Mag. Katrin Ehrbar, Philipp Wolm, Dr. Lukas Kollmann, Dr. Marcus Januschke, MBA

Länderbericht Österreich

I. Whistleblowing-das Hinweisgebersystem im österreichischen Recht – eine Bilanz

Nach Einführung der als Teil des strafrechtlichen Kompetenzpakets geschaffenen Kronzeugenregelung (§§ 209a und 209b StPO) mit 1. Jänner 2011 war es dem Bundesministerium für Justiz ein besonderes Anliegen, weitere Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, um die Effektivität der Strafjustiz bei der Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption zusätzlich zu erhöhen und ihr die für die Bewältigung ihrer Aufgaben notwendigen Werkzeuge in die Hand zu geben. Aus diesem Grund wurden umfassende Überlegungen zur Einführung eines „Whistleblower-Systems“ insbesondere für diesen Kriminalitätsbereich angestellt. Es zeigte sich auch im internationalen Vergleich, dass Systeme in Form telefonischer Hotlines oder spezieller E-Mailadressen die Anonymität eines Hinweisgebers nicht zu wahren vermögen und somit meist eine maßgebliche Hemmschwelle für die Bereitschaft eines potentiellen Hinweisgebers zur Meldung besteht. Das Augenmerk wurde daher auf internetbasierte Meldesysteme gelegt, die einerseits Rückfragen an den Hinweisgeber ermöglichen und andererseits auch dessen Anonymität wahren.

Nach Klärung der rechtlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen hat das Bundesministerium für Justiz schließlich am 20. März 2013 vorerst für eine Probezeit von zwei Jahren bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) ein speziell für Ermittlungen im Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsdelikte geeignetes internetbasiertes anonymes Anzeigesystem, das sogenannte Business Keeper Monitoring System (BKMS®-System) eingeführt. Dieses schafft die Möglichkeit bidirektionaler Kommunikation mit einem anonym bleibenden Hinweisgeber über einen Postkasten. Das System eröffnet den befassten Staatsanwältinnen und Staatsanwälten somit im Gegensatz zur Bearbeitung postalisch oder auf sonstigem Weg eingelangter anonymer Anzeigen die Nachfrage beim Hinweisgeber zur Objektivierung des Wertes der Hinweise bei gleichzeitiger Zusicherung absoluter Anonymität. Solcherart objektivierte Meldungen können sodann als Ermittlungsansätze bzw. als Voraussetzung des konkreten Verdachts für die Führung eines Strafverfahrens herangezogen werden.

Zum Hinweisgebersystem gelangt man über die Homepage des Bundesministeriums für Justiz (siehe unter „Quicklinks“), sowie über die Website der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Das BKMS® System ermöglicht Hinweise zu folgenden, sich am Zuständigkeitskatalog der WKStA gemäß § 20a StPO orientierenden Schwerpunkten abzugeben: Korruption, Wirtschaftsstrafsachen, Sozialbetrug, Finanzstrafsachen, Bilanz- und Kapitalmarktdelikte sowie Geldwäscherei.

Während des Meldevorgangs entscheidet der Hinweisgeber über die namentliche oder anonyme Nutzung des Systems. Eine Rückverfolgbarkeit der IP-Adresse des Hinweisgebers bei Nutzung des BKMS® Systems ist nicht möglich.

In den ersten sechs Wochen gingen bei der WKStA insgesamt 335 Meldungen über das Hinweisgebersystem ein.

Seit dem Start der Homepage am 20. März 2013 bis zum 8. April 2015 gingen bereits 2.540 Meldungen ein, von denen nur rund 7% substratlos waren. Durch die Hinweise leitete die WKStA insgesamt mehr als 350 Ermittlungsverfahren ein und erhielt in über 30 Fällen zusätzliche Hinweise zu laufenden Verfahren – eine sehr positive Bilanz. Die Whistleblower-Homepage trägt auch zur Aufklärung weiterer Straftaten bei: So leitete die WKStA rund 27% der Hinweise an andere Staatsanwaltschaften und rund 33% an die Finanzbehörden weiter, da diese in deren Zuständigkeit fielen. 

Es handelt sich somit um ein effektives Werkzeug gegen Korruption. Das System hat einen großen Vorteil gegenüber einer anonymen Anzeige: Der Tippgeber kann bei Rückfragen von der Behörde kontaktiert werden, und – je nachdem, wie er möchte – weiterhin anonym bleiben oder aber seine Identität offenbaren.

Wie läuft nun eine Meldung konkret ab? Wer in seiner Behörde oder auch in seinem Unternehmen etwas beobachtet, kann dies über einen Link auf der Homepage des Justizministeriums (www.justiz.gv.at) der WKStA melden. Nach einer Belehrung darüber, wie man am besten seine Anonymität wahren kann – zum Beispiel sollten keine Intranet-Verbindungen von Unternehmen genutzt werden -, muss man den Bereich angeben, in den der Hinweis fällt. Unterteilt wird entlang des Strafgesetzbuchs in Korruption, Wirtschaftsstrafsachen, Sozialbetrug, Finanzstrafsachen, Bilanz- und Kapitalmarktdelikte sowie Geldwäscherei. In kurzen Worten können dann die Vorkommnisse geschildert werden, der Tippgeber kann sich entscheiden, ob er seinen Namen nennen möchte oder nicht. Das System der deutschen Business Keeper AG, das bereits seit 2003 von zig Institutionen weltweit (etwa auch durch die Telekom) genutzt wird, garantiert, dass der Tippgeber nicht zurückzuverfolgen ist. Vorsicht ist beim Hochladen von Dokumenten geboten. Denn über die Metadaten, also die Informationen, die unsichtbar im Dokument enthalten sind, kann der Verfasser meist relativ problemlos ausgeforscht werden, die Anonymität geht verloren.

Macht der Tippgeber einen solchen „Fehler“, dann muss er damit rechnen, dass er zumindest als Zeuge vorgeladen wird. Prinzipiell ist es aber nicht das Ziel, Zeugen zu finden, sondern viel eher, Hinweise für Sachbeweise zu bekommen.

Bei der WKStA werden die Hinweise von drei eigens betrauten Oberstaatsanwälten gesichtet – wie bei anonymen Anzeigen sollen sie zunächst die Plausibilität der Anschuldigungen prüfen und „Vernaderungen“ ausschließen.

In der Möglichkeit, mit dem Hinweisgeber über das Postfach in Kontakt zu treten und auf diesem Weg die Sachverhaltsschilderungen zu konkretisieren, liegt im Vergleich zu anonymen, postalisch übermittelten Anzeigen die große Stärke des BKMS-Hinweisgebersystems. Die Rückantworten des Hinweisgebers ermöglichen Rückschlüsse auf die Validität seiner Behauptungen und bilden solcherart eine geeignete Grundlage für die Einordnung der Vorwürfe des Hinweisgebers als bloße Mutmaßungen oder (im besten Fall) als eigene Wahrnehmungen zum angezeigten Sachverhalt. Überdies können bereits im Stadium der Konkretisierung des Anzeigevorbringens Ansätze für (erste) Ermittlungshandlungen herausgearbeitet werden. Die Kommunikation mit dem Hinweisgeber ermöglicht demnach bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Beurteilung, ob überhaupt ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt vorliegt, der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens notwendig macht. Dies führt im Ergebnis zu einer Ressourcenersparnis, weil Erhebungen zur Klärung vage gebliebenen (aber dennoch den Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung begründenden)Anzeigenvorbringens vermieden werden.

Aus diesem Grund wird im Fall der Einrichtung eines Postkastens von der Möglichkeit der Kommunikation mit dem Hinweisgeber – abgesehen von wenigen Ausnahmen – stets Gebrauch gemacht. Die Zuständigkeitsfrage spielt zu diesem Zeitpunkt eine untergeordnete Rolle, sodass selbst bei Meldungen, die erkennbar einen außerhalb der Zuständigkeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft liegenden Sachverhalt betreffen, der Versuch unternommen wird, das Anzeigevorbringen soweit zu konkretisieren, dass für die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft die Prüfung der Notwendigkeit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens möglich ist.

Sollte von vornherein erkennbar sei, dass der Hinweisgeber (bloß) ein Finanzvergehen zur Anzeige bringt, das nicht in die gerichtliche Zuständigkeit fällt (§ 53 Fin StrG), wird das Postfach sofort geschlossen und die BKMS-Meldung an das Finanzamt im Wege des Bundesministeriums für Finanzen weitergeleitet (§81 FinStrG). Rückfragen an den Hinweisgeber wären bei derartigen Hinweisen mangels staatsanwaltschaftlicher Zuständigkeit nicht zulässig.

 

IIEntscheidungen

1. 17 Os 30/ 14 m EvBl-LS 2015/15:

Bilden in verschiedenen Staaten gesetzte Ausführungshandlungen eine tatbestandliche Handlungseinheit, genügt es, wenn die Tat nur nach einem der in Betracht kommenden Tatortgesetze mit Strafe bedroht ist, weil § 65 Abs 1 StGB ansonsten den paradoxen Fall von Straflosigkeit trotz Vorliegens beiderseitiger Strafbarkeit regeln würde. Die dem Gesetz somit zugrunde liegende Bevorzugung strengeren Rechts schlägt auch auf die Günstigkeitsklausel nach § 65 Abs 2 StGB durch. Demnach darf der Täter bei der Bestimmung der Strafe (nur) nicht ungünstiger gestellt werden als nach dem strengeren (im Verhältnis zu österreichischem Recht dennoch günstigeren) Tatortrecht. Den Strafrahmen determinierende Umstände, welche nicht zugleich die rechtliche Kategorie, unter welche subsumiert wird (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), bestimmen, sind Gegenstand von § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO. Dazu gehören jedenfalls §§ 28, 30, 31, 36, 39 a StGB, die mangels anders lautender Regelungen auch im Nebenstrafrecht gelten (Art I Abs 1 StRAG). Da § 65 Abs 2, § 278 d Abs 1 letzter Satz, § 286 Abs 1 zweiter Satz, § 287 Abs 1 zweiter Satz StGB nicht Gegenstand der rechtlichen Unterstellung (§ 260 Abs 1 z 2 StPO) sind, vielmehr bloß die Strafbefugnis determinieren, sind auch sie Gegenstandt dieses Nichtigkeitsgrundes. Gleiches gilt für § 5 Z 2 bis 4 JGG. (vgl Ratz, in Österreichisches Anwaltsblatt 2016/01, S. 19ff)

2. § 61 StGB (§ 28 Abs 1 StGB) Günstigkeitsvergleich knüpft an Lebenssachverhalt an = EvBl b-LS 2015/115 OGH 25.3.2015, 15 Os 3/15 h

Anknüpfungspunkt des nach § 61 zweiter Satz StGB vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs ist die Tat, also der im Urteil festgestellte Lebenssachverhalt. Dabei ist der Günstigkeistvergleich im Fall der Realkonkurrenz für jede Tat gesondert vorzunehmen; im Fall der Idealkonkurrenz ist der zu beurteilende Lebenssachverhalt entweder dem Urteilszeit- oder dem Tatzeitrecht zu unterstellen. (vgl Ratz, in Österreichisches Anwaltsblatt 2016/01, S. 19ff)

3. Ausländisches Recht nicht Gegenstand tatsächlicher Feststellungen= EvBl –LS 2015/123; OGH 15.4.2015, 13 Os 2/14 i

Fragen ausländischen Rechts sind nicht Gegenstand von Beweisaufnahme und Tatsachenfeststellungen und scheiden demnach als Bezugspunkt einer Mängelrüge aus. Zufolge des verfahrensrechtlichen Grundsatzes „iura novit curia“ sind Rechtsfragen kein Gegenstand der Beweisaufnahme und damit der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO. Inhalt und Geltung gesetzlicher Vorschriften (auch des Auslands, einschließlich gesetzgeberischer Akte der EU) sowie sonstiger im Bundesgesetzblatt kundgemachter Rechtsakte sind daher kein Beweisthema. Für bloße Verkehrsnormen und sogenannte Verwaltungsverordnungen (vgl Art 20 Abs 1 B-VG) gilt dies nicht. Auch das Verhalten sogenannter Maßfiguren ist eine Rechtsfrage, mit anderen Worten Teil des Obersatzes des Syllogismus der Rechtsfolgebestimmung und demnach kein Gegenstand des Beweisverfahrens (13 Os 134/10 w EvBl 2011/108). (vgl Ratz, in Österreichisches Anwaltsblatt 2016/01, S. 19ff)

4Art 6 MRK (Art 3 des 2. ZP EUAusliefÜb; § 33 Absb3 ARHG) Prüfung auf Auslieferungshindernisse = EvBl 2015/136; OGH 28.4.2015, 14 Os 28/15x (OLG Wien 22 Bs 320/14s; LGSt Wien 313 HR 75/13x).

Die Durchführung eines Strafverfahrens in Abwesenheit des Angeklagten – sofern diesem nicht mit hinreichender Sicherheit die Möglichkeit gewährleistet ist , eine neuerliche Verhandlung in seiner Anwesenheit zu erreichen – ist mit dem durch Art 6 Abs 1 MRK garantierten Recht auf ein faires Verfahren vereinbar, wenn der Angeklagte in unmissverständlicher Weise auf sein Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung verzichtet hat oder eindeutige, konkrete Anhaltspunkte für seine Absicht vorliegen, sich dem Strafverfahren überhaupt durch Flucht zu entziehen. Ein wirksamer Verzicht auf das Anwesenheitsrecht setzt allerdings die gerichtliche Verständigung des Angeklagten von dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren – sowie, soweit möglich, auch vom Termin der Hauptverhandlung – voraus. Zudem darf dem Verteidiger des abwesenden Angeklagten nicht der Zugang zum Verfahren verwehrt und dem Angeklagten ein Verzicht auf Rechtsmittel nicht bloß aufgrund seines Verzichts auf die Teilnahme am Verfahren unterstellt werden.

5. § 28 StGB (§§ 164,165 StGB) Echte Konkurrenz von Hehlerei und Geldwäscherei= EvBl 2015/143; OGH 10.6.2015, 13 Os 4/15 k (LGDt Wien 22 Hv 41/14d).

Mangels Scheinkokurrenz und fehlender Exklusivität konkurrieren Hehlerei und Geldwäscherei echt.

6. Abgabenbetrug als Subsumptionseinheit= EvBl-LS 2015/124OGH 15. 4. 2015, 13 Os 115/14g.

Indem § 39 FinStrG an die Begehung von (bestimmten) Finanzvergehen, deren Ahndung in die (originäre) Zuständigkeit des Gerichts fallt, anknüpft, normiert er – in Anlehnung an § 29 StGB und solcherart vergleichbar mit § 28 a Abs 2 Z 3 und § 28 a Abs 4 Z 3 SMG – eine besondere Art des Zusammenrechnungsgrundsatzes. Der Gesetzgeber verdeutlicht dies durch die Formulierung der Abs 1 und 2 des § 39 FinStrG, wonach sich „des“ Abgabenbetrugs schuldig macht, wer (eine unbestimmte Anzahl der genannten) Finanzvergehen begeht. Im Fall des Zusammentreffens mehrerer (in § 39 Abs 1 oder 2 FinStrG genannter) Finanzvergehen ist daher bei Vorliegen qualifizierender Tatmodalitäten eine Subsumtionseinheit sui generis zu bilden, wobei die einzelnen Straftaten ihre rechtliche Selbständigkeit behalten. Teil dieser Subsumtionseinheit können aber ausschließlich solche Finanzvergehen sein, die unter Einsatz einer qualifizierenden Tatmodalität begangen worden sind, wobei immer nur gleichartige Finanzvergehen – zu einem Finanzvergehen (§ 39 Abs 3 lit a FinStrG) oder Verbrechen (§ 39 Abs 3 lit b oder c FinStrG) des Abgabenbetrugs – zusammenzufassen sind. Die Zusammenfassung von Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und von solchen nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG zu einem Verbrechen des Abgabenbetrugs nach § 39 Abs 1 lit b, Abs 3 lit b FinStrG ist daher verfehlt. Da § 39 Abs 1 FinStrG unselbständige Qualifikationstatbestande normiert, sind die dort umschriebenen Verhaltensweisen als (qualifizierender) Teil des jeweiligen Grundtatbestands zu verstehen und müssen solcherart vom zumindest bedingten Vorsatz (§ 8 Abs 1 FinStrG) des Täters umfasst sein. § 39 Abs 3 FinStrG regelt eine – an das Vermögensstrafrecht des StGB angelehnte –Abstufung nach Wertqualifikationen. Demgemäß muss auch das Überschreiten der Qualifikationsgrenzen des § 39 Abs 3 lit b oder c FinStrG vom (zumindest bedingten) Tätervorsatz umfasst sein.

„Geschäftszahl

13Os115/14g

Entscheidungsdatum

15.04.2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Michael S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit b, Abs 3 lit b FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Michael S***** und Georg W***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. Jänner 2014, GZ 4 Hv 180/12y-401, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen des Michael S***** wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs (A/I/2), mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung (A/II), des in Bezug auf das Verfahren AZ 13 Hv 183/10b des Landesgerichts für Strafsachen Graz begangenen Vergehens der falschen Beweisaussage (B/II/1) und des in Bezug auf dasselbe Verfahren begangenen Vergehens der Verleumdung (B/II/2), im Schuldspruch des Robi D***** (zur Gänze) und im Schuldspruch des Georg W***** wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs (A/I/2) sowie demzufolge auch in sämtlichen Strafaussprüchen nach dem FinStrG (einschließlich der Vorhaftanrechnung zu Robi D*****) sowie jener gegen Michael S***** und Robi D***** (einschließlich der Vorhaftanrechnung) nach dem StGB aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden Michael S***** und Georg W***** auf die Aufhebung der betreffenden Strafaussprüche verwiesen.

Ihnen fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Michael S***** des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach § 39 Abs 1 lit b, Abs 3 lit b FinStrG „iVm § 33 Abs 1 bzw Abs 2 lit a FinStrG“ (A/I/2), (richtig) mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (A/II), (richtig) je eines Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB (B/II/1) und nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 und 4 StGB (B/III/1), (richtig) mehrerer Vergehen der Verleumdung nach §§ 12 zweiter Fall, 297 Abs 1 erster Fall StGB (B/II/2 und B/III/2) sowie des Vergehens der Urkundenfälschung nach §§ 12 zweiter Fall, 223 Abs 2 StGB (B/III/3), Georg W***** des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach § 39 Abs 1 lit b, Abs 3 lit b FinStrG „iVm § 33 Abs 2 lit a FinStrG“ (A/I/2) sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (C) und Robi D***** (vormals Robert Sa*****) des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach § 39 Abs 1 lit b, Abs 3 lit b FinStrG „iVm § 33 Abs 2 lit a FinStrG“ (A/I/2) sowie der Vergehen der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 und 4 StGB (richtig: D/1), der Verleumdung nach §§ 12 zweiter Fall, 297 Abs 1 erster Fall StGB (richtig: D/2) sowie der Urkundenfälschung nach §§ 12 zweiter Fall, 223 Abs 2 StGB (richtig: D/3) schuldig erkannt.

Nach dem Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) haben

„A) im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Graz-Stadt (§ 12 AVOG)

I. nachgenannte Personen unter Verwendung von Scheingeschäften und anderen Scheinhandlungen (§ 23 BAO), ausschließlich durch das Gericht zu ahndende Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung begangen und zwar:

2. Michael S*****, Robert Sa*****, Georg Peter W*****, sowie die abgesondert verfolgten Jürgen Andreas Si***** und Klaus Jürgen K*****, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als für die steuerlichen Belange Verantwortlichen, fortgesetzt in mehrfachen Tathandlungen,

a) im Zeitraum September bis Dezember 2011 vorsätzlich, unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten (§§ 119 ff BAO), indem sie Umsätze aus der Lieferung von 43 Kraftfahrzeugen an diverse österreichische Abnehmer über Zwischenschaltung der Firma ‚R***** GmbH‘ in der Umsatzsteuerjahreserklärung bis zum Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist per 30.04.2012 nicht erklärten und somit die hierauf entfallende USt-Zahllast auch nicht entrichteten, eine Verkürzung an Umsatzsteuer in Höhe von EUR 164.019,05 bewirkt, sowie

b) im Zeitraum Jänner bis März 2012 vorsätzlich, unter Verletzung der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen, nämlich durch die Nichterfassung von Umsätzen aus der Lieferung von 38 Kraftfahrzeugen an diverse österreichische Abnehmer über Zwischenschaltung der Firmen ‚R***** GmbH‘ und ‚A***** KG‘ in den Umsatzsteuervoranmeldungen bei gleichzeitiger Nichtentrichtung der diesbezüglich darauf entfallenden Umsatzsteuervorauszahlungen eine Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen in Höhe von EUR 115.965,85 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, wobei sie die vorbezeichneten Abgabenverkürzungen durch die missbräuchliche Verwendung der Umsatzsteueridentifikationsnummern der Firmen R***** GmbH (FN *****) und A***** KG (FN *****), durch missbräuchliche Verwendung von Rechnungspapier beider Firmen, durch missbräuchliche Verwendung selbst angefertigter Firmenstempel, sowie durch das teilweise Auftreten mittels verfälschter Identitäten zur Verdeckung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse unternahmen und der strafbestimmende Wertbetrag EUR 250.000,00 (§ 39 Abs 3 lit b FinStrG) übersteigt;

II. Michael S***** als für die steuerlichen Belange Verantwortlicher, vorsätzlich, unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten (§§ 119 ff BAO) nachstehende Abgabenverkürzungen bewirkt, indem er Umsätze und Einkünfte aus dem Handel mit Kraftfahrzeugen gegenüber dem Finanzamt Graz-Stadt nicht erklärte und die darauf entfallenden Abgaben nicht entrichtete, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung von Abgabenhinterziehungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und zwar

1. durch die Lieferung von insgesamt 75 Kraftfahrzeugen an Endabnehmer in Österreich über Zwischenschaltung des ‚Peter Al*****‘ an Umsatzsteuer: für den Zeitraum Juli 2010 bis Dezember 2010: EUR 264.324,20

2. durch die Lieferung von insgesamt 191 Kraftfahrzeugen an Endabnehmer in Österreich über Zwischenschaltung des ‚Peter Al*****‘ an Einkommensteuer: für den Zeitraum Jänner 2010 bis Dezember 2010: EUR 47.205,00

B) Michael S***** in Graz, zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im Jahr 2011

II. den abgesondert verfolgten Jürgen Andreas Si***** bestimmt

1. am 31. Oktober 2011 in Graz vor Gericht als Zeuge im Rahmen einer förmlichen Vernehmung falsch auszusagen, indem Jürgen Si***** nach Vorgabe des Michael S***** im Verfahren 13 Hv 183/10b des Landesgerichtes für Strafsachen Graz folgende Aussagen machte: ‚Meine damaligen Angaben vor Herrn Gu***** von der Steuerbehörde am 2. November 2010 und am 10. November 2010 sind nicht richtig. Wenn mir die diesbezüglichen Protokolle vorgehalten werden, so gebe ich an, dass ich diese Angaben gemacht habe, sie sind aber falsch‘; ‚ich wollte jemanden decken, und zwar die Herrn K***** und Sch*****‘; ‚Diese Autos für die Firma AS***** habe ich über Auftrag des Herrn W*****, nicht über Auftrag des Erstangeklagten (Michael S*****) oder der Zweitangeklagten (Gabriela Z*****) überstellt‘; Nein, ich habe weder für die AS***** noch für den Erstangeklagten oder die Zweitangeklagte weitere Autos überstellt. Dies deshalb, weil es hieß, dass die Zweitangeklagte sich auf den Bereich der Altenpflege konzentrieren will‘; und in seiner weiteren Einvernahme Überstellungen von 100 bis 150 (maximal 200) von, bei ‚Peter Al*****‘, welchen er auch ca. alle 14 Tage getroffen und ihm dabei Geschäftsunterlagen von Sch***** und K***** übergeben habe, gekaufte Kfz im Zeitraum 2005 bis 2009 schilderte, welche er im Auftrag und auf Rechnung von K***** und Sch***** durchgeführt habe und der Aussage, es sei die Idee von K***** und Sch***** gewesen, S***** zu belasten, sowie durch die weiteren Angaben, er habe die, der Steuerfahndung am 2. November 2010 übergebenen Beweismittel für K***** und Sch***** aufbewahrt, sie seien ihm von K***** übergeben worden und habe er schließlich über Auftrag von K***** und Sch***** diese Beweismittel der Steuerfahndung übergeben, um Michael S***** (zu Unrecht) zu belasten;

2. durch die zu 1. beschriebene Tathandlung Christian K***** und Thomas Sch***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung auszusetzen, dass Jürgen Andreas Si***** sie der von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlungen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und Abs 2 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG, sowie der Bestimmung zur Verleumdung nach §§ 12 (2. Fall), 297 Abs 1 (1. Fall) StGB falsch verdächtigte und Michael S***** wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigungen falsch waren;

III. den abgesondert verfolgten Carlos C***** – über Robert Sa*****, nunmehr Robi D***** – bestimmt

1. am 27. April 2011, sowie am 03.Mai 2011 als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei im Rahmen einer förmlichen Vernehmung falsch auszusagen, indem Carlos C***** angab, an Jürgen Si*****, mit dem er sich am 12. April 2011 gegen 12:00 Uhr im Bereich des Jakominiplatzes getroffen habe und sie sich bei diesem Treffen über den Ankauf eines VW-Polo durch Carlos C***** von Jürgen Si***** geeinigt hätten, ca. eine Stunde später (gegen 13:00 Uhr) EUR 3.000,00 als Anzahlung übergeben zu haben, wobei ihm Jürgen Si***** diese Anzahlung durch die Vorgabe, ihm dieses Fahrzeug tatsächlich zu verschaffen, betrügerisch herausgelockt habe;

2. durch die zu 1. beschriebene Tathandlung den Jürgen Si***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung auszusetzen, dass Carlos C***** ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens des Betruges nach § 146 Abs 1 StGB falsch verdächtigte und Michael S***** wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch war;

3. am 27. April 2011 eine falsche Urkunde, nämlich die mit 12. April 2011 datierte ‚Bestätigung‘ über die Anzahlungsübergabe, welche eine nachgemachte Paraphe des Jürgen Si***** trug, dadurch im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes zu gebrauchen, dass Carlos C***** diese als Beweismittel bei seiner Anzeigenerstattung auf der PI Karlauerstraße vorlegte;

C. Georg W***** am 1. Mai 2013 in Graz eine fremde Sache dadurch beschädigt, dass er einen Hocker gegen den Geldspielautomaten des We***** schleuderte, wodurch an der Sache ein EUR 3.000,00 nicht übersteigender Schaden entstanden ist.

D. Robi D*****, vormals Robert Sa*****, den abgesondert Verfolgten Carlos C***** bestimmt:

1. am 27. April 2011, sowie am 3. Mai 2011 als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei im Rahmen einer förmlichen Vernehmung falsch auszusagen, indem Carlos C***** angab, an Jürgen Si*****, mit dem er sich am 12. April 2011 gegen 12:00 Uhr im Bereich des Jakominiplatzes getroffen habe und sie sich bei diesem Treffen über den Ankauf eines VW-Polo durch Carlos C***** von Jürgen Si***** geeinigt hätten, ca. eine Stunde später (gegen 13:00 Uhr) EUR 3.000,00 als Anzahlung übergeben zu haben, wobei ihm Jürgen Si***** diese Anzahlung durch die Vorgabe, ihm dieses Fahrzeug tatsächlich zu verschaffen, betrügerisch herausgelockt habe;

2. durch die zu 1. beschriebene Tathandlung den Jürgen Si***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung auszusetzen, dass Carlos C***** ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens des Betruges nach § 146 Abs 1 StGB falsch verdächtigte und Robi D*****, vormals Robert Sa*****, wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass diese Verdächtigung falsch war;

3. am 27. April 2011 eine falsche Urkunde, nämlich die mit 12. April 2011 datierte ‚Bestätigung‘ über die Anzahlungsübergabe, welche eine nachgemachte Paraphe des Jürgen Si***** trug, dadurch im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes zu gebrauchen, dass Carlos C***** diese als Beweismittel bei seiner Anzeigenerstattung auf der PI Karlauerstraße vorlegte.“

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Michael S***** aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11, von Georg W***** aus Z 9 lit a und 10, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind teilweise im Recht.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zudem, dass zum Nachteil des Angeklagten Robi D***** das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Michael S*****:

§ 39 Abs 1 FinStrG ist eine Qualifikationsnorm, die an die Grundtatbestände der Abgabenhinterziehung (§ 33 Abs 1, 2 und 4 FinStrG), des Schmuggels (§ 35 Abs 1 FinStrG), der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben (§ 35 Abs 2 und 3 FinStrG) sowie der vorsätzlichen Abgabenhehlerei (§ 37 Abs 1 FinStrG) anknüpft (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 2). Demgemäß ist Basisvoraussetzung der Subsumtion eines Verhaltens als Abgabenbetrug nach § 39 Abs 1 FinStrG, dass dieses – objektiv und subjektiv – alle Merkmale des in Rede stehenden Grundtatbestands erfüllt.

Im Hinblick darauf zeigt die Beschwerde im Ergebnis zutreffend auf, dass die hinsichtlich des Schuldspruchs A/I/2 getroffenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 14 f) die Subsumtion nach den Grundtatbeständen des § 33 Abs 1 FinStrG und des § 33 Abs 2 lit a FinStrG nicht tragen (der Sache nach Z 9 lit a).

Beide Tatbestände stellen nämlich unter anderem auf eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten ab, die solcherart vom zumindest bedingten Vorsatz (§ 8 Abs 1 FinStrG) des Täters umfasst sein muss. Konstatierungen hiezu enthält die angefochtene Entscheidung nicht.

§ 33 Abs 2 lit a FinStrG verlangt zudem hinsichtlich des Bewirkens der Abgabenverkürzung nach der qualifizierten Vorsatzform der Wissentlichkeit (13 Os 92/83, EvBl 1984/107, 404; RIS-Justiz RS0087051 und RS0087072), wozu das Erstgericht ebenfalls keine Feststellungen trifft.

Das Konstatierungsdefizit zur subjektiven Tatseite in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten besteht auch hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (A/II).

Ebenso zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 [richtig] lit a) auf, dass die angefochtene Entscheidung bezüglich der Schuldsprüche B/II/1 und B/II/2 keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite enthält (siehe US 16 f).

Die Schuldsprüche A/I/2, A/II und B/II waren daher gemäß § 285e StPO in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben.

Das weitere Vorbringen zu diesen Schuldsprüchen kann daher auf sich beruhen.

Im Übrigen geht die Nichtigkeitsbeschwerde fehl:

Zum Schuldspruch B/III liegt dem Beschwerdeführer zur Last, Carlos C***** über Robi D***** zu mehreren strafbaren Handlungen bestimmt zu haben (US 17 f).

Demgemäß bezog sich die Aussage des Carlos C*****, den Beschwerdeführer nicht persönlich zu kennen und mit ihm auch niemals telefoniert zu haben, nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände und war solcherart – entgegen der Mängelrüge (Z 5) – nicht erörterungsbedürftig iSd Z 5 zweiter Fall (RIS-Justiz RS0106268).

Der Einwand eines Feststellungsdefizits zum „Tatbegehungsmodus“ hinsichtlich des Schuldspruchs B/III/2 (Z 9 [richtig] lit a), lässt nicht erkennen, welche über die vom Erstgericht getroffenen hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich sein sollen, und entzieht sich somit einer meritorischen Erledigung (RIS-Justiz RS0095939RS0117247 und RS0118342).

Die Behauptung der Rüge, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite würden den Schuldspruch B/III/(richtig)1 nicht tragen, geht nicht vom Urteilssachverhalt aus, wonach der Beschwerdeführer Carlos C***** über Robi D***** bestimmte, als „Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei im Rahmen einer förmlichen Vernehmung“ falsch auszusagen und dabei in der „Gewissheit“ handelte, dass der verlangte Aussageinhalt „falsch war“ (US 17 f), und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) mit der Begründung, die dem Schuldspruch B/III/3 zugrunde liegende falsche Urkunde sei im Zuge der Anzeigeerstattung als Beweismittel vorgelegt worden, die Subsumtion nach § 293 Abs 1 StGB fordert, argumentiert sie nicht aus dem Gesetz (siehe aber 12 Os 52/02, SSt 64/31; RIS-Justiz RS0116565 und RS0116569). Die Beschwerde legt nämlich insoweit nicht dar, aus welchem Grund die Subsidiaritätsklausel des § 293 Abs 1 StGB hier nicht zur Anwendung gelangen soll.

Hinsichtlich des Schuldspruchs B/III war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aufgrund der Aufhebung der Schuldsprüche A/I/2, A/II und B/II waren auch die Michael S***** betreffenden Strafaussprüche nach dem FinStrG und dem StGB aufzuheben, worauf er mit seiner Berufung zu verweisen war.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Georg W*****:

Zum Erfordernis der Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale des in Rede stehenden Grundtatbestands bei Verurteilung wegen Abgabenbetrugs (§ 39 Abs 1 FinStrG) sei zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Darlegungen zur Nichtigkeitsbeschwerde des Michael S***** verwiesen.

Im Hinblick darauf zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) im Ergebnis zutreffend auf, dass die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 14 f) den Schuldspruch A/I/2 nicht tragen.

Auch in Bezug auf Georg W***** enthält die angefochtene Entscheidung nämlich keine Feststellungen darüber, ob die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten vom zumindest bedingten (§ 8 Abs 1 FinStrG) Tätervorsatz umfasst gewesen und ob die Abgabenverkürzung bezüglich der Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 33 Abs 2 lit a FinStrG) wissentlich bewirkt worden ist.

Der Schuldspruch A/I/2 war daher gemäß § 285e StPO in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben.

Die übrigen – ausschließlich auf diesen Schuldspruch bezogenen – Beschwerdeausführungen können somit auf sich beruhen.

Zum Schuldspruch wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (C) wurden weder in der Ausführung der Beschwerdegründe noch bei der Anmeldung der Beschwerde die Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt bezeichnet (§ 285 Abs 1 StPO), aus welchem Grund die Nichtigkeitsbeschwerde insoweit gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen war.

Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs A/I/2 war auch der Strafausspruch nach dem FinStrG aufzuheben, worauf Georg W***** mit seiner (nur hiegegen gerichteten) Berufung zu verweisen war.

Zur amtswegigen Maßnahme:

Die in Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerden des Michael S***** und des Georg W***** aufgezeigten Konstatierungsdefizite (Z 9 lit a) zum Schuldspruch A/I/2 betreffen auch Robi D***** und waren demgemäß hinsichtlich dieses Angeklagten von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Ebenso war bezüglich der Schuldsprüche wegen Vergehen der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 und 4 StGB (D/1), der Verleumdung nach §§ 12 zweiter Fall, 297 Abs 1 erster Fall StGB (D/2) und der Urkundenfälschung nach §§ 12 zweiter Fall, 223 Abs 2 StGB (D/3) vorzugehen, weil das Erstgericht insoweit keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite traf (siehe US 18).

Sämtliche Schuldsprüche des Robi D***** waren daher gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben, was die Aufhebung der Robi D***** betreffenden Strafaussprüche nach dem FinStrG und dem StGB zur Folge hatte.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein:

(1) Zu § 33 Abs 1 FinStrG:

a) Hinsichtlich zu veranlagender Abgaben wird nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0086590 und RS0124712) – bezogen auf ein Steuersubjekt – mit Abgabe einer unrichtigen Jahressteuererklärung je Steuerart (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) ein Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet. Solcherart bildet insoweit die Jahressteuererklärung – allenfalls als Bündel mehrerer steuerlich trennbarer Einzelaspekte – das kleinste (nicht mehr teilbare) Element des Sachverhalts, also eine selbständige Tat im materiellen Sinn (13 Os 142/08v, JBl 2010, 318). Entsprechendes gilt für das Unterlassen der Abgabe einer Jahressteuererklärung, in welchem Fall die Nichtabgabe bis zum gesetzlich vorgesehenen Endzeitpunkt (§ 33 Abs 3 lit a zweiter Fall FinStrG) selbständige Tat ist (13 Os 58/13y, Lässig in WK2 FinStrG Vorbem Rz 9).

Ein diesbezüglicher Schuldspruch setzt daher Feststellungen darüber voraus, ob der Angeklagte Jahressteuererklärungen abgegeben oder dies bis zum gesetzlich vorgesehenen Endzeitpunkt (hiezu Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 36) unterlassen hat und welche Unrichtigkeiten allenfalls abgegebene Erklärungen aufgewiesen haben (vgl demgegenüber US 15). Unter dem Aspekt der Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung sind überdies Konstatierungen dazu erforderlich, ob Abgabenbescheide erlassen worden und – fallbezogen mit Blick auf den vor dem Inkrafttreten der mit BGBl I 2013/14 vorgenommenen Änderung des § 33 Abs 3 lit a FinStrG gelegenen präsumptiven Tatzeitraum – ob diese gegebenenfalls in Rechtskraft erwachsen sind (RIS-Justiz RS0086391RS0086429RS0086436 und RS0086462).

Da das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG ein Vorsatzdelikt ist, müssen sämtliche Tatbestandsmerkmale, also sowohl die Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht als auch das Bewirken einer Abgabenverkürzung vom – zumindest bedingten (§ 8 Abs 1 FinStrG) – Tätervorsatz umfasst sein (vgl demgegenüber US 14 f).

b) Fallbezogen wurde Michael S***** mit – seit 16. Mai 2013 rechtskräftigem (siehe 13 Os 129/12p) – Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. Juni 2012, GZ 13 Hv 183/10b-178, (unter anderem) wegen Verkürzung der Jahresumsatzsteuer 2010 des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt (vgl US 10 und 15). Ausgehend vom dargelegten (1/a) finanzstrafrechtlichen Tatbegriff steht daher einer neuerlichen Verurteilung wegen Verkürzung der Jahresumsatzsteuer 2010 – auch wenn sich diese auf einen anderen Verkürzungsbetrag bezieht – der Grundsatz „ne bis in idem“ (Art 4 7. ZPMRK, § 17 Abs 1 StPO) entgegen.

(2) Zu § 33 Abs 2 lit a FinStrG:

Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG werden durch dort pönalisiertes Verhalten in Bezug auf Voranmeldungszeiträume (§ 21 Abs 1 UStG) begangen, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich jedes solchen Zeitraums und jeder Abgabenart (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) eine selbständige Tat vorliegt (13 Os 105/08b, SSt 2009/18; RIS-Justiz RS0118311und RS0124712).

Ein Schuldspruch nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG muss sich daher stets auf einen konkreten Kalendermonat beziehen (vgl demgegenüber US 16).

Vollendet ist eine Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG, wenn die Vorauszahlung nicht bis zum 15. Tag des jeweils zweitfolgenden Monats (§ 21 Abs 1 UStG) geleistet wird (RIS-Justiz RS0087066, jüngst 13 Os 59/14x). Auch hiezu ist eine entsprechende Feststellungsbasis zu schaffen.

Auf der subjektiven Tatseite verlangt § 33 Abs 2 lit a FinStrG hinsichtlich der Pflichtverletzung zumindest bedingten Vorsatz (§ 8 Abs 1 FinStrG), bezüglich des Bewirkens der Abgabenverkürzung die qualifizierte Vorsatzform der Wissentlichkeit (RIS-Justiz RS0087051 undRS0087072).

(3) Zu § 38 Abs 1 FinStrG:

a) Nach ständiger Judikatur begründet die Verwendung der verba legalia ohne Herstellung eines Sachverhaltsbezugs einen Rechtsmangel infolge fehlender Feststellungen (RIS-Justiz RS0119090). Für Urteilskonstatierungen zur Gewerbsmäßigkeit folgt daraus insbesondere, dass der Gesetzesbegriff „fortlaufend“ durch konkrete Feststellungen zur intendierten Dauer des Einnahmenzuflusses aufzulösen ist, um dem Obersten Gerichtshof die Überprüfung der Verwirklichung des angesprochenen Sachverhaltselements zu ermöglichen (Lässig in WK2 FinStrG § 38 Rz 9; zu den diesbezüglichen Feststellungserfordernissen siehe Jerabek in WK2 StGB § 70 Rz 7 [vgl demgegenüber US 14 f]).

b) Zudem wird zu beachten sein, dass gemäß § 265 Abs 1p FinStrG bei nach dem 31. Dezember 2010 gelegenen Tatzeiten (hiezu in Bezug auf zu veranlagende Abgaben Lässig in WK2 FinStrG Vorbem Rz 9 und § 33 Rz 36) § 38 FinStrG in der Fassung der FinStrG-Novelle 2010 BGBl I 2010/104 anzuwenden ist.

(4) Zu § 39 FinStrG:

Indem § 39 FinStrG an die Begehung von (bestimmten) Finanzvergehen, deren Ahndung in die (originäre [Lässig in WKFinStrG § 39 Rz 2]) Zuständigkeit des Gerichts fällt, anknüpft, normiert er – in Anlehnung an § 29 StGB (Ratz in WK2 StGB § 29 Rz 1, 5 bis 7) und solcherart vergleichbar mit § 28a Abs 2 Z 3 SMG und § 28a Abs 4 Z 3 SMG (Schwaighofer in WK2 SMG § 28a Rz 35, 48) – eine besondere Art des Zusammenrechnungsgrundsatzes. Der Gesetzgeber verdeutlicht dies durch die Formulierung der Absätze 1 und 2 des § 39 FinStrG, wonach sich „des“ Abgabenbetrugs schuldig macht, wer (eine unbestimmte Anzahl der genannten) Finanzvergehen begeht. Im Fall des Zusammentreffens mehrerer (in § 39 Abs 1 oder 2 genannter) Finanzvergehen ist daher bei Vorliegen qualifizierender Tatmodalitäten eine Subsumtionseinheit sui generis zu bilden, wobei die einzelnen Straftaten ihre rechtliche Selbständigkeit behalten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 568 [zu § 29 StGB sowie § 28a Abs 2 Z 3 SMG und § 28a Abs 4 Z 3 SMG]). Teil dieser Subsumtionseinheit können aber ausschließlich solche Finanzvergehen sein, die unter Einsatz einer qualifizierenden Tatmodalität begangen worden sind, wobei immer nur gleichartige Finanzvergehen – zu einem Finanzvergehen (§ 39 Abs 3 lit a FinStrG) oder Verbrechen (§ 39 Abs 3 lit b oder lit c FinStrG) des Abgabenbetrugs – zusammenzufassen sind (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 3).

Die hier vorgenommene Zusammenfassung von Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und solchen nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG zu einem Verbrechen des Abgabenbetrugs nach § 39 Abs 1 lit b, Abs 3 lit b FinStrG (US 6 f, siehe auch US 16) ist daher verfehlt.

Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb Michael S***** insoweit die Grundtatbestände des § 33 Abs 1 FinStrG und des § 33 Abs 2 lit a FinStrG (US 6), Robi D***** und Georg W***** hingegen nur jener des § 33 Abs 2 lit a FinStrG (US 7) angelastet werden.

Da § 39 Abs 1 FinStrG unselbständige Qualifikationstatbestände normiert, sind die dort umschriebenen Verhaltensweisen als (qualifizierender) Teil des jeweiligen Grundtatbestands zu verstehen und müssen sie solcherart vom zumindest bedingten Vorsatz (§ 8 Abs 1 FinStrG) des Täters umfasst sein (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 16). Entsprechende Konstatierungen enthält die angefochtene Entscheidung nicht (siehe insbesondere US 14 f).

§ 39 Abs 3 FinStrG regelt eine – an das Vermögensstrafrecht des StGB angelehnte (vgl EBRV 874 BlgNR 24. GP 10) – Abstufung nach Wertqualifikationen. Demgemäß muss auch das Überschreiten der Qualifikationsgrenzen des § 39 Abs 3 lit b oder c FinStrG vom (zumindest bedingten) Tätervorsatz umfasst sein (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 3 und 28 [vgl demgegenüber US 14 f]).

(5) Zum strafbestimmenden Wertbetrag:

Zurückgehend auf ein Erkenntnis eines verstärkten Senats aus dem Jahr 1991 (EvBl 1992/16) judiziert der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens zwar die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des im diesbezüglichen Finanzstrafverfahren aktuellen Finanzvergehens zukommt, das Gericht aber nicht an den Bescheid gebunden ist (RIS-Justiz RS0087030).

Prozessual betrachtet sind abgabenbehördliche Erhebungsergebnisse Beweismittel, aus welchem Grund sie in der Hauptverhandlung (in aller Regel durch Verlesung) vorkommen müssen, um bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden zu können (§ 258 Abs 1 StPO). Sind sie in der Hauptverhandlung vorgekommen, muss sie das erkennende Gericht – wie jedes andere Beweismittel auch – auf ihre Beweiskraft prüfen (§ 258 Abs 2 erster Satz StPO).

Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) folgt daraus, dass der pauschale Hinweis auf die Ergebnisse des Abgabenverfahrens nicht hinreicht, sondern die nachvollziehbare Bezugnahme auf – konkret zu bezeichnende – Aktenteile erforderlich ist (13 Os 50/09s, RIS-Justiz RS0087030 [T1]), welchem Erfordernis die angefochtene Entscheidung nicht entspricht. Anhand des bloßen Verweises auf die „Beilagen zur ON 249“, das „SV-GA Dris. H*****“ und die im Verfahren AZ 13 Hv 183/10b des Landesgerichts für Strafsachen Graz getroffenen Feststellungen (US 13, 18 f) ist nämlich die Rückrechnung der auf US 15 f konstatierten Verkürzungsbeträge nicht möglich.

In Bezug auf Taten, deren präsumptiver Tatzeitraum vor dem 1. Jänner 2011 liegt (A/II), ist beim anzustellenden Günstigkeitsvergleich (§ 4 Abs 2 FinStrG) insbesondere auf den mit der FinStrG-Novelle 2010 BGBl I 2010/104 eingefügten zweiten Satz des § 33 Abs 5 FinStrG Bedacht zu nehmen (hiezu Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 47 f).

(6) Zum Ausspruch einer Zusatzstrafe:

Die Bestimmungen über die Bedachtnahme auf eine Vorverurteilung finden sich für das Finanzstrafverfahren in § 21 Abs 3 FinStrG (vgl demgegenüber US 7).

Im Hinblick darauf, dass das hier in Rede stehende Vor-Urteil am 12. Juni 2012 gefällt worden ist (vgl US 10 und 15), werden im Fall einer neuerlichen Verurteilung wegen der vom Schuldspruch A/I/2/a umfassten Tat zwecks Prüfung der zeitlichen Voraussetzungen einer allfälligen Bedachtnahme exakte Feststellungen zur Tatzeit (vgl auch 1) zu treffen sein.

Sollten die zeitlichen Voraussetzungen im Sinn von § 21 Abs 3 FinStrG nicht vorliegen, wird aber – auch im Fall einer abermaligen Verurteilung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG und solcherart grundsätzlich gebotenen Verhängung einer Geldstrafe (§ 21 Abs 2 vierter Satz FinStrG) – das Verbot der reformatio in peius (§ 293 Abs 3 StPO) zu berücksichtigen sein.

(7) Zu § 288 StGB:

Die falsche Beweisaussage vor Gericht ist (soweit hier von Interesse) in § 288 Abs 1 StGB geregelt, der diesbezügliche Schuldspruch auch nach § 288 Abs 4 StGB (B/II/1) ist daher verfehlt.

(8) Zu § 146 StGB:

Der Grundtatbestand des Betrugs ist nicht nach Absätzen aufgegliedert (vgl demgegenüber US 5 und 6).

Mit ihren Berufungen waren Michael S***** und Georg W***** auf die Aufhebung der jeweiligen Strafaussprüche zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.“

  1. 7.§ 33 Abs 1 FinStrG (§§ 95 f EStG):

KESt- Verkürzung = EvBl 2015/84; OGH 25.2.2015, 13 Os 107/14f (LGSt Wien 12 Hv 114/12p).

Zur Beurteilung einer allfälligen Verkürzung an KESt sind Feststellungen darüber zu treffen, ob, gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt, Kapitalerträge geflossen sind. Werden Kapitalflüsse konstatiert, sind weiters die Person des Schuldners und des Empfängers der Kapitalerträge festzustellen und auf dieser Basis anhand der Bestimmungen der §§ 95 f SStG zu prüfen, wen die darauf bezogene Pflicht zum Abzug und zur Abfuhr der KESt traf. Im Fall eines Schuldspruchs wegen Finanzvergehen der (gewerbsmäßigen) Abgabenhinterziehung sind die einzelnen Taten unter Zugrundelegung des finanzstrafrechtlichen Tatbegriffs zur KESt durch Feststellungen voneinander abzugrenzen.

„Geschäftszahl

13Os107/14f

Entscheidungsdatum

25.02.2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bachl als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Klaus A***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und 13 FinStrG aF über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. April 2014, GZ 12 Hv 114/12p-259, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den auf die Verkürzung von Kapitalertragsteuer für die Jahre 1997 bis 2000 bezogenen Schuldsprüchen wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (I/B und II/B) und in der Subsumtion der Verkürzungen an Umsatzsteuer für die Jahre 1996 bis 1998 (I/A/1/a/i und ii, II/A/1/a/i bis iii sowie III/A/1/a), Körperschaftsteuer für die Jahre 1997 und 1998 (I/A/1/b/i sowie II/A/1/b/i und ii) und Einkommensteuer für das Jahr 1998 (III/A/2/a) nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG aF sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Klaus A***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (I/A/1, I/B, II/A/1, II/B und III/A) sowie nach §§ 13, 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (I/A/2, II/A/2 und III/B) schuldig erkannt.

Danach hat er gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt und dies versucht, nämlich

(I) im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Wien 6/7/15 (US 16) als Verantwortlicher der R***** GmbH

A) durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen

1) bewirkt, nämlich an Umsatzsteuer für die Jahre 1996 um 67.182 Euro, 1997 um 128.781 Euro und 1999 um 226.844 Euro sowie an Körperschaftsteuer für die Jahre 1997 um 33.220 Euro und 1999 um 35.083 Euro sowie

2) zu bewirken versucht, nämlich für das Jahr 2000 an Umsatzsteuer um 325.513 Euro und an Körperschaftsteuer um 9.309 Euro, zudem

B) durch das Unterlassen der Einbehaltung, Anmeldung und Abfuhr von Kapitalertragsteuer bewirkt, nämlich für die Jahre 1997 um 25.332 Euro, 1998 um 14.012 Euro, 1999 um 31.848 Euro und 2000 um 82.106 Euro,

(II) im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Wien 2/20/21/22 (US 16) als Verantwortlicher der Peter A***** GmbH

A) durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen

1) bewirkt, nämlich an Umsatzsteuer für die Jahre 1996 um 3.331 Euro, 1997 um 8.134 Euro, 1998 um 20.705 Euro und 1999 um 81.635 Euro sowie an Körperschaftsteuer für die Jahre 1997 um 5.386 Euro, (richtig [siehe US 9 f]) 1998 um 7.177 Euro und 1999 um 31.283 Euro sowie

2) zu bewirken versucht, nämlich an Umsatzsteuer für das Jahr 2000 um 14.927 Euro sowie an Körperschaftsteuer für die Jahre 2000 um 21.132 Euro und 2001 um 10.755 Euro, zudem

B) durch das Unterlassen der Einbehaltung, Anmeldung und Abfuhr von Kapitalertragsteuer bewirkt, nämlich für die Jahre 1997 um 3.936 Euro, 1998 um 6.990 Euro, 1999 um 14.582 Euro und 2000 um 10.257 Euro, weiters

(III) im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Wien 2/20/21/22 (US 16) als Einzelunternehmer

A) durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen bewirkt, nämlich an Umsatzsteuer für die Jahre 1998 um 214.383 Euro und 1999 um 324.253 Euro sowie an Einkommensteuer für die Jahre 1998 um 32.651 Euro und 1999 um 46.577 Euro, zudem

B) durch die Nichtabgabe von Jahressteuerklärungen zu bewirken versucht, nämlich für das Jahr 2000 an Umsatzsteuer um 214.534 Euro und an Einkommensteuer um 27.648 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Schuldspruch basiert zusammengefasst auf der Urteilsannahme, der Beschwerdeführer habe gegenüber den Abgabenbehörden vorgegeben, Dienstleistungen, die tatsächlich von der R***** GmbH (I), der Peter A***** GmbH (II) und dem Einzelunternehmen Klaus Peter A***** (III) erbracht worden sind, seien einem in Portugal ansässigen Unternehmen zuzurechnen. Auf diese Weise seien für die Veranlagungsjahre 1996 bis 2001 einerseits zu Unrecht Umsatzsteuerbefreiungen im Sinn der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 11. Dezember 1974 über die umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen ausländischer Unternehmer BGBl 1974/800 in Anspruch genommen und andererseits Einkünfte der österreichischen Besteuerung (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer) entzogen worden (auf die inkriminierten Verkürzungen an Kapitalertragssteuer wird gesondert eingegangen).

Die objektiven Voraussetzungen für die diesbezügliche Steuerpflicht im Inland werden auf den US 7 bis 10 festgestellt, die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite finden sich auf den US 6 f, 7 f und 9 f.

Indem die Rechtsrüge diese Feststellungen durch die auf eigene Beweiswerterwägungen gegründeten Behauptungen, es wären (zusammengefasst) weder die tatsächlichen Voraussetzungen für die Steuerpflicht im Inland noch ein auf Abgabenverkürzung gerichteter Vorsatz des Beschwerdeführers gegeben gewesen, ersetzt, entfernt sie sich vom Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810, jüngst 13 Os 72/14h).

Auch die Behauptung eines Feststellungsdefizits entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil die Beschwerde insoweit nicht erkennen lässt, welche über die vom Erstgericht getroffenen (US 5 bis 12) hinausgehenden Konstatierungen für die vorgenommene Subsumtion erforderlich sein sollen (RIS-Justiz RS0095939RS0117247 und RS0118342, jüngst 14 Os 64/14i).

Entgegen der Beschwerde ist die Ableitung der Feststellungen zu den strafbestimmenden Wertbeträgen aus den – als schlüssig erachteten (US 16) – abgabenbehördlichen Ermittlungsergebnissen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (insoweit der Sache nach Z 5 vierter Fall, allenfalls iVm Z 11 erster Fall [hiezu Lässig in WK2 FinStrG Vorbem Rz 21]) nicht zu beanstanden:

Zurückgehend auf ein Erkenntnis eines verstärkten Senats aus dem Jahr 1991 (EvBl 1992/16) judiziert der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des im diesbezüglichen Finanzstrafverfahren aktuellen Finanzvergehens zukommt (RIS-Justiz RS0087030).

Prozessual betrachtet sind abgabenbehördliche Erhebungsergebnisse Beweismittel, aus welchem Grund sie in der Hauptverhandlung (in aller Regel durch Verlesung oder Vortrag) vorkommen müssen, um bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden zu können (§ 258 Abs 1 StPO). Sind sie – wie hier (ON 258 S 46) – in der Hauptverhandlung vorgekommen, muss sie das erkennende Gericht gemäß § 258 Abs 2 erster Satz StPO – wie jedes andere Beweismittel auch – auf ihre Beweiskraft prüfen (zum Ganzen Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 4 f).

Aus dem Blickwinkel hinreichender Urteilsbegründung folgt daraus, dass der bloß pauschale Hinweis auf die Ergebnisse des Abgabenverfahrens nicht hinreicht, sondern die nachvollziehbare Bezugnahme auf – konkret zu bezeichnende – Aktenteile erforderlich ist (13 Os 50/09s, RIS-Justiz RS0087030 [T1]), welchem Erfordernis die angefochtene Entscheidung entspricht (US 16).

Der Einwand, es gäbe „portugiesische Steuerbescheide, die völlig andere Jahresergebnisse ausweisen als jene, die die inländischen Finanzbehörden für ihre Vorschreibung zugrundegelegt haben“, entzieht sich schon deshalb einer meritorischen Erledigung, weil er den unter dem Aspekt des (der Sache nach) herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Z 5 zweiter Fall) unerlässlichen Aktenbezug (RIS-Justiz RS0124172[insbesondere T5]) vermissen lässt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass in der angefochtenen Entscheidung – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

(I) Der Vorgang der Subsumtion besteht im Herstellen einer Verknüpfung zwischen der Tat und einer strafbaren oder (sofern in Sonderfällen nicht alle Voraussetzungen der Strafbarkeit verlangt werden) mit Strafe bedrohten Handlung. Dabei wird der festgestellte Lebenssachverhalt (Tat) dahin beurteilt, ob er unter die gesetzliche Kategorie einer strafbaren Handlung, also eines tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, das auch allfälligen zusätzlichen Voraussetzungen für die Strafbarkeit genügt, fällt (Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 7, Ratz in WK² StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 1).

In Finanzstrafsachen ist im Bereich der Kapitalertragsteuer selbstständige Tat das Unterlassen der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen Kapitalertragsteuer-Abfuhr (§ 96 Abs 1 EStG) unter Verletzung der korrespondierenden (§ 96 Abs 3 EStG) Anmeldungspflicht (13 Os 104/10h, AnwBl 2011, 448; RIS-Justiz RS0124712 [T3 und T4]).

Da die angefochtene Entscheidung hiezu keine Feststellungen trifft, sondern bloß nach Kalenderjahren zusammengefasste Verkürzungen an Kapitalertragsteuer konstatiert (US 11), schafft sie somit diesbezüglich keine hinreichende Subsumtionsbasis.

(II) Das Erstgericht stellt die Tatzeitpunkte zu den hinsichtlich der Veranlagungsjahre 1996 bis 1998 durch Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen bewirkten Verkürzungen an Umsatz-, Körperschaft- und Einkommensteuer nicht fest. Dies ist hier deswegen subsumtionsrelevant, weil die Qualifikation gewerbsmäßiger Begehung (§ 38 Abs 1 FinStrG) erst durch das – mit 13. Jänner 1999 in Kraft getretene – AbgÄG 1998 BGBl I 1999/28 auf den Grundtatbestand der Abgabenhinterziehung (§ 33 FinStrG) ausgedehnt worden ist.

Die angefochtene Entscheidung war daher in den Schuldsprüchen I/B und II/B sowie in der Subsumtion der von den Schuldsprüchen I/A/1/a/i und ii, I/A/1/b/i, II/A/1/a/i bis iii, II/A/1/b/i und ii, III/A/1/a und III/A/2/a umfassten Taten nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG aF schon bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Dies hatte die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge, worauf der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen war.

Zur Beurteilung einer allfälligen Verkürzung an Kapitalertragsteuer werden im zweiten Rechtsgang Feststellungen darüber zu treffen sein, ob, gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt, Kapitalerträge geflossen sind. Werden Kapitalflüsse konstatiert, werden weiters die Person des Schuldners und des Empfängers der Kapitalerträge festzustellen und wird auf dieser Basis anhand der Bestimmungen der §§ 95 und 96 EStG zu prüfen sein, wen die darauf bezogene Pflicht zum Abzug und zur Abfuhr der Kapitalertragsteuer traf (hiezu eingehend Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 32). Im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs wegen Finanzvergehen der (gewerbsmäßigen) Abgabenhinterziehung werden die einzelnen Taten unter Zugrundelegung des dargelegten finanzstrafrechtlichen Tatbegriffs zur Kapitalertragsteuer (13 Os 104/10h, AnwBl 2011, 488; RIS-Justiz RS0124712 [T3 und T4]) durch entsprechende Feststellungen voneinander abzugrenzen sein.

Bezüglich der Veranlagungsjahre 1996 bis 1998 wird zwecks Klärung der Anwendbarkeit der Qualifikationsnorm des § 38 Abs 1 lit a FinStrG aF der Zeitpunkt der Abgabe der unrichtigen Steuererklärungen (vgl Lässig in WK2 FinStrG Vorbem Rz 9) zu konstatieren sein.

Hinzugefügt sei:

(1) Das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) stimmt in der Bezeichnung (US 3: „II/A“) nicht mit dem korrespondierenden Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) überein (US 4: „II/B“).

(2) § 33 Abs 3 FinStrG enthält (bloß) Legaldefinitionen des Bewirkens, also der möglichen Arten und des Zeitpunkts der technischen Vollendung der Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 und Abs 2 FinStrG, die Tatbestände der Abgabenhinterziehung sind in diesen Absätzen und in § 33 Abs 4 FinStrG umschrieben (SSt 55/12, RIS-Justiz RS0087102, Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 29 [vgl demgegenüber US 4]).

(3) Bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht ist nach § 26 Abs 2 erster Satz FinStrG – zwingend (Lässig in WK2 FinStrG § 26 Rz 8) – mit der Weisung zu verbinden, eine allfällige Abgabenverkürzung oder einen sonstigen Einnahmenausfall zu berichtigen. Da das Unterbleiben einer solchen Weisung (siehe US 4) zum Vorteil des Angeklagten wirkt und hier weder von der Staatsanwaltschaft noch von der Finanzstrafbehörde bekämpft worden ist, hat es auf sich zu beruhen.

(4) Der Ausspruch der Beschlagnahme erfolgte verfehlt (siehe § 35 StPO, vgl auch § 207a Abs 2 erster Satz FinStrG und § 115 Abs 5 StPO sowie Lässig in WK2 FinStrG § 207a Rz 7 und Tipold/Zerbes, WK-StPO § 115 Rz 14, 18 und 46) in Urteilsform (US 4). Ausgehend davon, dass der Inhalt einer Entscheidung nach ständiger Judikatur nicht durch deren Form, sondern durch deren Wesen bestimmt wird (RIS-JustizRS0106264 [insbesondere T3]), ist auch die Anfechtungsmöglichkeit nach der rechtsrichtigen Entscheidungsform zu beurteilen (Ratz, WK-StPO Vor § 280 Rz 5; Tipold, WK-StPO § 85 Rz 10). Der (verfehlt in Urteilsform ergangene) Beschluss (§ 35 Abs 2 StPO) auf Beschlagnahme ist daher mit Beschwerde anfechtbar (§ 87 Abs 1 StPO). Da das Erstgericht nach der Aktenlage insoweit entgegen § 86 Abs 1 erster Satz StPO keine Rechtsmittelbelehrung erteilt hat, wurde aber die in § 88 Abs 1 zweiter Satz normierte 14-tägige Rechtsmittelfrist nicht ausgelöst (RIS-Justiz RS0123942), aus welchem Grund der angesprochene Beschluss nicht in Rechtskraft erwachsen ist.

Die Kostenentscheidung – die sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12) – gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.“

[:en]

I. Whistleblowing-das Hinweisgebersystem im österreichischen Recht – eine Bilanz

Nach Einführung der als Teil des strafrechtlichen Kompetenzpakets geschaffenen Kronzeugenregelung (§§ 209a und 209b StPO) mit 1. Jänner 2011 war es dem Bundesministerium für Justiz ein besonderes Anliegen, weitere Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, um die Effektivität der Strafjustiz bei der Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption zusätzlich zu erhöhen und ihr die für die Bewältigung ihrer Aufgaben notwendigen Werkzeuge in die Hand zu geben. Aus diesem Grund wurden umfassende Überlegungen zur Einführung eines „Whistleblower-Systems“ insbesondere für diesen Kriminalitätsbereich angestellt. Es zeigte sich auch im internationalen Vergleich, dass Systeme in Form telefonischer Hotlines oder spezieller E-Mailadressen die Anonymität eines Hinweisgebers nicht zu wahren vermögen und somit meist eine maßgebliche Hemmschwelle für die Bereitschaft eines potentiellen Hinweisgebers zur Meldung besteht. Das Augenmerk wurde daher auf internetbasierte Meldesysteme gelegt, die einerseits Rückfragen an den Hinweisgeber ermöglichen und andererseits auch dessen Anonymität wahren.

Nach Klärung der rechtlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen hat das Bundesministerium für Justiz schließlich am 20. März 2013 vorerst für eine Probezeit von zwei Jahren bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) ein speziell für Ermittlungen im Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsdelikte geeignetes internetbasiertes anonymes Anzeigesystem, das sogenannte Business Keeper Monitoring System (BKMS®-System) eingeführt. Dieses schafft die Möglichkeit bidirektionaler Kommunikation mit einem anonym bleibenden Hinweisgeber über einen Postkasten. Das System eröffnet den befassten Staatsanwältinnen und Staatsanwälten somit im Gegensatz zur Bearbeitung postalisch oder auf sonstigem Weg eingelangter anonymer Anzeigen die Nachfrage beim Hinweisgeber zur Objektivierung des Wertes der Hinweise bei gleichzeitiger Zusicherung absoluter Anonymität. Solcherart objektivierte Meldungen können sodann als Ermittlungsansätze bzw. als Voraussetzung des konkreten Verdachts für die Führung eines Strafverfahrens herangezogen werden.

Zum Hinweisgebersystem gelangt man über die Homepage des Bundesministeriums für Justiz (siehe unter „Quicklinks“), sowie über die Website der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Das BKMS® System ermöglicht Hinweise zu folgenden, sich am Zuständigkeitskatalog der WKStA gemäß § 20a StPO orientierenden Schwerpunkten abzugeben: Korruption, Wirtschaftsstrafsachen, Sozialbetrug, Finanzstrafsachen, Bilanz- und Kapitalmarktdelikte sowie Geldwäscherei.

Während des Meldevorgangs entscheidet der Hinweisgeber über die namentliche oder anonyme Nutzung des Systems. Eine Rückverfolgbarkeit der IP-Adresse des Hinweisgebers bei Nutzung des BKMS® Systems ist nicht möglich.

In den ersten sechs Wochen gingen bei der WKStA insgesamt 335 Meldungen über das Hinweisgebersystem ein.

Seit dem Start der Homepage am 20. März 2013 bis zum 8. April 2015 gingen bereits 2.540 Meldungen ein, von denen nur rund 7% substratlos waren. Durch die Hinweise leitete die WKStA insgesamt mehr als 350 Ermittlungsverfahren ein und erhielt in über 30 Fällen zusätzliche Hinweise zu laufenden Verfahren – eine sehr positive Bilanz. Die Whistleblower-Homepage trägt auch zur Aufklärung weiterer Straftaten bei: So leitete die WKStA rund 27% der Hinweise an andere Staatsanwaltschaften und rund 33% an die Finanzbehörden weiter, da diese in deren Zuständigkeit fielen. 

Es handelt sich somit um ein effektives Werkzeug gegen Korruption. Das System hat einen großen Vorteil gegenüber einer anonymen Anzeige: Der Tippgeber kann bei Rückfragen von der Behörde kontaktiert werden, und – je nachdem, wie er möchte – weiterhin anonym bleiben oder aber seine Identität offenbaren.

Wie läuft nun eine Meldung konkret ab? Wer in seiner Behörde oder auch in seinem Unternehmen etwas beobachtet, kann dies über einen Link auf der Homepage des Justizministeriums (www.justiz.gv.at) der WKStA melden. Nach einer Belehrung darüber, wie man am besten seine Anonymität wahren kann – zum Beispiel sollten keine Intranet-Verbindungen von Unternehmen genutzt werden -, muss man den Bereich angeben, in den der Hinweis fällt. Unterteilt wird entlang des Strafgesetzbuchs in Korruption, Wirtschaftsstrafsachen, Sozialbetrug, Finanzstrafsachen, Bilanz- und Kapitalmarktdelikte sowie Geldwäscherei. In kurzen Worten können dann die Vorkommnisse geschildert werden, der Tippgeber kann sich entscheiden, ob er seinen Namen nennen möchte oder nicht. Das System der deutschen Business Keeper AG, das bereits seit 2003 von zig Institutionen weltweit (etwa auch durch die Telekom) genutzt wird, garantiert, dass der Tippgeber nicht zurückzuverfolgen ist. Vorsicht ist beim Hochladen von Dokumenten geboten. Denn über die Metadaten, also die Informationen, die unsichtbar im Dokument enthalten sind, kann der Verfasser meist relativ problemlos ausgeforscht werden, die Anonymität geht verloren.

Macht der Tippgeber einen solchen „Fehler“, dann muss er damit rechnen, dass er zumindest als Zeuge vorgeladen wird. Prinzipiell ist es aber nicht das Ziel, Zeugen zu finden, sondern viel eher, Hinweise für Sachbeweise zu bekommen.

Bei der WKStA werden die Hinweise von drei eigens betrauten Oberstaatsanwälten gesichtet – wie bei anonymen Anzeigen sollen sie zunächst die Plausibilität der Anschuldigungen prüfen und „Vernaderungen“ ausschließen.

In der Möglichkeit, mit dem Hinweisgeber über das Postfach in Kontakt zu treten und auf diesem Weg die Sachverhaltsschilderungen zu konkretisieren, liegt im Vergleich zu anonymen, postalisch übermittelten Anzeigen die große Stärke des BKMS-Hinweisgebersystems. Die Rückantworten des Hinweisgebers ermöglichen Rückschlüsse auf die Validität seiner Behauptungen und bilden solcherart eine geeignete Grundlage für die Einordnung der Vorwürfe des Hinweisgebers als bloße Mutmaßungen oder (im besten Fall) als eigene Wahrnehmungen zum angezeigten Sachverhalt. Überdies können bereits im Stadium der Konkretisierung des Anzeigevorbringens Ansätze für (erste) Ermittlungshandlungen herausgearbeitet werden. Die Kommunikation mit dem Hinweisgeber ermöglicht demnach bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Beurteilung, ob überhaupt ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt vorliegt, der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens notwendig macht. Dies führt im Ergebnis zu einer Ressourcenersparnis, weil Erhebungen zur Klärung vage gebliebenen (aber dennoch den Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung begründenden)Anzeigenvorbringens vermieden werden.

Aus diesem Grund wird im Fall der Einrichtung eines Postkastens von der Möglichkeit der Kommunikation mit dem Hinweisgeber – abgesehen von wenigen Ausnahmen – stets Gebrauch gemacht. Die Zuständigkeitsfrage spielt zu diesem Zeitpunkt eine untergeordnete Rolle, sodass selbst bei Meldungen, die erkennbar einen außerhalb der Zuständigkeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft liegenden Sachverhalt betreffen, der Versuch unternommen wird, das Anzeigevorbringen soweit zu konkretisieren, dass für die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft die Prüfung der Notwendigkeit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens möglich ist.

Sollte von vornherein erkennbar sei, dass der Hinweisgeber (bloß) ein Finanzvergehen zur Anzeige bringt, das nicht in die gerichtliche Zuständigkeit fällt (§ 53 Fin StrG), wird das Postfach sofort geschlossen und die BKMS-Meldung an das Finanzamt im Wege des Bundesministeriums für Finanzen weitergeleitet (§81 FinStrG). Rückfragen an den Hinweisgeber wären bei derartigen Hinweisen mangels staatsanwaltschaftlicher Zuständigkeit nicht zulässig.

 

IIEntscheidungen

1. 17 Os 30/ 14 m EvBl-LS 2015/15:

Bilden in verschiedenen Staaten gesetzte Ausführungshandlungen eine tatbestandliche Handlungseinheit, genügt es, wenn die Tat nur nach einem der in Betracht kommenden Tatortgesetze mit Strafe bedroht ist, weil § 65 Abs 1 StGB ansonsten den paradoxen Fall von Straflosigkeit trotz Vorliegens beiderseitiger Strafbarkeit regeln würde. Die dem Gesetz somit zugrunde liegende Bevorzugung strengeren Rechts schlägt auch auf die Günstigkeitsklausel nach § 65 Abs 2 StGB durch. Demnach darf der Täter bei der Bestimmung der Strafe (nur) nicht ungünstiger gestellt werden als nach dem strengeren (im Verhältnis zu österreichischem Recht dennoch günstigeren) Tatortrecht. Den Strafrahmen determinierende Umstände, welche nicht zugleich die rechtliche Kategorie, unter welche subsumiert wird (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), bestimmen, sind Gegenstand von § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO. Dazu gehören jedenfalls §§ 28, 30, 31, 36, 39 a StGB, die mangels anders lautender Regelungen auch im Nebenstrafrecht gelten (Art I Abs 1 StRAG). Da § 65 Abs 2, § 278 d Abs 1 letzter Satz, § 286 Abs 1 zweiter Satz, § 287 Abs 1 zweiter Satz StGB nicht Gegenstand der rechtlichen Unterstellung (§ 260 Abs 1 z 2 StPO) sind, vielmehr bloß die Strafbefugnis determinieren, sind auch sie Gegenstandt dieses Nichtigkeitsgrundes. Gleiches gilt für § 5 Z 2 bis 4 JGG. (vgl Ratz, in Österreichisches Anwaltsblatt 2016/01, S. 19ff)

2. § 61 StGB (§ 28 Abs 1 StGB) Günstigkeitsvergleich knüpft an Lebenssachverhalt an = EvBl b-LS 2015/115 OGH 25.3.2015, 15 Os 3/15 h

Anknüpfungspunkt des nach § 61 zweiter Satz StGB vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs ist die Tat, also der im Urteil festgestellte Lebenssachverhalt. Dabei ist der Günstigkeistvergleich im Fall der Realkonkurrenz für jede Tat gesondert vorzunehmen; im Fall der Idealkonkurrenz ist der zu beurteilende Lebenssachverhalt entweder dem Urteilszeit- oder dem Tatzeitrecht zu unterstellen. (vgl Ratz, in Österreichisches Anwaltsblatt 2016/01, S. 19ff)

3. Ausländisches Recht nicht Gegenstand tatsächlicher Feststellungen= EvBl –LS 2015/123; OGH 15.4.2015, 13 Os 2/14 i

Fragen ausländischen Rechts sind nicht Gegenstand von Beweisaufnahme und Tatsachenfeststellungen und scheiden demnach als Bezugspunkt einer Mängelrüge aus. Zufolge des verfahrensrechtlichen Grundsatzes „iura novit curia“ sind Rechtsfragen kein Gegenstand der Beweisaufnahme und damit der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO. Inhalt und Geltung gesetzlicher Vorschriften (auch des Auslands, einschließlich gesetzgeberischer Akte der EU) sowie sonstiger im Bundesgesetzblatt kundgemachter Rechtsakte sind daher kein Beweisthema. Für bloße Verkehrsnormen und sogenannte Verwaltungsverordnungen (vgl Art 20 Abs 1 B-VG) gilt dies nicht. Auch das Verhalten sogenannter Maßfiguren ist eine Rechtsfrage, mit anderen Worten Teil des Obersatzes des Syllogismus der Rechtsfolgebestimmung und demnach kein Gegenstand des Beweisverfahrens (13 Os 134/10 w EvBl 2011/108). (vgl Ratz, in Österreichisches Anwaltsblatt 2016/01, S. 19ff)

4Art 6 MRK (Art 3 des 2. ZP EUAusliefÜb; § 33 Absb3 ARHG) Prüfung auf Auslieferungshindernisse = EvBl 2015/136; OGH 28.4.2015, 14 Os 28/15x (OLG Wien 22 Bs 320/14s; LGSt Wien 313 HR 75/13x).

Die Durchführung eines Strafverfahrens in Abwesenheit des Angeklagten – sofern diesem nicht mit hinreichender Sicherheit die Möglichkeit gewährleistet ist , eine neuerliche Verhandlung in seiner Anwesenheit zu erreichen – ist mit dem durch Art 6 Abs 1 MRK garantierten Recht auf ein faires Verfahren vereinbar, wenn der Angeklagte in unmissverständlicher Weise auf sein Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung verzichtet hat oder eindeutige, konkrete Anhaltspunkte für seine Absicht vorliegen, sich dem Strafverfahren überhaupt durch Flucht zu entziehen. Ein wirksamer Verzicht auf das Anwesenheitsrecht setzt allerdings die gerichtliche Verständigung des Angeklagten von dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren – sowie, soweit möglich, auch vom Termin der Hauptverhandlung – voraus. Zudem darf dem Verteidiger des abwesenden Angeklagten nicht der Zugang zum Verfahren verwehrt und dem Angeklagten ein Verzicht auf Rechtsmittel nicht bloß aufgrund seines Verzichts auf die Teilnahme am Verfahren unterstellt werden.

5. § 28 StGB (§§ 164,165 StGB) Echte Konkurrenz von Hehlerei und Geldwäscherei= EvBl 2015/143; OGH 10.6.2015, 13 Os 4/15 k (LGDt Wien 22 Hv 41/14d).

Mangels Scheinkokurrenz und fehlender Exklusivität konkurrieren Hehlerei und Geldwäscherei echt.

6. Abgabenbetrug als Subsumptionseinheit= EvBl-LS 2015/124OGH 15. 4. 2015, 13 Os 115/14g.

Indem § 39 FinStrG an die Begehung von (bestimmten) Finanzvergehen, deren Ahndung in die (originäre) Zuständigkeit des Gerichts fallt, anknüpft, normiert er – in Anlehnung an § 29 StGB und solcherart vergleichbar mit § 28 a Abs 2 Z 3 und § 28 a Abs 4 Z 3 SMG – eine besondere Art des Zusammenrechnungsgrundsatzes. Der Gesetzgeber verdeutlicht dies durch die Formulierung der Abs 1 und 2 des § 39 FinStrG, wonach sich „des“ Abgabenbetrugs schuldig macht, wer (eine unbestimmte Anzahl der genannten) Finanzvergehen begeht. Im Fall des Zusammentreffens mehrerer (in § 39 Abs 1 oder 2 FinStrG genannter) Finanzvergehen ist daher bei Vorliegen qualifizierender Tatmodalitäten eine Subsumtionseinheit sui generis zu bilden, wobei die einzelnen Straftaten ihre rechtliche Selbständigkeit behalten. Teil dieser Subsumtionseinheit können aber ausschließlich solche Finanzvergehen sein, die unter Einsatz einer qualifizierenden Tatmodalität begangen worden sind, wobei immer nur gleichartige Finanzvergehen – zu einem Finanzvergehen (§ 39 Abs 3 lit a FinStrG) oder Verbrechen (§ 39 Abs 3 lit b oder c FinStrG) des Abgabenbetrugs – zusammenzufassen sind. Die Zusammenfassung von Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und von solchen nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG zu einem Verbrechen des Abgabenbetrugs nach § 39 Abs 1 lit b, Abs 3 lit b FinStrG ist daher verfehlt. Da § 39 Abs 1 FinStrG unselbständige Qualifikationstatbestande normiert, sind die dort umschriebenen Verhaltensweisen als (qualifizierender) Teil des jeweiligen Grundtatbestands zu verstehen und müssen solcherart vom zumindest bedingten Vorsatz (§ 8 Abs 1 FinStrG) des Täters umfasst sein. § 39 Abs 3 FinStrG regelt eine – an das Vermögensstrafrecht des StGB angelehnte –Abstufung nach Wertqualifikationen. Demgemäß muss auch das Überschreiten der Qualifikationsgrenzen des § 39 Abs 3 lit b oder c FinStrG vom (zumindest bedingten) Tätervorsatz umfasst sein.

„Geschäftszahl

13Os115/14g

Entscheidungsdatum

15.04.2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Michael S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit b, Abs 3 lit b FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Michael S***** und Georg W***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. Jänner 2014, GZ 4 Hv 180/12y-401, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen des Michael S***** wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs (A/I/2), mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung (A/II), des in Bezug auf das Verfahren AZ 13 Hv 183/10b des Landesgerichts für Strafsachen Graz begangenen Vergehens der falschen Beweisaussage (B/II/1) und des in Bezug auf dasselbe Verfahren begangenen Vergehens der Verleumdung (B/II/2), im Schuldspruch des Robi D***** (zur Gänze) und im Schuldspruch des Georg W***** wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs (A/I/2) sowie demzufolge auch in sämtlichen Strafaussprüchen nach dem FinStrG (einschließlich der Vorhaftanrechnung zu Robi D*****) sowie jener gegen Michael S***** und Robi D***** (einschließlich der Vorhaftanrechnung) nach dem StGB aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden Michael S***** und Georg W***** auf die Aufhebung der betreffenden Strafaussprüche verwiesen.

Ihnen fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Michael S***** des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach § 39 Abs 1 lit b, Abs 3 lit b FinStrG „iVm § 33 Abs 1 bzw Abs 2 lit a FinStrG“ (A/I/2), (richtig) mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (A/II), (richtig) je eines Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB (B/II/1) und nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 und 4 StGB (B/III/1), (richtig) mehrerer Vergehen der Verleumdung nach §§ 12 zweiter Fall, 297 Abs 1 erster Fall StGB (B/II/2 und B/III/2) sowie des Vergehens der Urkundenfälschung nach §§ 12 zweiter Fall, 223 Abs 2 StGB (B/III/3), Georg W***** des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach § 39 Abs 1 lit b, Abs 3 lit b FinStrG „iVm § 33 Abs 2 lit a FinStrG“ (A/I/2) sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (C) und Robi D***** (vormals Robert Sa*****) des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach § 39 Abs 1 lit b, Abs 3 lit b FinStrG „iVm § 33 Abs 2 lit a FinStrG“ (A/I/2) sowie der Vergehen der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 und 4 StGB (richtig: D/1), der Verleumdung nach §§ 12 zweiter Fall, 297 Abs 1 erster Fall StGB (richtig: D/2) sowie der Urkundenfälschung nach §§ 12 zweiter Fall, 223 Abs 2 StGB (richtig: D/3) schuldig erkannt.

Nach dem Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) haben

„A) im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Graz-Stadt (§ 12 AVOG)

I. nachgenannte Personen unter Verwendung von Scheingeschäften und anderen Scheinhandlungen (§ 23 BAO), ausschließlich durch das Gericht zu ahndende Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung begangen und zwar:

2. Michael S*****, Robert Sa*****, Georg Peter W*****, sowie die abgesondert verfolgten Jürgen Andreas Si***** und Klaus Jürgen K*****, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als für die steuerlichen Belange Verantwortlichen, fortgesetzt in mehrfachen Tathandlungen,

a) im Zeitraum September bis Dezember 2011 vorsätzlich, unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten (§§ 119 ff BAO), indem sie Umsätze aus der Lieferung von 43 Kraftfahrzeugen an diverse österreichische Abnehmer über Zwischenschaltung der Firma ‚R***** GmbH‘ in der Umsatzsteuerjahreserklärung bis zum Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist per 30.04.2012 nicht erklärten und somit die hierauf entfallende USt-Zahllast auch nicht entrichteten, eine Verkürzung an Umsatzsteuer in Höhe von EUR 164.019,05 bewirkt, sowie

b) im Zeitraum Jänner bis März 2012 vorsätzlich, unter Verletzung der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen, nämlich durch die Nichterfassung von Umsätzen aus der Lieferung von 38 Kraftfahrzeugen an diverse österreichische Abnehmer über Zwischenschaltung der Firmen ‚R***** GmbH‘ und ‚A***** KG‘ in den Umsatzsteuervoranmeldungen bei gleichzeitiger Nichtentrichtung der diesbezüglich darauf entfallenden Umsatzsteuervorauszahlungen eine Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen in Höhe von EUR 115.965,85 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, wobei sie die vorbezeichneten Abgabenverkürzungen durch die missbräuchliche Verwendung der Umsatzsteueridentifikationsnummern der Firmen R***** GmbH (FN *****) und A***** KG (FN *****), durch missbräuchliche Verwendung von Rechnungspapier beider Firmen, durch missbräuchliche Verwendung selbst angefertigter Firmenstempel, sowie durch das teilweise Auftreten mittels verfälschter Identitäten zur Verdeckung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse unternahmen und der strafbestimmende Wertbetrag EUR 250.000,00 (§ 39 Abs 3 lit b FinStrG) übersteigt;

II. Michael S***** als für die steuerlichen Belange Verantwortlicher, vorsätzlich, unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten (§§ 119 ff BAO) nachstehende Abgabenverkürzungen bewirkt, indem er Umsätze und Einkünfte aus dem Handel mit Kraftfahrzeugen gegenüber dem Finanzamt Graz-Stadt nicht erklärte und die darauf entfallenden Abgaben nicht entrichtete, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung von Abgabenhinterziehungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und zwar

1. durch die Lieferung von insgesamt 75 Kraftfahrzeugen an Endabnehmer in Österreich über Zwischenschaltung des ‚Peter Al*****‘ an Umsatzsteuer: für den Zeitraum Juli 2010 bis Dezember 2010: EUR 264.324,20

2. durch die Lieferung von insgesamt 191 Kraftfahrzeugen an Endabnehmer in Österreich über Zwischenschaltung des ‚Peter Al*****‘ an Einkommensteuer: für den Zeitraum Jänner 2010 bis Dezember 2010: EUR 47.205,00

B) Michael S***** in Graz, zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im Jahr 2011

II. den abgesondert verfolgten Jürgen Andreas Si***** bestimmt

1. am 31. Oktober 2011 in Graz vor Gericht als Zeuge im Rahmen einer förmlichen Vernehmung falsch auszusagen, indem Jürgen Si***** nach Vorgabe des Michael S***** im Verfahren 13 Hv 183/10b des Landesgerichtes für Strafsachen Graz folgende Aussagen machte: ‚Meine damaligen Angaben vor Herrn Gu***** von der Steuerbehörde am 2. November 2010 und am 10. November 2010 sind nicht richtig. Wenn mir die diesbezüglichen Protokolle vorgehalten werden, so gebe ich an, dass ich diese Angaben gemacht habe, sie sind aber falsch‘; ‚ich wollte jemanden decken, und zwar die Herrn K***** und Sch*****‘; ‚Diese Autos für die Firma AS***** habe ich über Auftrag des Herrn W*****, nicht über Auftrag des Erstangeklagten (Michael S*****) oder der Zweitangeklagten (Gabriela Z*****) überstellt‘; Nein, ich habe weder für die AS***** noch für den Erstangeklagten oder die Zweitangeklagte weitere Autos überstellt. Dies deshalb, weil es hieß, dass die Zweitangeklagte sich auf den Bereich der Altenpflege konzentrieren will‘; und in seiner weiteren Einvernahme Überstellungen von 100 bis 150 (maximal 200) von, bei ‚Peter Al*****‘, welchen er auch ca. alle 14 Tage getroffen und ihm dabei Geschäftsunterlagen von Sch***** und K***** übergeben habe, gekaufte Kfz im Zeitraum 2005 bis 2009 schilderte, welche er im Auftrag und auf Rechnung von K***** und Sch***** durchgeführt habe und der Aussage, es sei die Idee von K***** und Sch***** gewesen, S***** zu belasten, sowie durch die weiteren Angaben, er habe die, der Steuerfahndung am 2. November 2010 übergebenen Beweismittel für K***** und Sch***** aufbewahrt, sie seien ihm von K***** übergeben worden und habe er schließlich über Auftrag von K***** und Sch***** diese Beweismittel der Steuerfahndung übergeben, um Michael S***** (zu Unrecht) zu belasten;

2. durch die zu 1. beschriebene Tathandlung Christian K***** und Thomas Sch***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung auszusetzen, dass Jürgen Andreas Si***** sie der von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlungen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und Abs 2 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG, sowie der Bestimmung zur Verleumdung nach §§ 12 (2. Fall), 297 Abs 1 (1. Fall) StGB falsch verdächtigte und Michael S***** wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigungen falsch waren;

III. den abgesondert verfolgten Carlos C***** – über Robert Sa*****, nunmehr Robi D***** – bestimmt

1. am 27. April 2011, sowie am 03.Mai 2011 als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei im Rahmen einer förmlichen Vernehmung falsch auszusagen, indem Carlos C***** angab, an Jürgen Si*****, mit dem er sich am 12. April 2011 gegen 12:00 Uhr im Bereich des Jakominiplatzes getroffen habe und sie sich bei diesem Treffen über den Ankauf eines VW-Polo durch Carlos C***** von Jürgen Si***** geeinigt hätten, ca. eine Stunde später (gegen 13:00 Uhr) EUR 3.000,00 als Anzahlung übergeben zu haben, wobei ihm Jürgen Si***** diese Anzahlung durch die Vorgabe, ihm dieses Fahrzeug tatsächlich zu verschaffen, betrügerisch herausgelockt habe;

2. durch die zu 1. beschriebene Tathandlung den Jürgen Si***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung auszusetzen, dass Carlos C***** ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens des Betruges nach § 146 Abs 1 StGB falsch verdächtigte und Michael S***** wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch war;

3. am 27. April 2011 eine falsche Urkunde, nämlich die mit 12. April 2011 datierte ‚Bestätigung‘ über die Anzahlungsübergabe, welche eine nachgemachte Paraphe des Jürgen Si***** trug, dadurch im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes zu gebrauchen, dass Carlos C***** diese als Beweismittel bei seiner Anzeigenerstattung auf der PI Karlauerstraße vorlegte;

C. Georg W***** am 1. Mai 2013 in Graz eine fremde Sache dadurch beschädigt, dass er einen Hocker gegen den Geldspielautomaten des We***** schleuderte, wodurch an der Sache ein EUR 3.000,00 nicht übersteigender Schaden entstanden ist.

D. Robi D*****, vormals Robert Sa*****, den abgesondert Verfolgten Carlos C***** bestimmt:

1. am 27. April 2011, sowie am 3. Mai 2011 als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei im Rahmen einer förmlichen Vernehmung falsch auszusagen, indem Carlos C***** angab, an Jürgen Si*****, mit dem er sich am 12. April 2011 gegen 12:00 Uhr im Bereich des Jakominiplatzes getroffen habe und sie sich bei diesem Treffen über den Ankauf eines VW-Polo durch Carlos C***** von Jürgen Si***** geeinigt hätten, ca. eine Stunde später (gegen 13:00 Uhr) EUR 3.000,00 als Anzahlung übergeben zu haben, wobei ihm Jürgen Si***** diese Anzahlung durch die Vorgabe, ihm dieses Fahrzeug tatsächlich zu verschaffen, betrügerisch herausgelockt habe;

2. durch die zu 1. beschriebene Tathandlung den Jürgen Si***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung auszusetzen, dass Carlos C***** ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens des Betruges nach § 146 Abs 1 StGB falsch verdächtigte und Robi D*****, vormals Robert Sa*****, wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass diese Verdächtigung falsch war;

3. am 27. April 2011 eine falsche Urkunde, nämlich die mit 12. April 2011 datierte ‚Bestätigung‘ über die Anzahlungsübergabe, welche eine nachgemachte Paraphe des Jürgen Si***** trug, dadurch im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes zu gebrauchen, dass Carlos C***** diese als Beweismittel bei seiner Anzeigenerstattung auf der PI Karlauerstraße vorlegte.“

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Michael S***** aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11, von Georg W***** aus Z 9 lit a und 10, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind teilweise im Recht.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zudem, dass zum Nachteil des Angeklagten Robi D***** das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Michael S*****:

§ 39 Abs 1 FinStrG ist eine Qualifikationsnorm, die an die Grundtatbestände der Abgabenhinterziehung (§ 33 Abs 1, 2 und 4 FinStrG), des Schmuggels (§ 35 Abs 1 FinStrG), der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben (§ 35 Abs 2 und 3 FinStrG) sowie der vorsätzlichen Abgabenhehlerei (§ 37 Abs 1 FinStrG) anknüpft (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 2). Demgemäß ist Basisvoraussetzung der Subsumtion eines Verhaltens als Abgabenbetrug nach § 39 Abs 1 FinStrG, dass dieses – objektiv und subjektiv – alle Merkmale des in Rede stehenden Grundtatbestands erfüllt.

Im Hinblick darauf zeigt die Beschwerde im Ergebnis zutreffend auf, dass die hinsichtlich des Schuldspruchs A/I/2 getroffenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 14 f) die Subsumtion nach den Grundtatbeständen des § 33 Abs 1 FinStrG und des § 33 Abs 2 lit a FinStrG nicht tragen (der Sache nach Z 9 lit a).

Beide Tatbestände stellen nämlich unter anderem auf eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten ab, die solcherart vom zumindest bedingten Vorsatz (§ 8 Abs 1 FinStrG) des Täters umfasst sein muss. Konstatierungen hiezu enthält die angefochtene Entscheidung nicht.

§ 33 Abs 2 lit a FinStrG verlangt zudem hinsichtlich des Bewirkens der Abgabenverkürzung nach der qualifizierten Vorsatzform der Wissentlichkeit (13 Os 92/83, EvBl 1984/107, 404; RIS-Justiz RS0087051 und RS0087072), wozu das Erstgericht ebenfalls keine Feststellungen trifft.

Das Konstatierungsdefizit zur subjektiven Tatseite in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten besteht auch hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (A/II).

Ebenso zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 [richtig] lit a) auf, dass die angefochtene Entscheidung bezüglich der Schuldsprüche B/II/1 und B/II/2 keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite enthält (siehe US 16 f).

Die Schuldsprüche A/I/2, A/II und B/II waren daher gemäß § 285e StPO in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben.

Das weitere Vorbringen zu diesen Schuldsprüchen kann daher auf sich beruhen.

Im Übrigen geht die Nichtigkeitsbeschwerde fehl:

Zum Schuldspruch B/III liegt dem Beschwerdeführer zur Last, Carlos C***** über Robi D***** zu mehreren strafbaren Handlungen bestimmt zu haben (US 17 f).

Demgemäß bezog sich die Aussage des Carlos C*****, den Beschwerdeführer nicht persönlich zu kennen und mit ihm auch niemals telefoniert zu haben, nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände und war solcherart – entgegen der Mängelrüge (Z 5) – nicht erörterungsbedürftig iSd Z 5 zweiter Fall (RIS-Justiz RS0106268).

Der Einwand eines Feststellungsdefizits zum „Tatbegehungsmodus“ hinsichtlich des Schuldspruchs B/III/2 (Z 9 [richtig] lit a), lässt nicht erkennen, welche über die vom Erstgericht getroffenen hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich sein sollen, und entzieht sich somit einer meritorischen Erledigung (RIS-Justiz RS0095939RS0117247 und RS0118342).

Die Behauptung der Rüge, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite würden den Schuldspruch B/III/(richtig)1 nicht tragen, geht nicht vom Urteilssachverhalt aus, wonach der Beschwerdeführer Carlos C***** über Robi D***** bestimmte, als „Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei im Rahmen einer förmlichen Vernehmung“ falsch auszusagen und dabei in der „Gewissheit“ handelte, dass der verlangte Aussageinhalt „falsch war“ (US 17 f), und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) mit der Begründung, die dem Schuldspruch B/III/3 zugrunde liegende falsche Urkunde sei im Zuge der Anzeigeerstattung als Beweismittel vorgelegt worden, die Subsumtion nach § 293 Abs 1 StGB fordert, argumentiert sie nicht aus dem Gesetz (siehe aber 12 Os 52/02, SSt 64/31; RIS-Justiz RS0116565 und RS0116569). Die Beschwerde legt nämlich insoweit nicht dar, aus welchem Grund die Subsidiaritätsklausel des § 293 Abs 1 StGB hier nicht zur Anwendung gelangen soll.

Hinsichtlich des Schuldspruchs B/III war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aufgrund der Aufhebung der Schuldsprüche A/I/2, A/II und B/II waren auch die Michael S***** betreffenden Strafaussprüche nach dem FinStrG und dem StGB aufzuheben, worauf er mit seiner Berufung zu verweisen war.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Georg W*****:

Zum Erfordernis der Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale des in Rede stehenden Grundtatbestands bei Verurteilung wegen Abgabenbetrugs (§ 39 Abs 1 FinStrG) sei zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Darlegungen zur Nichtigkeitsbeschwerde des Michael S***** verwiesen.

Im Hinblick darauf zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) im Ergebnis zutreffend auf, dass die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 14 f) den Schuldspruch A/I/2 nicht tragen.

Auch in Bezug auf Georg W***** enthält die angefochtene Entscheidung nämlich keine Feststellungen darüber, ob die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten vom zumindest bedingten (§ 8 Abs 1 FinStrG) Tätervorsatz umfasst gewesen und ob die Abgabenverkürzung bezüglich der Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 33 Abs 2 lit a FinStrG) wissentlich bewirkt worden ist.

Der Schuldspruch A/I/2 war daher gemäß § 285e StPO in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben.

Die übrigen – ausschließlich auf diesen Schuldspruch bezogenen – Beschwerdeausführungen können somit auf sich beruhen.

Zum Schuldspruch wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (C) wurden weder in der Ausführung der Beschwerdegründe noch bei der Anmeldung der Beschwerde die Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt bezeichnet (§ 285 Abs 1 StPO), aus welchem Grund die Nichtigkeitsbeschwerde insoweit gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen war.

Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs A/I/2 war auch der Strafausspruch nach dem FinStrG aufzuheben, worauf Georg W***** mit seiner (nur hiegegen gerichteten) Berufung zu verweisen war.

Zur amtswegigen Maßnahme:

Die in Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerden des Michael S***** und des Georg W***** aufgezeigten Konstatierungsdefizite (Z 9 lit a) zum Schuldspruch A/I/2 betreffen auch Robi D***** und waren demgemäß hinsichtlich dieses Angeklagten von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Ebenso war bezüglich der Schuldsprüche wegen Vergehen der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 und 4 StGB (D/1), der Verleumdung nach §§ 12 zweiter Fall, 297 Abs 1 erster Fall StGB (D/2) und der Urkundenfälschung nach §§ 12 zweiter Fall, 223 Abs 2 StGB (D/3) vorzugehen, weil das Erstgericht insoweit keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite traf (siehe US 18).

Sämtliche Schuldsprüche des Robi D***** waren daher gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben, was die Aufhebung der Robi D***** betreffenden Strafaussprüche nach dem FinStrG und dem StGB zur Folge hatte.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein:

(1) Zu § 33 Abs 1 FinStrG:

a) Hinsichtlich zu veranlagender Abgaben wird nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0086590 und RS0124712) – bezogen auf ein Steuersubjekt – mit Abgabe einer unrichtigen Jahressteuererklärung je Steuerart (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) ein Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet. Solcherart bildet insoweit die Jahressteuererklärung – allenfalls als Bündel mehrerer steuerlich trennbarer Einzelaspekte – das kleinste (nicht mehr teilbare) Element des Sachverhalts, also eine selbständige Tat im materiellen Sinn (13 Os 142/08v, JBl 2010, 318). Entsprechendes gilt für das Unterlassen der Abgabe einer Jahressteuererklärung, in welchem Fall die Nichtabgabe bis zum gesetzlich vorgesehenen Endzeitpunkt (§ 33 Abs 3 lit a zweiter Fall FinStrG) selbständige Tat ist (13 Os 58/13y, Lässig in WK2 FinStrG Vorbem Rz 9).

Ein diesbezüglicher Schuldspruch setzt daher Feststellungen darüber voraus, ob der Angeklagte Jahressteuererklärungen abgegeben oder dies bis zum gesetzlich vorgesehenen Endzeitpunkt (hiezu Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 36) unterlassen hat und welche Unrichtigkeiten allenfalls abgegebene Erklärungen aufgewiesen haben (vgl demgegenüber US 15). Unter dem Aspekt der Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung sind überdies Konstatierungen dazu erforderlich, ob Abgabenbescheide erlassen worden und – fallbezogen mit Blick auf den vor dem Inkrafttreten der mit BGBl I 2013/14 vorgenommenen Änderung des § 33 Abs 3 lit a FinStrG gelegenen präsumptiven Tatzeitraum – ob diese gegebenenfalls in Rechtskraft erwachsen sind (RIS-Justiz RS0086391RS0086429RS0086436 und RS0086462).

Da das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG ein Vorsatzdelikt ist, müssen sämtliche Tatbestandsmerkmale, also sowohl die Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht als auch das Bewirken einer Abgabenverkürzung vom – zumindest bedingten (§ 8 Abs 1 FinStrG) – Tätervorsatz umfasst sein (vgl demgegenüber US 14 f).

b) Fallbezogen wurde Michael S***** mit – seit 16. Mai 2013 rechtskräftigem (siehe 13 Os 129/12p) – Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. Juni 2012, GZ 13 Hv 183/10b-178, (unter anderem) wegen Verkürzung der Jahresumsatzsteuer 2010 des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt (vgl US 10 und 15). Ausgehend vom dargelegten (1/a) finanzstrafrechtlichen Tatbegriff steht daher einer neuerlichen Verurteilung wegen Verkürzung der Jahresumsatzsteuer 2010 – auch wenn sich diese auf einen anderen Verkürzungsbetrag bezieht – der Grundsatz „ne bis in idem“ (Art 4 7. ZPMRK, § 17 Abs 1 StPO) entgegen.

(2) Zu § 33 Abs 2 lit a FinStrG:

Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG werden durch dort pönalisiertes Verhalten in Bezug auf Voranmeldungszeiträume (§ 21 Abs 1 UStG) begangen, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich jedes solchen Zeitraums und jeder Abgabenart (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) eine selbständige Tat vorliegt (13 Os 105/08b, SSt 2009/18; RIS-Justiz RS0118311und RS0124712).

Ein Schuldspruch nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG muss sich daher stets auf einen konkreten Kalendermonat beziehen (vgl demgegenüber US 16).

Vollendet ist eine Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG, wenn die Vorauszahlung nicht bis zum 15. Tag des jeweils zweitfolgenden Monats (§ 21 Abs 1 UStG) geleistet wird (RIS-Justiz RS0087066, jüngst 13 Os 59/14x). Auch hiezu ist eine entsprechende Feststellungsbasis zu schaffen.

Auf der subjektiven Tatseite verlangt § 33 Abs 2 lit a FinStrG hinsichtlich der Pflichtverletzung zumindest bedingten Vorsatz (§ 8 Abs 1 FinStrG), bezüglich des Bewirkens der Abgabenverkürzung die qualifizierte Vorsatzform der Wissentlichkeit (RIS-Justiz RS0087051 undRS0087072).

(3) Zu § 38 Abs 1 FinStrG:

a) Nach ständiger Judikatur begründet die Verwendung der verba legalia ohne Herstellung eines Sachverhaltsbezugs einen Rechtsmangel infolge fehlender Feststellungen (RIS-Justiz RS0119090). Für Urteilskonstatierungen zur Gewerbsmäßigkeit folgt daraus insbesondere, dass der Gesetzesbegriff „fortlaufend“ durch konkrete Feststellungen zur intendierten Dauer des Einnahmenzuflusses aufzulösen ist, um dem Obersten Gerichtshof die Überprüfung der Verwirklichung des angesprochenen Sachverhaltselements zu ermöglichen (Lässig in WK2 FinStrG § 38 Rz 9; zu den diesbezüglichen Feststellungserfordernissen siehe Jerabek in WK2 StGB § 70 Rz 7 [vgl demgegenüber US 14 f]).

b) Zudem wird zu beachten sein, dass gemäß § 265 Abs 1p FinStrG bei nach dem 31. Dezember 2010 gelegenen Tatzeiten (hiezu in Bezug auf zu veranlagende Abgaben Lässig in WK2 FinStrG Vorbem Rz 9 und § 33 Rz 36) § 38 FinStrG in der Fassung der FinStrG-Novelle 2010 BGBl I 2010/104 anzuwenden ist.

(4) Zu § 39 FinStrG:

Indem § 39 FinStrG an die Begehung von (bestimmten) Finanzvergehen, deren Ahndung in die (originäre [Lässig in WKFinStrG § 39 Rz 2]) Zuständigkeit des Gerichts fällt, anknüpft, normiert er – in Anlehnung an § 29 StGB (Ratz in WK2 StGB § 29 Rz 1, 5 bis 7) und solcherart vergleichbar mit § 28a Abs 2 Z 3 SMG und § 28a Abs 4 Z 3 SMG (Schwaighofer in WK2 SMG § 28a Rz 35, 48) – eine besondere Art des Zusammenrechnungsgrundsatzes. Der Gesetzgeber verdeutlicht dies durch die Formulierung der Absätze 1 und 2 des § 39 FinStrG, wonach sich „des“ Abgabenbetrugs schuldig macht, wer (eine unbestimmte Anzahl der genannten) Finanzvergehen begeht. Im Fall des Zusammentreffens mehrerer (in § 39 Abs 1 oder 2 genannter) Finanzvergehen ist daher bei Vorliegen qualifizierender Tatmodalitäten eine Subsumtionseinheit sui generis zu bilden, wobei die einzelnen Straftaten ihre rechtliche Selbständigkeit behalten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 568 [zu § 29 StGB sowie § 28a Abs 2 Z 3 SMG und § 28a Abs 4 Z 3 SMG]). Teil dieser Subsumtionseinheit können aber ausschließlich solche Finanzvergehen sein, die unter Einsatz einer qualifizierenden Tatmodalität begangen worden sind, wobei immer nur gleichartige Finanzvergehen – zu einem Finanzvergehen (§ 39 Abs 3 lit a FinStrG) oder Verbrechen (§ 39 Abs 3 lit b oder lit c FinStrG) des Abgabenbetrugs – zusammenzufassen sind (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 3).

Die hier vorgenommene Zusammenfassung von Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und solchen nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG zu einem Verbrechen des Abgabenbetrugs nach § 39 Abs 1 lit b, Abs 3 lit b FinStrG (US 6 f, siehe auch US 16) ist daher verfehlt.

Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb Michael S***** insoweit die Grundtatbestände des § 33 Abs 1 FinStrG und des § 33 Abs 2 lit a FinStrG (US 6), Robi D***** und Georg W***** hingegen nur jener des § 33 Abs 2 lit a FinStrG (US 7) angelastet werden.

Da § 39 Abs 1 FinStrG unselbständige Qualifikationstatbestände normiert, sind die dort umschriebenen Verhaltensweisen als (qualifizierender) Teil des jeweiligen Grundtatbestands zu verstehen und müssen sie solcherart vom zumindest bedingten Vorsatz (§ 8 Abs 1 FinStrG) des Täters umfasst sein (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 16). Entsprechende Konstatierungen enthält die angefochtene Entscheidung nicht (siehe insbesondere US 14 f).

§ 39 Abs 3 FinStrG regelt eine – an das Vermögensstrafrecht des StGB angelehnte (vgl EBRV 874 BlgNR 24. GP 10) – Abstufung nach Wertqualifikationen. Demgemäß muss auch das Überschreiten der Qualifikationsgrenzen des § 39 Abs 3 lit b oder c FinStrG vom (zumindest bedingten) Tätervorsatz umfasst sein (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 3 und 28 [vgl demgegenüber US 14 f]).

(5) Zum strafbestimmenden Wertbetrag:

Zurückgehend auf ein Erkenntnis eines verstärkten Senats aus dem Jahr 1991 (EvBl 1992/16) judiziert der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens zwar die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des im diesbezüglichen Finanzstrafverfahren aktuellen Finanzvergehens zukommt, das Gericht aber nicht an den Bescheid gebunden ist (RIS-Justiz RS0087030).

Prozessual betrachtet sind abgabenbehördliche Erhebungsergebnisse Beweismittel, aus welchem Grund sie in der Hauptverhandlung (in aller Regel durch Verlesung) vorkommen müssen, um bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden zu können (§ 258 Abs 1 StPO). Sind sie in der Hauptverhandlung vorgekommen, muss sie das erkennende Gericht – wie jedes andere Beweismittel auch – auf ihre Beweiskraft prüfen (§ 258 Abs 2 erster Satz StPO).

Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) folgt daraus, dass der pauschale Hinweis auf die Ergebnisse des Abgabenverfahrens nicht hinreicht, sondern die nachvollziehbare Bezugnahme auf – konkret zu bezeichnende – Aktenteile erforderlich ist (13 Os 50/09s, RIS-Justiz RS0087030 [T1]), welchem Erfordernis die angefochtene Entscheidung nicht entspricht. Anhand des bloßen Verweises auf die „Beilagen zur ON 249“, das „SV-GA Dris. H*****“ und die im Verfahren AZ 13 Hv 183/10b des Landesgerichts für Strafsachen Graz getroffenen Feststellungen (US 13, 18 f) ist nämlich die Rückrechnung der auf US 15 f konstatierten Verkürzungsbeträge nicht möglich.

In Bezug auf Taten, deren präsumptiver Tatzeitraum vor dem 1. Jänner 2011 liegt (A/II), ist beim anzustellenden Günstigkeitsvergleich (§ 4 Abs 2 FinStrG) insbesondere auf den mit der FinStrG-Novelle 2010 BGBl I 2010/104 eingefügten zweiten Satz des § 33 Abs 5 FinStrG Bedacht zu nehmen (hiezu Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 47 f).

(6) Zum Ausspruch einer Zusatzstrafe:

Die Bestimmungen über die Bedachtnahme auf eine Vorverurteilung finden sich für das Finanzstrafverfahren in § 21 Abs 3 FinStrG (vgl demgegenüber US 7).

Im Hinblick darauf, dass das hier in Rede stehende Vor-Urteil am 12. Juni 2012 gefällt worden ist (vgl US 10 und 15), werden im Fall einer neuerlichen Verurteilung wegen der vom Schuldspruch A/I/2/a umfassten Tat zwecks Prüfung der zeitlichen Voraussetzungen einer allfälligen Bedachtnahme exakte Feststellungen zur Tatzeit (vgl auch 1) zu treffen sein.

Sollten die zeitlichen Voraussetzungen im Sinn von § 21 Abs 3 FinStrG nicht vorliegen, wird aber – auch im Fall einer abermaligen Verurteilung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG und solcherart grundsätzlich gebotenen Verhängung einer Geldstrafe (§ 21 Abs 2 vierter Satz FinStrG) – das Verbot der reformatio in peius (§ 293 Abs 3 StPO) zu berücksichtigen sein.

(7) Zu § 288 StGB:

Die falsche Beweisaussage vor Gericht ist (soweit hier von Interesse) in § 288 Abs 1 StGB geregelt, der diesbezügliche Schuldspruch auch nach § 288 Abs 4 StGB (B/II/1) ist daher verfehlt.

(8) Zu § 146 StGB:

Der Grundtatbestand des Betrugs ist nicht nach Absätzen aufgegliedert (vgl demgegenüber US 5 und 6).

Mit ihren Berufungen waren Michael S***** und Georg W***** auf die Aufhebung der jeweiligen Strafaussprüche zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.“

  1. 7.§ 33 Abs 1 FinStrG (§§ 95 f EStG):

KESt- Verkürzung = EvBl 2015/84; OGH 25.2.2015, 13 Os 107/14f (LGSt Wien 12 Hv 114/12p).

Zur Beurteilung einer allfälligen Verkürzung an KESt sind Feststellungen darüber zu treffen, ob, gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt, Kapitalerträge geflossen sind. Werden Kapitalflüsse konstatiert, sind weiters die Person des Schuldners und des Empfängers der Kapitalerträge festzustellen und auf dieser Basis anhand der Bestimmungen der §§ 95 f SStG zu prüfen, wen die darauf bezogene Pflicht zum Abzug und zur Abfuhr der KESt traf. Im Fall eines Schuldspruchs wegen Finanzvergehen der (gewerbsmäßigen) Abgabenhinterziehung sind die einzelnen Taten unter Zugrundelegung des finanzstrafrechtlichen Tatbegriffs zur KESt durch Feststellungen voneinander abzugrenzen.

„Geschäftszahl

13Os107/14f

Entscheidungsdatum

25.02.2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bachl als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Klaus A***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und 13 FinStrG aF über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. April 2014, GZ 12 Hv 114/12p-259, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den auf die Verkürzung von Kapitalertragsteuer für die Jahre 1997 bis 2000 bezogenen Schuldsprüchen wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (I/B und II/B) und in der Subsumtion der Verkürzungen an Umsatzsteuer für die Jahre 1996 bis 1998 (I/A/1/a/i und ii, II/A/1/a/i bis iii sowie III/A/1/a), Körperschaftsteuer für die Jahre 1997 und 1998 (I/A/1/b/i sowie II/A/1/b/i und ii) und Einkommensteuer für das Jahr 1998 (III/A/2/a) nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG aF sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Klaus A***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (I/A/1, I/B, II/A/1, II/B und III/A) sowie nach §§ 13, 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (I/A/2, II/A/2 und III/B) schuldig erkannt.

Danach hat er gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt und dies versucht, nämlich

(I) im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Wien 6/7/15 (US 16) als Verantwortlicher der R***** GmbH

A) durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen

1) bewirkt, nämlich an Umsatzsteuer für die Jahre 1996 um 67.182 Euro, 1997 um 128.781 Euro und 1999 um 226.844 Euro sowie an Körperschaftsteuer für die Jahre 1997 um 33.220 Euro und 1999 um 35.083 Euro sowie

2) zu bewirken versucht, nämlich für das Jahr 2000 an Umsatzsteuer um 325.513 Euro und an Körperschaftsteuer um 9.309 Euro, zudem

B) durch das Unterlassen der Einbehaltung, Anmeldung und Abfuhr von Kapitalertragsteuer bewirkt, nämlich für die Jahre 1997 um 25.332 Euro, 1998 um 14.012 Euro, 1999 um 31.848 Euro und 2000 um 82.106 Euro,

(II) im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Wien 2/20/21/22 (US 16) als Verantwortlicher der Peter A***** GmbH

A) durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen

1) bewirkt, nämlich an Umsatzsteuer für die Jahre 1996 um 3.331 Euro, 1997 um 8.134 Euro, 1998 um 20.705 Euro und 1999 um 81.635 Euro sowie an Körperschaftsteuer für die Jahre 1997 um 5.386 Euro, (richtig [siehe US 9 f]) 1998 um 7.177 Euro und 1999 um 31.283 Euro sowie

2) zu bewirken versucht, nämlich an Umsatzsteuer für das Jahr 2000 um 14.927 Euro sowie an Körperschaftsteuer für die Jahre 2000 um 21.132 Euro und 2001 um 10.755 Euro, zudem

B) durch das Unterlassen der Einbehaltung, Anmeldung und Abfuhr von Kapitalertragsteuer bewirkt, nämlich für die Jahre 1997 um 3.936 Euro, 1998 um 6.990 Euro, 1999 um 14.582 Euro und 2000 um 10.257 Euro, weiters

(III) im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Wien 2/20/21/22 (US 16) als Einzelunternehmer

A) durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen bewirkt, nämlich an Umsatzsteuer für die Jahre 1998 um 214.383 Euro und 1999 um 324.253 Euro sowie an Einkommensteuer für die Jahre 1998 um 32.651 Euro und 1999 um 46.577 Euro, zudem

B) durch die Nichtabgabe von Jahressteuerklärungen zu bewirken versucht, nämlich für das Jahr 2000 an Umsatzsteuer um 214.534 Euro und an Einkommensteuer um 27.648 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Schuldspruch basiert zusammengefasst auf der Urteilsannahme, der Beschwerdeführer habe gegenüber den Abgabenbehörden vorgegeben, Dienstleistungen, die tatsächlich von der R***** GmbH (I), der Peter A***** GmbH (II) und dem Einzelunternehmen Klaus Peter A***** (III) erbracht worden sind, seien einem in Portugal ansässigen Unternehmen zuzurechnen. Auf diese Weise seien für die Veranlagungsjahre 1996 bis 2001 einerseits zu Unrecht Umsatzsteuerbefreiungen im Sinn der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 11. Dezember 1974 über die umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen ausländischer Unternehmer BGBl 1974/800 in Anspruch genommen und andererseits Einkünfte der österreichischen Besteuerung (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer) entzogen worden (auf die inkriminierten Verkürzungen an Kapitalertragssteuer wird gesondert eingegangen).

Die objektiven Voraussetzungen für die diesbezügliche Steuerpflicht im Inland werden auf den US 7 bis 10 festgestellt, die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite finden sich auf den US 6 f, 7 f und 9 f.

Indem die Rechtsrüge diese Feststellungen durch die auf eigene Beweiswerterwägungen gegründeten Behauptungen, es wären (zusammengefasst) weder die tatsächlichen Voraussetzungen für die Steuerpflicht im Inland noch ein auf Abgabenverkürzung gerichteter Vorsatz des Beschwerdeführers gegeben gewesen, ersetzt, entfernt sie sich vom Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810, jüngst 13 Os 72/14h).

Auch die Behauptung eines Feststellungsdefizits entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil die Beschwerde insoweit nicht erkennen lässt, welche über die vom Erstgericht getroffenen (US 5 bis 12) hinausgehenden Konstatierungen für die vorgenommene Subsumtion erforderlich sein sollen (RIS-Justiz RS0095939RS0117247 und RS0118342, jüngst 14 Os 64/14i).

Entgegen der Beschwerde ist die Ableitung der Feststellungen zu den strafbestimmenden Wertbeträgen aus den – als schlüssig erachteten (US 16) – abgabenbehördlichen Ermittlungsergebnissen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (insoweit der Sache nach Z 5 vierter Fall, allenfalls iVm Z 11 erster Fall [hiezu Lässig in WK2 FinStrG Vorbem Rz 21]) nicht zu beanstanden:

Zurückgehend auf ein Erkenntnis eines verstärkten Senats aus dem Jahr 1991 (EvBl 1992/16) judiziert der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des im diesbezüglichen Finanzstrafverfahren aktuellen Finanzvergehens zukommt (RIS-Justiz RS0087030).

Prozessual betrachtet sind abgabenbehördliche Erhebungsergebnisse Beweismittel, aus welchem Grund sie in der Hauptverhandlung (in aller Regel durch Verlesung oder Vortrag) vorkommen müssen, um bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden zu können (§ 258 Abs 1 StPO). Sind sie – wie hier (ON 258 S 46) – in der Hauptverhandlung vorgekommen, muss sie das erkennende Gericht gemäß § 258 Abs 2 erster Satz StPO – wie jedes andere Beweismittel auch – auf ihre Beweiskraft prüfen (zum Ganzen Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 4 f).

Aus dem Blickwinkel hinreichender Urteilsbegründung folgt daraus, dass der bloß pauschale Hinweis auf die Ergebnisse des Abgabenverfahrens nicht hinreicht, sondern die nachvollziehbare Bezugnahme auf – konkret zu bezeichnende – Aktenteile erforderlich ist (13 Os 50/09s, RIS-Justiz RS0087030 [T1]), welchem Erfordernis die angefochtene Entscheidung entspricht (US 16).

Der Einwand, es gäbe „portugiesische Steuerbescheide, die völlig andere Jahresergebnisse ausweisen als jene, die die inländischen Finanzbehörden für ihre Vorschreibung zugrundegelegt haben“, entzieht sich schon deshalb einer meritorischen Erledigung, weil er den unter dem Aspekt des (der Sache nach) herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Z 5 zweiter Fall) unerlässlichen Aktenbezug (RIS-Justiz RS0124172[insbesondere T5]) vermissen lässt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass in der angefochtenen Entscheidung – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

(I) Der Vorgang der Subsumtion besteht im Herstellen einer Verknüpfung zwischen der Tat und einer strafbaren oder (sofern in Sonderfällen nicht alle Voraussetzungen der Strafbarkeit verlangt werden) mit Strafe bedrohten Handlung. Dabei wird der festgestellte Lebenssachverhalt (Tat) dahin beurteilt, ob er unter die gesetzliche Kategorie einer strafbaren Handlung, also eines tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, das auch allfälligen zusätzlichen Voraussetzungen für die Strafbarkeit genügt, fällt (Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 7, Ratz in WK² StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 1).

In Finanzstrafsachen ist im Bereich der Kapitalertragsteuer selbstständige Tat das Unterlassen der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen Kapitalertragsteuer-Abfuhr (§ 96 Abs 1 EStG) unter Verletzung der korrespondierenden (§ 96 Abs 3 EStG) Anmeldungspflicht (13 Os 104/10h, AnwBl 2011, 448; RIS-Justiz RS0124712 [T3 und T4]).

Da die angefochtene Entscheidung hiezu keine Feststellungen trifft, sondern bloß nach Kalenderjahren zusammengefasste Verkürzungen an Kapitalertragsteuer konstatiert (US 11), schafft sie somit diesbezüglich keine hinreichende Subsumtionsbasis.

(II) Das Erstgericht stellt die Tatzeitpunkte zu den hinsichtlich der Veranlagungsjahre 1996 bis 1998 durch Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen bewirkten Verkürzungen an Umsatz-, Körperschaft- und Einkommensteuer nicht fest. Dies ist hier deswegen subsumtionsrelevant, weil die Qualifikation gewerbsmäßiger Begehung (§ 38 Abs 1 FinStrG) erst durch das – mit 13. Jänner 1999 in Kraft getretene – AbgÄG 1998 BGBl I 1999/28 auf den Grundtatbestand der Abgabenhinterziehung (§ 33 FinStrG) ausgedehnt worden ist.

Die angefochtene Entscheidung war daher in den Schuldsprüchen I/B und II/B sowie in der Subsumtion der von den Schuldsprüchen I/A/1/a/i und ii, I/A/1/b/i, II/A/1/a/i bis iii, II/A/1/b/i und ii, III/A/1/a und III/A/2/a umfassten Taten nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG aF schon bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Dies hatte die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge, worauf der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen war.

Zur Beurteilung einer allfälligen Verkürzung an Kapitalertragsteuer werden im zweiten Rechtsgang Feststellungen darüber zu treffen sein, ob, gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt, Kapitalerträge geflossen sind. Werden Kapitalflüsse konstatiert, werden weiters die Person des Schuldners und des Empfängers der Kapitalerträge festzustellen und wird auf dieser Basis anhand der Bestimmungen der §§ 95 und 96 EStG zu prüfen sein, wen die darauf bezogene Pflicht zum Abzug und zur Abfuhr der Kapitalertragsteuer traf (hiezu eingehend Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 32). Im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs wegen Finanzvergehen der (gewerbsmäßigen) Abgabenhinterziehung werden die einzelnen Taten unter Zugrundelegung des dargelegten finanzstrafrechtlichen Tatbegriffs zur Kapitalertragsteuer (13 Os 104/10h, AnwBl 2011, 488; RIS-Justiz RS0124712 [T3 und T4]) durch entsprechende Feststellungen voneinander abzugrenzen sein.

Bezüglich der Veranlagungsjahre 1996 bis 1998 wird zwecks Klärung der Anwendbarkeit der Qualifikationsnorm des § 38 Abs 1 lit a FinStrG aF der Zeitpunkt der Abgabe der unrichtigen Steuererklärungen (vgl Lässig in WK2 FinStrG Vorbem Rz 9) zu konstatieren sein.

Hinzugefügt sei:

(1) Das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) stimmt in der Bezeichnung (US 3: „II/A“) nicht mit dem korrespondierenden Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) überein (US 4: „II/B“).

(2) § 33 Abs 3 FinStrG enthält (bloß) Legaldefinitionen des Bewirkens, also der möglichen Arten und des Zeitpunkts der technischen Vollendung der Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 und Abs 2 FinStrG, die Tatbestände der Abgabenhinterziehung sind in diesen Absätzen und in § 33 Abs 4 FinStrG umschrieben (SSt 55/12, RIS-Justiz RS0087102, Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 29 [vgl demgegenüber US 4]).

(3) Bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht ist nach § 26 Abs 2 erster Satz FinStrG – zwingend (Lässig in WK2 FinStrG § 26 Rz 8) – mit der Weisung zu verbinden, eine allfällige Abgabenverkürzung oder einen sonstigen Einnahmenausfall zu berichtigen. Da das Unterbleiben einer solchen Weisung (siehe US 4) zum Vorteil des Angeklagten wirkt und hier weder von der Staatsanwaltschaft noch von der Finanzstrafbehörde bekämpft worden ist, hat es auf sich zu beruhen.

(4) Der Ausspruch der Beschlagnahme erfolgte verfehlt (siehe § 35 StPO, vgl auch § 207a Abs 2 erster Satz FinStrG und § 115 Abs 5 StPO sowie Lässig in WK2 FinStrG § 207a Rz 7 und Tipold/Zerbes, WK-StPO § 115 Rz 14, 18 und 46) in Urteilsform (US 4). Ausgehend davon, dass der Inhalt einer Entscheidung nach ständiger Judikatur nicht durch deren Form, sondern durch deren Wesen bestimmt wird (RIS-JustizRS0106264 [insbesondere T3]), ist auch die Anfechtungsmöglichkeit nach der rechtsrichtigen Entscheidungsform zu beurteilen (Ratz, WK-StPO Vor § 280 Rz 5; Tipold, WK-StPO § 85 Rz 10). Der (verfehlt in Urteilsform ergangene) Beschluss (§ 35 Abs 2 StPO) auf Beschlagnahme ist daher mit Beschwerde anfechtbar (§ 87 Abs 1 StPO). Da das Erstgericht nach der Aktenlage insoweit entgegen § 86 Abs 1 erster Satz StPO keine Rechtsmittelbelehrung erteilt hat, wurde aber die in § 88 Abs 1 zweiter Satz normierte 14-tägige Rechtsmittelfrist nicht ausgelöst (RIS-Justiz RS0123942), aus welchem Grund der angesprochene Beschluss nicht in Rechtskraft erwachsen ist.

Die Kostenentscheidung – die sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12) – gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.“

Autorinnen und Autoren

  • Mag. Katrin Ehrbar
    RA Mag. Katrin Ehrbar verfügt über jahrelange Erfahrung in der Führung auch sehr komplexer, grenzüberschreitender, multijurisdiktioneller, strafrechtlicher und zivilrechtlicher Prozesse. Sie hat in den renommierten Wirtschaftsgroßkanzleien DLA Piper Weiss Tessbach und Wolf Theiss viele Jahre bekannte Wirtschaftsstrafcausen betreut und sich 2009 mit einer Rechtsanwaltskanzlei, spezialisiert auf Wirtschaftsstrafrecht, selbständig gemacht.
  • Philipp Wolm
    RA Mag. Philipp Wolm betreibt gemeinsam mit RA Dr. Lukas Kollmann die auf Strafrecht spezialisierte Boutiquekanzlei KOLLMANN, WOLM Rechtsanwälte. Zuvor war er bei der Rechtsanwaltssozietät SOYER & PARTNER/IN tätig. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehört die Individualverteidigung vor in- und ausländischen Gerichten, Wirtschaftsstrafrecht, Unternehmensstrafrecht, strafrechtliche Präventionsberatung (Compliance) sowie Finanzstrafrecht. Ein zusätzlicher Schwerpunkt von RA Mag. Philipp Wolm liegt in der Verteidigung von Suchtmittelcausen.
  • Dr. Lukas Kollmann
    RA Dr. Lukas Kollmann ist Partner bei KOLLMANN, WOLM Rechtsanwälte, eine auf Strafrecht spezialisierte Boutiquekanzlei. Zu seinen Praxisschwerpunkten zählen vor allem die Verteidigung von Führungskräften in umfangreichen Wirtschaftsstrafsachen, insbesondere Untreue- und Korruptionsverfahren. Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der wirtschaftsstrafrechtlichen Präventivberatung.
  • Dr. Marcus Januschke, MBA
    RA Dr. Marcus Januschke, MBA, ist als selbständiger Rechtsanwalt in Wien tätig und auf das Rechtsgebiet Strafrecht spezialisiert. Als Strafverteidiger deckt er sämtliche Bereiche des Strafrechts ab. Im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts betreut er Einzelpersonen und Unternehmen, wobei er hierbei vielfältige Erfahrung in Individualverfahren wie auch in Großverfahren hat.

WiJ

  • Dr. Simon Ulc , Marc Neuhaus

    Übernahme von Kosten für Verteidiger und Zeugenbeistände – eine Praxisübersicht

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Ricarda Schelzke

    BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23

    Individual- und Unternehmenssanktionen

  • Dr. Marius Haak , Joshua Pawel LL.M.

    Umweltkriminalität im Visier der EU – Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Rat beschlossen

    Produkthaftung, Umwelt, Fahrlässigkeit und Zurechnung