Beschlagnahmeschutz für Unterlagen aus internen Ermittlungen
Dieser Beitrag untersucht, inwieweit Unterlagen, die im Rahmen interner Ermittlungen erstellt werden, vor der Beschlagnahme durch Ermittlungsbehörden geschützt sind.*
I. Einleitung
Die Durchführung interner Ermittlungen gewinnt für Unternehmen zunehmend an Bedeutung.[1] Interne Ermittlungen dienen einerseits der Überprüfung möglicher Pflichtverletzungen von Mitarbeitern oder Führungspersonen, um zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geltend machen oder arbeitsrechtliche Schritte begründen zu können. Andererseits sehen sich Unternehmen immer häufiger mit Ermittlungsverfahren konfrontiert, die sich nicht nur gegen die beschuldigten Mitarbeiter richten, sondern regelmäßig auch zu einer Sanktionierung des Unternehmens gemäß §§ 30, 130 OWiG führen. In diesen Fällen sind interne Ermittlungen erforderlich, um die drohenden Risiken bewerten und sich effektiv gegen die Vorwürfe verteidigen zu können.
Im Zuge der internen Ermittlungen werden vielfach Informationen über vertrauliche Vorgänge im Unternehmen gewonnen und in Dokumenten zusammengefasst. Hierzu gehören insbesondere Interviewprotokolle, Übersichten über ausgewertete Unterlagen und (Zwischen-)Berichte über das Ergebnis der internen Untersuchung. Gelangen diese Unterlagen zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden, kann dies nicht nur die Verteidigungsmöglichkeiten des Unternehmens schwächen, sondern führt dies auch zu dem Risiko, dass Geschädigte oder Wettbewerber im Rahmen der Akteneinsicht an vertrauliche Unternehmensinformationen gelangen können.
Unternehmen haben daher ein nachvollziehbares Interesse daran, derartige Unterlagen vor einer Beschlagnahme zu schützen. Hierzu stehen im Wesentlichen § 97 StPO (Beschlagnahmeverbot) und § 160a StPO (Maßnahmen bei zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern) zur Verfügung, deren Anwendungsbereiche nachfolgend dargestellt werden.
II. Entwicklung der Rechtsprechung
Ausgehend von der Neufassung des § 160a StPO Anfang 2011 entwickelte sich die ursprünglich eher restriktive Rechtsprechung fort, indem der Beschlagnahmeschutz für aus internen Ermittlungen stammende Unterlagen kontinuierlich erweitert wurde.
Nachfolgend werden die wesentlichen Entscheidungen dargestellt, die sich mit dem Beschlagnahmeschutz gemäß § 97 StPO und § 160a StPO befassen.
1. Beschluss des LG Hamburg vom 15. Oktober 2010
a) Sachverhalt
Vor der Reform des § 160a StPO nahm das LG Hamburg[2] im Beschluss vom 15. Oktober 2010 zu einem Beschlagnahmeverbot für durch interne Ermittlungen gewonnene Unterlagen Stellung.
In dem vom LG Hamburg zu entscheidenden Sachverhalt gab es ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen den Vorstand einer Bank wegen des Verdachts der Untreue. Parallel hierzu hatte die Bank eine Rechtsanwaltssozietät mit der Prüfung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die beschuldigten Vorstandsmitglieder beauftragt. Zu diesem Zweck führten die externen Berater interne Ermittlungen durch und befragten unter anderem Mitarbeiter. Über diese Interviews wurden Protokolle erstellt und in den Räumlichkeiten der Rechtsanwaltssozietät aufbewahrt.
Nachdem die Interviewprotokolle bei einer Durchsuchung in den Räumlichkeiten der externen Berater mitgenommen wurden, ordnete das AG Hamburg die Beschlagnahme dieser Unterlagen an. Gegen diese Beschlagnahmeanordnung legte die Rechtsanwaltssozietät Beschwerde ein und machte geltend, dass die Interviewprotokolle gemäß § 97 StPO beschlagnahmefrei sind.
b) Verhältnis zwischen § StPO und § 160a StPO
Zum damaligen Zeitpunkt war unklar, aufgrund welcher Vorschrift ein Beschlagnahmeverbot bestehen könnte. Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der sogenannten Berufsgeheimnisträger (z.B. Rechtsanwälte, Notare, Ärzte; vgl. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b) erstreckt, unterliegen nicht der Beschlagnahme (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Zudem sind Ermittlungsmaßnahmen unzulässig (§ 160a StPO a.F.), die sich gegen den Verteidiger eines Beschuldigten (§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO) richten und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte. Das LG Hamburg überprüfte das Bestehen eines Beschlagnahmeverbots lediglich anhand des § 97 StPO.[3] Es vertrat – wie weite Teile der Lehre[4] – unter Hinweis auf den in § 160a Abs. 5 StPO a.F. enthaltenen Verweis die Auffassung, dass das Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO gegenüber dem § 160a StPO a.F. spezieller ist und vorrangig angewendet werden muss.[5]
c) Auslegung des § Abs. 1 Nr. 3 StPO
Konsequenterweise stellte das LG Hamburg fest, dass sich ein Beschlagnahmeverbot für durch interne Ermittlungen gewonnene Unterlagen nur aus § 97 StPO ergeben könne.
Der Wortlaut des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO sehe zwar ein Beschlagnahmeverbot für solche Gegenstände vor, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht u.a. von Verteidigern oder Rechtsanwälten (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 bis 3b StPO) erstreckt. Die teleologische Auslegung führe jedoch dazu, dass nur das Vertrauensverhältnis des Beschuldigten im Strafverfahren zu einem von ihm in Anspruch genommenen Zeugnisverweigerungsberechtigten geschützt werden soll.[6]
Im zu entscheidenden Fall habe aber zwischen der Bank und der Rechtsanwaltssozietät kein derartiges Verteidigungsverhältnis bestanden. Vielmehr seien die Rechtsanwälte nicht zur Beratung der Beschuldigten engagiert worden, sondern sollten die Interessen der Bank hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die Beschuldigten wahrnehmen.
Im Ergebnis lag nach Ansicht des Gerichts nicht das nach § 97 StPO erforderliche Vertrauensverhältnis vor, weshalb das LG Hamburg ein Beschlagnahmeverbot für die durch die internen Ermittlungen gewonnenen Protokolle ablehnte.
d) Fazit
Nach dem Beschluss des LG Hamburg ist für ein Beschlagnahmeverbot ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Rechtsanwalt erforderlich. Ob ein solches vorliegt, hängt maßgeblich von der Zielrichtung der internen Ermittlungen ab. Dienen diese nur dazu, mögliche Schadensersatzansprüche des mandatierenden Unternehmens gegen die Beschuldigten zu prüfen und nicht (auch) der Verteidigung der Beschuldigten, scheide ein Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO aus.
2. Beschluss des LG Mannheim vom 3. Juli 2012
a) Neufassung des § 160a StPO
Vor der Reform bezog sich der Verweis in § 160a StPO a.F. nur auf Strafverteidiger. Mit Gesetz vom 22. Dezember 2010 erweiterte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorschrift und dehnte den absoluten Schutz vor staatlichen Ermittlungsmaßnahmen nach § 160a Abs. 1 StPO nunmehr generell auf Rechtsanwälte aus.
b) Sachverhalt
Das LG Mannheim[7] hatte sich als erstes Gericht mit der Fragestellung auseinanderzusetzen, wie sich die Gesetzesänderung auf die Beschlagnahmefreiheit von im Rahmen interner Ermittlungen erstellter Unterlagen auswirkt.
Gegen mehrere Mitarbeiter eines Unternehmens wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren geführt. Gleichzeitig wurden von einer Rechtsanwaltssozietät interne Ermittlungen getätigt und in deren Rahmen ein Rechtsgutachten zu möglichen Pflichtverletzungen der betroffenen Vorstände angefertigt. Das Rechtsgutachten wurde in der Rechtsanwaltssozietät aufbewahrt, ein Zwischenbericht über das Ergebnis der internen Ermittlungen befand sich jedoch in den Räumen des Unternehmens.
Beide Unterlagen wurden durch das AG Mannheim beschlagnahmt. Gegen die Beschlagnahme legten sowohl das Unternehmen (hinsichtlich des Zwischenberichts) als auch die Rechtsanwaltssozietät (hinsichtlich des Rechtsgutachtens) Beschwerde ein.
c) Unterlagen im Gewahrsam der Rechtsanwaltssozietät
Das LG Mannheim gab die bis dahin praktizierte einschränkende Auslegung auf und übertrug die mit der Neufassung des § 160a StPO vorgenommene Gleichstellung von Verteidigern und Rechtsanwälten auf den § 97 StPO.[8] Nach Ansicht des Gerichts reiche für die Anwendung des Beschlagnahmeverbots nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO aus, dass irgendein Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen und Rechtsanwalt besteht. Ein spezielles Verteidigungsverhältnis werde nicht (mehr) als erforderlich erachtet. Eine Ausnahme bestehe jedoch für Missbrauchsfälle. Ein Missbrauch liege beispielsweise vor, wenn Verteidigungsunterlagen mit für die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen relevanten Unterlagen verknüpft würden, um deren Beschlagnahme zu verhindern.[9]
Im Ergebnis hielt das LG Mannheim das in den Kanzleiräumen der Rechtsanwaltssozietät beschlagnahmte Rechtsgutachten sowohl gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO (aufgrund des in diesem Fall bestehenden Vertrauensverhältnisses) als auch gemäß § 160a Abs. 1 S. 1 StPO (da sich die Beschlagnahme gegen die beauftragte Rechtsanwaltssozietät richtete) für beschlagnahmefrei.
d) Unterlagen im Gewahrsam des Unternehmens
Hinsichtlich des beim Unternehmen beschlagnahmten Zwischenberichts musste sich das LG Mannheim mit dem Verhältnis zwischen § 160a StPO und § 97 StPO befassen. Das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO ist nämlich nach § 97 Abs. 2 StPO auf Gegenstände im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten beschränkt, soweit es sich nicht um Verteidigungsunterlagen handelt. Der § 160a StPO gewährt dagegen einen Beschlagnahmeschutz auch für Gegenstände im Gewahrsam des mandatierenden Unternehmens.
Das LG Mannheim ging vom Vorrang des § 97 StPO vor § 160a StPO aus[10] und hielt den beim Unternehmen mitgenommenen Zwischenbericht für beschlagnahmefähig, da er sich nicht im Gewahrsam der Rechtsanwälte befand. Zwar wies das LG Mannheim in seiner Entscheidung darauf hin, dass Verteidigungsunterlagen auch im Gewahrsam des Mandanten (Unternehmens) beschlagnahmefrei wären.[11] Allerdings setzte sich das Gericht nicht näher damit auseinander, ob es sich bei dem Zwischenbericht im Hinblick auf ein mögliches Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen das Unternehmen ggf. um Verteidigungsunterlagen handeln könnte.
e) Fazit
Das LG Mannheim erweiterte im Vergleich zum LG Hamburg das Beschlagnahmeverbot für Unterlagen aus internen Ermittlungen, sofern sich diese im Gewahrsamsbereich jeglichen mandatierten Anwalts befinden. Allerdings führte es auch die bisherige Rechtsprechung zum Vorrang des § 97 StPO mit der Folge fort, dass es kein Beschlagnahmeverbot für im Rahmen interner Ermittlungen erstellter Unterlagen (sofern es sich nicht um Verteidigungsunterlagen handelt) gibt, die sich im Gewahrsam des mandatierenden Unternehmens befinden.
3. Beschluss des LG Braunschweig vom 21. Juli 2015
a) Sachverhalt
Am 21. Juli 2015 hatte sich das LG Braunschweig ebenfalls mit dem Anwendungsbereich des Beschlagnahmeverbots gemäß § 160a StPO hinsichtlich interner Ermittlungsunterlagen zu befassen.[12]
Grundlage der Entscheidung war ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführer eines Unternehmens. Bei einer (weiteren) Durchsuchung in den Geschäftsräume des Unternehmens wurden unter anderem Unterlagen mitgenommen, die eine vom Unternehmen mandatierte Rechtsanwaltssozietät im Rahmen ihrer internen Ermittlungen erstellt hatte.
Nachdem das AG Braunschweig die Beschlagnahme dieser Unterlagen angeordnet hatte, legte die Rechtsanwaltssozietät im Namen des Unternehmens Beschwerde ein, über die das LG Braunschweig zu entscheiden hatte.
b) Beschlagnahmefreiheit von Verteidigungsunterlagen
Obwohl gegen das Unternehmen selbst ein Ermittlungsverfahren noch nicht formal eingeleitet worden war, stufte das LG Braunschweig die von der Rechtsanwaltssozietät erstellten Unterlagen als beschlagnahmefreie Verteidigungsunterlagen ein.
Nach Ansicht des Gerichts könne es für eine sachgerechte Verteidigung gegen ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren erforderlich sein, bereits vor formaler Verfahrenseinleitung die für eine spätere Verteidigung notwendigen Maßnahmen vorzunehmen. Sofern mit der Einleitung des Verfahrens gerechnet wird, sei die Vertrauensbeziehung zwischen Unternehmen und Rechtsanwalt bereits zu diesem Zeitpunkt schutzwürdig.Das LG Braunschweig wich dabei – ohne auf die Entscheidung einzugehen – zugunsten der betroffenen Unternehmen von einer vom LG Bonn[13] vertretenen Ansicht ab, das in einer Entscheidung vom 21. Juni 2012 feststellte, dass für ein Verteidigungsverhältnis (und damit für einen Beschlagnahmeschutz) die formale Einleitung des Ermittlungsverfahrens erforderlich sei.
c) Fazit
Maßgeblich für die Qualifikation als Verteidigungsunterlagen ist nach Ansicht des LG Braunschweig, dass die Dokumente zum Zwecke der Verteidigung angefertigt worden waren. Dies sei bei den von der Rechtsanwaltssozietät angefertigten Ermittlungsergebnissen der Fall. Die interne Untersuchung bezweckte die Aufklärung eines abgeschlossenen Sachverhalts, der mit dem Gegenstand des möglichen späteren Ordnungswidrigkeitenverfahrens in engem Zusammenhang stehe. Des Weiteren sei in dem Ermittlungsverfahren gegen das Unternehmen bereits einige Monate vor der Beschlagnahme der Verteidigungsunterlagen eine Durchsuchung durchgeführt worden. Dies lege nahe, dass die Mandatierung der Sozietät auch die Verteidigung des Unternehmens bezweckt habe.
III. Zusammenfassung
Die Frage, ob von Rechtsanwälten im Rahmen interner Untersuchungen erstellte Unterlagen beschlagnahmefrei sind, hängt weiterhin maßgeblich davon ab, ob es sich um Verteidigungsunterlagen handelt und wo sich die Unterlagen befinden.
Soweit es sich um Verteidigungsunterlagen handelt, unterliegen diese auch dann einem Beschlagnahmeverbot, wenn sie sich im Gewahrsam des Unternehmens befinden. Allerdings hängt die Einstufung als Verteidigungsunterlage von der Ansicht der Ermittlungsbehörden bzw. Gerichte im konkreten Einzelfall ab.
Insofern ist auch künftig ein bestmöglicher Beschlagnahmeschutz für im Rahmen interner Ermittlungen erstellter Unterlagen nur dadurch zu erreichen, dass diese im Gewahrsam der externen Rechtsanwälte verbleiben.
[:en]
Dieser Beitrag untersucht, inwieweit Unterlagen, die im Rahmen interner Ermittlungen erstellt werden, vor der Beschlagnahme durch Ermittlungsbehörden geschützt sind.*
I. Einleitung
Die Durchführung interner Ermittlungen gewinnt für Unternehmen zunehmend an Bedeutung.[1] Interne Ermittlungen dienen einerseits der Überprüfung möglicher Pflichtverletzungen von Mitarbeitern oder Führungspersonen, um zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geltend machen oder arbeitsrechtliche Schritte begründen zu können. Andererseits sehen sich Unternehmen immer häufiger mit Ermittlungsverfahren konfrontiert, die sich nicht nur gegen die beschuldigten Mitarbeiter richten, sondern regelmäßig auch zu einer Sanktionierung des Unternehmens gemäß §§ 30, 130 OWiG führen. In diesen Fällen sind interne Ermittlungen erforderlich, um die drohenden Risiken bewerten und sich effektiv gegen die Vorwürfe verteidigen zu können.
Im Zuge der internen Ermittlungen werden vielfach Informationen über vertrauliche Vorgänge im Unternehmen gewonnen und in Dokumenten zusammengefasst. Hierzu gehören insbesondere Interviewprotokolle, Übersichten über ausgewertete Unterlagen und (Zwischen-)Berichte über das Ergebnis der internen Untersuchung. Gelangen diese Unterlagen zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden, kann dies nicht nur die Verteidigungsmöglichkeiten des Unternehmens schwächen, sondern führt dies auch zu dem Risiko, dass Geschädigte oder Wettbewerber im Rahmen der Akteneinsicht an vertrauliche Unternehmensinformationen gelangen können.
Unternehmen haben daher ein nachvollziehbares Interesse daran, derartige Unterlagen vor einer Beschlagnahme zu schützen. Hierzu stehen im Wesentlichen § 97 StPO (Beschlagnahmeverbot) und § 160a StPO (Maßnahmen bei zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern) zur Verfügung, deren Anwendungsbereiche nachfolgend dargestellt werden.
II. Entwicklung der Rechtsprechung
Ausgehend von der Neufassung des § 160a StPO Anfang 2011 entwickelte sich die ursprünglich eher restriktive Rechtsprechung fort, indem der Beschlagnahmeschutz für aus internen Ermittlungen stammende Unterlagen kontinuierlich erweitert wurde.
Nachfolgend werden die wesentlichen Entscheidungen dargestellt, die sich mit dem Beschlagnahmeschutz gemäß § 97 StPO und § 160a StPO befassen.
1. Beschluss des LG Hamburg vom 15. Oktober 2010
a) Sachverhalt
Vor der Reform des § 160a StPO nahm das LG Hamburg[2] im Beschluss vom 15. Oktober 2010 zu einem Beschlagnahmeverbot für durch interne Ermittlungen gewonnene Unterlagen Stellung.
In dem vom LG Hamburg zu entscheidenden Sachverhalt gab es ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen den Vorstand einer Bank wegen des Verdachts der Untreue. Parallel hierzu hatte die Bank eine Rechtsanwaltssozietät mit der Prüfung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die beschuldigten Vorstandsmitglieder beauftragt. Zu diesem Zweck führten die externen Berater interne Ermittlungen durch und befragten unter anderem Mitarbeiter. Über diese Interviews wurden Protokolle erstellt und in den Räumlichkeiten der Rechtsanwaltssozietät aufbewahrt.
Nachdem die Interviewprotokolle bei einer Durchsuchung in den Räumlichkeiten der externen Berater mitgenommen wurden, ordnete das AG Hamburg die Beschlagnahme dieser Unterlagen an. Gegen diese Beschlagnahmeanordnung legte die Rechtsanwaltssozietät Beschwerde ein und machte geltend, dass die Interviewprotokolle gemäß § 97 StPO beschlagnahmefrei sind.
b) Verhältnis zwischen § StPO und § 160a StPO
Zum damaligen Zeitpunkt war unklar, aufgrund welcher Vorschrift ein Beschlagnahmeverbot bestehen könnte. Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der sogenannten Berufsgeheimnisträger (z.B. Rechtsanwälte, Notare, Ärzte; vgl. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b) erstreckt, unterliegen nicht der Beschlagnahme (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Zudem sind Ermittlungsmaßnahmen unzulässig (§ 160a StPO a.F.), die sich gegen den Verteidiger eines Beschuldigten (§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO) richten und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte. Das LG Hamburg überprüfte das Bestehen eines Beschlagnahmeverbots lediglich anhand des § 97 StPO.[3] Es vertrat – wie weite Teile der Lehre[4] – unter Hinweis auf den in § 160a Abs. 5 StPO a.F. enthaltenen Verweis die Auffassung, dass das Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO gegenüber dem § 160a StPO a.F. spezieller ist und vorrangig angewendet werden muss.[5]
c) Auslegung des § Abs. 1 Nr. 3 StPO
Konsequenterweise stellte das LG Hamburg fest, dass sich ein Beschlagnahmeverbot für durch interne Ermittlungen gewonnene Unterlagen nur aus § 97 StPO ergeben könne.
Der Wortlaut des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO sehe zwar ein Beschlagnahmeverbot für solche Gegenstände vor, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht u.a. von Verteidigern oder Rechtsanwälten (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 bis 3b StPO) erstreckt. Die teleologische Auslegung führe jedoch dazu, dass nur das Vertrauensverhältnis des Beschuldigten im Strafverfahren zu einem von ihm in Anspruch genommenen Zeugnisverweigerungsberechtigten geschützt werden soll.[6]
Im zu entscheidenden Fall habe aber zwischen der Bank und der Rechtsanwaltssozietät kein derartiges Verteidigungsverhältnis bestanden. Vielmehr seien die Rechtsanwälte nicht zur Beratung der Beschuldigten engagiert worden, sondern sollten die Interessen der Bank hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die Beschuldigten wahrnehmen.
Im Ergebnis lag nach Ansicht des Gerichts nicht das nach § 97 StPO erforderliche Vertrauensverhältnis vor, weshalb das LG Hamburg ein Beschlagnahmeverbot für die durch die internen Ermittlungen gewonnenen Protokolle ablehnte.
d) Fazit
Nach dem Beschluss des LG Hamburg ist für ein Beschlagnahmeverbot ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Rechtsanwalt erforderlich. Ob ein solches vorliegt, hängt maßgeblich von der Zielrichtung der internen Ermittlungen ab. Dienen diese nur dazu, mögliche Schadensersatzansprüche des mandatierenden Unternehmens gegen die Beschuldigten zu prüfen und nicht (auch) der Verteidigung der Beschuldigten, scheide ein Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO aus.
2. Beschluss des LG Mannheim vom 3. Juli 2012
a) Neufassung des § 160a StPO
Vor der Reform bezog sich der Verweis in § 160a StPO a.F. nur auf Strafverteidiger. Mit Gesetz vom 22. Dezember 2010 erweiterte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorschrift und dehnte den absoluten Schutz vor staatlichen Ermittlungsmaßnahmen nach § 160a Abs. 1 StPO nunmehr generell auf Rechtsanwälte aus.
b) Sachverhalt
Das LG Mannheim[7] hatte sich als erstes Gericht mit der Fragestellung auseinanderzusetzen, wie sich die Gesetzesänderung auf die Beschlagnahmefreiheit von im Rahmen interner Ermittlungen erstellter Unterlagen auswirkt.
Gegen mehrere Mitarbeiter eines Unternehmens wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren geführt. Gleichzeitig wurden von einer Rechtsanwaltssozietät interne Ermittlungen getätigt und in deren Rahmen ein Rechtsgutachten zu möglichen Pflichtverletzungen der betroffenen Vorstände angefertigt. Das Rechtsgutachten wurde in der Rechtsanwaltssozietät aufbewahrt, ein Zwischenbericht über das Ergebnis der internen Ermittlungen befand sich jedoch in den Räumen des Unternehmens.
Beide Unterlagen wurden durch das AG Mannheim beschlagnahmt. Gegen die Beschlagnahme legten sowohl das Unternehmen (hinsichtlich des Zwischenberichts) als auch die Rechtsanwaltssozietät (hinsichtlich des Rechtsgutachtens) Beschwerde ein.
c) Unterlagen im Gewahrsam der Rechtsanwaltssozietät
Das LG Mannheim gab die bis dahin praktizierte einschränkende Auslegung auf und übertrug die mit der Neufassung des § 160a StPO vorgenommene Gleichstellung von Verteidigern und Rechtsanwälten auf den § 97 StPO.[8] Nach Ansicht des Gerichts reiche für die Anwendung des Beschlagnahmeverbots nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO aus, dass irgendein Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen und Rechtsanwalt besteht. Ein spezielles Verteidigungsverhältnis werde nicht (mehr) als erforderlich erachtet. Eine Ausnahme bestehe jedoch für Missbrauchsfälle. Ein Missbrauch liege beispielsweise vor, wenn Verteidigungsunterlagen mit für die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen relevanten Unterlagen verknüpft würden, um deren Beschlagnahme zu verhindern.[9]
Im Ergebnis hielt das LG Mannheim das in den Kanzleiräumen der Rechtsanwaltssozietät beschlagnahmte Rechtsgutachten sowohl gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO (aufgrund des in diesem Fall bestehenden Vertrauensverhältnisses) als auch gemäß § 160a Abs. 1 S. 1 StPO (da sich die Beschlagnahme gegen die beauftragte Rechtsanwaltssozietät richtete) für beschlagnahmefrei.
d) Unterlagen im Gewahrsam des Unternehmens
Hinsichtlich des beim Unternehmen beschlagnahmten Zwischenberichts musste sich das LG Mannheim mit dem Verhältnis zwischen § 160a StPO und § 97 StPO befassen. Das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO ist nämlich nach § 97 Abs. 2 StPO auf Gegenstände im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten beschränkt, soweit es sich nicht um Verteidigungsunterlagen handelt. Der § 160a StPO gewährt dagegen einen Beschlagnahmeschutz auch für Gegenstände im Gewahrsam des mandatierenden Unternehmens.
Das LG Mannheim ging vom Vorrang des § 97 StPO vor § 160a StPO aus[10] und hielt den beim Unternehmen mitgenommenen Zwischenbericht für beschlagnahmefähig, da er sich nicht im Gewahrsam der Rechtsanwälte befand. Zwar wies das LG Mannheim in seiner Entscheidung darauf hin, dass Verteidigungsunterlagen auch im Gewahrsam des Mandanten (Unternehmens) beschlagnahmefrei wären.[11] Allerdings setzte sich das Gericht nicht näher damit auseinander, ob es sich bei dem Zwischenbericht im Hinblick auf ein mögliches Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen das Unternehmen ggf. um Verteidigungsunterlagen handeln könnte.
e) Fazit
Das LG Mannheim erweiterte im Vergleich zum LG Hamburg das Beschlagnahmeverbot für Unterlagen aus internen Ermittlungen, sofern sich diese im Gewahrsamsbereich jeglichen mandatierten Anwalts befinden. Allerdings führte es auch die bisherige Rechtsprechung zum Vorrang des § 97 StPO mit der Folge fort, dass es kein Beschlagnahmeverbot für im Rahmen interner Ermittlungen erstellter Unterlagen (sofern es sich nicht um Verteidigungsunterlagen handelt) gibt, die sich im Gewahrsam des mandatierenden Unternehmens befinden.
3. Beschluss des LG Braunschweig vom 21. Juli 2015
a) Sachverhalt
Am 21. Juli 2015 hatte sich das LG Braunschweig ebenfalls mit dem Anwendungsbereich des Beschlagnahmeverbots gemäß § 160a StPO hinsichtlich interner Ermittlungsunterlagen zu befassen.[12]
Grundlage der Entscheidung war ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführer eines Unternehmens. Bei einer (weiteren) Durchsuchung in den Geschäftsräume des Unternehmens wurden unter anderem Unterlagen mitgenommen, die eine vom Unternehmen mandatierte Rechtsanwaltssozietät im Rahmen ihrer internen Ermittlungen erstellt hatte.
Nachdem das AG Braunschweig die Beschlagnahme dieser Unterlagen angeordnet hatte, legte die Rechtsanwaltssozietät im Namen des Unternehmens Beschwerde ein, über die das LG Braunschweig zu entscheiden hatte.
b) Beschlagnahmefreiheit von Verteidigungsunterlagen
Obwohl gegen das Unternehmen selbst ein Ermittlungsverfahren noch nicht formal eingeleitet worden war, stufte das LG Braunschweig die von der Rechtsanwaltssozietät erstellten Unterlagen als beschlagnahmefreie Verteidigungsunterlagen ein.
Nach Ansicht des Gerichts könne es für eine sachgerechte Verteidigung gegen ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren erforderlich sein, bereits vor formaler Verfahrenseinleitung die für eine spätere Verteidigung notwendigen Maßnahmen vorzunehmen. Sofern mit der Einleitung des Verfahrens gerechnet wird, sei die Vertrauensbeziehung zwischen Unternehmen und Rechtsanwalt bereits zu diesem Zeitpunkt schutzwürdig.Das LG Braunschweig wich dabei – ohne auf die Entscheidung einzugehen – zugunsten der betroffenen Unternehmen von einer vom LG Bonn[13] vertretenen Ansicht ab, das in einer Entscheidung vom 21. Juni 2012 feststellte, dass für ein Verteidigungsverhältnis (und damit für einen Beschlagnahmeschutz) die formale Einleitung des Ermittlungsverfahrens erforderlich sei.
c) Fazit
Maßgeblich für die Qualifikation als Verteidigungsunterlagen ist nach Ansicht des LG Braunschweig, dass die Dokumente zum Zwecke der Verteidigung angefertigt worden waren. Dies sei bei den von der Rechtsanwaltssozietät angefertigten Ermittlungsergebnissen der Fall. Die interne Untersuchung bezweckte die Aufklärung eines abgeschlossenen Sachverhalts, der mit dem Gegenstand des möglichen späteren Ordnungswidrigkeitenverfahrens in engem Zusammenhang stehe. Des Weiteren sei in dem Ermittlungsverfahren gegen das Unternehmen bereits einige Monate vor der Beschlagnahme der Verteidigungsunterlagen eine Durchsuchung durchgeführt worden. Dies lege nahe, dass die Mandatierung der Sozietät auch die Verteidigung des Unternehmens bezweckt habe.
III. Zusammenfassung
Die Frage, ob von Rechtsanwälten im Rahmen interner Untersuchungen erstellte Unterlagen beschlagnahmefrei sind, hängt weiterhin maßgeblich davon ab, ob es sich um Verteidigungsunterlagen handelt und wo sich die Unterlagen befinden.
Soweit es sich um Verteidigungsunterlagen handelt, unterliegen diese auch dann einem Beschlagnahmeverbot, wenn sie sich im Gewahrsam des Unternehmens befinden. Allerdings hängt die Einstufung als Verteidigungsunterlage von der Ansicht der Ermittlungsbehörden bzw. Gerichte im konkreten Einzelfall ab.
Insofern ist auch künftig ein bestmöglicher Beschlagnahmeschutz für im Rahmen interner Ermittlungen erstellter Unterlagen nur dadurch zu erreichen, dass diese im Gewahrsam der externen Rechtsanwälte verbleiben
[*] Der Verfasser dankt Herrn Markus Gierok für seine tatkräftige Unterstützung bei der Erstellung des Beitrags.
[4] Griesbaum, in: KK-StPO, 6. Aufl. 2008, § 160a Rn. 21; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 160a Rn. 17, Patzak, in: BeckOK, StPO, 7 Ed. 2010, § 160a Rn. 17.
[5] LG Hamburg, NJW 2010, 942, 944; Griesbaum, in: KK-StPO, 6. Aufl. 2008, § 160a Rn. 21; Patzak, in: BeckOK, StPO, 7. Ed. 2010, § 160a Rn. 17.