Dr. Christian Brand

Insolvenzstrafrechtliche Literatur im Zeitraum Mai bis August 2015

 

I. Aufsatzliteratur

1. Christof Püschel/Alexander Paradissis: Die Staatsanwaltschaft als Insolvenzpolizei – eine Polemik gegen die Praxis der Ermittlungen ohne Verdacht, ZInsO 36/2015, S. 1786- 1788.

Gemäß der „Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen“ (MiZi) sind die Insolvenzgerichte – beschränkt auf gewerbliche Insolvenzen – verpflichtet, die in ihrem Bezirk eröffneten bzw. mangels Masse nicht eröffneten Insolvenzverfahren den Staatsanwaltschaften mitzuteilen. Im Anschluss an diese Mitteilung fordert die Staatsanwaltschaft regelmäßig die Insolvenzakten an, um sie auf Anhaltspunkte für Insolvenzstraftaten auszuwerten. Diese – heute gängige – Ermittlungspraxis stufen Verf. als unzulässig ein. Da weder das eröffnete noch das mangels Masse nicht eröffnete Insolvenzverfahren – von besonders gelagerten Ausnahmefällen abgesehen – den Gemeinschuldner per se dem (Anfangs-)Verdacht aussetze, er habe eine Insolvenzstraftat begangen, sei die Staatsanwaltschaft nicht befugt, die Insolvenzakten auf Hinweise für Insolvenzstraftaten zu durchforsten. An diesem Ergebnis änderten auch die Vorgaben der „Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen“ (MiZi) nichts, da die dort vorgesehene Pflicht, den Staatsanwaltschaften jede gewerbliche Insolvenz anzuzeigen, nicht mit der gesetzlichen Regelung harmonierten, die sie konkretisieren.

2. Raimund Weyand: Flucht in den § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO – Straffreiheit durch Selbstbelastung?, ZInsO 39/2015, S. 1948-1952.

Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der Schuldner im Insolvenz- und im Insolvenzeröffnungs- verfahren gegenüber dem Gericht, dem Insolvenzverwalter und dem Gläubigerausschuss über alle das Verfahren betreffende Verhältnisse umfassend Auskunft zu erteilen. Diese umfassende Auskunftspflicht gilt gem. § 97 Abs. 1 Satz 2 InsO selbst für solche Tatsachen, deren Offenbarung geeignet ist, den Schuldner oder einen Angehörigen der Strafverfolgung auszusetzen. Allerdings verbietet § 97 Abs.1 Satz 3 InsO den Strafverfolgungsbehörden solche selbstbelastenden Auskünfte zu verwenden, die der Schuldner getätigt hat, um seiner Pflicht aus § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO nachzukommen. Inhalt und Reichweite dieses Verwendungsverbots sind bis heute ungeklärt. Verf. plädiert – ganz im Einklang mit der wohl h.M. – dafür, den § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO restriktiv zu handhaben und insbesondere freiwillige Auskünfte des Schuldners, Auskünfte, die der Schuldner einem Insolvenz- oder Sanierungsgutachter erteilt hat, sowie die vom Schuldner erstellten Bücher und Bilanzen nicht am Schutz des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO teilhaben zu lassen (S. 1950 ff.). Auf der Grundlage dieses restriktiven Verständnisses spricht Verf. die Empfehlung aus, keine freiwilligen Auskünfte zu erteilen, sondern abzuwarten, bis das Insolvenzgericht zur Auskunftserteilung auffordert (S. 1952).

3. Folker Bittmann: Insolvenzverfahren und strafprozessuale Vermögensabschöpfung – Ausgestaltungsbedarf de lege ferenda, ZInsO 36/2015, S. 1758-1773.

Dem Verfall gem. den §§ 73 ff. StGB liegt der Grundsatz zugrunde, wonach der Täter das aus der Tat Erlangte nicht behalten darf. Anders ausgedrückt: Verbrechen sollen sich nicht lohnen. Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB darf der Verfall jedoch dann nicht angeordnet werden, wenn dadurch den vom Täter Verletzten die materielle Grundlage ihrer gegen den Täter bestehenden Ersatzansprüche entzogen würde. Stattdessen kann das Gericht aber die strafprozessuale Rückgewinnungshilfe (vgl. § 111i StPO) anordnen. Schwierigkeiten bei der Rückgewinnungshilfe ergeben sich freilich, wenn das noch vorhandene Vermögen des Täters nicht genügt, um alle seine Gläubiger zu befriedigen. Wie diese Schwierigkeiten de lege ferenda behoben werden könnten, dazu unterbreitet Verf. einen umfassenden Vorschlag, der im Kern darauf zielt, die Vorzüge des Insolvenzverfahrens zur Problemlösung fruchtbar zu machen.

4. Thilo Pfordte: Strafrecht und Insolvenzrecht: Was wird aus der Strafvollstreckung nach der insolvenzrechtlichen Anfechtung?, StV 7/2015, S. 452-457.

Erneut hat der IX. Zivilsenat des BGH (StV 2015, 443) einem Insolvenzverwalter Recht gegeben, der Zahlungen gem. § 133 InsO angefochten hat, die der Gemeinschuldner an den Justizfiskus geleistet hatte, um damit eine Geldstrafe zu begleichen, zu der er verurteilt worden war. Den Einwand, durch die Zahlung der Geldstrafe seien de facto die Gläubiger begünstig worden, weil der Gemeinschuldner verhindert habe, dass gem. § 43 StGB gegen ihn eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wird und er dadurch seinen Arbeitsplatz verliert, lässt der IX. Zivilsenat nicht gelten. Wollte man bloß mittelbar erzielte finanzielle Vorteile berücksichtigen, würde die dem Insolvenzanfechtungsrecht zugrunde liegende Einzelsicht missachtet (StV 2015, 443 [445]). Die gem. § 133 InsO erforderliche Kenntnis des Gläubigers – hier also des Justizfiskus – von der finanziellen Situation des Gemeinschuldners begründet der IX. Zivilsenat mithilfe der Annahme, der Vollstreckungsrechtspfleger habe nach der Lektüre des gegen den Gemeinschuldner ergangenen Urteils um dessen fnnanzielle Schwierigkeiten gewusst (StV 2015, 443 [446]). Angesichts dieser Entscheidung des IX. Zivilsenats widmet sich Verf. der Frage, welche straf- und strafvollstreckungsrechtlichen Konsequenzen die erfolgreiche Anfechtung der auf die Geldstrafe geleisteten Zahlungen hat. Aufgrund eines von ihm angenommenen Doppelcharakters der Geldstrafe, führt die Insolvenzanfechtung der zur Tilgung der Geldstrafe an den Justizfiskus erbrachten Leistungen zu unterschiedlichen Folgen. Während insolvenzrechtlich der Gemeinschuldner die Geldstrafe wegen § 144 InsO erneut zu leisten habe, führe die Insolvenzanfechtung strafrechtlich nicht zum Wiederaufleben des Vollstreckungsanspruchs. Damit entfällt dann ebenfalls die Möglichkeit, gegen den Gemeinschuldner wegen der Insolvenzanfechtung gem. §§ 43 StGB, 459e StPO die Ersatzfreiheitsstrafe zu verhängen.

5. Klaus Rogall: Totgesagte leben länger! – Zur Aufgabe der Interessentheorie durch den BGH –, in: Carl-Friedrich Stuckenberg/Klaus Ferdinand Gärditz (Hrsg.), Strafe und Prozess im freiheitlichen Rechtsstaat, Festschrift für Hans-Ullrich Paeffgen zum 70. Geburtstag am 2. Juli 2015, S. 361-376.

Sonderdelikte wie der Bankrott, dessen Täterkreis seit jeher auf den Schuldner beschränkt ist, sahen sich einem – schon vom Preußischen Obertribunal identifizierten (GA 23 [1875], 31 ff.) – Dilemma gegenüber, sobald die Position des Schuldners ein Personenverband und nicht eine natürliche Person bekleidete. Da der Personenverband nicht straffähig, der den Bankrotttatbestand verwirklichende Geschäftsleiter hingegen kein tauglicher Täter ist, ließe sich das Vermögen von Personenverbänden unter bankrottstrafrechtlichen Vorzeichen gefahrlos schädigen. Um diese Lücke zu schließen, hat der Gesetzgeber Zurechnungsvorschriften geschaffen – zunächst in der Konkursordnung, heute in § 14 StGB –, mithilfe derer sich die Gemeinschuldnerstellung des Personenverbands auf die für ihn handelnden Organwalter „überwälzen“ lässt. Diese Zurechnungsoperation knüpft § 14 Abs. 1 StGB u.a. an die Voraussetzung, dass der Organwalter „als Organ“ etc. gehandelt hat. Was genau man unter der Partikel „als“ zu verstehen hat, darum rankt sich seit Inkrafttreten des § 14 StGB eine z.T. heftig geführte Debatte. Während die Rspr. seit den Zeiten des Reichsgerichts (s. etwa RGSt 42, 278 [282]; St 60, 234 [236]; St 73, 117 [120]) und damit schon unter dem Regime der konkursrechtlichen Vorläufer des heutigen § 14 StGB die Interessentheorie verfocht und den Zurechnungszusammenhang „als“ davon abhängig machte, ob der Organwalter die Schädigungshandlung – zumindest auch – im wirtschaftlichen Interesse des Personenverbands vorgenommen hatte (s. nur BGHSt 28, 371 [372]; St 30, 127; St 34, 221 [223]), vertrat das Schrifttum mehrheitlich die sog. Funktionstheorie, die in ihrer herrschenden Ausprägung danach unterschied, ob der Organwalter die Schädigungshandlung „in Ausübung“ oder lediglich „bei Gelegenheit“ seiner Tätigkeit beging (exemplarisch Labsch, wistra 1985, 59 [60]; Winkelbauer, wistra 1986, 17 [19 f.]). Viel später gesellte sich diesen beiden Meinungen ein (organisationsbezogenes) Zurechnungsmodell hinzu, dem zufolge „als Organ“ etc. nur handelt, wer entweder den Verband rechtsgeschäftlich wirksam verpflichtet oder – bei faktischen Schädigungshandlungen – im Einklang mit dem gesellschaftsrechtlich wirksamen Einverständnis der Gesellschafter agiert (dazu nur Brand, NStZ 2010, 9 [12 f.]; Radtke/Hoffmann, NStZ 2012, 91 [93]). Der BGH hat vor einigen Jahren die Interessentheorie aufgegeben und sich dem (organisationsbezogenen) Zurechnungsmodell angenähert – jedenfalls soweit rechtsgeschäftliche Schädigungshandlungen betroffen sind (BGHSt 57, 229 [237 f.] = NJW 2012, 2366 [2368 f.]). Verf. kritisiert diese Kehrtwende und wirft der Funktionstheorie sowie dem (organisationsbezogenen) Zurechnungsmodell vor, die Voraussetzungen, unter denen § 14 StGB das Statusmerkmal „Schuldner“ „überwälzt“, nicht sachgerecht erklären zu können (S. 373 f.). Stattdessen plädiert er dafür, an der Interessentheorie im Grundsatz festzuhalten (S. 375). Insbesondere die zahlreichen Einwände, mit denen die Interessentheorie seit jeher zu kämpfen hat – exemplarisch seien nur erwähnt: regelmäßige Straflosigkeit bei Buchführungs- und Bilanzierungsverstößen, fehlende Vereinbarkeit mit der in § 283 StGB vorgesehenen Fahrlässigkeitsstrafbarkeit – sind Verf. zufolge nicht geeignet, um die Interessentheorie nachhaltig zu diskreditieren (S. 367 ff.).

6. Raimund Weyand: Faktische Geschäftsführung – eine aktuelle Bestandsaufnahme, ZInsO 36/2015, S. 1773-1777.

Zu den schillerndsten Figuren des Wirtschaftsstrafrechts gehört der faktische Geschäftsführer. Während heute weitgehend unstreitig ist, dass der fehlerhaft bestellte Geschäftsleiter tauglicher Täter auch der Geschäftsleitersonderdelikte (etwa §§ 82 GmbHG, 399 AktG, 15a InsO) sein kann, gilt vergleichbares nicht für den faktischen Geschäftsleiter, der ohne einen intentionalen, wenn auch unwirksamen Bestellungsakt in sein Amt gelangt ist (zur terminologischen Unterscheidung s. nur K. Schmidt, in: Festschr. f. Rebmann, 1989, S. 419 [423 f.]). Zwar steht die Rspr. schon lange auf dem Standpunkt, tauglicher Täter der Geschäftsleitersonderdelikte könne auch der faktische Geschäftsleiter sein (s. nur BGHSt 46, 62 [64]; St 33, 21 [24]; St 31, 118 [119]; St 21, 101 [103]). Im Schrifttum mehren sich jedoch die Stimmen, die sub specie Gesetzlichkeitsprinzip und Bestimmtheitsgebot an dieser Rspr. z.T. heftige Kritik üben (exemplarisch Montag, Die Anwendung der Strafvorschriften des GmbH-Rechts auf faktische Geschäftsführer, 1994, S. 65 ff.). Verf. zeichnet in seinem Beitrag die Rechtsprechungsentwicklung nach und legt dar, unter welchen Voraussetzungen die Rspr. zur Annahme faktischer Geschäftsführung gelangt.

7. Tobias Ceffinato: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 18.12.2014 – 4 StR 323/14 und 4 StR 324/14, StV 7/2015, S. 442-443.

In dem Beschluss des vierten Strafsenats, der Gegenstand der Entscheidungsanmerkung ist, überträgt der BGH seine Rspr. zum faktischen Organ auf die Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4, 5 InsO. Angesichts des Wortlauts – § 15a Abs. 1 InsO beschreibt den Täterkreis rechtsformneutral und adressiert die Insolvenzantragspflicht an die „Mitglieder des Vertretungsorgans – stuft Verf. das Unternehmen, neben dem bestellten auch den faktischen GmbH-Geschäftsführer auf die Täterliste des § 15a Abs. 4, 5 InsO zu setzen, als unzulässige, weil täterbelastende Analogie ein. Darüber hinaus hält Verf. der h.M. vor, sie praktiziere eine Art „Rosinentheorie“, indem sie nicht nur den faktischen, sondern auch den Strohmann-Geschäftsführer in die strafrechtliche Pflicht nehme. Auch sei es kaum nachvollziehbar, das Merkmal „Geschäftsführer“ bzw. „Mitglied des Vertretungsorgans“ mithilfe der tatsächlichen Betrachtungsweise zu konkretisieren – einer Betrachtungsweise, die bei der Interpretation der Statusmerkmale „Schuldner“ und „Arbeitgeber“ längst überwunden sei. An diesem Ergebnis ändere schließlich auch der Wille des Gesetzgebers nichts, der, als er den rechtsformneutralen § 15a InsO schuf, der Rspr. des BGH zum faktischen Geschäftsführer nicht den Boden habe entziehen wollen. Denn ein wie auch immer beschaffener Wille des Gesetzgebers erlaube es der Strafrechtsprechung nicht, sich zulasten des Täters über einen eindeutigen Wortlaut hinwegzusetzen.

8. Anke Hadamitzky: Die Bedeutung der Rangrücktrittsvereinbarung im „Insolvenzstrafrecht“, ZInsO 36/2015, S. 1778-1786.

Bekanntlich hat der Gesetzgeber des MoMiG mit § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG dem von der Rspr. kreierten Eigenkapitalersatzrecht die Grundlage entzogen. Stattdessen hat der MoMiG-Gesetzgeber mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO eine Vorschrift geschaffen, die sämtliche Gesellschafterdarlehen – unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Gesellschafter das Darlehen gewährt hat – für das Stadium des Insolvenzverfahrens subordiniert. Trotz dieses gesetzlich angeordneten Nachrangs konnte sich der MoMiG-Gesetzgeber aber nicht dazu durchringen, Gesellschafterdarlehen von der Passivierungspflicht im Überschuldungsstatus auszunehmen. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO sind nur solche Gesellschafterdarlehen von der Passivierungspflicht entbunden, für die der darleihende Gesellschafter gem. § 39 Abs. 2 InsO den Rangrücktritt hinter die Ränge der Nrn. 1-5 des § 39 Abs. 1 InsO etklärt hat. Wie dieser Rangrücktritt beschaffen sein muss, um die Wirkungen des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO herbeizuführen, datüber herrschte lange keine Einigkeit. Der IX. Zivilsenat des BGH hat diese Frage jüngst entschieden und einen qualifizierten Rangrücktritt gefordert. Nach Ansicht des IX. Zi- vilsenats muss der Rangrücktritt eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre begründen (BGH, GmbHR 2015, 472 [474]). Konkret fordert der IX. Zivilsenat eine mit „dinglicher Kraft“ ausgestattete Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger, die dahin geht, nur solche Zahlungen auf die subordinierte Forderung zu gestatten, die der Schuldner aus freien, nicht zur Schuldendeckung erforderlichen Mitteln erbringen kann („verfügender Schuldänderungsvertrag“; dazu BGH, GmbHR 2015, 472 [476]). Welche strafrechtlichen Konsequenzen es hat, wenn der Geschäftsführer entgegen dem qualifizierten Rangrücktritt das Darlehen an den Gesellschafter zurückbezahlt, erörtert Verf. in ihrem Beitrag und gelangt dabei zu dem Ergebnis, dass sich der Geschäftsführer regelmäßig in Tateinheit wegen Bankrotts und Untreue strafbar macht (vgl. S. 1782 ff.).

II. Kommentare/Handbücher

1. Müller-Gugenberger (Hrsg.), Handbuch des Wirtschafts- und -ordnungswidrigkeitenstrafrechts, 6. Aufl. 2015, Otto Schmidt Verlag, 189,00 €, ISBN 978-3-504-40042-2.

In sechster Auflage liegt nunmehr der Klassiker des Wirtschaftsstrafrechts, der „Müller-Gugenberger“ vor. Auch in der sechsten Auflage hat der „Müller-Gugenberger“ sein aufbautechnisches Alleinstellungsmerkmal beibehalten und erörtert das Wirtschaftsstrafrecht anhand der Lebensphasen eines Unternehmens. Dieser Aufbau ist zwar durchaus interessant und eröffnet dem Leser Einblicke, die ihm bei einem konventionellen Aufbau, der die einzelnen Delikte nacheinander abhandelt, eher verborgen bleiben, bereitet gelegentlich aber Schwierigkeiten, etwa wenn es darum geht, rasch an Informationen zu einer bestimmten Frage zu gelangen. Das hier allein interessierende Insolvenzstrafrecht, ist im vierten Kapitel des „Müller-Gugenberger“ enthalten und wird von Hans Richter kommentiert.

a) An den Anfang seiner Ausführungen stellt Verf. einen Abschnitt (§ 75), der einen Über- blick über die denkbaren Beendigungsverfahren einer wirtschaftlichen Unternehmung gibt, drren rechtliche Voraussetzungen benennt sowie deren Ablauf schildert. Ebenfalls unter § 75 wendet sich Verf. ganz allgemein der nach wie vor stark umstrittenen Frage zu, ob die Krisenmerkmale der §§ 283 ff. StGB insolvenzrechtsakzessorisch oder aber strafrechtsautonom auszulegen sind und plädiert dabei – im Grds. überzeugend – für eine (strikt) insolvenzrechtsakzessorische Lesart. Wenn sich Verf. zur Begründung seiner Ansicht auf die Rspr. des BGH beruft, der die insolvenzrechtsakzessorische Interpretation der Krisenmerkmale anerkannt habe (Rdnr. 52), überzeugt das nur bedingt, hat sich doch der BGH im Kontext der §§ 283 ff. StGB bislang nur zur Auslegung des Merkmals „Zahlungsunfähigkeit“ geäußert. Im Übrigen macht Verf. nicht deutlich, ob er strafrechtliche Besonderheiten, wie den in-dubio-Grds., das Bestimmtheitsgebot etc. seinem insolvenzrechtsakzessorischen Interpretationsmodell integrieren will oder stattdessen einen strikt akzessorischen Ansatz verficht. Seine Ablehnung der funktional-insolvenzrechtlichen Akzessorietät (vgl. Rdnr. 52) legt letzteres nahe.

b) Ein eigenes Kapitel (§ 77) widmet Verf. den strafrechtlichen Risiken, die sich infolge der Änderungen am Insolvenzrecht durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) ergeben. Dass literarische Stellungnahmen zu diesem Themenkreis weitgehend fehlen, wie Verf. unter Rdnrn. 1 f. bedauernd moniert, trifft freilich so nicht zu, hat doch der Rezensent in KTS 2014, 1 ff. umfassend zu den insolvenzstrafrechtlichen Risiken Stellung genommen, die mit einem Missbrauch des neugeschaffenen Schutzschirmverfahrens einhergehen. Überzeugend stellt sich Verf. auf den Standpunkt, wonach der Tatvariante des fehlerhaften Antrags (vgl. § 15 Abs.4 Var. 2 InsO) nicht nur unzulässige Insolvenzanträge unterfallen, da diese bereits § 15a Abs. 4 Var. 1, 3 InsO erfasst (Rdnr. 6; dazu auch schon Brand, KTS 2014, 1 [14]). Auf Grundlage dieser Erkenntnis gelangt Verf. sodann – und zu Recht – zu dem Ergebnis, dass sich der Schuldner, der im Schutzschirmverfahren gegenüber dem Insolvenzgericht seine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit verschweigt und stattdessen seinen Antrag auf Überschuldung bzw. drohende Zahlungsunfähigkeit stützt, wegen Insolvenzverschleppung strafbar macht (Rdnr. 9). Ob das freilich nur gilt, wenn die unzutreffenden, die eingetretene Zahlungsunfähigkeit verschleiernden Tatsachen die Amtsermittlung seitens des Insolvenzgerichts konterkarieren (Rdnr. 9), erscheint jedoch fraglich (s. ausf. Brand, KTS 2014, 1 [15 f.]), dürfte aber in den praktischen Konsequenzen meist keine Auswirkungen zeitigen. Denn unzutreffende Angaben werden nur selten die von Amts wegen angestellten Ermittlungen des Insolvenzgerichts unbeeinflusst lassen. Darüber hinaus will Verf. den Tatbestand der Insolvenzverschleppung auch gegen solche Manipulationen in Stellung bringen, die die Eignung bzw. Unabhängigkeit des Sanierungsbescheinigers betreffen (vgl. Rdnr. 20). Angesichts der Gefahren, die den Gläubigern aufgrund eines erschlichenen Schutzschirmverfahrens drohen (s. Brand, KTS 2014, 1 [7 ff., 14 ff.]), erscheint diese Annahme nicht unplausibel. Gemäß § 270b Abs. 4 Satz 2 InsO sind der Schuldner und der vorläufige Sachwalter verpflichtet, dem Insolvenzgericht den Eintritt von Zahlungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen. Unterlassen sie das, um unter dem Schutzschirm des § 270b InsO das Unternehmen weiter zu betreiben, soll nach Ansicht des Verf. für den Sachwalter eine Strafbarkeit wegen Untreue im Raum stehen (Rdnr. 16). Der Schuldner scheint nach der Konzeption des Verf. hingegen straflos zu bleiben (vgl. Rdnr. 16). Während es zwar überzeugt, den Schuldner, der die Zahlungsunfähigkeit dem Insolvenzgericht nicht anzeigt, nicht wegen Insolvenzverschleppung zur Verantwortung zu ziehen (s. auch § 80 Rdnr. 45; so auch schon Brand, KTS 2014, 1 [16]), ist es durchaus möglich, ihn gem. § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB zu bestrafen (s. dazu Brand, KTS 2014, 1 [22]). Ob Schuldner und Sanierungsbescheiniger daneben auch eine Betrugsstrafbarkeit droht, wenn sie mithilfe unzutreffender Angaben die Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens erschleichen, wie es Verf. vorzuschweben scheint (vgl. Rdnrn. 21 f.), ist mit Blick auf das Erfordernis einer Absicht, sich stoffgleich zu bereichern, eher zweifelhaft. Die Schäden, die den Gläubigern aufgrund des zu Unrecht eröffneten Schutzschirmverfahrens drohen, werden regelmäßig nicht ihr Spiegelbild in den Vorteilen finden, die Schuldner und Sanierungsberater mit dem Schutzschirmverfahren erstreben. Das aber wäre erforderlich, um die Absicht stoffgleicher Bereicherung feststellen zu können. – Prozessual hält Verf. die Sanierungsbescheinigung, die der Schuldner vorlegen muss, will er unter den Schutzschirm des § 270b InsO schlüpfen, für durch die Strafverfolgungsbehörden verwertbar. Das Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO hindere einen Rückgriff auf das Sanierungsgutachten nicht (vgl. Rdnr. 8 und erg. § 76 Rdnr. 38). Diese Ansicht dürfte mit dem herrschenden Verständnis von § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO harmonieren, überzeugt aber aus den vom Rezensenten an anderer Stelle ausgeführten Erwägungen nicht (vgl. Brand/Kanzler, wistra 2014, 334 [337 ff.]).

c) Im Anschluss an die §§ 78 und 79, die sich ausführlich mit den Krisenmerkmalen der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung beschäftigen, gegenüber der noch von Klaus Bieneck verantworteten Vorauflage aber keine grundlegenden Neuerungen enthalten und deshalb hier nicht näher betrachtet werden, widmet sich Verf. dem für die Praxis eminent wichtigen und für die Dogmatik besonders reizvollen Tatbestand der Insolvenzverschleppung (unter § 80). Die Praxisrelevanz der strafbaren Insolvenzverschleppung hängt – worauf Verf. in Rdnrn. 6 und 9 hinweist – zum einen mit der Möglichkeit, neben der vorsätzlichen auch die fahrlässige Insolvenzverschleppung zu ahnden und zum anderen mit der gegenüber anderen Delikten leichteren Nachweisbarkeit zusammen. Der dogmatische Reiz, den § 15a InsO auch für das Strafrecht entfaltet, beruht auf der neu geschaffenen Handlungsvariante des „nicht richtig“ gestellten Antrags, der Verf. ausführliche Überlegungen widmet (Rdnrn.53ff.). Überzeugend votiert Verf. zunächst dafür, dass die Tatvariante des „nicht richtigen“ Antrags erst Relevanz gewinnt, wenn der Schuldner einen insolvenzrechtlich zulässigen Pflichtantrag gestellt hat (Rdnr. 53). Sodann stellt er sich auf den Standpunkt, dem Merkmal „nicht richtig“ nur solche Anträge zu subsumieren, die Falschangaben enthalten, aufgrund derer das Insolvenzgericht in seiner Amtsermittlung behindert wird. So will Verf. etwa den Schuldner, der einen Insolvenzantrag stellt und dabei behauptet, ihm drohe die Zahlungsunfähigkeit, obschon seine Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten ist, völlig zu Recht gem. § 15a Abs. 4 Var. 2 InsO bestrafen (Rdnr. 55). – Folgende weitere Punkte verdienen noch besonders hervorgehoben zu werden:

aa) Skeptisch bewertet Verf. die Rechtsprechung, wonach ein Insolvenzantrag nach seiner Abweisung mangels Masse nicht erneut gestellt werden muss, falls im Rahmen eines sich an die Abweisung anschließenden Liquidationsverfahrens unbekannte Vermögensgegenstände auftauchen. Der Schutzzweck des § 15a Abs. 4, 5 InsO werde durch diese Spruchpraxis ausgehöhlt (Rdnr. 51).

bb) Unter den Rdnrn. 35 f. erörtert Verf. das mit dem MoMiG neu geschaffene Institut der Führungslosigkeit. Danach trifft die Gesellschafter – bzw. die Mitglieder des Aufsichtsrats bei einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft – die gem. § 15a Abs. 4, 5 InsO strafbewehrte Insolvenzantragspflicht des § 15a Abs. 1 InsO, falls die Gesellschaft über kein Geschäftsleitungsorgan verfügt. Wann sich eine Gesellschaft im Zustand der Führungslosigkeit befindet, ist bis heute nicht umfassend geklärt und besonders für die Konstellationen umstritten, in denen die Gesellschaft nur über einen faktischen Geschäftsleiter verfügt. Nach der zutr. Ansicht des Verf. steht das Vorhandensein eines faktischen Geschäftsleiters der Annahme von Führungslosigkeit entgegen (vgl. Rdnr. 35; so auch schon Brand/Brand, NZI 2010, 712 [714 f.]). Die Aussage, wonach § 15a Abs. 3 InsO u.a. deshalb misslungen sei, weil er die EU-Auslandsgesellschaften nicht erfasse, trifft in dieser Pauschalität hingegen nicht zu, gibt es doch Stimmen im Schrifttum, die es interpretativ für möglich halten, auch den Gesellschaftern einer EU-Auslandsgesellschaft im Falle von Führungslosigkeit gem. § 15a Abs. 3 InsO die Antragspflicht des § 15a Abs. 1 InsO aufzubürden (so etwa Haas, in: Blersch/Goetsch/Hass (Hrsg.), Berliner Kommentar Insolvenzrecht, [41. Lfg./Mai 2012], § 15a Rdnr. 35; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen (Hrsg.), GmbHG, 7. Aufl. [2012], Vorbem. z. § 64 Rdnr. 65).

d) Unter § 81 handelt Verf. allgemeine Grundlagen des Bankrotttatbestandes ab. Neben Ausführungen zu den tauglichen Tätern sowie zum Verständnis der objektiven Strafbarkeitsbedingung des § 283 Abs. 6 StGB (Rdnrn. 65 ff.) nimmt er auch zu den Voraussetzungen Stellung, die vorliegen müssen, um bspw. einem Organwalter die Gemeinschuldnerposition des von ihm vertretenen Verbands gem. § 14 Abs. 1 StGB zuzurechnen (Rdnrn. 53 ff.). Ausführlich listet Verf. zunächst die Argumente auf, die gegen die früher von der Rspr. verfochtene Interessentheorie sprechen. Allerdings trifft der Vorwurf der Inkonsequenz (vgl. Rdnr. 56) jedenfalls insofern nicht zu, als die Rspr. im Kontext der Buchführungs- und Bilanzdelikte nicht stets eine Ausnahme von ihrer Interessentheorie machte, sondern diese durchaus auch hier gelegentlich anwandte (vgl. BGH wistra 1982, 148 [149] sowie BGH wistra 2000, 136 [137]). Im Anschluss hieran erörtert Verf. sodann, wohin die Rspr. bei der Interpretation der Partikel „als“ geht, nachdem sie die Interessentheorie verabschiedet hat (Rdnrn. 61 ff.). Dabei bleibt leider unerwähnt, dass dem BGH in seiner jüngsten Entscheidung zum Thema nicht jede rechtsgeschäftliche Schädigungshandlung, die der potentielle Zurechnungsadressat im Namen der Gesellschaft vornimmt, genügt, um den Zurechnungsmechanismus des § 14 StGB zu aktivieren, sondern nur solche, die die Gesellschaft wirksam rechtsgeschäftlich binden (BGHSt 57, 229 [237 f.] = NJW 2012, 2366 [2368 f.] m. Anm. Brand und Wessing, EWiR 2012, 609 = ZWH 2012, 357 ff. m. Anm. Kudlich).

e) Einen eigenen Abschnitt (§ 82) widmet Verf. der Frage, welche strafrechtlichen Konse- quenzen die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen haben kann. Vor Inkrafttreten des Mo- MiG herrschte die Ansicht vor, dass der Geschäftsführer, der im Stadium der Gesellschaftskrise sog. eigenkapitalersetzende Darlehen an die Gesellschafter zurückzahlte sich entweder wegen Untreue oder Bankrotts strafbar machte (vgl. etwa Rdnrn. 13 ff.). Nachdem der Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen eigenkapitalersetzenden und „normalen“ Gesellschafterdarlehen im Zuge der MoMiG-Reform aufgegeben und nunmehr sämtliche Gesellschafterdarlehen, egal wann der Gesellschafter sie der Gesellschaft gewährt hat, einem Nachrang in der Insolvenz unterworfen hat (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), herrscht Streit um die insolvenzstrafrechtlichen Folgen, die ein Geschäftsleiter gewärtigen muss, der trotz anhaltender Gesellschaftskrise ein solches Darlehen zurückführt. Verf. plädiert dafür, den Geschäftsleiter, der etwa bei bevorstehender Insolvenzreife ein Gesellschafterdarlehen zurückführt, wegen Untreue bzw. wegen Bankrotts zu bestrafen (Rdnr. 24).

f) Es ließe sich noch viel mehr zu der umfassenden Kommentierung des Insolvenzstrafrechts durch Hans Richter sagen – das würde aber den Rahmen sprengen. Fest steht jedenfalls, dass dem Verf. eine übersichtliche, die aktuellen Problemlagen aufgreifende und zudem tiefgehende Darstellung dieser schwierigen Materie gelungen ist. Der „Müller-Gugenberger“ sollte deshalb auf dem Schreibtisch eines im Insolvenzstrafrecht Tätigen nicht fehlen!

2. Uhlenbruck/Hirte/Vallender (Hrsg.), Insolvenzordnung, 14. Aufl. 2015, Verlag Franz Vahlen, 259,00 €, ISBN 978-3-8006-4664-7.

Es entspricht mittlerweile guter Tradition dieser Literaturübersicht neben insolvenzstrafrechtlichen auch originär insolvenzrechtliche Werke vorzustellen, benötigt doch der Insolvenzstrafrechtler, will er seiner Tätigkeit angemessen nachkommen, auch vertiefte insolvenzrechtliche Kenntnisse. Im Berichtszeitraum ist die Neuauflage des Standardwerks zum Insolvenzrecht erschienen, das auch Juristen, die sich mit dem Insolvenzrecht kaum oder überhaupt nicht beschäftigen, ein Begriff sein dürfte: der „Uhlenbruck“. Im Mittelpunkt der nachfolgenden Besprechung werden die Kommentierungen der §§ 15a, 97 InsO stehen, die für den Insolvenzstrafrechtler naturgemäß von besonderem Interesse sind.

a) Wie schon in der Vorauflage kommentiert den für das Insolvenzstrafrecht besonders relevanten § 15a InsO Heribert Hirte. Bekanntlich hat der Gesetzgeber mit dem MoMiG die zuvor über das gesamte Gesellschaftsrecht verstreuten Insolvenzantragspflichten bis auf wenige Ausnahmen, wie die Antragspflicht des Vereinsvorstands gem. § 42 BGB und die Anzeigepflicht bei Kreditinstituten (vgl. § 46b KWG), in einer Vorschrift, nämlich dem § 15a InsO, vereinigt. Mit der Wahl der Insolvenzordnung als neuem Standort der Insolvenzantragspflicht verfolgte der MoMiG-Gesetzgeber v.a. das Ziel, auch die Geschäftsleiter der EU-Auslandsgesellschaften dieser Pflicht zu unterwerfen. Ob ihm dies gelungen, ob also § 15a InsO international-privatrechtlich als eine insolvenzrechtliche Vorschrift zu qualifizieren ist, darüber herrscht keine Einigkeit und daran sind jüngst erst wieder verstärkt Zweifel aufgekommen, nachdem der Gesetzgeber den § 15a Abs. 6 InsO geschaffen hat, der eine Bereichsausnahme von der Antragspflicht des § 15a Abs. 1 InsO für Vereinsvorstände vorsieht (vgl. auch Rdnr. 3). Die Zweifel an der Erfassung der EU-Auslandsgesellschaften durch § 15a InsO vergrößern sich noch, blickt man auf den Wortlaut des § 15a Abs. 3 InsO, der die Konstellationen der sog. Führungslosigkeit regelt, dabei aber nur Rechtsträger inländischer Provenienz nennt (vgl. Rdnr. 61). Keine Auswirkungen auf die Führungslosigkeit soll nach Ansicht des Verf. die Existenz eines faktischen Geschäftsführers haben (Rdnr.62). Unter den Rdnrn. 64 ff. widmet sich Verf. dem nunmehr in § 15a Abs. 4, 5 InsO enthaltenen Straftatbestand. Völlig zu Recht stellt er sich dabei auf den Standpunkt, dass es das Analogieverbot verbietet, den Geschäftsführer einer Vor-GmbH, der seiner Antragspflicht analog § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO nicht fristgerecht nachkommt (Rdnr. 2), gem. § 15a Abs. 4, 5 InsO zu bestrafen (Rdnr. 64). Für mit dem Analogieverbot ebenfalls unvereinbar hält Verf. die von der Rspr. geteilte h.M., auch den faktischen Geschäftsführer, der es unterlässt, seiner Antragspflicht nachzukommen, gem. § 15a Abs. 4, 5 InsO zu bestrafen (Rdnr. 64). Keine näheren Ausführungen finden sich leider zu der die Praxis derzeit besonders beschäftigenden Frage, was genau man unter einem „nicht richtigen“ Insolvenzantrag i.S.v. § 15a Abs. 4 Var. 2 InsO zu verstehen hat.

b) Die Kommentierung der strafprozessual interessanten, im Rahmen der Verteidigerstrategie aber gleichwohl ein Schattendasein fristenden Vorschrift des § 97 InsO hat in der vierzehnten Auflage des „Uhlenbruck“ Helmut Zipperer übernommen. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Insolvenzschuldner verpflichtet, einem dort näher bezeichneten Adressatenkreis über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu erteilen. Diese Auskunftserteilungspflicht bezieht sich gem. § 97 Abs. 1 Satz 2 InsO ausdrücklich auch auf solche Tatsachen, deren Offenbarung geeignet ist, den Insolvenzschuldner oder einen Angehörigen der Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit auszusetzen. Als Reaktion auf den sog. „Gemeinschuldner-Beschluss“, in dem das BVerfG den konkursrechtlichen Vorläufer des § 97 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InsO, den § 100 KO a.F., für verfassungskonform erklärt, gleichzeitig aber ausgesprochen hat, dass die selbstbelastenden Auskünfte des Schuldners in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren nicht verwertet werden dürfen, hat der Gesetzgeber das Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO geschaffen (zur Entwicklung s. Rdnr. 8). Inhalt und Reichweite dieses Verwendungsverbots sind bis heute nicht abschließend geklärt, was nicht zuletzt damit zusammen hängt, dass die Rspr. bislang kaum die Gelegenheit erhalten hat, über die Auslegung dieser Vorschrift zu entscheiden (zu diesem Befund s. Weyand, ZInsO 2015, 1948 [1949]). Nachdem Verf. umfassend und kenntnisreich zunächst den Kreis der Auskunftsberechtigten und der Auskunftsverpflichteten näher konkretisiert (Rdnrn. 4 ff.), erörtert er die Gegenstände der Auskunftspflicht (Rdnr. 7), bevor er sich dem strafprozessualen Verwendungsverbot zuwendet (Rdnrn. 9 ff.). Weitgehend Konsens herrscht immerhin insofern, als § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO ein – strafprozessual untypisches – Verwertungsverbot mit Fernwirkung statuiert. Begründet wird diese Fernwirkung v.a. mit dem Wortlaut des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO, der nicht von verwerten, sondern von verwenden spricht. An dieser Begründung meldet Verf. Zweifel an, verhalten sich ihm zufolge doch die Verben „verwerten“ und „verwenden“ synonym zueinander (Rdnr. 10). Die These vom synonymen Bedeutungsgehalt der beiden Verben überzeugt jedoch weder mit Blick auf die Gesetzgebungsgeschichte – der Gesetzgeber sprach zunächst von „verwerten“, bevor er zu „verwenden“ wechselte – noch in Anbetracht der Tatsache, dass der Gesetzgeber im Kontext von Verwertungsverboten keinesfalls diese beiden Verben undifferenziert nebeneinander gebraucht. Hingegen moniert Verf. völlig zu Recht die – v.a. bei den Strafverfolgungsbehörden anzutreffende – Ansicht, wonach nur erzwungene, nicht aber freiwillige Schuldnerauskünfte dem Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO unterfielen (Rdnr. 10, 13). Im Einklang mit der ganz h.M. vertritt Verf. die Ansicht, dass Geschäftsbücher und Aufzeichnungen, die der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geführt hat (vgl. §§ 238 ff. HGB), nicht dem Verwendungsverbot unterfallen (Rdnr. 13), während freiwillig geführte Aufzeichnungen – und insofern weicht er vom Standpunkt der h.M. ab – § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO erfasst (Rdnr. 13).

c) Resümierend erweist sich der „Uhlenbruck“ aus insolvenzstrafrechtlicher Sicht – anderes zu beurteilen überstiege die Kompetenz des Rezensenten – als ein von hochkarätigen Autoren verfasstes, höchst kenntnisreiches und die dem Insolvenzstrafrechtler begegnenden insolvenzrechtlichen Fragestellungen zumeist souverän beantwortendes Werk! Wer also insolvenzrechtliche Vorfragen eines insolvenzstrafrechtlichen Sachverhalts umfassend klären muss, dem sei der Gebrauch dieses Werks unbedingt empfohlen!

[:en]

 

I. Aufsatzliteratur

1. Christof Püschel/Alexander Paradissis: Die Staatsanwaltschaft als Insolvenzpolizei – eine Polemik gegen die Praxis der Ermittlungen ohne Verdacht, ZInsO 36/2015, S. 1786- 1788.

Gemäß der „Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen“ (MiZi) sind die Insolvenzgerichte – beschränkt auf gewerbliche Insolvenzen – verpflichtet, die in ihrem Bezirk eröffneten bzw. mangels Masse nicht eröffneten Insolvenzverfahren den Staatsanwaltschaften mitzuteilen. Im Anschluss an diese Mitteilung fordert die Staatsanwaltschaft regelmäßig die Insolvenzakten an, um sie auf Anhaltspunkte für Insolvenzstraftaten auszuwerten. Diese – heute gängige – Ermittlungspraxis stufen Verf. als unzulässig ein. Da weder das eröffnete noch das mangels Masse nicht eröffnete Insolvenzverfahren – von besonders gelagerten Ausnahmefällen abgesehen – den Gemeinschuldner per se dem (Anfangs-)Verdacht aussetze, er habe eine Insolvenzstraftat begangen, sei die Staatsanwaltschaft nicht befugt, die Insolvenzakten auf Hinweise für Insolvenzstraftaten zu durchforsten. An diesem Ergebnis änderten auch die Vorgaben der „Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen“ (MiZi) nichts, da die dort vorgesehene Pflicht, den Staatsanwaltschaften jede gewerbliche Insolvenz anzuzeigen, nicht mit der gesetzlichen Regelung harmonierten, die sie konkretisieren.

2. Raimund Weyand: Flucht in den § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO – Straffreiheit durch Selbstbelastung?, ZInsO 39/2015, S. 1948-1952.

Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der Schuldner im Insolvenz- und im Insolvenzeröffnungs- verfahren gegenüber dem Gericht, dem Insolvenzverwalter und dem Gläubigerausschuss über alle das Verfahren betreffende Verhältnisse umfassend Auskunft zu erteilen. Diese umfassende Auskunftspflicht gilt gem. § 97 Abs. 1 Satz 2 InsO selbst für solche Tatsachen, deren Offenbarung geeignet ist, den Schuldner oder einen Angehörigen der Strafverfolgung auszusetzen. Allerdings verbietet § 97 Abs.1 Satz 3 InsO den Strafverfolgungsbehörden solche selbstbelastenden Auskünfte zu verwenden, die der Schuldner getätigt hat, um seiner Pflicht aus § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO nachzukommen. Inhalt und Reichweite dieses Verwendungsverbots sind bis heute ungeklärt. Verf. plädiert – ganz im Einklang mit der wohl h.M. – dafür, den § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO restriktiv zu handhaben und insbesondere freiwillige Auskünfte des Schuldners, Auskünfte, die der Schuldner einem Insolvenz- oder Sanierungsgutachter erteilt hat, sowie die vom Schuldner erstellten Bücher und Bilanzen nicht am Schutz des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO teilhaben zu lassen (S. 1950 ff.). Auf der Grundlage dieses restriktiven Verständnisses spricht Verf. die Empfehlung aus, keine freiwilligen Auskünfte zu erteilen, sondern abzuwarten, bis das Insolvenzgericht zur Auskunftserteilung auffordert (S. 1952).

3. Folker Bittmann: Insolvenzverfahren und strafprozessuale Vermögensabschöpfung – Ausgestaltungsbedarf de lege ferenda, ZInsO 36/2015, S. 1758-1773.

Dem Verfall gem. den §§ 73 ff. StGB liegt der Grundsatz zugrunde, wonach der Täter das aus der Tat Erlangte nicht behalten darf. Anders ausgedrückt: Verbrechen sollen sich nicht lohnen. Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB darf der Verfall jedoch dann nicht angeordnet werden, wenn dadurch den vom Täter Verletzten die materielle Grundlage ihrer gegen den Täter bestehenden Ersatzansprüche entzogen würde. Stattdessen kann das Gericht aber die strafprozessuale Rückgewinnungshilfe (vgl. § 111i StPO) anordnen. Schwierigkeiten bei der Rückgewinnungshilfe ergeben sich freilich, wenn das noch vorhandene Vermögen des Täters nicht genügt, um alle seine Gläubiger zu befriedigen. Wie diese Schwierigkeiten de lege ferenda behoben werden könnten, dazu unterbreitet Verf. einen umfassenden Vorschlag, der im Kern darauf zielt, die Vorzüge des Insolvenzverfahrens zur Problemlösung fruchtbar zu machen.

4. Thilo Pfordte: Strafrecht und Insolvenzrecht: Was wird aus der Strafvollstreckung nach der insolvenzrechtlichen Anfechtung?, StV 7/2015, S. 452-457.

Erneut hat der IX. Zivilsenat des BGH (StV 2015, 443) einem Insolvenzverwalter Recht gegeben, der Zahlungen gem. § 133 InsO angefochten hat, die der Gemeinschuldner an den Justizfiskus geleistet hatte, um damit eine Geldstrafe zu begleichen, zu der er verurteilt worden war. Den Einwand, durch die Zahlung der Geldstrafe seien de facto die Gläubiger begünstig worden, weil der Gemeinschuldner verhindert habe, dass gem. § 43 StGB gegen ihn eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wird und er dadurch seinen Arbeitsplatz verliert, lässt der IX. Zivilsenat nicht gelten. Wollte man bloß mittelbar erzielte finanzielle Vorteile berücksichtigen, würde die dem Insolvenzanfechtungsrecht zugrunde liegende Einzelsicht missachtet (StV 2015, 443 [445]). Die gem. § 133 InsO erforderliche Kenntnis des Gläubigers – hier also des Justizfiskus – von der finanziellen Situation des Gemeinschuldners begründet der IX. Zivilsenat mithilfe der Annahme, der Vollstreckungsrechtspfleger habe nach der Lektüre des gegen den Gemeinschuldner ergangenen Urteils um dessen fnnanzielle Schwierigkeiten gewusst (StV 2015, 443 [446]). Angesichts dieser Entscheidung des IX. Zivilsenats widmet sich Verf. der Frage, welche straf- und strafvollstreckungsrechtlichen Konsequenzen die erfolgreiche Anfechtung der auf die Geldstrafe geleisteten Zahlungen hat. Aufgrund eines von ihm angenommenen Doppelcharakters der Geldstrafe, führt die Insolvenzanfechtung der zur Tilgung der Geldstrafe an den Justizfiskus erbrachten Leistungen zu unterschiedlichen Folgen. Während insolvenzrechtlich der Gemeinschuldner die Geldstrafe wegen § 144 InsO erneut zu leisten habe, führe die Insolvenzanfechtung strafrechtlich nicht zum Wiederaufleben des Vollstreckungsanspruchs. Damit entfällt dann ebenfalls die Möglichkeit, gegen den Gemeinschuldner wegen der Insolvenzanfechtung gem. §§ 43 StGB, 459e StPO die Ersatzfreiheitsstrafe zu verhängen.

5. Klaus Rogall: Totgesagte leben länger! – Zur Aufgabe der Interessentheorie durch den BGH –, in: Carl-Friedrich Stuckenberg/Klaus Ferdinand Gärditz (Hrsg.), Strafe und Prozess im freiheitlichen Rechtsstaat, Festschrift für Hans-Ullrich Paeffgen zum 70. Geburtstag am 2. Juli 2015, S. 361-376.

Sonderdelikte wie der Bankrott, dessen Täterkreis seit jeher auf den Schuldner beschränkt ist, sahen sich einem – schon vom Preußischen Obertribunal identifizierten (GA 23 [1875], 31 ff.) – Dilemma gegenüber, sobald die Position des Schuldners ein Personenverband und nicht eine natürliche Person bekleidete. Da der Personenverband nicht straffähig, der den Bankrotttatbestand verwirklichende Geschäftsleiter hingegen kein tauglicher Täter ist, ließe sich das Vermögen von Personenverbänden unter bankrottstrafrechtlichen Vorzeichen gefahrlos schädigen. Um diese Lücke zu schließen, hat der Gesetzgeber Zurechnungsvorschriften geschaffen – zunächst in der Konkursordnung, heute in § 14 StGB –, mithilfe derer sich die Gemeinschuldnerstellung des Personenverbands auf die für ihn handelnden Organwalter „überwälzen“ lässt. Diese Zurechnungsoperation knüpft § 14 Abs. 1 StGB u.a. an die Voraussetzung, dass der Organwalter „als Organ“ etc. gehandelt hat. Was genau man unter der Partikel „als“ zu verstehen hat, darum rankt sich seit Inkrafttreten des § 14 StGB eine z.T. heftig geführte Debatte. Während die Rspr. seit den Zeiten des Reichsgerichts (s. etwa RGSt 42, 278 [282]; St 60, 234 [236]; St 73, 117 [120]) und damit schon unter dem Regime der konkursrechtlichen Vorläufer des heutigen § 14 StGB die Interessentheorie verfocht und den Zurechnungszusammenhang „als“ davon abhängig machte, ob der Organwalter die Schädigungshandlung – zumindest auch – im wirtschaftlichen Interesse des Personenverbands vorgenommen hatte (s. nur BGHSt 28, 371 [372]; St 30, 127; St 34, 221 [223]), vertrat das Schrifttum mehrheitlich die sog. Funktionstheorie, die in ihrer herrschenden Ausprägung danach unterschied, ob der Organwalter die Schädigungshandlung „in Ausübung“ oder lediglich „bei Gelegenheit“ seiner Tätigkeit beging (exemplarisch Labsch, wistra 1985, 59 [60]; Winkelbauer, wistra 1986, 17 [19 f.]). Viel später gesellte sich diesen beiden Meinungen ein (organisationsbezogenes) Zurechnungsmodell hinzu, dem zufolge „als Organ“ etc. nur handelt, wer entweder den Verband rechtsgeschäftlich wirksam verpflichtet oder – bei faktischen Schädigungshandlungen – im Einklang mit dem gesellschaftsrechtlich wirksamen Einverständnis der Gesellschafter agiert (dazu nur Brand, NStZ 2010, 9 [12 f.]; Radtke/Hoffmann, NStZ 2012, 91 [93]). Der BGH hat vor einigen Jahren die Interessentheorie aufgegeben und sich dem (organisationsbezogenen) Zurechnungsmodell angenähert – jedenfalls soweit rechtsgeschäftliche Schädigungshandlungen betroffen sind (BGHSt 57, 229 [237 f.] = NJW 2012, 2366 [2368 f.]). Verf. kritisiert diese Kehrtwende und wirft der Funktionstheorie sowie dem (organisationsbezogenen) Zurechnungsmodell vor, die Voraussetzungen, unter denen § 14 StGB das Statusmerkmal „Schuldner“ „überwälzt“, nicht sachgerecht erklären zu können (S. 373 f.). Stattdessen plädiert er dafür, an der Interessentheorie im Grundsatz festzuhalten (S. 375). Insbesondere die zahlreichen Einwände, mit denen die Interessentheorie seit jeher zu kämpfen hat – exemplarisch seien nur erwähnt: regelmäßige Straflosigkeit bei Buchführungs- und Bilanzierungsverstößen, fehlende Vereinbarkeit mit der in § 283 StGB vorgesehenen Fahrlässigkeitsstrafbarkeit – sind Verf. zufolge nicht geeignet, um die Interessentheorie nachhaltig zu diskreditieren (S. 367 ff.).

6. Raimund Weyand: Faktische Geschäftsführung – eine aktuelle Bestandsaufnahme, ZInsO 36/2015, S. 1773-1777.

Zu den schillerndsten Figuren des Wirtschaftsstrafrechts gehört der faktische Geschäftsführer. Während heute weitgehend unstreitig ist, dass der fehlerhaft bestellte Geschäftsleiter tauglicher Täter auch der Geschäftsleitersonderdelikte (etwa §§ 82 GmbHG, 399 AktG, 15a InsO) sein kann, gilt vergleichbares nicht für den faktischen Geschäftsleiter, der ohne einen intentionalen, wenn auch unwirksamen Bestellungsakt in sein Amt gelangt ist (zur terminologischen Unterscheidung s. nur K. Schmidt, in: Festschr. f. Rebmann, 1989, S. 419 [423 f.]). Zwar steht die Rspr. schon lange auf dem Standpunkt, tauglicher Täter der Geschäftsleitersonderdelikte könne auch der faktische Geschäftsleiter sein (s. nur BGHSt 46, 62 [64]; St 33, 21 [24]; St 31, 118 [119]; St 21, 101 [103]). Im Schrifttum mehren sich jedoch die Stimmen, die sub specie Gesetzlichkeitsprinzip und Bestimmtheitsgebot an dieser Rspr. z.T. heftige Kritik üben (exemplarisch Montag, Die Anwendung der Strafvorschriften des GmbH-Rechts auf faktische Geschäftsführer, 1994, S. 65 ff.). Verf. zeichnet in seinem Beitrag die Rechtsprechungsentwicklung nach und legt dar, unter welchen Voraussetzungen die Rspr. zur Annahme faktischer Geschäftsführung gelangt.

7. Tobias Ceffinato: Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 18.12.2014 – 4 StR 323/14 und 4 StR 324/14, StV 7/2015, S. 442-443.

In dem Beschluss des vierten Strafsenats, der Gegenstand der Entscheidungsanmerkung ist, überträgt der BGH seine Rspr. zum faktischen Organ auf die Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4, 5 InsO. Angesichts des Wortlauts – § 15a Abs. 1 InsO beschreibt den Täterkreis rechtsformneutral und adressiert die Insolvenzantragspflicht an die „Mitglieder des Vertretungsorgans – stuft Verf. das Unternehmen, neben dem bestellten auch den faktischen GmbH-Geschäftsführer auf die Täterliste des § 15a Abs. 4, 5 InsO zu setzen, als unzulässige, weil täterbelastende Analogie ein. Darüber hinaus hält Verf. der h.M. vor, sie praktiziere eine Art „Rosinentheorie“, indem sie nicht nur den faktischen, sondern auch den Strohmann-Geschäftsführer in die strafrechtliche Pflicht nehme. Auch sei es kaum nachvollziehbar, das Merkmal „Geschäftsführer“ bzw. „Mitglied des Vertretungsorgans“ mithilfe der tatsächlichen Betrachtungsweise zu konkretisieren – einer Betrachtungsweise, die bei der Interpretation der Statusmerkmale „Schuldner“ und „Arbeitgeber“ längst überwunden sei. An diesem Ergebnis ändere schließlich auch der Wille des Gesetzgebers nichts, der, als er den rechtsformneutralen § 15a InsO schuf, der Rspr. des BGH zum faktischen Geschäftsführer nicht den Boden habe entziehen wollen. Denn ein wie auch immer beschaffener Wille des Gesetzgebers erlaube es der Strafrechtsprechung nicht, sich zulasten des Täters über einen eindeutigen Wortlaut hinwegzusetzen.

8. Anke Hadamitzky: Die Bedeutung der Rangrücktrittsvereinbarung im „Insolvenzstrafrecht“, ZInsO 36/2015, S. 1778-1786.

Bekanntlich hat der Gesetzgeber des MoMiG mit § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG dem von der Rspr. kreierten Eigenkapitalersatzrecht die Grundlage entzogen. Stattdessen hat der MoMiG-Gesetzgeber mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO eine Vorschrift geschaffen, die sämtliche Gesellschafterdarlehen – unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Gesellschafter das Darlehen gewährt hat – für das Stadium des Insolvenzverfahrens subordiniert. Trotz dieses gesetzlich angeordneten Nachrangs konnte sich der MoMiG-Gesetzgeber aber nicht dazu durchringen, Gesellschafterdarlehen von der Passivierungspflicht im Überschuldungsstatus auszunehmen. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO sind nur solche Gesellschafterdarlehen von der Passivierungspflicht entbunden, für die der darleihende Gesellschafter gem. § 39 Abs. 2 InsO den Rangrücktritt hinter die Ränge der Nrn. 1-5 des § 39 Abs. 1 InsO etklärt hat. Wie dieser Rangrücktritt beschaffen sein muss, um die Wirkungen des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO herbeizuführen, datüber herrschte lange keine Einigkeit. Der IX. Zivilsenat des BGH hat diese Frage jüngst entschieden und einen qualifizierten Rangrücktritt gefordert. Nach Ansicht des IX. Zi- vilsenats muss der Rangrücktritt eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre begründen (BGH, GmbHR 2015, 472 [474]). Konkret fordert der IX. Zivilsenat eine mit „dinglicher Kraft“ ausgestattete Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger, die dahin geht, nur solche Zahlungen auf die subordinierte Forderung zu gestatten, die der Schuldner aus freien, nicht zur Schuldendeckung erforderlichen Mitteln erbringen kann („verfügender Schuldänderungsvertrag“; dazu BGH, GmbHR 2015, 472 [476]). Welche strafrechtlichen Konsequenzen es hat, wenn der Geschäftsführer entgegen dem qualifizierten Rangrücktritt das Darlehen an den Gesellschafter zurückbezahlt, erörtert Verf. in ihrem Beitrag und gelangt dabei zu dem Ergebnis, dass sich der Geschäftsführer regelmäßig in Tateinheit wegen Bankrotts und Untreue strafbar macht (vgl. S. 1782 ff.).

II. Kommentare/Handbücher

1. Müller-Gugenberger (Hrsg.), Handbuch des Wirtschafts- und -ordnungswidrigkeitenstrafrechts, 6. Aufl. 2015, Otto Schmidt Verlag, 189,00 €, ISBN 978-3-504-40042-2.

In sechster Auflage liegt nunmehr der Klassiker des Wirtschaftsstrafrechts, der „Müller-Gugenberger“ vor. Auch in der sechsten Auflage hat der „Müller-Gugenberger“ sein aufbautechnisches Alleinstellungsmerkmal beibehalten und erörtert das Wirtschaftsstrafrecht anhand der Lebensphasen eines Unternehmens. Dieser Aufbau ist zwar durchaus interessant und eröffnet dem Leser Einblicke, die ihm bei einem konventionellen Aufbau, der die einzelnen Delikte nacheinander abhandelt, eher verborgen bleiben, bereitet gelegentlich aber Schwierigkeiten, etwa wenn es darum geht, rasch an Informationen zu einer bestimmten Frage zu gelangen. Das hier allein interessierende Insolvenzstrafrecht, ist im vierten Kapitel des „Müller-Gugenberger“ enthalten und wird von Hans Richter kommentiert.

a) An den Anfang seiner Ausführungen stellt Verf. einen Abschnitt (§ 75), der einen Über- blick über die denkbaren Beendigungsverfahren einer wirtschaftlichen Unternehmung gibt, drren rechtliche Voraussetzungen benennt sowie deren Ablauf schildert. Ebenfalls unter § 75 wendet sich Verf. ganz allgemein der nach wie vor stark umstrittenen Frage zu, ob die Krisenmerkmale der §§ 283 ff. StGB insolvenzrechtsakzessorisch oder aber strafrechtsautonom auszulegen sind und plädiert dabei – im Grds. überzeugend – für eine (strikt) insolvenzrechtsakzessorische Lesart. Wenn sich Verf. zur Begründung seiner Ansicht auf die Rspr. des BGH beruft, der die insolvenzrechtsakzessorische Interpretation der Krisenmerkmale anerkannt habe (Rdnr. 52), überzeugt das nur bedingt, hat sich doch der BGH im Kontext der §§ 283 ff. StGB bislang nur zur Auslegung des Merkmals „Zahlungsunfähigkeit“ geäußert. Im Übrigen macht Verf. nicht deutlich, ob er strafrechtliche Besonderheiten, wie den in-dubio-Grds., das Bestimmtheitsgebot etc. seinem insolvenzrechtsakzessorischen Interpretationsmodell integrieren will oder stattdessen einen strikt akzessorischen Ansatz verficht. Seine Ablehnung der funktional-insolvenzrechtlichen Akzessorietät (vgl. Rdnr. 52) legt letzteres nahe.

b) Ein eigenes Kapitel (§ 77) widmet Verf. den strafrechtlichen Risiken, die sich infolge der Änderungen am Insolvenzrecht durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) ergeben. Dass literarische Stellungnahmen zu diesem Themenkreis weitgehend fehlen, wie Verf. unter Rdnrn. 1 f. bedauernd moniert, trifft freilich so nicht zu, hat doch der Rezensent in KTS 2014, 1 ff. umfassend zu den insolvenzstrafrechtlichen Risiken Stellung genommen, die mit einem Missbrauch des neugeschaffenen Schutzschirmverfahrens einhergehen. Überzeugend stellt sich Verf. auf den Standpunkt, wonach der Tatvariante des fehlerhaften Antrags (vgl. § 15 Abs.4 Var. 2 InsO) nicht nur unzulässige Insolvenzanträge unterfallen, da diese bereits § 15a Abs. 4 Var. 1, 3 InsO erfasst (Rdnr. 6; dazu auch schon Brand, KTS 2014, 1 [14]). Auf Grundlage dieser Erkenntnis gelangt Verf. sodann – und zu Recht – zu dem Ergebnis, dass sich der Schuldner, der im Schutzschirmverfahren gegenüber dem Insolvenzgericht seine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit verschweigt und stattdessen seinen Antrag auf Überschuldung bzw. drohende Zahlungsunfähigkeit stützt, wegen Insolvenzverschleppung strafbar macht (Rdnr. 9). Ob das freilich nur gilt, wenn die unzutreffenden, die eingetretene Zahlungsunfähigkeit verschleiernden Tatsachen die Amtsermittlung seitens des Insolvenzgerichts konterkarieren (Rdnr. 9), erscheint jedoch fraglich (s. ausf. Brand, KTS 2014, 1 [15 f.]), dürfte aber in den praktischen Konsequenzen meist keine Auswirkungen zeitigen. Denn unzutreffende Angaben werden nur selten die von Amts wegen angestellten Ermittlungen des Insolvenzgerichts unbeeinflusst lassen. Darüber hinaus will Verf. den Tatbestand der Insolvenzverschleppung auch gegen solche Manipulationen in Stellung bringen, die die Eignung bzw. Unabhängigkeit des Sanierungsbescheinigers betreffen (vgl. Rdnr. 20). Angesichts der Gefahren, die den Gläubigern aufgrund eines erschlichenen Schutzschirmverfahrens drohen (s. Brand, KTS 2014, 1 [7 ff., 14 ff.]), erscheint diese Annahme nicht unplausibel. Gemäß § 270b Abs. 4 Satz 2 InsO sind der Schuldner und der vorläufige Sachwalter verpflichtet, dem Insolvenzgericht den Eintritt von Zahlungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen. Unterlassen sie das, um unter dem Schutzschirm des § 270b InsO das Unternehmen weiter zu betreiben, soll nach Ansicht des Verf. für den Sachwalter eine Strafbarkeit wegen Untreue im Raum stehen (Rdnr. 16). Der Schuldner scheint nach der Konzeption des Verf. hingegen straflos zu bleiben (vgl. Rdnr. 16). Während es zwar überzeugt, den Schuldner, der die Zahlungsunfähigkeit dem Insolvenzgericht nicht anzeigt, nicht wegen Insolvenzverschleppung zur Verantwortung zu ziehen (s. auch § 80 Rdnr. 45; so auch schon Brand, KTS 2014, 1 [16]), ist es durchaus möglich, ihn gem. § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB zu bestrafen (s. dazu Brand, KTS 2014, 1 [22]). Ob Schuldner und Sanierungsbescheiniger daneben auch eine Betrugsstrafbarkeit droht, wenn sie mithilfe unzutreffender Angaben die Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens erschleichen, wie es Verf. vorzuschweben scheint (vgl. Rdnrn. 21 f.), ist mit Blick auf das Erfordernis einer Absicht, sich stoffgleich zu bereichern, eher zweifelhaft. Die Schäden, die den Gläubigern aufgrund des zu Unrecht eröffneten Schutzschirmverfahrens drohen, werden regelmäßig nicht ihr Spiegelbild in den Vorteilen finden, die Schuldner und Sanierungsberater mit dem Schutzschirmverfahren erstreben. Das aber wäre erforderlich, um die Absicht stoffgleicher Bereicherung feststellen zu können. – Prozessual hält Verf. die Sanierungsbescheinigung, die der Schuldner vorlegen muss, will er unter den Schutzschirm des § 270b InsO schlüpfen, für durch die Strafverfolgungsbehörden verwertbar. Das Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO hindere einen Rückgriff auf das Sanierungsgutachten nicht (vgl. Rdnr. 8 und erg. § 76 Rdnr. 38). Diese Ansicht dürfte mit dem herrschenden Verständnis von § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO harmonieren, überzeugt aber aus den vom Rezensenten an anderer Stelle ausgeführten Erwägungen nicht (vgl. Brand/Kanzler, wistra 2014, 334 [337 ff.]).

c) Im Anschluss an die §§ 78 und 79, die sich ausführlich mit den Krisenmerkmalen der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung beschäftigen, gegenüber der noch von Klaus Bieneck verantworteten Vorauflage aber keine grundlegenden Neuerungen enthalten und deshalb hier nicht näher betrachtet werden, widmet sich Verf. dem für die Praxis eminent wichtigen und für die Dogmatik besonders reizvollen Tatbestand der Insolvenzverschleppung (unter § 80). Die Praxisrelevanz der strafbaren Insolvenzverschleppung hängt – worauf Verf. in Rdnrn. 6 und 9 hinweist – zum einen mit der Möglichkeit, neben der vorsätzlichen auch die fahrlässige Insolvenzverschleppung zu ahnden und zum anderen mit der gegenüber anderen Delikten leichteren Nachweisbarkeit zusammen. Der dogmatische Reiz, den § 15a InsO auch für das Strafrecht entfaltet, beruht auf der neu geschaffenen Handlungsvariante des „nicht richtig“ gestellten Antrags, der Verf. ausführliche Überlegungen widmet (Rdnrn.53ff.). Überzeugend votiert Verf. zunächst dafür, dass die Tatvariante des „nicht richtigen“ Antrags erst Relevanz gewinnt, wenn der Schuldner einen insolvenzrechtlich zulässigen Pflichtantrag gestellt hat (Rdnr. 53). Sodann stellt er sich auf den Standpunkt, dem Merkmal „nicht richtig“ nur solche Anträge zu subsumieren, die Falschangaben enthalten, aufgrund derer das Insolvenzgericht in seiner Amtsermittlung behindert wird. So will Verf. etwa den Schuldner, der einen Insolvenzantrag stellt und dabei behauptet, ihm drohe die Zahlungsunfähigkeit, obschon seine Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten ist, völlig zu Recht gem. § 15a Abs. 4 Var. 2 InsO bestrafen (Rdnr. 55). – Folgende weitere Punkte verdienen noch besonders hervorgehoben zu werden:

aa) Skeptisch bewertet Verf. die Rechtsprechung, wonach ein Insolvenzantrag nach seiner Abweisung mangels Masse nicht erneut gestellt werden muss, falls im Rahmen eines sich an die Abweisung anschließenden Liquidationsverfahrens unbekannte Vermögensgegenstände auftauchen. Der Schutzzweck des § 15a Abs. 4, 5 InsO werde durch diese Spruchpraxis ausgehöhlt (Rdnr. 51).

bb) Unter den Rdnrn. 35 f. erörtert Verf. das mit dem MoMiG neu geschaffene Institut der Führungslosigkeit. Danach trifft die Gesellschafter – bzw. die Mitglieder des Aufsichtsrats bei einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft – die gem. § 15a Abs. 4, 5 InsO strafbewehrte Insolvenzantragspflicht des § 15a Abs. 1 InsO, falls die Gesellschaft über kein Geschäftsleitungsorgan verfügt. Wann sich eine Gesellschaft im Zustand der Führungslosigkeit befindet, ist bis heute nicht umfassend geklärt und besonders für die Konstellationen umstritten, in denen die Gesellschaft nur über einen faktischen Geschäftsleiter verfügt. Nach der zutr. Ansicht des Verf. steht das Vorhandensein eines faktischen Geschäftsleiters der Annahme von Führungslosigkeit entgegen (vgl. Rdnr. 35; so auch schon Brand/Brand, NZI 2010, 712 [714 f.]). Die Aussage, wonach § 15a Abs. 3 InsO u.a. deshalb misslungen sei, weil er die EU-Auslandsgesellschaften nicht erfasse, trifft in dieser Pauschalität hingegen nicht zu, gibt es doch Stimmen im Schrifttum, die es interpretativ für möglich halten, auch den Gesellschaftern einer EU-Auslandsgesellschaft im Falle von Führungslosigkeit gem. § 15a Abs. 3 InsO die Antragspflicht des § 15a Abs. 1 InsO aufzubürden (so etwa Haas, in: Blersch/Goetsch/Hass (Hrsg.), Berliner Kommentar Insolvenzrecht, [41. Lfg./Mai 2012], § 15a Rdnr. 35; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen (Hrsg.), GmbHG, 7. Aufl. [2012], Vorbem. z. § 64 Rdnr. 65).

d) Unter § 81 handelt Verf. allgemeine Grundlagen des Bankrotttatbestandes ab. Neben Ausführungen zu den tauglichen Tätern sowie zum Verständnis der objektiven Strafbarkeitsbedingung des § 283 Abs. 6 StGB (Rdnrn. 65 ff.) nimmt er auch zu den Voraussetzungen Stellung, die vorliegen müssen, um bspw. einem Organwalter die Gemeinschuldnerposition des von ihm vertretenen Verbands gem. § 14 Abs. 1 StGB zuzurechnen (Rdnrn. 53 ff.). Ausführlich listet Verf. zunächst die Argumente auf, die gegen die früher von der Rspr. verfochtene Interessentheorie sprechen. Allerdings trifft der Vorwurf der Inkonsequenz (vgl. Rdnr. 56) jedenfalls insofern nicht zu, als die Rspr. im Kontext der Buchführungs- und Bilanzdelikte nicht stets eine Ausnahme von ihrer Interessentheorie machte, sondern diese durchaus auch hier gelegentlich anwandte (vgl. BGH wistra 1982, 148 [149] sowie BGH wistra 2000, 136 [137]). Im Anschluss hieran erörtert Verf. sodann, wohin die Rspr. bei der Interpretation der Partikel „als“ geht, nachdem sie die Interessentheorie verabschiedet hat (Rdnrn. 61 ff.). Dabei bleibt leider unerwähnt, dass dem BGH in seiner jüngsten Entscheidung zum Thema nicht jede rechtsgeschäftliche Schädigungshandlung, die der potentielle Zurechnungsadressat im Namen der Gesellschaft vornimmt, genügt, um den Zurechnungsmechanismus des § 14 StGB zu aktivieren, sondern nur solche, die die Gesellschaft wirksam rechtsgeschäftlich binden (BGHSt 57, 229 [237 f.] = NJW 2012, 2366 [2368 f.] m. Anm. Brand und Wessing, EWiR 2012, 609 = ZWH 2012, 357 ff. m. Anm. Kudlich).

e) Einen eigenen Abschnitt (§ 82) widmet Verf. der Frage, welche strafrechtlichen Konse- quenzen die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen haben kann. Vor Inkrafttreten des Mo- MiG herrschte die Ansicht vor, dass der Geschäftsführer, der im Stadium der Gesellschaftskrise sog. eigenkapitalersetzende Darlehen an die Gesellschafter zurückzahlte sich entweder wegen Untreue oder Bankrotts strafbar machte (vgl. etwa Rdnrn. 13 ff.). Nachdem der Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen eigenkapitalersetzenden und „normalen“ Gesellschafterdarlehen im Zuge der MoMiG-Reform aufgegeben und nunmehr sämtliche Gesellschafterdarlehen, egal wann der Gesellschafter sie der Gesellschaft gewährt hat, einem Nachrang in der Insolvenz unterworfen hat (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), herrscht Streit um die insolvenzstrafrechtlichen Folgen, die ein Geschäftsleiter gewärtigen muss, der trotz anhaltender Gesellschaftskrise ein solches Darlehen zurückführt. Verf. plädiert dafür, den Geschäftsleiter, der etwa bei bevorstehender Insolvenzreife ein Gesellschafterdarlehen zurückführt, wegen Untreue bzw. wegen Bankrotts zu bestrafen (Rdnr. 24).

f) Es ließe sich noch viel mehr zu der umfassenden Kommentierung des Insolvenzstrafrechts durch Hans Richter sagen – das würde aber den Rahmen sprengen. Fest steht jedenfalls, dass dem Verf. eine übersichtliche, die aktuellen Problemlagen aufgreifende und zudem tiefgehende Darstellung dieser schwierigen Materie gelungen ist. Der „Müller-Gugenberger“ sollte deshalb auf dem Schreibtisch eines im Insolvenzstrafrecht Tätigen nicht fehlen!

2. Uhlenbruck/Hirte/Vallender (Hrsg.), Insolvenzordnung, 14. Aufl. 2015, Verlag Franz Vahlen, 259,00 €, ISBN 978-3-8006-4664-7.

Es entspricht mittlerweile guter Tradition dieser Literaturübersicht neben insolvenzstrafrechtlichen auch originär insolvenzrechtliche Werke vorzustellen, benötigt doch der Insolvenzstrafrechtler, will er seiner Tätigkeit angemessen nachkommen, auch vertiefte insolvenzrechtliche Kenntnisse. Im Berichtszeitraum ist die Neuauflage des Standardwerks zum Insolvenzrecht erschienen, das auch Juristen, die sich mit dem Insolvenzrecht kaum oder überhaupt nicht beschäftigen, ein Begriff sein dürfte: der „Uhlenbruck“. Im Mittelpunkt der nachfolgenden Besprechung werden die Kommentierungen der §§ 15a, 97 InsO stehen, die für den Insolvenzstrafrechtler naturgemäß von besonderem Interesse sind.

a) Wie schon in der Vorauflage kommentiert den für das Insolvenzstrafrecht besonders relevanten § 15a InsO Heribert Hirte. Bekanntlich hat der Gesetzgeber mit dem MoMiG die zuvor über das gesamte Gesellschaftsrecht verstreuten Insolvenzantragspflichten bis auf wenige Ausnahmen, wie die Antragspflicht des Vereinsvorstands gem. § 42 BGB und die Anzeigepflicht bei Kreditinstituten (vgl. § 46b KWG), in einer Vorschrift, nämlich dem § 15a InsO, vereinigt. Mit der Wahl der Insolvenzordnung als neuem Standort der Insolvenzantragspflicht verfolgte der MoMiG-Gesetzgeber v.a. das Ziel, auch die Geschäftsleiter der EU-Auslandsgesellschaften dieser Pflicht zu unterwerfen. Ob ihm dies gelungen, ob also § 15a InsO international-privatrechtlich als eine insolvenzrechtliche Vorschrift zu qualifizieren ist, darüber herrscht keine Einigkeit und daran sind jüngst erst wieder verstärkt Zweifel aufgekommen, nachdem der Gesetzgeber den § 15a Abs. 6 InsO geschaffen hat, der eine Bereichsausnahme von der Antragspflicht des § 15a Abs. 1 InsO für Vereinsvorstände vorsieht (vgl. auch Rdnr. 3). Die Zweifel an der Erfassung der EU-Auslandsgesellschaften durch § 15a InsO vergrößern sich noch, blickt man auf den Wortlaut des § 15a Abs. 3 InsO, der die Konstellationen der sog. Führungslosigkeit regelt, dabei aber nur Rechtsträger inländischer Provenienz nennt (vgl. Rdnr. 61). Keine Auswirkungen auf die Führungslosigkeit soll nach Ansicht des Verf. die Existenz eines faktischen Geschäftsführers haben (Rdnr.62). Unter den Rdnrn. 64 ff. widmet sich Verf. dem nunmehr in § 15a Abs. 4, 5 InsO enthaltenen Straftatbestand. Völlig zu Recht stellt er sich dabei auf den Standpunkt, dass es das Analogieverbot verbietet, den Geschäftsführer einer Vor-GmbH, der seiner Antragspflicht analog § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO nicht fristgerecht nachkommt (Rdnr. 2), gem. § 15a Abs. 4, 5 InsO zu bestrafen (Rdnr. 64). Für mit dem Analogieverbot ebenfalls unvereinbar hält Verf. die von der Rspr. geteilte h.M., auch den faktischen Geschäftsführer, der es unterlässt, seiner Antragspflicht nachzukommen, gem. § 15a Abs. 4, 5 InsO zu bestrafen (Rdnr. 64). Keine näheren Ausführungen finden sich leider zu der die Praxis derzeit besonders beschäftigenden Frage, was genau man unter einem „nicht richtigen“ Insolvenzantrag i.S.v. § 15a Abs. 4 Var. 2 InsO zu verstehen hat.

b) Die Kommentierung der strafprozessual interessanten, im Rahmen der Verteidigerstrategie aber gleichwohl ein Schattendasein fristenden Vorschrift des § 97 InsO hat in der vierzehnten Auflage des „Uhlenbruck“ Helmut Zipperer übernommen. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Insolvenzschuldner verpflichtet, einem dort näher bezeichneten Adressatenkreis über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu erteilen. Diese Auskunftserteilungspflicht bezieht sich gem. § 97 Abs. 1 Satz 2 InsO ausdrücklich auch auf solche Tatsachen, deren Offenbarung geeignet ist, den Insolvenzschuldner oder einen Angehörigen der Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit auszusetzen. Als Reaktion auf den sog. „Gemeinschuldner-Beschluss“, in dem das BVerfG den konkursrechtlichen Vorläufer des § 97 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InsO, den § 100 KO a.F., für verfassungskonform erklärt, gleichzeitig aber ausgesprochen hat, dass die selbstbelastenden Auskünfte des Schuldners in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren nicht verwertet werden dürfen, hat der Gesetzgeber das Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO geschaffen (zur Entwicklung s. Rdnr. 8). Inhalt und Reichweite dieses Verwendungsverbots sind bis heute nicht abschließend geklärt, was nicht zuletzt damit zusammen hängt, dass die Rspr. bislang kaum die Gelegenheit erhalten hat, über die Auslegung dieser Vorschrift zu entscheiden (zu diesem Befund s. Weyand, ZInsO 2015, 1948 [1949]). Nachdem Verf. umfassend und kenntnisreich zunächst den Kreis der Auskunftsberechtigten und der Auskunftsverpflichteten näher konkretisiert (Rdnrn. 4 ff.), erörtert er die Gegenstände der Auskunftspflicht (Rdnr. 7), bevor er sich dem strafprozessualen Verwendungsverbot zuwendet (Rdnrn. 9 ff.). Weitgehend Konsens herrscht immerhin insofern, als § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO ein – strafprozessual untypisches – Verwertungsverbot mit Fernwirkung statuiert. Begründet wird diese Fernwirkung v.a. mit dem Wortlaut des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO, der nicht von verwerten, sondern von verwenden spricht. An dieser Begründung meldet Verf. Zweifel an, verhalten sich ihm zufolge doch die Verben „verwerten“ und „verwenden“ synonym zueinander (Rdnr. 10). Die These vom synonymen Bedeutungsgehalt der beiden Verben überzeugt jedoch weder mit Blick auf die Gesetzgebungsgeschichte – der Gesetzgeber sprach zunächst von „verwerten“, bevor er zu „verwenden“ wechselte – noch in Anbetracht der Tatsache, dass der Gesetzgeber im Kontext von Verwertungsverboten keinesfalls diese beiden Verben undifferenziert nebeneinander gebraucht. Hingegen moniert Verf. völlig zu Recht die – v.a. bei den Strafverfolgungsbehörden anzutreffende – Ansicht, wonach nur erzwungene, nicht aber freiwillige Schuldnerauskünfte dem Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO unterfielen (Rdnr. 10, 13). Im Einklang mit der ganz h.M. vertritt Verf. die Ansicht, dass Geschäftsbücher und Aufzeichnungen, die der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geführt hat (vgl. §§ 238 ff. HGB), nicht dem Verwendungsverbot unterfallen (Rdnr. 13), während freiwillig geführte Aufzeichnungen – und insofern weicht er vom Standpunkt der h.M. ab – § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO erfasst (Rdnr. 13).

c) Resümierend erweist sich der „Uhlenbruck“ aus insolvenzstrafrechtlicher Sicht – anderes zu beurteilen überstiege die Kompetenz des Rezensenten – als ein von hochkarätigen Autoren verfasstes, höchst kenntnisreiches und die dem Insolvenzstrafrechtler begegnenden insolvenzrechtlichen Fragestellungen zumeist souverän beantwortendes Werk! Wer also insolvenzrechtliche Vorfragen eines insolvenzstrafrechtlichen Sachverhalts umfassend klären muss, dem sei der Gebrauch dieses Werks unbedingt empfohlen!

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Christian Brand
    Akademischer Rat Dr. Christian Brand ist Habilitand am Lehrstuhl für Strafrecht und Nebengebiete bei Professor Dr. Rudolf Rengier. Schwerpunktmäßig forscht er unter anderem zum Insolvenzstrafrecht.

WiJ

  • Dr. Simon Ulc , Marc Neuhaus

    Übernahme von Kosten für Verteidiger und Zeugenbeistände – eine Praxisübersicht

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Ricarda Schelzke

    BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23

    Individual- und Unternehmenssanktionen

  • Dr. Marius Haak , Joshua Pawel LL.M.

    Umweltkriminalität im Visier der EU – Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Rat beschlossen

    Produkthaftung, Umwelt, Fahrlässigkeit und Zurechnung