt die bereits mehrfach erwähnten Bedenken im Hinblick auf Bestimmtheit, Praxisgerechtigkeit und Nebenwirkungsträchtigkeit der vorgesehenen Regelung. Zwar handelt es sich hier um schwierige Abgrenzungsfragen auch nach der inneren Willensrichtung (Zwecksetzung der Anwendungsbeobachtung/Vergütung), die für das Korruptionsstrafrecht nicht untypisch sind. Es ist jedoch kaum zu gewährleisten, dass zumindest der Anfangsverdacht nicht allein aus der i.S.d. § 67 Abs. 6 S. 3 AMG überhöhten Vergütung die Existenz einer Unrechtsvereinbarung abgeleitet wird.
b) Bei Zuführung von Patienten und von Untersuchungsmaterialien
Dass die derzeitige Entwurfsfassung des Tatbestands riskiert, legitime Formen der Kooperation von Leistungserbringern des Gesundheitswesens unter Strafe zu stellen oder jedenfalls die beteiligten Personen (unnötigen) strafprozessualen Ermittlungen auszusetzen, soll hier beispielhaft anhand der im SGB V vorgesehenen – überdies legitimen und notwendigen – Kooperation zwischen Krankenhausträgern und – freiberuflichen, niedergelassenen – so genannten Honorarärzten unter dem Gesichtspunkt der Zuführung von Patienten dargelegt werden.
Als Fallbeispiel mag die Zusammenarbeit zwischen einem Krankenhaus und einem niedergelassenen Facharzt dienen, bei dem dieser für seine (freiberufliche) Erbringung von Dienstleistungen bzw. Werkleistungen im Krankenhaus – stationäre Operationen von Patienten aus dem eigenen Patientenstamm bei Abrechnung durch das Krankenhaus im Rahmen der Fallpauschalen (DRG) gegenüber den Krankenkassen – seitens des Krankenhauses einen bestimmten Betrag (u.U. auch einen bestimmten Prozentsatz der einschlägigen DRG) als Vergütung erhält. Nimmt man in dem konkreten Fall an, dass ein regionales Überangebot an Krankenhausbetten/konkurrierenden Krankenhäusern und ein regionales Unterangebot an entsprechenden (externen und krankenhausinternen) Fachärzten besteht, könnte die Vergütung des Honorararztes u.U. als Vorteil für eine unlautere Bevorzugung des Krankenhauses im Wettbewerb bei der Zuführung von Patienten charakterisiert werden. Nach dem Wortlaut des § 299a StGB-E käme es wohl allein darauf an, ob die Vergütung tatsächlich nicht als Gegenleistung für die Diensterbringung/Werkleistung (Operation), sondern als Gegenleistung für die Zuführung der Patienten des niedergelassenen Facharztes zu dem Krankenhaus X (und nicht zu dem benachbarten Krankenhaus Y eines anderen Trägers) angesehen wird. Dies dürfte beweisrechtlich schwierige Fragen aufwerfen, zumal die vertragliche Regelung zwischen Krankenhaus und Arzt selbstverständlich die Vergütung als Gegenleistung für die Operation definieren wird; maßgeblich dürfte es auf kaum ermittelbare Vorstellungen und Willensrichtungen des Arztes und der Entscheidungsträger des Krankenhauses ankommen. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die Staatsanwaltschaft bei der Frage, ob Ermittlungen einzuleiten sind – folgt man der Begründung des Gesetzentwurfs – wohl gerade nicht zu Gunsten der Beteiligten maßgeblich darauf abstellen darf, dass der Vorteilsgewährung ein Vertrag zwischen Arzt und Krankenhaus zu Grunde liegt, bei der das Entgelt des Arztes seinen Leistungen wirtschaftlich angemessen ist, etwa eine übliche prozentuale Quote der jeweiligen DRG ausmacht. Der Entwurf (S. 17) bezieht sich nämlich ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BGH, wonach ein Vorteil auch in dem (nicht geschuldeten) Abschluss eines Vertrages liegen kann, der Leistungen an den Täter (Arzt) zur Folge hat und zwar selbst dann, wenn diese nur das angemessene Entgelt für die von ihm – hier dem Arzt – selbst aufgrund des Vertrages geschuldeten Leistungen sind (vgl. BGH, Urteil vom 10.3.1983 – 4 StR 375 75/82). In diesem Zusammenhang gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass die berufsrechtliche Rechtsprechung regelmäßig bei Zuwendungen auf vertraglicher Grundlage, die im Wert der Gegenleistung des Arztes entsprachen bzw. diese im Wert nicht nachweislich überschritten gerade nicht von einer Zuweisung gegen Entgelt ausgegangen sein dürfte (vgl. BGH NJW 2002, 962 = GRUR 2002, 271, 272; BGH NJW 2011, 2211, 2217). Es erscheint vor diesem Hintergrund fraglich, ob die Anknüpfung der strafrechtlichen Vorschrift (Vorteil auch bei vertraglicher Grundlage und wirtschaftliche Angemessenheit des Vorteils im Verhältnis zur Gegenleistung) an § 31 Abs. 1 MBO-Ä stimmig zur Deckung zu bringen ist, jedenfalls wenn man die herkömmliche Auslegung der berufsrechtlichen Vorschrift heranzieht. Auf der Basis des Entwurfs wäre hingegen die Angemessenheit und Üblichkeit der Vergütung wohl allenfalls ein Indiz unter vielen. Bei der oben geschilderten Konkurrenzsituation der Krankenhäuser wird man nicht ohne weiteres ausschließen können, dass das Entgelt zumindest auch im Hinblick auf die Patientenzuführung gezahlt wird. Dass das Auslösen von Ermittlungen auf Basis eines derart vagen Verdachts nicht sachgerecht ist, dürfte auf der Hand liegen.
In materiell-rechtlicher Hinsicht ist nicht sicher, ob man eine teleologische Reduktion des vorgeschlagenen Tatbestands erreichen kann, indem man auf einschlägige sozialrechtliche Normen rekurriert, die bestimmte Kooperationsformen grundsätzlich legalisieren. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass sich die Begründung des Entwurfs (wie dieser selbst) einer Klarstellung des Verhältnisses zwischen Straf-, Sozial- und Berufsrecht enthält. Der tatbestandliche Begriff der Zuführung soll sämtliche berufsrechtlich verbotenen Verhaltensweisen der Zuweisung gegen Entgelt (vgl. § 31 Abs. 1 MBO-Ä; vgl. § 73 Abs. 7 SGB V) umfassen (S. 19), sich aber auch auf vertragliche Kooperationen wie Berufsausübungsgemeinschaften beziehen (ebd.). Derartige Kooperationen zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern sind aber sozialrechtlich erlaubt. Soll es in Zukunft strafbar sein, einem Patienten das Nutzen der eigenen Belegbetten nahezulegen, weil der vom empfehlenden Arzt zu tragende Anteil an allgemeinen Betriebskosten mit jedem in das entsprechende Krankenhaus eingewiesenen Patienten sinkt, der Arzt also auf diese Weise einen Vorteil annimmt? Auf welche Normen können sich die Beteiligten für die Erlaubtheit ihres Handelns stützen? Rechtssicher vorhersehbar ist dies auf der Basis des vorliegenden Entwurfs nicht. Das ist mit strafrechtlichen Prinzipien nicht in Einklang zu bringen. Es ist zwar anzunehmen, dass der Entwurf nicht beabsichtigt, sachrechtlich zulässiges Verhalten unter Strafe zu stellen. Das aber kommt weder klar zum Ausdruck noch gibt es eine verlässliche Hürde gegen eine ausdehnende Interpretation.
Besonders bedenklich ist, dass der strafrechtlich vorgesehene Begriff der Zuführung weitergefasst ist als der berufsrechtliche der Zuweisung (Zuweisungen, Überweisungen, Verweisungen und Empfehlungen), weil er sich z.B. auch auf „mündliche und unverbindliche Empfehlungen“ erstrecken soll. Jedenfalls soweit der Wortlaut der Strafvorschrift einen weitergehenden Anwendungsbereich als der berufsrechtliche § 31 Abs. 1 MBO-Ä eröffnete, wäre dies weder inhaltlich sachgerecht noch systematisch stimmig, ist doch das Strafrecht das letzte und nicht das erste (oder gar einzige) Mittel. Schon deshalb und auch im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte daher klargestellt werden, daß die vorgeschlagene Vorschrift keinen weitergehenden Begriffs der Zuführung verwendet als den der Zuweisung i.S.d. § 31 Abs. 1 MBO-Ä.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Frage der tatbestandsmäßigen Bestimmtheit des Zuweisungsverbots gegen Entgelt – die im Rahmen des § 31 Abs. 1 MBO-Ä nie thematisiert wurde – deshalb im Rahmen einer Strafvorschrift nicht ohne Weiteres unproblematisch ist, da naturgemäß die Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nur für den zukünftigen § 299a StGB-E gelten würden. Hinzu kommt, dass diese oder sogar strengere Vorgaben nunmehr nicht nur für eine homogene „verkammerte“ Berufsgruppe wie Ärzte gelten würden, sondern auch für alle „Geber“ sowie für Heilberufsträger, die ein weniger gefestigtes Berufs- und (Selbst-)Bild haben und denen die Verrechtlichung der Berufsausübung schon angesichts ihrer geringeren (Aus-)Bildungsvoraussetzungen weniger klar sein dürfte. Hier zeigt sich deutlich, wie problematisch der Verzicht auf eine nähere Konturierung der Unrechtsvereinbarung (z.B. Gewährung eines „Bonus“ an den Arzt in Abhängigkeit von der Anzahl der vorgenommenen Operationen/zugeführten Patienten) gerade deshalb ist, weil der Täterkreis geöffnet wird. Bleibt es bei Letzterem (oder verzichtet man noch weitergehend auf jede Einschränkung, s. dazu oben II 1 b), so ist es aufgrund des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots zwingend erforderlich, die Unrechtsvereinbarungen, die unter den Tatbestand fallen, zumindest im Hinblick auf das Verhältnis zum Berufs- und Sozialrecht zu spezifizieren und zudem die Notwendigkeit einer Abstufung im Strafrahmen nach den verschiedenen Tätergruppen (etwa Kammerangehörige und sonstige Angehörige von Heilberufen, ggf. auch noch Sonstige) zu prüfen.
2. Zusammenhang mit der heilberuflichen Berufsausübung
Zu Recht ist in der Literatur bereits im Hinblick auf den Gesetzesentwurf des bayerischen Staatsministeriums der Justiz darauf hingewiesen worden, dass die Erfassung aller (oben beschriebenen Gegenleistungs-)Tathandlungen des Heilberufsträgers, die im „Zusammenhang mit der Ausübung“ seines (Heil-)„Berufs“ stehen, unnötig unbestimmt ist, da der Begriff des – mittelbaren oder unmittelbaren? – Zusammenhangs im strafrechtlichen Kontext vielfach kontroversen und disparaten Auslegungen unterworfen wurde (Kubiciel/Tsambikakis, medstra 2015, 11, 14). Es erscheint zwecks Präzisierung des Tatbestands naheliegend und wünschenswert, lediglich Gegenleistungshandlungen der Heilberufsträger “in Ausübung dieses Berufs“ (d.h. des Heilberufs) als tatbestandsmäßig vorzusehen (Kubiciel/Tsambikakis medstra 2015, 11, 14). Angesichts dessen, dass es bei der (vorgestellten) Gegenleistungshandlung des Heilberufsträgers erkennbar um die Zuführung von Patienten, die Zuführung von Untersuchungsmaterial oder Bezug, Abgabe oder Verordnung von Heilmitteln, Hilfsmitteln oder Medikamenten bzw. Medizinprodukten in der jeweiligen heilberuflichen Funktion gehen soll, ist sowieso anzunehmen, dass nur Handlungen in Ausübung und nicht solche bei Gelegenheit der Ausübung des Heilberufs vom Straftatbestand erfasst sein sollten. Dies erscheint auch im Hinblick darauf geboten, dass § 299a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB-E ausdrücklich auf die Verletzung der Berufsausübungspflichten durch die Gegenleistungshandlung abstellt und somit für diese Alternative implizit klarmacht, dass die vorgestellte Gegenleistung durch die Verletzung von Berufspflichten gekennzeichnet sein muss. Im Rahmen von § 299a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB-E sollte zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen derselbe Maßstab gelten, was am Leichtesten durch die hier nahe gelegte Klarstellung erfolgen kann. Im Übrigen weist auch der Entwurf (S. 16) zusammenfassend darauf hin, dass (nur) „heilberufliche Entscheidungen“ vor unzulässiger Einflussnahme durch Vorteile geschützt werden sollen; dies können nach dem Wortsinn kaum Entscheidungen bloß bei Gelegenheit der Berufsausübung sein, zumal im Entwurf (Seite 21) die Tatbestandsvariante der Nr. 2 als Grundtatbestand gegenüber der Nr. 1 angesehen wird, da „es sich auch bei den von Nr. 1 erfassten wettbewerbsrechtlichen Pflichten um Berufsausübungspflichten handelt“. Da sowohl die Fortbildung als auch die ärztlichen Verordnungen und sonstigen Entscheidungen zur Berufsausübung gehören, fielen auch bei derartiger Beschränkung des Tatbestands weder Schein-Kongresse noch unternehmensfinanzierte Lustreisen aus dem Tatbestand. Zudem erleichterte diese Konkretisierung auch den Weg, auf eine Beschränkung des Täterkreises im Tatbestand zu verzichten, weil die danach erfassten Unrechtsvereinbarungen sowieso nur von dem Täterkreis getroffen werden könnten, auf den sich auch der Entwurf erstreckt.
Auch unter den verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten des Schuldgrundsatzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips erschiene es wenig überzeugend, wenn die Vorteilsgewährung für eine Zuführung von Patienten lediglich bei Gelegenheit (und nicht in Ausübung) der ärztlichen Berufsausübung – etwa für die Empfehlung eines nicht behandelnden und auch sonst nicht zuständigen Arztes – unter die nicht unerhebliche Strafdrohung der neuen Vorschrift gestellt wird.
3. Finalitätszusammenhang (zukünftige Gegenleistungshandlung)
§ 299a StGB-E bezieht – entsprechend der Vorschrift des § 299 StGB (S. 18; Fischer, StGB, 62. Auflage, § 299 Rn. 13) – keine Zuwendungen für eine in der Vergangenheit liegende Bevorzugung bzw. Pflichtverletzung (Gegenleistungshandlung) in den Tatbestand ein. Weil einer solchen nachträglichen Zuwendung aber ihrerseits eine vorausgegangene Unrechtsvereinbarung zu Grunde liegen kann, drohen hier dieselben Beweisschwierigkeiten, die insofern auch die Anwendung des Straftatbestands der Bestechung im geschäftlichen Verkehr kennzeichnen und diesbezüglich auch bereits zu Forderungen geführt haben, die Vorteilsgewährung für vergangene Handlungen einzubeziehen oder gar eine Lockerung der Unrechtsvereinbarung vergleichbar mit §§ 331, 333 StGB vorzunehmen. Unterhalb der Schwelle erneuter gesetzgeberischer Intervention stünden mit Inkrafttreten des § 299a StGB-E Staatsanwaltschaften (ggf. nachfolgend auch die Gerichte) vor der Aufgabe zu entscheiden, wann, wieweit und mit welchen Mitteln sie versuchen müssten aufzuklären, ob es vor der Zuwendung eine in die Zukunft weisende Vereinbarung darüber gab: soll etwa die Gewährung bzw. Entgegennahme erheblicher Vorteile genügen, auch ohne das Vorliegen zusätzlicher tragfähiger Anhaltspunkte auf eine vorgelagerte zukunftsgerichtete und damit tatbestandsmäßige Vereinbarung zur Gewährung künftiger Gegenleistungen für Handlungen des Heilberufsträgers zu schließen? Selbst wenn man dies verneint, wird die Justiz vielfach um aufwendige und nebenwirkungsträchtige Ermittlungen zu diesem Aspekt (gerade auch angesichts der breiten und scharfen gesellschaftlichen und medialen Verurteilung von unberechtigten Vorteilsannahmen durch Heilberufsträger) nicht herumkommen. Dies verstärkt die bereits erwähnten Befürchtungen kontraproduktiver Effekte (dazu oben III 1).
IV. Rechtsgut
Ziel des Gesetzes ist, dass heilberufliche Entscheidungen frei von unzulässiger Einflussnahme getroffen werden. Um dies zu gewährleisten, ist der Straftatbestand so ausgestaltet, dass er direkt einen doppelten Rechtsgüterschutz verfolgt, nämlich einerseits der Sicherung eines Wettbewerbs und andererseits dem Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen. Zudem wird erwartet, dass mittelbar die Vermögensinteressen der Wettbewerber im Gesundheitswesen sowie der Patienten und der gesetzlichen Krankenversicherungen geschützt werden (Seite 11 des Referentenentwurfes).
Der Wettbewerbsschutz ergibt sich aus § 299a Abs. 1, Ziffer 1 bzw. Abs. 2, Ziffer 1 StGB-E (wie § 299 StGB in der aktuellen Fassung). Der Vertrauensschutz in die Integrität der heilberuflichen Entscheidungen soll durch § 299a Abs. 1 Ziffer 2 bzw. Abs. 2 Ziffer 2 StGB-E (vermutlich in Anlehnung an das „Geschäftsherrenmodells“ des geplanten § 299 StGB B-E) erfolgen, indem die Verletzung von Berufsausübungspflichten unter bestimmten Voraussetzungen als Gegenleistung einer Unrechtsvereinbarung sanktioniert wird.
Die Hoffnung auf einen (mittelbaren) vermögensrechtlichen Schutz fußt wohl darauf, dass ärztliche Leistungen nicht mehr in der bisherigen Form erbracht, ggfl. günstigere Arzneimittel oder Medizinprodukte verordnet (da vermeintlich die Entscheidung über das konkrete Arzneimittel bzw. Medizinprodukt auf sachfremden Erwägungen beruht habe) oder etwaige Vergünstigungen nicht mehr in der bisherigen Form ausgereicht bzw. an den Patienten/die Krankenkassen weiter gegeben werden. Insofern könnte das Gesundheitswesen finanziell entlastet bzw. Aufwendungen erspart werden.
Bemerkenswert ist, dass in dem Referentenentwurf auf Seite 11 nur von den Vermögensinteressen der Wettbewerber, Patienten und gesetzlichen Krankenkassen die Rede ist und die privaten Krankenversicherungen keine Erwähnung finden, die aber ebenfalls z.B. an einer Änderung einer Verordnungspraxis von Ärzten wirtschaftlich partizipieren könnten (die nach der Einleitung des Entwurfes auf Seite 1 auch ausdrücklich in den Schutz des Gesetzes einbezogen werden sollen). Dies wirft die Frage auf, ob der (indirekte) Vermögensschutz der gesetzlichen Krankenkassen nicht einen wesentlicheren Grund für die Einführung des Gesetzes darstellt, als die Begründung des Referentenentwurfes darlegt.
1. Schutz des Wettbewerbes
a) Entsprechung zu § 299 StGB
Zu den Voraussetzungen und Grenzen des Wettbewerbsschutzes kann in einigen Konstellationen auf die Rechtsprechung zum § 299 StGB zurückgegriffen werden, was auch in dem Referentenentwurf ausdrücklich als Erwartung formuliert wird (Seite 20 des Referentenentwurfes). Es wird davon ausgegangen, dass die bislang entwickelten Auslegungsgrundsätze übertragbar sind.
b) Modifizierungen
Ob sich diese Erwartung tatsächlich bestätigen wird, ist allerding fraglich. Zum einen zielt diese Norm auf eine neue und sehr inhomogene „Tätergruppe“ (dazu näher oben II) und Handlungsweisen ab, die bislang noch nicht in dieser Form pönalisiert sind. Zum andern stellen sich die Fragen zur Sozialadäquanz, Gegenleistung/Unrechtsvereinbarung und unlauteren Bevorzugung in Berufsumfeldern, die sich sehr von den bisherigen klassischen korruptionsanfälligen Bereichen, wie beispielsweise Hoch-, Tief- und Anlagenbau unterscheiden.
Unter dem Begriff der unlauteren Bevorzugung ist dabei eine sachfremde Entscheidung zwischen zwei Bewerbern zu verstehen und setzt damit einen Wettbewerb und eine Benachteiligung eines Konkurrenten voraus (Seite 20 des Referentenentwurfes). Wie eine solche sachfremde Entscheidung zum Beispiel bei einem Apotheker zu verstehen ist, ist derzeit nicht eindeutig. Dieser kann Arzneimittel oder sonstige Waren teilweise vom Hersteller, teilweise von Großhändlern beziehen, wobei es in Deutschland nur wenige Arzneimittelgroßhändler gibt, die teilweise auch unterschiedliche Arzneimittel im Programm haben. Es wird zukünftig in Strafverfahren wohl diskutiert werden, ob es sich hier insofern um eine Wettbewerbssituation handelt, woran die Sachgemäßheit festzumachen ist sowie ob und ggf. ab wann die Entscheidung über den Bezug eines Arzneimittels von dem einen anstelle von dem anderen Großhändler nicht (mehr) als sachgemäß zu bewerten ist.
Gleiches gilt für die Verschreibung eines bestimmten Arznei- oder Hilfsmittels für einen Patienten. Einem Arzt wird zukünftig anzuraten sein, genau zu dokumentieren, warum er nicht nur einen Wirkstoff oder warum er ein konkretes Präparat, Hilfsmittel, etc. verordnet hat. Es stellt sich zudem die Frage, ob die – naheliegende – Begründung „es wirkt am besten“ bzw. „es ist am verträglichsten“ dann ausreichend sein wird. Zum einen ist dies schwer nachzuweisen und es kann zum anderen von den Ermittlungsbehörden auch als Schutzbehauptung aufgefasst werden.
Zukünftig wird sich der Organisationsaufwand bei den betroffenen Berufsgruppen erhöhen, um im Falle eines Falles die Sachgemäßheit einer Entscheidung nachweisen zu können. Doch auch durch eine verstärkte Dokumentation tritt keine Rechtssicherheit in punkto „Sachgemäßheit“ einer Entscheidung bei den betroffenen Berufsträgern ein.
Die Teilnahme an vergüteten Anwendungsbeobachtungen (s.a. unter dem Gesichtspunkt des Vorteils unten V) ist ebenso ein sehr berufsspezifischer Bereich. Diese Anwendungsbeobachtungen werden in dem Referentenentwurf als notwendig erkannt, da sie „forschungs- und gesundheitspolitisch wünschenswert sind“ (Seite 17 des Referentenentwurfes). Daher sollen sie per se nicht unter den Tatbestand fallen, es sei denn sie dienen reinen Marketingzwecken, die Ergebnisse sollen nicht öffentlich zugänglich gemacht werden oder die Aufwandsentschädigung ist nach Art und Höhe in einem Bereich, der einen Anreiz für eine bevorzugte Verschreibung oder Empfehlung bestimmter Arzneimittel bietet (§ 67 Abs. 6 Satz 3 AMG). Ob eine Anwendungsbeobachtung tatsächlich nur zu reinen Marketingzwecken erfolgt und ob die Erkenntnisse letztlich auch veröffentlich werden, liegt nicht im Einflussbereich eines Arztes und kann daher zum Zeitpunkt der Teilnahme an der Anwendungsbeobachtung gar nicht überblickt werden. Dies als ein strafrechtlich relevantes Kriterium eines Korruptionstatbestandes heranzuziehen, ist daher für den Arzt schwer nachzuvollziehen. Eine Gewährleistung, dass heilberufliche Entscheidungen frei von unzulässiger Einflussnahme getroffen werden, kann mit der so konzipierten Norm in diesem Berufsfeld nicht erbracht werden.
2. Verletzung der Berufsausübungspflicht
Mit Einführung dieser Alternative soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass durch korruptive Verhaltensweisen nicht nur der Wettbewerb, sondern auch Patienten- und Gemeinwohlinteressen betroffen sein können.
a) Verletzung von Berufsausübungspflichten
Für diese Tatbestandsalternative der Verletzung von Berufsausübungspflichten gibt es keine Entsprechung in den aktuellen Normen der Korruption im geschäftlichen Verkehr. Begründet wird die Notwendigkeit der Einführung in dem Referentenentwurf damit, dass Pflichtverletzungen außerhalb von Wettbewerbslagen ebenfalls einer strafrechtlichen Sanktion unterworfen werden und insbesondere bei der Monopolisierung eines etwaigen Vorteilsgebers, sowie in Fällen von medizinisch nicht indizierter Verschreibungen zum Tragen kommen sollen.
Möglicherweise wird mit der Einführung einer solchen Tatbestandsalternative schlicht der Erfahrung Rechnung getragen, dass eine Wettbewerbsverletzung tatsächlich schwer und nur unter enormen Ermittlungsaufwand nachgewiesen werden kann.
Mit dieser Regelung wird hinsichtlich der Sanktionierung von korruptiven Verhaltensweisen Neuland betreten. Das sogenannte „Geschäftsherrenmodell“, das mit dem geplanten Gesetz zur Bekämpfung der Korruption in den § 299 StGB B-E eingeführt werden soll, hat eine andere Zielrichtung – nämlich die Vermögensinteressen der Geschäftsinhaber – und es gibt auch keine Erfahrungswerte oder Rechtsprechung, die als Auslegungshilfe (zu Korruptionsgesichtspunkten) herangezogen werden könnten.
b) Feststellungsprobleme
Es stellt sich zudem die Frage, wie Feststellungen und Bewertungen vermeintlich medizinisch nicht indizierter Verordnung oder Vergabe von Arzneimittel, Behandlungen, Hilfsmittel, etc. getroffen werden sollen. Hier werden verschiedene Nichtberufsträger, wie z.B. Ermittlungsbeamte, Mitarbeiter von Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigungen, Patienten oder letztlich Richter zu „Prüforganen“ berufen, ob diese Verschreibungen (ggf. gerade noch) medizinisch indiziert waren oder nicht. Ob zum Beispiel ein Präparat die Genesung gefördert hat, kann – insbesondere im Nachhinein – nur eingeschränkt beurteilt werden.
Dies bedeutet für die Praxis, dass die Gefahr von regelmäßigen „Gutachterschlachten“ an diesem Punkt sehr hoch ist und der hinter der Einführung stehende Zweck sodann nur schwer erreicht wird. Zudem wird vermutlich auch die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege auf eine harte Probe gestellt.
c) Außenwirkung
Ein verbesserter Schutz der Rechtsgüter der Patienten- und Gemeinwohlinteressen wird mit diesen geplanten strafrechtlichen Mitteln wahrscheinlich nicht gewährleistet werden können. Das Vertrauen der Patienten in die Integrität von ärztlichen (Einzel-)Entscheidungen wird nicht dadurch gestärkt werden, dass ein Strafverfahren gegen einen Arzt wegen des Vorwurfes der Korruption geführt wird. Ein berufsrechtliches Verfahren, das ggf. durch eine Beschwerde von Patienten angestoßen wurde, ist für die Patienten greifbarer, wird schneller durchgeführt und ist eher geeignet, das Vertrauen in die Integrität der Heilberufe zu stärken.
d) Fiskalinteressen
Mit dieser Tatbestandsalternative soll eine (missbräuchliche) Verordnungspraxis aufgrund sachfremder Motive sanktioniert werden. Die Eindämmung ggf. unnötiger Kosten durch nicht benötigte Arznei-, Hilfs- oder Heilmittel kommt den Krankenkassen und mittelbar den Patienten zu Gute, wenn Krankenkassenbeiträge reduziert werden können. Insofern werden mit dieser Tatbestandsalternative primär Fiskalinteressen verfolgt und geschützt, was in der Begründung des Referentenentwurfes allerdings als ein mittelbarer, reflexhafter Schutz dargestellt wird.
e) Mangelnde Konkretheit
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass sich aus der Regelung des § 299a StGB-E und der Begründung des Referentenentwurfes nur ein grobes Raster ergibt, das in der Anwendung der Norm erst verdichtet werden müsste. Konkrete Ausführungen zu den Tatbestandsgrenzen oder eine konkret bezifferte Bagatellgrenze finden sich nicht. Daher steht zu vermuten, dass eine ähnliche Kasuistik (mit z.T. widersprüchliche Entscheidungen) in der Rechtsprechung entstehen wird, wie dies bei § 299 StGB der Fall ist. Eine Übertragbarkeit der bisherigen Grundsätze und Grenzen auf diesen Berufszweig ist hinsichtlich des avisierten Wettbewerbsschutzes voraussichtlich nur ansatzweise möglich.
Eine strafrechtliche Sanktionierung der Verletzung von Berufsausübungspflichten unter Korruptionsgesichtspunkten ist in der vorliegenden Form vermutlich wenig geeignet, die Rechtsgüter der Patienten- und Gemeinwohlinteressen zu schützen. Die Konzeption der Norm zielt eher darauf ab, einen Angriffspunkt zu haben, um Vermögensinteressen von gesetzlichen Krankenkassen zu wahren, indem ggf. missbräuchlichen Verschreibungspraxen eingedämmt und die Kosten gespart werden. Hierzu ist die Verortung der Norm in den Gesetzen zum Schutz des Wettbewerbs nicht sachgerecht.
V. Vorteilsbegriff
Nach dem Referentenentwurf entspricht der Vorteilsbegriff i.S.d. § 299a StGB-E dem Vorteilsbegriff iSd. §§ 299, 331 ff. StGB, der „jede Zuwendung [erfasst], auf die der Täter keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert“ (vgl. BGH, Urteil vom 11.04.2001, 3 StR 503/00). Der Begriff umfasst sämtliche materiellen und immateriellen Zuwendungen. Die Vorteilsgewährung ist sowohl gegenüber dem Täter als auch gegenüber einem Dritten möglich.
Zur Bestimmung des Vorteilsbegriffs iSd. §§ 299, 331 ff. StGB gibt es eine umfassende Kasuistik. So hat die Rechtsprechung den Begriff des Vorteils in mehreren Entscheidungen zu § 299 StGB und §§ 331 ff. StGB fortentwickelt. Die bestehenden Probleme rund um die Konkretisierung des Vorteilsbegriffs, insbesondere bei der Zuwendung immaterieller Vorteile, sind daher bekannt.
Der Vorteilsbegriff i.S.d. § 299 StGB ist jedoch nicht geeignet, die erforderliche Eingrenzung des § 299a StGB hinsichtlich der berufstypischen Besonderheiten (Geschenke von Patienten, Vergütungen bei Anwendungsbeobachtungen etc.) rechtssicher vorzunehmen. Besonders problematisch erscheint dabei, dass § 299a StGB B-E weder eine Bagatellgrenze enthält, bei deren Unterschreitung eine Strafbarkeit ausgeschlossen ist, noch die Möglichkeit einer Genehmigung sozialadäquater Zuwendungen vorsieht. Dies ist insbesondere deshalb relevant, weil auch Amtsträger (Chefärzte etc.) als Täter i.S.d. § 299a StGB-E in Betracht kommen. Da angesichts der unterschiedlichen Rechtsgüter nicht auszuschließen ist, dass in einschlägigen Fällen tatbestandlich Tateinheit vorliegt, wird es wohl auch für § 299a StGB-E die Möglichkeit der Genehmigung der Annahme eines (maßvollen) Vorteils geben müssen, weil andernfalls die für § 331 Abs. 3 StGB als dem schwereren Delikt, allerdings nur bei im Übrigen zu bejahender Rechtmäßigkeit, ausreichende Genehmigung dem Amtsträger eventuell keine Straffreiheit verschaffen würde.
Die Einführung einer Bagatellgrenze bzw. die Möglichkeit der Genehmigung sozialadäquater Zuwendungen ist auch deshalb erforderlich, weil durch die angedachte, pauschalisierende Regelung des § 299a StGB-E eine Vielzahl berufsordnungsrechtlich erlaubter Verhaltensweisen vom Anwendungsbereich umfasst werden (zur Notwendigkeit näherer Bestimmung pönalisierter Vorteile unter dem Gesichtspunkt des Kreises tauglicher Täter s. bereits oben II 1 c und unter dem Aspekt der Unrechtsvereinbarung oben III). Neben der oben angesprochenen Problematik des Nichtbestehens einer Bagatellgrenze – insbesondere für Geschenke von Patienten (vgl. § 12 S. 2 BO-Ä – Berufsordnung der Apotheker; § 32 Abs. 1 MBO-Ä – Musterberufsordnung der Ärzte) sei der Konflikt zwischen (notwendiger) berufsrechtlicher Zulässigkeit und strafrechtlicher Sanktionierung durch § 299a StGB-E anhand folgender Beispiele verdeutlicht:
– Ärzten ist es gestattet, sich für (freiwillige) Leistungen an Hersteller von Arznei- und Hilfsmitteln bzw. Medizinprodukten (z.B. Anwendungsbeobachtungen, Versuchsreihendurchführung etc.; dazu unter dem Gesichtspunkt des Rechtsguts bereits oben IV 1 b) angemessen vergüten zu lassen. Entsprechende Verträge sind der Ärztekammer vorzulegen (vgl. § 33 MBO-Ä). Die Durchführung entsprechender Anwendungsbeobachtungen und Versuchsreihen ist regelmäßig mit erhöhten Kosten und Aufwendungen für die teilnehmenden Ärzte verbunden. Sie ist jedoch erforderlich, um wirksame Medikamente überhaupt erst entwickeln und erproben zu können. Die Durchführung solcher Maßnahmen leistet daher einen elementaren Beitrag zur Fortentwicklung der Medikation. Der Vertragsabschluss kann trotz alledem – auch bei Angemessenheit des Entgelts – einen Vorteil i.S.d. §§ 299, 331 ff. StGB darstellen, da kein Rechtsanspruch auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrages besteht (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 331 Rn. 12 m.w.N.).
– Die Annahme von Beiträgen Dritter zur Finanzierung wissenschaftlicher Fortbildungsveranstaltungen (sog. Sponsoring) ist nach den berufsrechtlichen Vorschriften im angemessenen Umfang erlaubt, soweit Bedingungen und Umfang des Sponsorings offen gelegt werden (§ 32 Abs. 3 MBO-Ä). Dasselbe gilt für die Teilnahmekosten an ausschließlich berufsbezogenen Fortbildungen, soweit die Kostenübernahme auf die notwendigen Reisekosten und die reinen Tagungsgebühren begrenzt ist (§ 32 Abs. 2 MBO-Ä). Ärzte sind berufsrechtlich verpflichtet, sich in dem Umfang beruflich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Entwicklung der zu ihrer Berufsausübung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist (vgl. § 4 MBO-Ä). Durch die Kostenübernahme wird die fachliche Qualifikation von Ärzten sichergestellt. Dies betrifft insbesondere Vertragsärzte in kleineren Praxen, denen ansonsten eine regelmäßige Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen aufgrund der damit verbundenen Kosten (An- und Abreise, Teilnahmegebühren, Unterbringungsgebühren, Verdienstausfall) schlicht nicht möglich wäre. Durch die Begrenzung auf die Reisekosten und Tagungsgebühren wird insoweit sichergestellt, dass keine Bereicherung der Ärzte vorliegt. Trotz der fehlenden Bereicherung unterfällt die Kostenübernahme dem Vorteilsbegriff der §§ 299, 331 ff. StGB (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 331 Rn. 11c).
Die Tatbestandsmäßigkeit berufsordnungsrechtlich erlaubter Verhaltensweisen widerspricht der Zweckrichtung des § 299a StGB-E, allein korruptive Verhaltensweisen zu sanktionieren. Die erforderliche Eingrenzung des Geltungsbereichs des § 299a StGB-E kann – auch vor dem Hintergrund des ungeklärten Konkurrenzverhältnisses zu § 331 ff. StGB – nicht allein im Rahmen der Prüfung des Vorliegens einer Unrechtsvereinbarung vorgenommen werden, da ansonsten hinsichtlich der Annahme (vermeintlich) sozialadäquater Zuwendungen eine erhebliche, nicht zu beseitigende Rechtsunsicherheit bestehen würde. Insoweit ist auch zu beachten, dass sozialadäquate Zuwendungen nach dem Referentenentwurf ausdrücklich nicht vom Tatbestand des § 299a StGB-E erfasst sein sollen. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, die Besonderheiten der Berufsstände bei der Schaffung des § 299a StGB-E zu berücksichtigen und den Vorteilsbegriff auf diese Besonderheiten hin anzupassen.
VI. Strafrechtliche Folgeänderungen
1. Strafschärfung für besonders schwere Fälle, § 300 StGB-E
a) Regelbeispiele
Während der Referentenentwurf lediglich zwei Regelbeispiele aufführt (großes Ausmaß bzw. gewerbs- oder bandenmäßige Begehungsweise) sieht der Entwurf des Freistaats Bayern als 3. Regelbeispiel die Gefahr einer erheblichen Gesundheitsschädigung vor. Wiewohl bei einer derartigen Folge auch auf der Basis des Referentenentwurfs ein unbenannter besonders schwerer Fall angenommen werden könnte, wäre der forensische Begründungsaufwand dafür größer. Aus Gründen der Rechtsklarheit und der Praktikabilität sollte daher erwogen werden, insoweit dem Vorschlag Bayerns zu folgen.
b) Schärfung bei Anfall von Vorteilen beim Anstellungsunternehmen?
Nach der Rechtsprechung verlangt gewerbsmäßiges Handeln das Streben nach einem eigenen Vorteil. Dieser muss zwar nicht als unmittelbarer erstrebt werden, wohl aber als Handlungsziel. Damit fallen solche Konstellationen unter den Begriff, in welchen ein monetärer Vorteil über verschiedene vorübergehend berührte Vermögenskreise beim Täter anlangt. Nicht erfasst sind hingegen Fälle, in denen der wiederkehrende Vorteil beim Anstellungsunternehmen verbleibt, dieses also gewerbsmäßig begünstigt wird. Es ist eine in der Begründung des Entwurfs nicht gestellte Frage, ob es einen Bedarf für die Einbeziehung derartiger Gestaltungen in § 300 StGB-E (und für eine demgemäße Folgeregelung in § 302 StGB, dazu unten 3.) gibt oder nicht. Ihre Aufnahme würde jedoch die Anwendbarkeit auch dann erleichtern, wenn diese Konstruktionen über Provisionen oder umsatz- bzw. gewinnabhängige Entlohnungssystems als (auch) eigennützig anzusehen wären.
c) Konsequenzen im Alternativ-Fall der Angleichung an die Amtsträgerkorruption
Sollte, anstatt einen eigenen Tatbestand zu schaffen, bestimmt werden, dass bestehende Korruptionsvorschriften (ganz oder partiell) auch auf (ggf.: Teile der) Akteure des Gesundheitswesens Anwendung zu finden haben, so könnte das zur Folge haben, dass (je nach Gestaltung: auch oder nur) § 335 StGB mit erweitert werden müsste.
2. Strafantrag, § 301 StGB-E
a) Fragliche Sinnhaftigkeit der Ausgestaltung als Antrags- und Privatklagedelikt
Ob es rechtstatsächlich bedeutsam ist, dass § 299 StGB als relatives Antragsdelikt ausgestaltet und selbiges auch für § 299a StGB-E vorgesehen ist, darf bezweifelt werden. Die antragsbefugten Verbände dürfen auch Amtsdelikte anzeigen. Bagatellen lassen sich von den Staatsanwaltschaften über die Opportunitätsregeln der Strafprozessordnung erledigen. Der wesentliche Unterschied besteht in der Frage der Zulässigkeit einer Privatklage. Sie kann allerdings auch für ein Nicht-Antragsdelikt bereitgestellt werden (Beispiel: Bedrohung, § 374 Abs. 1 Nr. 5, 2. Alt. StPO). Es ist jedoch nicht bekannt, dass von der Möglichkeit des § 374 Abs. 1 Nr. 5a StPO, der Privatklage in einem Fall des § 299 StGB, jemals Gebrauch gemacht wurde. Angesichts der Ermittlungsnotwendigkeiten ist das nicht eben wahrscheinlich.
Ob aus diesem Grunde oder doch eher unbewusst im Entwurf auf den Vorschlag verzichtet wurde, § 299a StGB-E in den Kreis der Privatklagedelikte aufzunehmen, ist offen. Es dürfte jedoch einer Überlegung wert sein, sowohl für § 299 StGB als auch für § 299a StGB-E kumulativ auf das Strafantragserfordernis einerseits und die Privatklagefähigkeit andererseits zu verzichten.
b) Abstimmungsbedarf zwischen (etwaigem) Antragsrecht und Täterkreis
Sieht man für § 299a StGB-E weiterhin das relative Strafantragserfordernis vor, so bedarf es jedoch einer Änderung des § 301 Abs. 2 Nr. 2 lit. a StGB-E. Nach dem Referentenentwurf soll danach das Recht, Strafantrag zu stellen, der berufsständischen Kammer zustehen, in der der Täter zum Tatzeitpunkt Mitglied war. Abgesehen davon, dass der Referentenentwurf gerade keine Beschränkung auf verkammerte Berufe enthält, erfasst der Wortlaut des § 301 Abs. 2 Nr. 2 lit. a StGB-E nur die Fälle des § 299a Abs. 1 StGB-E, also die Empfängerseite. Das aber ist in sich nicht stimmig. Plausibilität erlangte die Regelung nur dadurch, dass für die nach dem Eingangswortlaut des § 301 Abs. 2 Nr. 2 StGB-E miterfassten Fälle des § 299a Abs. 2 StGB auf die Kammerzugehörigkeit des Empfängers (und nicht auf die des Zuwendenden) abgestellt würde. Insgesamt erscheint es fragwürdig, einen Straftatbestand zu schaffen, weil man den Selbstreinigungskräften der berufsständischen Selbstverwaltung nicht mehr traut, um dann aber gleichzeitig das Antragserfordernis in deren Hände zu legen.
3. Erweiterter Verfall, § 302 StGB-E
Die sich bereits im Hinblick auf § 300 Nr. 2 StGB-E (dazu oben 1 b) stellende Thematik des gewerbsmäßig begünstigten Anstellungsunternehmens kehrt auch im Anwendungsbereich des § 302 StGB-E wieder. Die bisherige Wortfassung erstreckt sich nicht auf das begünstigte Unternehmen. Es hat die Anordnung des erweiterten Verfalls nur dann zu gewärtigen, wenn dies gemäß § 73d StGB möglich sein sollte. Falls insoweit Regelungsbedarf bestehen sollte, dürfte es sich anbieten, diesen nicht bereichsspezifisch allein für die Fälle des § 299 StGB und des § 299a StGB-E zu erfüllen.
VII. Sozialrechtliche Folgeregelungen, Änderungen des SGB V
Die vorgesehenen Änderungen des SGB V erweitern die Verpflichtungen der Krankenkassen und der kassenärztlichen Vereinigungen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen. Die kassenärztliche Bundesvereinigung wird, ebenso wie der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, zur Organisation und Durchführung eines regelmäßigen Erfahrungsaustauschs verpflichtet. Die vorgesehenen Treffen sollen „den direkten fachlichen Austausch der verantwortlichen Personen und die gemeinsame Abstimmung über das Vorgehen bei streitigen oder unklaren Fragestellungen“ ermöglichen. An dem Erfahrungsaustausch sind die berufsständischen Kammern und die Staatsanwaltschaften „in geeigneter Form“ zu beteiligen. Die zuständigen Aufsichtsbehörden sind über die Ergebnisse zu informieren. In den Berichten sind Anzahl, Art und Schwere des vermuteten und festgestellten Fehlverhaltens und die dagegen getroffenen Maßnahmen zu benennen (§ 81a Abs. 3 S. 2, Abs. 5 S. 2 f. SGB V; § 197a Abs. 3 S. 2, Abs. 5 S. 2 f.).
Die Novellierung der §§ 81a, 197a SGB V und die sich daraus ergebende Berichtspflicht stehen in keinem (erkennbaren) unmittelbaren Zusammenhang zur Einführung des § 299a StGB-E. Der Referentenentwurf führt zum Zweck der Novellierung der §§ 81a, 197a SGB V aus, dass die Berichte erforderlich seien, um „die im Berichtszeitraum aufgetretene Zahl der bekannt gewordenen Fälle, deren Art, Schwere und Ahndung zu dokumentieren“ und den jeweiligen „Gesamtschaden für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung zu beziffern, der durch die Prüfung vermieden werden konnte und der nicht vermieden werden konnte. Dadurch soll auch das tatsächlich weitgehend unklare Ausmaß des Fehlverhaltens im Gesundheitswesen erhellt werden“ (vgl. Bl. 23 des Referentenentwurfs).
Aufgrund der genannten Zielrichtung besteht die Vermutung, dass durch die Berichtspflichten eine nachträgliche Legitimation der strafrechtlichen Sanktionierung des § 299a StGB-E ermöglicht werden soll. Es wäre jedoch Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, vor der strafrechtlichen Normierung – und nicht erst danach – zu eruieren, ob aufgrund des Ausmaßes des Fehlverhaltens eine strafrechtliche Sanktionierung tatsächlich erforderlich ist, und wenn ja, in welcher spezifischen Form. Soweit das bestehende Ausmaß des Fehlverhaltens im Gesundheitswesen tatsächlich – wie im Referentenentwurf dargestellt – weitgehend unklar ist, stellt sich daher die Frage, wieso eine (noch dazu pauschalierende) strafrechtliche Sanktionierung trotzdem als notwendig und erforderlich erachtet wurde.
Die Ausführungen im Referentenentwurf legen überdies die Vermutung nahe, dass – auch nach Ansicht des Gesetzgebers – von den nicht akademischen Heilberufsgruppen (zu den Bedenken, sie in den Kreis der tauglichen Täter aufzunehmen, s. bereits oben II 1) keine erheblichen Korruptionsrisiken ausgehen, da die Berufsvereinigungen nichtakademischer Heilberufe – anders als die Berufskammern – nicht am Erfahrungsaustausch zu beteiligen sind, vgl. §§ 81a Abs. 3, 197a Abs. 3 SGB V. Die Notwendigkeit strafrechtlicher Sanktionierung im Sinne des § 299a StGB-E erscheint für Angehörige nichtakademischer Heilberufe auch vor diesem Hintergrund fraglich.
Überdies ist ein sich ergebender Mehrwert aus der Verpflichtung zum Erfahrungsaustausch nicht ersichtlich. Die bestehenden Organisationseinheiten zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen sollen bereits zum jetzigen Zeitpunkt gem. §§ 81a Abs. 4, 197a Abs. 4 SGB V bei einem sich ergebenden Anfangsverdacht auf eine strafbare Handlung mit nicht nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Krankenversicherung unverzüglich die zuständige Staatsanwaltschaft unterrichten. Ein entsprechender Austausch findet daher bereits statt. Auch bestehen bereits zum jetzigen Zeitpunkt Berichtspflichten an die zuständigen Aufsichtsbehörden, vgl. §§ 81a Abs. 5, 197a Abs. 5 SGB V. Es ist nicht ersichtlich, wie der durchzuführende, regelmäßige Erfahrungsaustausch unter Beteiligung der berufsständischen Kammern und der Staatsanwaltschaften den Zweck der §§ 81a Abs. 1, 197a Abs. 1 SGB V weiter fördern können soll. Insbesondere für die Staatsanwaltschaften stellt sich überdies (vor dem Hintergrund der bestehenden Arbeitsbelastung) die Frage der Notwendigkeit einer Teilnahme an entsprechende Veranstaltungen.