Folker Bittmann, Dr. Matthias Brockhaus, Sarah Milena Landsberg, Patrick Müller-Sartori, Dr. Christian Rosinus, Dr. Markus Rübenstahl, Mag. iur., Gundula Seeger, VRiLG Dr. Sohre Tschakert

Stellungnahme der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. zum Referentenentwurf „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“

Vorbemerkung: Inzwischen liegt der an etlichen Stellen weiterentwickelte Regierungsentwurf vor. Abweichungen zum Referentenentwurf sind kenntlich gemacht. „RegE: +“ zeigt, wo unseren Bedenken Rechnung getragen wurde.

I.    Ausgangslage

Neben der Bereitschaft, sich mit dem Gedanken einer völligen Neuregelung des Rechts der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vertraut zu machen, stößt die dem Referentenentwurf zugrundeliegende Systematik auf im Kern weitgehende Zustimmung. Allerdings erscheint es als erforderlich, manche Schnittstellen zwischen den betroffenen Rechtsgebieten noch präziser herauszuarbeiten. Dabei gilt es ab und an, die Wortfassung auf das inhaltlich Gemeinte zu beschränken, zuweilen um die Frage der Berechtigung eines Vorschlags, zum Teil aber auch um die Prüfung, ob die vorgesehene Abgrenzung tatsächlich i.S. der Ziele des Entwurfs selbst sachgerecht ist.Auf einige Streitfragen wurde bereits in der Literatur hingewiesen (Bittmann, NZWiSt 2016, 131; ders., ZinsO 2016, 873; Köllner/Cyrus/Mück, NZI 2016, 329; Müller-Sartori, WiJ 2016, 87). Auf sie kann nachfolgend nicht sämtlich eingegangen werden. Neben grundlegenden Themen finden sich jedoch auch Überlegungen zu weiteren Einzelfragen.Jede Beurteilung des Referentenentwurfs trifft zunächst auf das Problem, dass sich die objektiv-rechtlichen Auswirkungen der Neuregelung nicht wirklich überblicken lassen. Anders als bei anderen Gesetzesvorhaben stellt sich nämlich nicht nur die Frage nach dem Verständnis der neuen Vorschriften je für sich und untereinander, sondern vor allem und das in sehr vielfältiger Weise, wie sie sich zum Gefüge anderer Rechtsgebiete verhalten, es verändern, dies sollen (oder nicht) und ob sich das Neue in das Bisherige harmonisch einfügt (oder nicht). Zudem hat sich herausgestellt, dass sich eine Fülle von Folgeproblemen entweder stellt oder eben gerade nicht, je nachdem, welchen Inhalt und welche Reichweite einer vorgeschlagenen Bestimmung beigemessen wird. Insoweit besteht zusätzlicher Bedarf, Klarstellungen entweder im Gesetzestext selbst oder zumindest in der Begründung des nachgehenden Regierungsentwurfs vorzunehmen.

II.    Grundlegende Fragen

1.    Übergang vom Rückgewinnungs- zum Entschädigungsmodell

Die Notwendigkeit eines derartigen Systemwechsels kann mangels Vorliegens belastbarer sozialwissenschaftlich gewonnener Erkenntnisse nur schwer beurteilt werden. Letztlich handelt es sich jedoch um eine Entscheidung innerhalb des dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Spielraums.Unbeschadet dessen stellt sich jedoch die Frage, ob das Entschädigungsmodell nicht näher konkretisiert werden müsste. Das gilt sowohl in Bezug auf die Erstreckung auf Amtsanwalts-, ja selbst auf Bagatellfälle, als auch (und besonders aufgrund der vorgesehenen Ausgestaltung vorläufig sichernder Maßnahmen als Regelfälle) im Hinblick auf die Erforderlichkeit jenseits insolvenznaher Vermögensverhältnisse. Diese Umstände sind gewiss im Zusammenhang mit der vom Entwurf betonten verstärkten Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beachtlich. Gleichwohl wäre es für die Praxis hilfreich, abwägungsrelevante Umstände in der Begründung näher darzulegen. RegE: +

2.    Bruttoprinzip

a) Der Entwurf hält am Bruttoprinzip fest, sieht für die Bestimmung des Erlangten aber zwei Schritte vor. Ausgangspunkt ist der gesamte reine Zufluss, § 73 Abs. 1 StGB-E. Bei der Bestimmung von dessen Wert sind jedoch nicht tatbezogene Aufwendungen abzuziehen, § 73e Abs. 1 StGB-E (RegE: § 73d StGB-E). Der Versuch, der nicht durchweg stringenten Rechtsprechung gesetzlich Konturen zu verleihen, bedarf allerdings noch der Verfeinerung.Die vorgeschlagene Fassung trennt zwischen „Erlangtem“ und dessen „Wert“. Aufwendungen mindern jedoch nicht den Wert des Erlangten an sich, sondern sind nur geeignet, den Einziehungsumfang zu verringern. Es bedarf deshalb durchweg, d.h. sowohl im Gesetz als auch in der Begründung, der Differenzierung zwischen Erlangtem und dem Einzuziehenden.Im Fall des noch vorhandenen Erlangten wäre der Abzug von Aufwendungen nur mittels Ausgleichzahlungen möglich. Das aber ist ersichtlich nicht gemeint. § 73e StGB-E kann demnach nur für die Einziehung von Wertersatz bedeutsam sein. Das sollte im Gesetz selbst zum Ausdruck gebracht werden.b) Die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen Erlangtem und Einzuziehendem belegt zudem, dass die Bestimmung des § 73e Abs. 1 StGB-E selbst nichts über das Erlangte, das Begriffsverständnis und den Umfang, aussagt. Daraus resultiert die Gefahr, dass die von der Rechtsprechung unausgetragenen Konflikte auch unter dem neuen Recht fortdauern könnten. Das wäre bedauerlich. Um dies zu vermeiden sollte daher geprüft werden, ob in Gesetz oder Begründung Näheres zum Verständnis des Begriffs des Erlangten aufzunehmen ist.aa) Der Entwurfssystematik folgend widmet sich der erste Schritt, also im Hinblick auf das Erlangte, allein der Seite des Zuflusses und folgt damit insoweit der Rechtsprechung des 1. Strafsenats des BGH, spricht sich damit zugleich gegen die Auffassung z.B. des 5. Strafsenats aus, der in Fällen wechselseitiger Leistung und Gegenleistung, wie es idealtypisch beim Vertrag der Fall ist, nur die Abrede, den Vertragsschluss, und damit die Chance auf den Gewinn als erlangt betrachtet. Dem Anliegen derjenigen, welche die Rechtsprechung des 1. Strafsenats ablehnen, trägt der Entwurf jedoch Rechnung, allerdings erst im 2. Schritt, § 73e Abs. 1 StGB-E, und beschränkt auf Aufwendungen, die nicht der Vorbereitung oder Durchführung der Tat dienten.Die Übernahme der Rechtsprechung des 1. Strafsenats in den ersten Schritt des Entwurfs kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass das neue Merkmal „durch“ an die Stelle des vom 5. Strafsenats befürworteten Unmittelbarkeitsgrundsatzes tritt. Allerdings bestehen Unklarheiten dahingehend, ob schon damit zugleich auch die Beschränkung der Abschöpfung auf das aus der Rechtsgutsverletzung Erlangte verdeutlicht werden soll, oder ob diese Aufgabe allein § 73e Abs. 1 StGB-E zugedacht ist. Beides wäre logisch denkbar. Die systematische Klarheit spricht jedoch für letztere Variante. Dann aber liegt es nahe, das jeweils Gemeinte in beiden Bestimmungen sprachlich schärfer zum Ausdruck zu bringen. Erlangt ist danach all das, was dem Empfänger aufgrund des Tatgeschehens und der dabei getroffenen Abreden zufließt. Bei der Einziehung von Wertersatz sind hingegen alle Aufwendungen abzuziehen, deren Zufluss nicht aufgrund Rechtsgutsverletzung bemakelt sind.bb) Auf diese Weise wäre Klarheit geschaffen, dass einerseits nicht allein das aufgrund tatbestandsmäßigen Handelns Zugeflossene erlangt ist, andererseits aber auch das zur Durchführung des Vereinbarten und für sich nicht Bemakelte abgezogen werden könnte. Die bisherige Fassung des § 73e Abs. 1 StGB-E würde demgegenüber die Interpretation erlauben, dass z.B. die reinen Kosten der Durchführung eines Bauvorhabens entweder als der Tat nachfolgend oder der Tatdurchführung (im Beendigungsstadium) dienend nicht abgezogen werden könnten. Es wäre aber unverhältnismäßig, etwa bei einem mittels Zahlung von 10 Mio € ergatterten 100-Millionen-Euro-Auftrag auch die 90 Mio € für (isoliert betrachtet) legale Aufwendungen abzuschöpfen. Damit wandelte sich die Einziehung zu einer Nebenstrafe und könnte nicht mehr wie bisher und im Entwurf als eine kondiktionsähnliche Maßnahme behandelt werden.Zudem wäre auch die Differenzierung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen gemäß subjektiver und damit nur indiziell feststellbarer Zwecksetzung, wie sie § 73e Abs. 1 S. 2 StGB-E vorsieht, in sowohl rechtssystematisch zutreffender als auch praxisfreundlicher Weise beseitigt. Gleiches gilt für das bei Zugrundelegen sowohl des Unmittelbarkeitsprinzips als auch dessen Ersetzung im Wege der Aufnahme des Merkmals durch auftretende Probleme der Quantifizierung: Anders als etwa bei Betrug und Untreue wäre abschöpfungsrechtlich nicht allein auf den Zeitpunkt der Begehung der Tat abzustellen, sondern allein auf das, was zu irgendeinem Zeitpunkt tatsächlich in bemakelter Weise erlangt wurde. Nur, aber eben dies ist auch gemeint!cc) Da die Fälle des Handelns ohne behördliche Genehmigung in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt sind, sollte die Gelegenheit zu gesetzlicher Klarstellung genutzt werden. Bestand ein Anspruch auf Genehmigung, so sind nur die ersparten Kosten aus der Tat erlangt. Das muss auch für eine im Ermessen stehende Entscheidung gelten, denn sie ist nicht nach freiem, sondern nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Damit sollte sie sowohl vorhersehbar, als auch das potenzielle Ergebnis eines Antragsverfahrens nachträglich feststellbar sein. Wäre eine Genehmigung unter Auflagen erteilt worden, so ist allerdings auch der Wert ihrer ersparten Erfüllung abschöpfungsfähig.dd) Wünschenswert wäre zudem eine eindeutige gesetzgeberische Entscheidung, ob die Einziehung gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann möglich sein soll, wenn die Tat im Versuchsstadium steckenblieb, jemand aber trotzdem bereits etwas erlangt hat.ee) Erwogen werden könnte ferner, ob auf dem Gebiet der Restitution, bei der es sich der Sache nach trotz strafprozessualem Kleide um Fragen der zivilrechtlichen Güterzuordnung handelt, der Mitwirkung des Betroffenen eine größere Bedeutung als für die Schuld- und Straffrage beigemessen werden sollte. § 73e Abs. 2 StGB-E sieht die Möglichkeit der Schätzung vor. Wie in den Fällen der §§ 266a StGB und 370 AO dürfte dies bedeuten, dass auf eine genaue Spezifizierung nur insoweit verzichtet werden kann, wie weitere Erkenntnisse nicht (in angemessener Weise) gewonnen werden können. Anders als in den genannten Beispielen betrifft § 73e Abs. 2 StGB-E aber keine Fragen des Tatbestands und der Schuld. Demgemäß wäre es verfassungsrechtlich zulässig, den Amtsermittlungsgrundsatz insoweit einzuschränken, als eine Schätzung bereits dann erlaubt würde, wenn der Betroffene keine näheren Angaben zu seinen Aufwendungen zu machen bereit ist und auch keine einschlägigen Belege präsentiert.In vergleichbarer Weise könnte man dem Betroffenen eine Mitwirkungslast im Hinblick auf Erschwernisse seiner Resozialisierung im Fall vollständiger Vollstreckung der Einziehungsentscheidung, § 459g Abs. 4 StPO-E, und in Bezug auf erbrachte Erfüllungsleistungen, § 73d StGB, hier sogar die Beweislast, auferlegen.

3.    Maßgeblichkeit der Ersatzberechtigung

Im Hinblick darauf, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Frage der Ersatzberechtigung eines individuellen Verletzten einen weiteren als den prozessualen Tatbegriff zugrunde legt (kein Verfall gezahlten „Schmiergelds“, wenn es zu Lasten des Auftragnehmers refinanziert wurde; ebenfalls kein Verfall, wenn Umweltschäden von einem Dritten – das kann auch eine Gemeinde sein – beseitigt werden müssen), wäre es sachgerecht, gesetzlich klarzustellen, dass es für die Verletzteneigenschaft dort, wo es für sie weiterhin Sonderregelungen gibt, (z.B. §§ 111i und 459h StPO-E) allein auf die Ersatzberechtigung (und nicht auf die Eigenschaft als Verletzter der materiellen oder prozessualen Tat) ankommt.Hinzu kommt, dass zuweilen vom zivilrechtlich Ersatzberechtigten die Rede ist. Insoweit ist zu bemerken, dass es nicht auf das Rechtsgebiet ankommen kann, aus welchem der Ersatzanspruch resultiert. Das kann z.B. auch das Sozial- und Steuerrecht (§§ 266a StGB, 370 AO) sein. Maßgeblich ist allein, ob ein solcher Ersatzanspruch besteht.

4.    Voraussetzungen strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen

Hier sieht der Entwurf insbesondere mit der Aufhebung von § 111b Abs. 2 und 3 StPO eine einschneidende Änderung vor: aus einer Kann-Bestimmung wird eine Soll-Vorschrift (RegE: nur bei Vorliegen „dringender Gründe“). Sichernde Maßnahmen wären danach der Regelfall, obwohl die Notwendigkeit des Vorliegens eines Arrestgrunds entfällt, weiterhin einfacher Tatverdacht genügt und keine Abstufung nach Fristen mehr vorgesehen ist. Nach der Gesetzesbegründung sollen allerdings die entfallenden Kriterien auch zukünftig ihre Bedeutung behalten, diese nur nicht mehr wie bisher in formalisierter Weise entfalten.a) Das Zutrauen in eine derart vereinfachte gesetzliche Regelung ist berufsspezifisch unterschiedlich ausgeprägt. Wer den Grundsatz der Erforderlichkeit mit dem Bestimmtheitsgebot kombiniert, stößt auf verfassungsrechtliche Bedenken. Wer dem Schutz mittels einhegender Formen vertraut, beklagt deren mit ihrem Entfallen für den Beschuldigten eintretende nachteilige Wirkung oder fürchtet umgekehrt eine Häufung von Rechtsmitteln ungeachtet der bisherigen Abstufungen. Wer die Dynamik komplexer Verfahren mit der Arbeitsbelastung sowohl der Justiz als auch der Verteidiger in Verbindung setzt, kann sich leicht vorstellen, dass die Anpassung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen an neue Erkenntnisse in den Hintergrund geraten kann.b) Obwohl es sich bei den angeführten Umständen (mit Ausnahme der Reichweite des Bestimmtheitserfordernisses für prozessuale Eingriffsgrundlagen) vor allem um Fragen der tatsächlichen Verfahrensgestaltung handelt, also nicht um juristische Grenzen von Eingriffsbefugnissen, erscheint es doch als erwägenswert zu prüfen, ob die bisherige gesetzliche Abstufung nicht beibehalten werden oder zumindest in formeller Hinsicht nicht ersatzlos entfallen sollte.Zu denken ist z.B. an die Aufnahme einer gesetzlichen Pflicht zu steter Überprüfung etwaigen Anpassungsbedarfs ergriffener vorläufiger Sicherungsmaßnahmen. Ferner könnte evtl. eine Regelung ähnlich wie in § 121 StPO für Haftsachen, aber angepasst an die nicht de-ckungsgleichen Umstände bei ergriffenen Sicherungsmaßnahmen, sinnvoll sein, derzufolge das zuständige Oberlandesgericht nach Ablauf bestimmter, allerdings längerer Fristen als bei § 121 StPO die Erfüllung des Anpassungsbedarfs von Amts wegen, auf Antrag auch der sonstigen für den Fortbestand der Maßnahme(n) maßgeblichen Umstände zu prüfen hätte.Alternativ ist es auf jeden Fall sinnvoll, die Voraussetzungen für die weitere Beschwerde zu erleichtern. Derzeit steht dem Betroffenen jederzeit die nicht fristgebundene Beschwerde offen, gegen die Anordnung eines Arrests von mehr als 20.000 € auch die weitere Beschwerde. Neben der Klarstellung, dass auch die Staatsanwaltschaft weitere Beschwerde einlegen kann, sollte ihre Statthaftigkeit auch auf Vollziehungsmaßnahmen erstreckt werden. Da Beschwerdeentscheidungen nicht in Rechtskraft erwachsen, wäre es überdies sinnvoll, dem Gericht der weiteren Beschwerde (wie in Fällen beantragter vorzeitiger Entlassung aus Strafhaft) auch die Befugnis einzuräumen, eine Frist festzulegen, vor deren Ablauf ein erneuter Antrag auf Überprüfung unzulässig wäre; die Antragsbefugnis aufgrund veränderter Umstände hätte davon natürlich unberührt zu bleiben.c) Der Umstellung auf das Entschädigungsmodell entsprechend kann es für den Fortbestand einer ergriffenen Sicherungsmaßnahme von vorn herein nicht mehr darauf ankommen, ob der Verletzte seine Rechte selbst verfolgt oder nicht. Es wäre gleichwohl hilfreich, dies in die Begründung ausdrücklich aufzunehmen.

5.    Ausgestaltung der strafprozessualen Sicherungsinstrumente

a) Der Entwurf verzichtet darauf, neben der materiellrechtlichen Vereinheitlichung der geltenden Regelungen über Verfall und Einziehung auch ein einheitliches strafprozessuales Sicherungsinstrument zu schaffen. Der wesentliche Grund dafür besteht im Vorrang der gegenständlichen Restitution, die zudem gegenüber dem bisherigen Recht auch auf Fälle verlorener dinglicher Berechtigung, insbesondere des Eigentums, erstreckt wird. Zur Sicherung dieses sehr verständlichen Ziels ist aber die Aufteilung in Beschlagnahme und Vermögensarrest nicht erforderlich. Die Begründung dazu findet sich in der Literatur und muss hier nicht wiederholt werden.b) Hervorzuheben ist jedoch, dass das Ziel gegenständlicher Restitution auch nach verlorenem Eigentum, auf der Basis des Entwurfs zumindest im Fall der Insolvenz nicht erreicht werden kann, weil der zivilrechtliche Rückübertragungsanspruch (auch im Fall der Austauschpfändung gemäß § 111d Abs. 2 S. 1 und 2 StPO-E; dazu unten III 7 b cc) eine schuldrechtliche Forderung darstellt, deren Erfüllung im Insolvenzverfahren weder gesichert noch privilegiert ist. Das auf den Insolvenzverwalter verlängerte Verfügungsverbot führt zu einem Patt: der Verwalter darf nicht verwerten, der Verletzte darf aber auch nicht aussondern!aa) Da das bloße Veräußerungsverbot generell lediglich schuldrechtlich wirkt, bietet es sich an, auch der Beschlagnahme die Wirkung der Begründung eines Arrests beizumessen. Das aber bedeutet, dass es inhaltlich sachgerecht und zudem praxisgerecht wäre, ein einziges Sicherungsinstrument zu schaffen, die einheitliche strafprozessuale Verfügungssperre.bb) Auch ein mit der Beschlagnahme begründetes Pfandrecht, welches den Anspruch auf Rückübertragung des im Zuge der Tat auf einen Dritten übergegangenen Eigentums sichern würde, führte allerdings nur zu einem Recht auf abgesonderte Befriedigung. Da es sich auf den Gesamtwert des körperlichen Gegenstands oder des betroffenen Rechts bezöge, könnte es faktisch zwar am besten mittels Rückübertragung erfüllt werden. Nicht auszuschließen wäre allerdings die Verwertung seitens des Insolvenzverwalters und Auskehr des Verwertungserlöses. Dies widerspräche allerdings dem Ziel des Entwurfs, die gegenständliche Restitution auch in solchen Konstellationen zu ermöglichen. Demgemäß müsste für diese Fälle bestimmt werden, dass das auf der strafprozessualen Verfügungssperre fußende Pfandrecht insoweit sogar zur Aussonderung berechtigt.c) Diese Regelung wäre Teil der Strafprozessordnung. Hier zeigt sich jedoch exemplarisch, dass die Neuregelung der Vermögensabschöpfung inhaltlich auch das Insolvenzrecht umgestaltet. Um den Beteiligten des Insolvenzverfahrens den Zugang zu den Modifikationen zu erleichtern, wäre es daher sehr hilfreich, in der InsO selbst auf die einschlägigen strafprozessualen Regeln zu verweisen. Dies könnte rechtstechnisch entweder in der Weise geschehen, dass in alle jeweils betroffenen Einzelvorschriften der InsO ein entsprechender Hinweis aufgenommen werden würde, oder dass in eine neue Vorschrift alle auch insolvenzrechtlich relevanten Bestimmungen der StPO Eingang fänden.

6.    Verhältnis von Arresten auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage zueinander

Bislang besteht keine einheitliche Praxis. Zuweilen wird der Arrest gemäß § 324 AO als Sperre für den strafprozessualen Arrest angesehen, zuweilen nicht. Im Verhältnis zwischen zivil- und strafprozessualem Arrest zeigt sich immerhin eine Tendenz dahingehend, dass ein zivilprozessualer Arrest (wenn es dem Verletzten ausnahmsweise gelingt, ihn trotz der restriktiven Rechtsprechung insbesondere der Oberlandesgerichte zu erwirken) das Bedürfnis beseitigen kann, für den (einen) Verletzten Rückgewinnungshilfe zu leisten, umgekehrt aber gerade des Rückgewinnungshilfemodells wegen ein strafprozessualer Arrest den zivilprozessualen Arrestgrund nicht beseitigt. Die Neuregelung will zum einen die „Zwangsvollstreckung“ in einen Vermögensgegenstand, in welchen ein strafprozessualer Vermögensarrest vollzogen wurde, verbieten, § 111h Abs. 2 S. 1 StPO-E, zugleich aber insoweit mit einer Ausnahme davon den steuerrechtlichen Arrest privilegieren, § 111h Abs. 2 S. 2 StPO-E. Beides erscheint systematisch unstimmig.a) Dem Entwurf liegt ersichtlich die Annahme paralleler Zulässigkeit von steuerlichem und strafprozessualem (Vermögens-)Arrest zugrunde. Das ist aus der jeweiligen Sachspezifik heraus durchaus verständlich.aa) Dazu will es jedoch nicht recht passen, die eigene Rechtsverfolgung des Verletzten auf dem Zivilrechtsweg zu beschränken. Zum einen wurde bereits in der Literatur darauf hingewiesen, dass es für die Verletzten wie Steine statt Brot wirken kann, wenn strafprozessual zwar eine erfolgreiche Verwertung gesichert ist, diese aber gerade in Wirtschaftsstrafsachen regelmäßig erst nach Ablauf etlicher, zuweilen mehr als 10 Jahre später zu erwarten ist. Schon deshalb bedarf es der Möglichkeit vorläufiger Vollstreckung, ggf. auch ohne Sicherheitsleistung, in Anlehnung an die ZPO (dazu nachfolgend zu II 7).Die Beschränkung der Zulässigkeit der Vollstreckung aus einem zivilprozessualen Titel setzt die Verletzten überdies der Gefahr aus, gegenüber anderen Gläubigern ins Hintertreffen zu geraten. Sie kann sich z.B. realisieren, wenn das Verfahren eingestellt wird (näher dazu unten III 4) und der Arrestantrag des Verletzten unter Hinweis auf die strafprozessuale Sicherung wegen Fehlens eines Arrestgrunds abgelehnt worden war. In solcher Lage bleibt der Verletzte ungesichert, obwohl zivilprozessual aufgrund gegenüber dem Strafverfahren anderer Anspruchsgrundlagen und Beweisregeln durchaus ein Anspruch bestehen kann. Zwar können in einen Gegenstand, in welchen ein strafprozessualer Vermögensarrest vollzogen wurde, auch andere Gläubiger als Verletzte nicht vollstrecken. Ihnen kann zivilprozessual jedoch nicht der Arrestgrund unter Hinweis auf die strafprozessuale Maßnahme verweigert werden. Im Fall der Verfahrenseinstellung oder bei Freispruch und damit jeweils verbundener Aufhebung der strafprozessualen Sicherung wären Allgemeingläubiger folglich sogleich in der Lage, in den freigegebenen Gegenstand zu vollstrecken. Sie verfügten über einen zeitlichen Vorsprung vor Verletzten, die nun erst mit Aussicht auf Erfolg Zivilrechtschutz suchen und ggf. finden könnten, deren Versuch der Zwangsvollstreckung aber mit der großen Gefahr einer bestenfalls nachrangigen und damit kaum werthaltigen „Sicherung“ verbunden wäre. Diese Benachteiligung Verletzter kann nicht richtig und wird auch nicht intendiert sein.bb) Angesichts dessen sollte neben einer vorläufigen Vollstreckung im Regierungsentwurf geregelt bzw. in der Begründung angeführt werden, dass-       sich die Anordnung eines Arrests (Vermögensarrest; § 916 ZPO; § 324 AO) jeweils ausschließlich nach den Regeln der einschlägigen Verfahrensordnung richtet, und-       der vollzogene Vermögensarrest nicht die Zwangsvollstreckung und Vollziehung eines anderweit erwirkten Arrests hindert.Auf diese Weise wäre es Verletzten möglich, sich eine nachrangige Sicherung zu verschaffen, die erst für den Fall der Aufhebung der Vollziehung aus dem strafprozessualen Vermögensarrest ihre volle Bedeutung erlangt, insbesondere erst dann die Verwertung erlaubt. Ergibt sich dies nicht bereits aus der ZPO, so wäre diese Folge strafprozessual im entsprechend veränderten § 111h Abs. 2 StPO-E zu bestimmen.

7.     Zeitpunkt der Verwertung

a) Der Entwurf sieht auf der einen Seite die materiellrechtliche Pflicht zu vollständiger Abschöpfung (vorbehaltlich einer Ausblendungsentscheidung gemäß § 421 Abs. 1 StPO-E) vor, auf der anderen Seite ist jedoch der neue § 160b S. 2 StPO-E (im RegE nicht mehr enthalten) nur erklärlich, wenn strafprozessual die Dispositionsbefugnis der zivilrechtlich Beteiligten als vorrangig anerkannt wird. Letzteres sollte in der Begründung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden. Zudem wäre es aus Gründen der Klarheit sachgerecht, in § 257c StPO selbst, jedenfalls aber in der Gesetzesbegründung zu verdeutlichen, dass die Höhe der Einziehung Gegenstand einer Verständigung sein darf, ersatzweise eindeutig zu bestimmen, dass sich die Ausblendungsentscheidung gemäß § 421 Abs. 1 StPO-E auch auf lediglich einen Teil der begehrten und möglichen Einziehung beschränken darf.Die Notwendigkeit des Vorrangs folgt nicht nur aus Praktikabilitätsgesichtspunkten – kein Erfordernis hoheitlicher Entscheidung – sondern ist auch materiell-zivilrechtlich und über Art. 14 GG wohl sogar grundgesetzlich geboten.b) Nach dem Entwurf ist die Entschädigung des Opfers erst nach einer rechtskräftigen Abschöpfungsentscheidung möglich. Diese setzt ein zumindest erstinstanzliches Strafurteil voraus, kann aber auch erst nach dessen Rechtskraft gefällt werden, § 422 StPO-E. Gerade in komplexen Wirtschaftsstrafsachen können Jahre vergehen, bis die Entscheidung über die Einziehung in Rechtskraft erwachsen ist, die Verwertung also erst beginnen kann (s. dazu bereits oben II 6 a aa). Selbst in diesem Stadium können noch aufwendige Hürden zu überwinden sein, bevor zur Auskehrung des Erlöses geschritten werden kann. Abhängig von der Anzahl der Beteiligten und bestehender bzw. fehlender Einigung über Berechtigung und deren Höhe, also auch über die Quote, kann es zu Prätendentenstreitigkeiten kommen, die zwischen verschiedenen Anspruchstellern zivilrechtlich ausgetragen werden. Inzident sind dabei die Rechtsverhältnisse zum Betroffenen, im Fall einer juristischen Person ggf. auch zu einem oder mehreren Verurteilten zu prüfen. Das kann zur Folge haben, dass angesichts der mit dem Wissen vom Geschehen einsetzenden dreijährigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist sämtliche Ansprüche zivilrechtlich nicht mehr durchsetzbar sind.aa) Es liefe den Zielen des Entwurfs zuwider, in solchen Fällen das Erlangte nicht an die Verletzten auskehren zu müssen, wiewohl der Justizfiskus der „lachende Dritte“ wäre. Zur Sicherung der Durchsetzbarkeit eigener Ersatzansprüche wird jeder Verletzte demzufolge sowieso Rechtschutz vor den Fachgerichten suchen müssen. Das verhindert der Entwurf zwar nicht, entzieht dem Verletzten aber die strafprozessual arretierten Vermögensgegenstände vorübergehend als Vollstreckungsgrundlage. Bei einer Mehrzahl von Verletzten könnte jeder einzelne und der Betroffene aufgrund mangelnden Einverständnisses mit der Entschädigung auch nur eines Anspruchstellers die Verwertung bis zur Rechtskraft, also ggf. auf Jahre blockieren.bb) Der Fachrechtsschutz darf auch nicht mit einer Regelung beschränkt werden, welche allein das Ruhen zivilrechtlicher Verjährung während der Zeiten strafprozessualer Sicherung anordnen würde. Das folgt aus der Tatsache, dass strafprozessual nur das ausgekehrt werden kann, was eingezogen wurde, gemäß dem insoweit korrekturbedürftigen (dazu unten II 9 d; RegE: +) § 459h Abs. 2 S. 1 StPO-E gar nur im Umfang des zuvor strafprozessual Gesicherten, der auf den (jeweiligen) Verletzten entfallende Betrag aber erst bei Abschluss des (strafprozessualen oder insolvenzrechtlichen) Verwertungsverfahrens betragsmäßig feststeht. Dem Opfer darf aber nicht verwehrt werden, im Umfang seiner vollständigen zivilrechtlichen Ansprüche selbst Rechtsschutz zu suchen, sofern es sich davon etwas verspricht. Selbst im für den Verletzten besten Fall übersteigt sein zivilrechtlicher Anspruch gegen den Betroffenen und/oder Beschuldigten den Erlös aus dem strafprozessualen Vorgehen, weil er in den seltensten Fällen auf einen actus contrarius (nebst Ersatz von Nutzungen) beschränkt ist, sondern auch Folgeschäden (Sachbeschädigungen, Krankheitskosten, entgangenen Gewinn etc.) und die Kosten der Rechtsverfolgung umfasst – und der Verletzte für all dies keine Hilfe oder gar Erfüllung aufgrund strafprozessualen Vorgehens erwarten kann.cc) Der Entwurf sichert umfassend die spätere Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs (im Umfang des Erlangten), kommt den berechtigten Interessen Verletzter an einer zügigen Durchsetzung ihrer Ansprüche aber nicht (über die Hoffnungen auf den Erfolg einer Erörterung gemäß § 160b S. 2 StPO-E hinaus; im RegE nicht mehr enthalten) entgegen, im Gegenteil, er erschwert Opfern sogar die Verwirklichung ihrer Ansprüche (zumindest für eine gehörige Zeit). Das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung in Gegenstände, in welche ein strafprozessualer Vermögensarrest vollzogen wurde, § 111h Abs. 2 S. 1 StPO-E, darf demgemäß in der vorgesehenen Weise nicht Gesetz werden.c) Die Befriedigung von Ansprüchen Verletzter vor Rechtskraft ist strafprozessual gewiss ein Fremdkörper. Das hindert aber die Schaffung von Möglichkeiten früherer Hilfe nicht, weil es sich insoweit materiell nicht um Straf-, sondern um Zivilrecht handelt. Demnach kann eine Regelung auch für die Fälle strafprozessualer Sicherung geschaffen werden, welche – ähnlich wie im Zivilrecht die vorläufige Vollstreckbarkeit – eine einstweilige Verteilung ermöglicht. Freiwillig ist nach dem Entwurf sogar eine endgültige Regelung möglich, damit erst recht eine einstweilige. Unter welchen Voraussetzungen eine frühzeitige Auskehr an Verletzte ermöglicht werden soll, bedarf der Prüfung. Die Regelung der ZPO könnte übernommen werden (Arrest- oder Zwangsvollstreckung aus zumindest vorläufig vollstreckbarem Titel gegen oder ohne Sicherheitsleistung) oder es könnte eine Befugnis der Staatsanwaltschaft eingeführt werden, die gerichtlich überprüfbar sein müsste. Nötig wäre für die Fälle möglicher mehrerer Verletzter jedoch immer ein Fristenregime. Dieses könnte an die Mitteilung nach § 111l StPO-E anknüpfen und z.B. nach 3 Monaten die einstweilige Verteilung unter die Verletzten, die sich bis dahin gemeldet haben, in quotal gleichem Umfang gestatten (gegen oder ohne Sicherheitsleistung).

8.    Rangfolge der Gläubiger

Die im Entwurf vorgesehene Rangfolge der Gläubiger sollte noch einmal einer grundsätzlichen Überprüfung unterzogen werden. Nach dem bisher Vorgesehenen genießen Verletzte bis zur Insolvenz den Vorrang vor staatlicher Einziehung und vor Allgemeingläubigern des Betroffenen. In der Insolvenz stehen Verletzte und Allgemeingläubiger gleich, § 111i Abs. 1 StPO-E. Ein etwaiges weitergehendes Sicherungsrecht des Justizfiskus ginge hingegen in der Insolvenz beiden Gläubigergruppen vor, ungesicherten Allgemeingläubigern sogar immer, weil das auf einen Vermögensarrest zurückgehende Sicherungsrecht insolvenzfest ausgestaltet ist: § 111h Abs. 1 StPO-E einerseits, § 111i Abs. 1 StPO mit der Beschränkung der Aufhebung im Insolvenzfall auf Sicherungen zu Gunsten Verletzter andererseits.a) Damit würde wirtschaftlich die Einziehung zu Gunsten des Justizfiskus von den Allgemeingläubigern, ggf. gar auch von den Verletzten finanziert (dazu unten III 8)! Letzteres steht im Widerspruch zu den Zielen des Entwurfs, Ersteres ist mit der Wertung des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO unvereinbar. Es ist auch im übrigen nicht einzusehen, warum unbeteiligte Dritte ein Sonderopfer erbringen sollen wegen einer Abschöpfungsentscheidung zugunsten des Staates, die ihre Berechtigung nur darin findet, dass aus Straftaten Erlangtes nicht beim Täter oder sonstigen Begünstigten verbleiben soll. Eine Belastung der Allgemeingläubiger findet in diesem Kondiktionsgedanken keine Rechtfertigung.aa) Demgemäß ist es zwingend sicherzustellen, dass ein strafprozessuales Sicherungsrecht zu Gunsten des Staates nicht anders behandelt wird als ein Verletzten zu Gute kommendes. Am einfachsten ließe sich dies im Rahmen der Schaffung einer einheitlichen strafprozessualen Verfügungssperre bewerkstelligen, bei der auch insolvenzrechtlich nicht zwischen Delikten mit und ohne individuellen Ersatzberechtigten zu differenzieren wäre.bb) Dabei könnte es allerdings nicht sein Bewenden haben. Wie der Fall des OLG Nürnberg, ZinsO 2013, 822 zeigt, ist es nicht immer möglich, dass der Insolvenzverwalter strafprozessual gesichertes Vermögen ohne zeitliche Differenz sichert. Um zu verhindern, dass insolvenzbefangenes Vermögen in der Phase zwischen Eröffnung des Insolvenzverfahrens und tatsächlicher Ausübung der Verfügungsgewalt durch den Insolvenzverwalter beiseitegeschafft wird, ist § 111i Abs. 1 StPO (einheitlich auch für die Fälle des Fehlens eines individuellen Ersatzberechtigten) dahingehend umzugestalten, dass das strafprozessuale Sicherungsrecht nicht etwa wie bislang vorgesehen erlischt (RegE enthält in § 111i Abs. 1 S. 2 StPO-E eine Ausnahme: Fortbestand der Sicherung für Vermögen in Staaten, die das deutsche Insolvenzverfahren nicht anerkennen), sondern in der Weise relativ unwirksam ist, als dass es nicht gegen den Verwalter wirkt (damit aber sowohl für ihn als auch gegen Dritte).b) Zu erwägen sein könnte überdies, d.h. neben dem Entfallen (bzw. gemäß hiesigem Vorschlag: Nachrang) des Arrestpfandrechts in Verfahren ohne individuellen Ertsatzberechtigten), den Erlös im Umfang des strafprozessualen Sicherungsrechts auch in der Insolvenz ausschließlich auf Verletzte zu verteilen. Dies würde ihre Stellung erheblich stärken. Allerdings würde diese Privilegierung den Grundsätzen der Insolvenzordnung widersprechen. Mangels individueller insolvenzfester Sicherung sind auch Verletzte schlichte Insolvenzgläubiger. Dies ließe sich zwar gesetzlich ändern, die wirtschaftlichen Folgen wären aber ausschließlich von ungesicherten Allgemeingläubigern (auch z.B. Lieferanten, Handwerker, Vermieter, kreditierende Lebensmittelhändler etc.) zu tragen: sie müssten auf das verzichten, was die Verletzten nicht aufgrund eigener, sondern staatlicher Initiative erhielten. Über einen derart tiefgreifenden Eingriff in die Verteilungsregeln der InsO dürfte seriöserweise nicht allein im Zusammenhang mit der Reform der strafprozessualen Vermögensabschöpfung diskutiert und entschieden werden.Den Opfern kommt die Neuregelung auch ohne ein solches Insolvenzprivileg zu gute. Die Zunahme strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen erhöht die Chance auf Entschädigung. Die (weitgehende) Abschaffung des „Windhundrennens“ verringert zudem das Risiko, Kosten für die Rechtsverfolgung vergeblich zu investieren, weil einem anderen Verletzten die Individualvollstreckung früher gelingt. An der Gleichrangigkeit aller (ihre Rechte verfolgenden) Verletzten änderte auch die (oben II 7 insbesondere b cc) vorgeschlagene Umgestaltung des § 111h Abs. 2 S. 1 StPO nichts.

9.     Anforderungen an die Feststellung der Berechtigung strafprozessual angemeldeter Forderungen und an den Mangelfall

Nach dem Entwurf ist die Verwertung wie bisher, zusätzlich aber auch alles, was es seitens der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Insolvenz zu bearbeiten und zu entscheiden gibt, dem Rechtspfleger übertragen, § 31 Abs. 1 Nr. 3 RPflG-E. Insoweit bestehen erhebliche Unklarheiten über Aufgaben und Befugnisse des Rechtspflegers – und abhängig von den Antworten auch im Hinblick darauf, ob die komplette Übertragung angemessen ist.a) Dies betrifft als erstes die Frage nach Notwendigkeit und ggf. Umfang der Prüfung der Berechtigung geltend gemachter Verletzten-Ansprüche. Sollte gemeint sein, dass die z.B. zivil- oder sozialrechtliche Berechtigung vollständig zu überprüfen sei, so wäre damit der gesamte spezialrechtliche Verfahrensgegenstand zeitaufwendig und fachfremd in das Ermittlungs- und Vollstreckungs-(, ggf. auch Straf-)verfahren inkorporiert und mit dem Rechtspfleger jemandem zur Entscheidung zugewiesen, der dafür überhaupt nicht ausgebildet ist. Eine solche Regelung wäre kontraproduktiv. Aber es spricht auch nichts dafür, dass sie in dieser Weise geschaffen werden soll. Allerdings bedarf die Aufgabenstellung des Rechtspflegers der Klarstellung in der Begründung. Sinnvollerweise kann von ihm nur zweierlei verlangt werden. Das ist zum einen eine Plausibilitätsprüfung des geltend gemachten Anspruchs dahingehend, ob er auf eine verfahrensgegenständliche Tat gestützt wird. Da strafprozessual nicht die gesamte Ersatzforderung geltend gemacht werden kann, bedarf es zum zweiten der Prüfung, ob die (gegenständliche oder wertmäßige) Restitution von spezifisch aus der Tat Erlangtem begehrt wird, wenn ja, in welcher Höhe.In dem Maße, wie beide Voraussetzungen erfüllt sind, ist der Anspruch für das weitere Abschöpfungsverfahren maßgeblich. Das bedeutet einerseits, dass er nur dann und insoweit berücksichtigt werden darf, dies aber auch muss, es also einer weitergehenden Rechtsprüfung seitens der Strafjustiz, insbesondere seitens des Rechtspflegers, nicht bedarf. Diesbezügliche Streitigkeiten sind vor den Fachgerichten von denjenigen auszutragen, die behaupten, an dem materiellen Rechtsverhältnis beteiligt zu sein. Werden sie geführt, so kann die Staatsanwaltschaft lediglich entscheiden, ob sie abwartet oder Geld bzw. den Erlös aus einer für geboten erachteten Notveräußerung hinterlegt. Erlaubt man Verwertungsmaßnahmen in der oben (II 7 insbesondere c) vorgeschlagenen (oder einer anderen Weise) schon früher als erst im Vollstreckungsverfahren, so stünde auch eine einstweilige Verteilung in Rede.b) Vergleichbar ist die zweite offene Frage, nämlich die Feststellung des Mangelfalles, § 111i Abs. 2 StPO-E.aa) Insoweit bedarf die Begründung gegenüber der im Referentenentwurf vorliegenden der Präzisierung (RegE: +). Es kann nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, noch dazu des Rechtspflegers sein, den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit zu prüfen oder gar festzustellen. Das soll und muss Aufgabe des Insolvenzgerichts bleiben. Strafprozessual kann es allein darauf ankommen, ob die angemeldeten und (als plausibel dargelegt) anzuerkennenden Ansprüche Verletzter vom Wert des strafprozessual Gesicherten gedeckt sind oder nicht (a.A. RegE). Bereits dies kann diffizil sein.bb) Klarstellend sei hier wiederholt, dass es nicht auf die Höhe des Ersatzanspruchs insgesamt ankommt, sondern nur auf die Auskehr des Erlangten oder von dessen (ggf. anteiligem) Wert. Auch die Rechtsverfolgungskosten sind insoweit unbeachtlich. Alles andere würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass die Beschränkung der Abschöpfbarkeit auf das Erlangte selbst und deren strafprozessualer Sicherung nahezu notwendig zu einem Mangelfall führen würde, weil ein solcher nur dann nicht vorliegen würde, wenn eine Sicherung über das Erlangte hinaus bestünde – das kann bei unteilbaren oder Gegenständen unklaren Werts zwar vorkommen, ist aber sicher nicht der Regelfall.cc) Die Prüfung des Mangelfalls bereitet dann keine über die Notwendigkeit der Feststellung des Umfangs der Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs hinausgehenden Schwierigkeiten, wenn Geld oder Gegenstände mit feststehendem Geldwert gesichert werden konnten (Bargeld, Kontoguthaben, kursnotierte Wertpapiere). In solchen Fällen ergibt sich Vorliegen oder Fehlen eines Mangelfalls aus einer einfachen Rechenoperation: Sicherstellung minus Summe der Ansprüche. Anders verhält es sich, wenn die Höhe der Sicherstellung vom späteren Verwertungserlös abhängt. Hier bedarf es der Schätzung, im Streitfall möglicherweise gar sachverständiger Hilfe. Die unverkennbaren Probleme sind allerdings nicht größer als bei jeder Vollstreckungsmaßnahme eines Gerichtsvollziehers oder sonstigen Pfändungsmaßnahme. Unterschiede können allerdings im Verwertungsgeschick liegen – aber dies wird sich bei entsprechender Ausbildung und Erfahrung auch beim Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft einstellen, zumal da die Umstände der Verwertung nicht festgelegt sind, also zumindest unter besonderen Umständen auch ein sachkundiger Dritter einbezogen werden darf und die Verwertung in den schwierigen Fällen durchweg in den Händen des Insolvenzverwalters liegen dürfte. Demnach kommen zwar auf die staatsanwaltschaftlichen Rechtspfleger zusätzliche, aber durchaus bewältigungsfähige Aufgaben zu.c) Das dritte Problem kreist um die Frage, ob die Staatsanwaltschaft nur als berechtigt zum Stellen eines Insolvenzantrags gilt, oder ob sie dazu auch strafprozessual wie innerdienstlich verpflichtet ist. Sachgerecht erscheint insoweit eine abgestufte Antwort: Nur im Mangelfall gilt die Staatsanwaltschaft als berechtigt. Gelingt es ihr, z.B. im Zuge von Erörterungen, zulässig auch nach Entfallen von § 160b S. 2 StPO-E, dass alle Protagonisten eine auch für die Staatsanwaltschaft akzeptable Lösung finden (nicht akzeptabel wäre die Auskehr an den Beschuldigten wesentlich über den zur Sicherung des Lebensunterhalts erforderlichen Umfang hinaus), so kann es nicht sachgerecht sein, sie als zum Stellen eines Insolvenzantrags verpflichtet zu betrachten. Bleibt eine derartige freiwillige Regelung jedoch aus, so ist die Staatsanwaltschaft nicht zur Verwertung befugt. Demgemäß hat sie von der Möglichkeit zum Stellen eines Insolvenzantrags Gebrauch zu machen, falls ihr nicht ein Dritter zuvorkommt.Spielraum besteht für die Staatsanwaltschaft dann lediglich in Bezug auf den Zeitpunkt. Insoweit wird sie spätestens nach Rechtskraft der Einziehungsentscheidung eine verbindliche Entscheidung treffen und im Mangelfall Insolvenzantrag stellen müssen. Sie hat aber bereits im Ermittlungsverfahren zu prüfen, ob sie diesen Schritt geht. Dafür könnte insbesondere sprechen, dass eine frühzeitige Antragstellung dem Insolvenzverwalter (gerade im Fall von Aushöhlungshandlungen oder sonstigen Manipulationen) Anfechtungsmöglichkeiten erhält, die ihm mit jedem späteren Tag wegen Fristablaufs ganz oder teilweise entgehen könnten.d) Während es im Ermittlungsverfahren, überhaupt vor Rechtskraft der Einziehungsentscheidung, nur zu einer einvernehmlichen Restitution, ggf. nebst Verteilung auf mehrere Verletzte kommen kann oder der Rechtspfleger im Mangelfall das Insolvenzgericht einschaltet, es also in keinem Fall einer eigenständigen Zuweisung sichergestellten Vermögens gegen den Willen auch nur eines Beteiligten bedarf, sieht dies im Fall rechtkräftiger Einziehung anders aus. Bereits hingewiesen (oben II 7 b bb) wurde darauf, dass in § 459h Abs. 2 S. 1 StPO-E nicht auf das vorläufig Sichergestellte, sondern auf die Einziehungsentscheidung und deren Vollstreckung abgestellt werden muss, eine Anpassung des Gesetzeswortlauts dahingehend also erforderlich ist (RegE: +).aa) Spätestens nach der Verwertung und dem Abzug der Verwertungskosten steht der Betrag fest, der zur Verteilung an Verletzte gemäß § 459k StPO-E zur Verfügung steht. Übersteigt er die Summe der von Verletzten angemeldeten und zu berücksichtigenden Ansprüche, so kann der Rechtspfleger leichten Herzens zur Verteilung schreiten. Bleibt die Summe hingegen wie wohl regelmäßig hinter der der Ansprüche zurück, so kann er erstmals vor der Frage stehen, ob er auch im Fall des Bestreitens der Berechtigung eines Gläubigers seitens eines oder mehrerer anderer Gläubiger (der Betroffene hat sein Recht mit Rechtskraft der Einziehung verloren – er kann aber evtl. noch eine Rolle als Zeuge im Prätendentenstreit spielen) eine verbindliche Streitentscheidung zu treffen hat. Die Frage stellen, heißt, sie zu verneinen, und zwar schon aus Gründen des Verfassungsrechts, handelt es sich doch insoweit um den Kernbereich der Rechtsprechung, die dem Richter vorbehalten ist, Art. 92 GG.bb) Es muss dem Rechtspfleger demnach möglich sein, von der Verteilung Abstand zu nehmen. Der Entwurf lässt es allerdings offen, wie er zu verfahren hat. Es wäre daher sachgerecht, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Handlungsmöglichkeiten, ggf. -notwendigkeiten des Rechtspflegers festzuschreiben. Denkbar ist, dass er sich wieder auf eine Plausibilitätsprüfung beschränken und gemäß § 459h Abs. 2 S. 2 StPO-E das Insolvenzgericht anrufen kann. Der Prätendentenstreit wäre in das Insolvenz(eröffnungs)verfahren verlagert. In Betracht zu ziehen ist zudem, das die Staatsanwaltschaft auf der Vorlage eines vollstreckbaren zivilrechtlichen Titels (Gegen wen? Den Betroffenen? Die Staatsanwaltschaft?) bestehen könnte, ihr die Befugnis zustünde, eine Frist zur Klageerhebung (Gegenüber wem?) zu setzen, oder dem Justizfiskus die Verwertung und (die einstweilige) Verwahrung des Erlöses zu gestatten – Hinterlegung wäre hingegen mangels fortbestehender Berechtigung des Betroffenen und dem Recht der Staatsanwaltschaft, den Betrag zu behalten, wenn sich kein anderer Prätendent einen Titel verschafft, untunlich.Der Entwurf gestattet dem Rechtspfleger die Überleitung in das Insolvenzverfahren. Das aber muss nicht zwangsläufig zur Verteilung dort führen, weil es durchaus denkbar ist, dass die Eröffnung mangels Vorliegens eines Insolvenzgrundes oder mangels Masse abgelehnt wird. In solcher Lage fällt die Verteilungsnotwendigkeit an die Staatsanwaltschaft zurück. Einigen sich die Prätendenten nicht zumindest über das weitere Vorgehen (private Veräußerung; Versteigerung von Seiten einer bestimmten Stelle), so ist es sowohl sachgerecht als auch am wenigsten aufwendig und kostenträchtig, der Staatsanwaltschaft die Verwertung zu gestatten und den Erlös bis zum Vorliegen einer die Berechtigung eines Dritten rechtskräftig belegenden Entscheidung zu gestatten.e) Insgesamt wäre es demnach sehr hilfreich klarzustellen, welche Stelle über welche Rechtsfragen (vorläufig oder verbindlich) zu entscheiden hat. Leitlinie sollte auch dabei die Aufgabenverteilung kraft Sachkenntnis sein.Dem Entwurf kann dazu bisher (wohl) folgendes entnommen werden:aa) Der Rechtspfleger hat im Ermittlungsverfahren nur darüber zu befinden, ob der vom Verletzten geltend gemachte Anspruch aus der Tat herrührt und wie weit er sich auf das Erlangte bezieht (oben II 9 a). Zudem hat er das Erlangte zu bewerten, soweit dessen Wert in Geld nicht sowieso schon feststeht (oben II 9 b).bb) Einem zivilrechtlichen Vergleich darf die Staatsanwaltschaft Rechnung tragen, ggf. im Wege einer partiellen Ausblendungsentscheidung, § 421 Abs. 1 StPO-E.cc) Im Erkenntnisverfahren hat das Gericht über die Einziehung zu befinden. Das schließt die Feststellung der bisherigen dinglichen Berechtigung ebenso ein wie die mit Rechtskraft (§ 75a Abs. 1 S. 1 StGB-E; RegE: § 75 Abs. 1 S. 1 StGB-E) oder 6 Monate (§ 75a Abs. 1 S. 2 StGB-E; RegE: § 75 Abs. 1 S. 1 StGB-E) später wirksam werdende Übertragung des Eigentums auf den Staat.dd) Im Vollstreckungsverfahren hat der Rechtspfleger nur das zu verteilen, was an Eigentum bzw. Rechtsinhaberschaft auf den Staat übergegangen ist.ee) Nicht ausdrücklich geregelt ist hingegen, welche Aufgaben dem Zivilgericht verbleiben. Soweit sich dies nicht aus bereits bestehenden Vorschriften ergibt, sollte festgelegt werden, dass es zuständig ist für die Entscheidung über alle streitigen zivilrechtlichen Fragen mit Ausnahme derjenigen, die im direkten Zusammenhang mit der Einziehung stehen. Darüber, ob „etwas“ aus der Tat erlangt ist, hat das Strafgericht zu befinden. Streitigkeiten über das Eigentum, die Rechtsinhaberschaft oder das Bestehen beschränkter dinglicher Rechte kann hingegen ebenso wie über eine bestrittene zivilrechtliche Berechtigung eines Opferanspruchs nur das Zivilgericht verbindlich entscheiden.Es bedarf zudem strafprozessualer Festlegung, unter welchen Umständen welches Organ (Staatsanwalt, Rechtspfleger, Richter) die Beteiligten bürgerlich-rechtlich umstrittener Fragen auf den Zivilrechtsweg verweisen darf. Das gilt auch für die Herausgabe nach § 111n StPO-E, demzufolge im Gegensatz zum bisherigen § 111k S. 3 StPO nicht einmal mehr possessorische Ansprüche der (straf-)richterlichen Entscheidung überantwortet werden können sollen (RegE: +). Ohne derartige und eindeutige Zuständigkeitsnormen droht nicht nur ein permanenter Auslegungsstreit, sondern auch die Gefahr, dass einer weniger sachkompetenten Stelle Entscheidungen zugewiesen werden, die für dieses Organ fachfremd sind.

10.   Rechtsweg

Nach § 111f Abs. 5 StPO können Maßnahmen, die in Vollziehung einer Beschlagnahme oder eines dinglichen Arrests ergriffen werden, dem gemäß § 162 StPO zuständigen Gericht zur Prüfung unterbreitet werden. Das soll gemäß § 111k Abs. 3 StPO-E auch nach Einführung des Vermögensarrests so bleiben. Zu bedenken ist jedoch, dass dies sowohl aufgrund der zu erwartenden quantitativen Zunahme von Abschöpfungsmaßnahmen als auch wegen der nach Ausgestaltung der Schnittstelle zum Insolvenzrecht qualitativ schwierigeren Rechtsfragen zu einer spürbaren Verschränkung der Rechtschutzwege führen wird: Zahlreiche Streitfragen des Zwangsvollstreckungs- und des Insolvenzrechts, die in die originäre Zuständigkeit der Zivilgerichte fallen, müssen demnach von den Strafgerichten entschieden werden, denen dafür aber das Spezialwissen und die Erfahrung fehlen.a) Für das bisherige Recht wird nicht nur die Zuständigkeit der Strafjustiz für Drittwiderspruchsklagen, § 771 ZPO, bejaht, sondern teilweise auch für Anfechtungsklagen des Insolvenzverwalters gegen die Staatsanwaltschaft. Bislang darf in den Fällen des § 111k S. 3 StPO auch der Staatsanwalt das Strafgericht anrufen. Abgesehen davon, dass diese Möglichkeit auch für § 111o StPO-E bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen zur Wahrung des Richtermonopols erhalten bleiben sollte, kann es aus den oben zu II 9 a und d aufgeführten Gründen bei der Verwertung und Verteilung auf die Antworten auf sehr komplexe zivil- und insolvenzrechtliche Fragen ankommen.b) Zudem drohen aufgrund der uneinheitlichen Zuständigkeiten auch verschiedene Antworten auf dieselben Rechtsfragen. Ferner kann die Streitentscheidung davon beeinflusst werden, welche Prozessordnung einschlägig ist. Der IX. Zivilsenat des BGH stützt sich nahezu durchweg auf die sinnlich fassbare und deswegen relativ leicht zu beweisende Zahlungseinstellung. Er kann dies tun, weil § 17 Abs. 2 InsO die Vermutung enthält, dass die Zahlungseinstellung auf Zahlungsunfähigkeit beruht. Diese Vermutungswirkung ist nach einhelliger Auffassung nicht auf den Strafprozess übertragbar. Eine Ausnahme für Abschöpfungsentscheidungen könnte zwar geschaffen werden. Trotzdem blieben unterschiedliche Gerichte für die Entscheidung derselben Rechtsmaterie zuständig. Zudem könnte ein Interessierter möglicherweise Rechtsschutz bei dem Gericht suchen, das ihm das genehmere ist (z.B. Entschädigungsklage vor den Zivilgerichten vor Ausfechten des Streits um den Erlös). Für den Beklagten ist es dann eine Art Zufall, vor welchem Gericht er sich wiederfindet.c) Rechtsklarheit durch ein gemeinsames oberes Gericht ist schon deshalb nicht zu erwarten, weil es ein solches für die meisten Fälle nicht gibt, endet der Rechtszug im Ermittlungs- und Vollstreckungsverfahren sowie in amtsgerichtlichen Verfahren doch meist beim Land-, spätestens aber beim Oberlandesgericht. Rechtszersplitterung führt zu Rechtsunsicherheit. Es gilt sie zu vermeiden. Ein Weg dazu bestünde in der Rückkehr zur Aufteilung in strafrechtlich-/strafprozessualen und zivilrechtlich-/zivilprozessualen Rechtschutz. Auf diese Weise würde zudem dem Grundanliegen des Entwurfs, der Verteilung der Zuständigkeit auf vorhandenen (speziellen) Sachverstand, Rechnung getragen.

III.   Einzelthemen

1.    § 73a StGB-E

Die erweiterte Einziehung soll zukünftig für sämtliche Delikte offenstehen (im RegE sogar noch verschärft). Dies lässt sich in verschiedener Hinsicht unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit problematisieren.a) Unbedingt verhindert werden muss jedenfalls, dass eine Durchsuchung quasi automatisch zur Notwendigkeit des Betroffenen führt, einen Eigentums- oder Nachweis seiner sonstigen Berechtigung für sämtliche in seinem Besitz befindlichen Gegenstände führen zu müssen. Es gilt nicht nur uneingeschränkt die Eigentumsvermutung gemäß § 1006 BGB fort, sondern es dürfen auch nur konkrete, tatsachengestützte Zweifel einen strafprozessualen Prüfungsbedarf auslösen.b) Die Notwendigkeit, im Ausgangspunkt sämtliche Delikte genügen zu lassen, anstatt möglicherweise entweder aus Gründen der Angemessenheit als Unteraspekt der Verhältnismäßigkeit oder zwecks Schonung knapper Justizressourcen nur eine Ausdehnung auf einen gegenüber dem geltenden Recht lediglich erweiterten Kreis vorzunehmen, erschließt sich anhand der Begründung nicht. Gleichwohl dürfte sich die vorgesehene Neuregelung innerhalb des dem Gesetzgeber offenstehenden Gestaltungsspielraums bewegen.In einer Erweiterung auf alle Vermögensdelikte läge zwar möglicherweise eine Präzisierung, nicht aber eine Einschränkung gegenüber der vorgeschlagenen Fassung, da dort, wo nichts erlangt wurde (z.B. Körperverletzung), ohnehin nichts abgeschöpft werden kann.

2.    Verschiebungsfälle

Der Praxis kommt die ausdrückliche Regelung der Verschiebungsfälle entgegen. Hingegen erscheint es fraglich, ob die Ausgestaltung des § 73b StGB-E in der vorgeschlagenen Form Gesetz werden sollte.a) Der Wortlaut ist insoweit zu eng, als er weder Verschiebungsketten noch die Weitergabe seitens eines Drittempfängers erfasst. Beides erscheint als korrekturbedürftig (RegE: +).b) Die Vorschrift weckt aber auch Bedenken, weil sie in gewisser Hinsicht zu weit formuliert ist. Die uneingeschränkte Haftung von Erben und Pflichtteilsempfängern reicht sehr weit, sogar weiter als bei Tatmitteln und -produkten, §§ 74 Abs. 3, 74a StGB-E. Es dürfte deshalb noch einmal zu prüfen sein, ob dies wirklich als geboten erscheint. Denkbar ist zum einen, dem kondiktionsrechtlichen Hintergrund zum Trotz die Haftung von auch in ihrer Person vorliegenden subjektiven Elementen abhängig zu machen oder zwecks Verdeutlichung in der Vorschrift selbst auf die gegenüber Tätern und Teilnehmern erweiterte Härteklausel, § 75 Abs. 1 S. 2 StGB-E, hinzuweisen (RegE: keine Haftung nach rechtmäßigem Zwischenerwerb eines Dritten). Zum anderen sollte zumindest eine zeitliche Grenze eingeführt werden, zumal da § 76a StGB-E die Abschöpfung auch jenseits der Grenzen strafrechtlicher Verjährung vorsieht (dazu unten III 4).

3.    Verhältnis der Einziehungsentscheidung zum Insolvenzrecht

Im Insolvenzverfahren sind dingliche Rechtsänderungen nur unter Beteiligung des Insolvenzverwalters möglich, d.h. wirksam. Eine Ausnahme davon sollte aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung und zur Vermeidung weitergehender Belastung der übrigen Insolvenzgläubiger auch nicht für die Einziehung vorgesehen werden. Der Vorrang von § 91 InsO vor § 75a StGB-E sollte ausdrücklicher Teil des Gesetzes werden.

4.    Selbständige Abschöpfung unabhängig von Verjährung

Zukünftig soll die selbständige Einziehung, § 76a Abs. 1 StGB-E, schon dann zulässig sein, wenn wegen der Straftat keine natürliche Person (mehr) verfolgt oder verurteilt werden kann. Die Differenzierung zwischen rechtlichen und tatsächlichen Umständen entfällt demnach. Wenn es für die Einziehung aber nur noch auf die gegenständliche Eigenschaft (Tatertrag, Tatprodukt, Tatmittel, Tatobjekt) ankommt, dann kann sie zeitlich unbeschränkt angeordnet werden. Ob eine Auslegung dahingehend möglich ist, dass die Tat als solche noch verfolgbar sein müsse, ist einerseits offen (so aber der RegE) und wäre andererseits kaum sachgerecht, weil die Dauer der Verfolgung auch von Umständen in der Person des Verfolgten abhängen kann (Durchsuchung beim Beschuldigten auch als Verlängerung der Abschöpfungsfrist bei § 76a Abs. 1 StGB?) und es sich zudem nicht immer sicher feststellen lässt, ob nicht irgendeine Staatsanwaltschaft wegen der Tat gegen irgendeine Person eine verjährungsunterbrechende Handlung vorgenommen hat.Obwohl die Feststellbarkeit des Herrührens mit der Zeit abnimmt (und dies sogar überproportional), so dass eine positive Abschöpfungsentscheidung mit jedem weiteren Tag unwahrscheinlicher wird, diente es der Rechtsklarheit, die selbständige Einziehung nur innerhalb abgestufter Fristen vorzusehen.Die selbständige Einziehung ist nach dem Entwurf auch dann zulässig, wenn das Verfahren gegen einen Beschuldigten oder Angeklagten eingestellt wurde. Dabei sind keine Unterschiede vorgesehen, obwohl Einstellungen nach ganz unterschiedlichen Vorschriften (z.B. §§ 170 StPO bzw. Freispruch, 153, 153a, 154 StPO) möglich sind (RegE: kein objektives Verfahren, wenn ein Gericht Einziehung ausdrücklich abgelehnt hat). Das dürfte zwar im Ergebnis sinnvoll sein, weil eine Mehrzahl von Personen dasselbe „erlangt“ haben kann, so dass das Unterbleiben der Verurteilung einer von ihnen nichts am Charakter ändern muss, dass ein bestimmter Vermögensgegenstand aus der Tat „erlangt“ wurde. Gleichwohl ist das nur eine der möglichen Konstellationen. Hat hingegen nur eine Person, der Beschuldigte bzw. Angeklagte, etwas „erlangt“, so ist die selbständige Abschöpfung nach einer Einstellung bzw. einem Freispruch aufgrund Handelns im Zustand der Schuldunfähigkeit durchaus konsequent, wohl ebenso im Fall eines Verfahrensabschlusses gemäß §§ 153 oder 154 StPO, nicht aber auch bei einer Einstellung oder einem Freispruch mangels tatbestandlichen Handelns. Im Fall des § 153a StPO besteht die Möglichkeit, Schadenswiedergutmachung aufzuerlegen. Daneben kann durchaus ein Bedürfnis nach selbständiger Einziehung bestehen. Zwingend ist es hingegen nicht.Angesichts dessen wäre es sinnvoll, zumindest in der Gesetzesbegründung auf die unterschiedlichen Fallgestaltungen und deren nach den Vorstellungen der Verfasser des (Regierungs-)Entwurfs angemessener Lösung einzugehen. Das ist auch für das Schicksal einstweiliger Sicherungsmaßnahmen und damit für den Rang der Verletzten von ausschlaggebender Bedeutung. Angemessen erscheint die Einziehung trotz Einstellung des bzw. Freispruchs im subjektiven Verfahren(s) im Rang der (falls tatsächlich auch zukünftig vorgesehen) Beschlagnahme bzw. des Vermögensarrests. Dazu bedarf es jedoch gesetzlicher Vorkehrungen, etwa dergestalt, dass die Aufhebung der einstweiligen Maßnahmen aufschiebend bedingt durch das Ausbleiben eines Antrags im selbständigen Verfahrens binnen gesetzlich festzulegender Frist bestimmt wird.

5.    Begrifflichkeiten

§ 75a Abs. 1 StGB-E (RegE: § 75 Abs. 1 StGB-E) ist zu entnehmen, dass der Begriff Gegenstand sowohl Sachen als auch Rechte umfasst. Gleichwohl erleichterte es die Handhabbarkeit, wenn das Gesetz für das gesamte Abschöpfungsrecht eine entsprechende ausdrückliche Definition enthielte. Ein Verweis auf das BGB wäre nur in Bezug auf „Sachen“ möglich, da es „Gegenstände“ nicht definiert.

6.    Verlagerung der Härteklausel in das Vollstreckungsverfahren

Gemäß § 75 Abs. 1 S. 2 StGB-E  (RegE: § 73e Abs. 2 StGB-E)begründet die Entreicherung des Täters oder Teilnehmers keine unbillige Härte der Einziehung. Erschwernisse der Wiedereingliederung aufgrund Vollstreckung trotz Entreicherung sollen allerdings die Vollstreckung hindern.a) Die Verlagerung in das Vollstreckungsverfahren mindert zwar die Privilegierung konsumorientierter Angeklagter (anders laut § 459g Abs. 4 StPO-RegE, demzufolge Entreicherung die Vollstreckung sperrt – ohne Rücksicht auf die Gründe), führt aber auch zu etlichen verfahrensrechtlichen Änderungen. Sie birgt bereits die Gefahr ggf. aufwendiger Ermittlungen und Beweisaufnahmen für eine Einziehungsentscheidung, die vielleicht gar schon ersichtlich nicht (vollständig) vollstreckt werden wird. Das ist unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit und der Verfahrensökonomie bedenklich, könnte aber auch zum Unterlaufen der Beschränkung der Härtegründe durch die Novelle führen.Während Finanzermittlungen im Ermittlungs- und Hauptverfahren auch Erkenntnisse zur Schuld- und Straffrage mit sich bringen können, Durchsuchungen überdies sowohl zwecks Gewinnung von Beweismitteln als auch zur Vorbereitung der Abschöpfungsentscheidung vorgenommen werden dürfen, überdies beide Verfahrensabschnitte in den Händen des Staatsanwalts bzw. Richters liegen, ist das Vollstreckungsverfahren Domäne des Rechtspflegers. Wie soll er sich die Überzeugung von der Entreicherung verschaffen? Neue Finanzermittlungen einschließlich Durchsuchungen und Beschlagnahmungen (von Kontounterlagen)? Soll er bewerten, ob die Wiedereingliederung (Kriterium in § 459g Abs. 4 StPO-RegE entfallen) erschwert ist? Welches Maß reicht aus? Jede Erschwernis? Wie weit reicht sie? Vor der Tat Hartz IV = keine Erschwernis, nur nach der Tat Hartz IV aber sehr wohl? Kosten einer Aus- oder Fortbildung? In welcher Höhe? Alles Sache des Rechtspflegers? Und das bei zwingendem Vollstreckungshindernis, wenn die Voraussetzungen vorliegen?b) Die Verlagerung in das Vollstreckungsverfahren erscheint danach als nicht angemessen. Über die etwaige Unbilligkeit ist sowieso im Erkenntnisverfahren zu entscheiden (nach § 73e Abs 2 StGB-RegE nicht mehr). Dies erlaubt es, auch das Resozialisierungsinteresse trotz Irrelevanz der Entreicherung zu berücksichtigen. Um auch ein später eintretendes Resozialisierungsinteresse anerkennen zu können, sollte § 459d StPO, anwendbar über § 459g Abs. 2 StPO-E, auf die Einziehung erstreckt werden. Die Bestimmung ist flexibler und die Zuständigkeit liegt beim Richter. § 459g Abs. 4 S. 1 StPO-E würde damit entbehrlich. § 459g Abs. 4 S. 2 StPO-E könnte in § 459d StPO inkorporiert werden, allerdings nicht unverändert. Vielmehr sollte die Wiederaufnahme nur innerhalb gewisser Grenzen ermöglicht werde. Es wäre z.B. nicht sachgerecht, die volle Vollstreckung anzuordnen, wenn der Betroffene eine dreijährige Ausbildung erst im letzten halben Jahr abbricht.

7.    § 111d Abs. 2 StPO-E

a) § 111d Abs. 1 StPO-E stellt ausdrücklich – und systematisch zutreffend – auf die Vollziehung der Beschlagnahme ab. Trotz der sich auch auf Abs. 2 erstreckenden Überschrift ist fraglich, ob es wirklich auch insoweit auf die durchgeführte Beschlagnahme ankommen soll. Schließlich wäre es überflüssig, eine Beschlagnahmeanordnung nur deshalb auszuführen, um anschließend eine Austauschpfändung vornehmen zu können. Der Sache nach muss deshalb für die Anwendbarkeit von § 111d Abs. 2 StPO-E die Anordnung der Beschlagnahme genügen.b) Die Bestimmung birgt weitere Unklarheiten.aa) Fraglich ist, ob nach erfolgtem Austausch nur der beigebrachte, dem Wert der ursprünglich beschlagnahmten beweglichen Sache entsprechende Betrag, gesichert ist. Dafür spricht § 111d Abs. 2 S. 2 StPO-E. Demnach entspräche der Austausch in Bezug auf den ursprünglichen Gegenstand dessen Freigabe. Das aber widerspricht dem Ziel des Entwurfs, der gegenständlichen Restitution den Vorrang vor dem bloßen Wertausgleich zu sichern und sie sogar auf die Fälle der tatbedingt entzogenen dinglichen Berechtigung zu erstrecken.bb) Diese Unstimmigkeit setzt sich in der Einziehungsentscheidung fort. Soll nur der Geldbetrag eingezogen werden können? Dann würde die Rückübertragung oder Rückgabe einer beweglichen Sache, § 459h Abs. 1 S. 1 bzw. 3 StPO-E, ausscheiden. Der Zweck der Erweiterung gegenständlicher Restitution auf Konstellationen verlorengegangenen Eigentums wäre eingeschränkt, könnte unterlaufen werden. Eine Auslegung dahingehend, dass es in solchen Fällen allein sachgerechten Ermessensgebrauchs entsprechen würde, keine Austauschpfändung zu akzeptieren, nähme der Bestimmung ihren (nahezu?) gesamten Anwendungsbereich.cc) Da auch der beigebrachte Betrag nicht etwa gepfändet werden, sondern nur ein Veräußerungsverbot gelten soll, ist die Auskehr an den Verletzten im Insolvenzfall ebensowenig möglich wie bei dem ursprünglich gesicherten Gegenstand, wenn der Verletzte sein Eigentum verloren hat (vgl. dazu oben II 5 b).

8.    Arreste für Taten mit und ohne individuellen Verletzten

Die vermehrte Anordnung abschöpfungssichernder Maßnahmen wird in einer nennenswerten Anzahl von Verfahren dazu führen, dass ein Arrest für Erlangtes aus Straftaten sowohl mit als auch ohne individuellen Ersatzberechtigten angeordnet wird. Das in Vollziehung eines solchen „gemischten“ Vermögensarrests entstandene einheitliche Pfandrecht sichert einheitlich die Einziehungsentscheidung für Verurteilungen mit und ohne individuellen Ersatzberechtigten. Bis zur Vollziehung ist das unproblematisch – nur bis dahin.a) Das ändert sich im Fall der Insolvenz. Soweit das Pfandrecht die Einziehung wegen einer Tat ohne individuellen Verletzten sichert, ist es (vorbehaltlich Rückschlagsperre und Insolvenzanfechtung) insolvenzfest. Soweit es den Entschädigungsanspruch des Opfers sichert, tritt es gemäß § 111i Abs. 1 StPO-E außer Kraft. Darin liegt nicht nur eine Ungleichbehandlung von Fiskus und Opfer, sondern benachteiligt Letzteres ohne erkennbaren sachlichen Grund noch zusätzlich dadurch, dass es nicht nur in Konkurrenz zu den sonstigen Insolvenzgläubigern tritt, sondern auch noch zusätzlich die zur Verteilung stehende Masse durch den Vorrang des Pfandrechts zu Gunsten des Fiskus geschmälert wird. Hier zeigt sich erneut (vgl. oben II 8 a), dass sich die Wirkung des Pfandrechts im Insolvenzfall für Opfer und Justizfiskus nicht unterscheiden darf und dies in sachgerechter Weise dadurch erreicht zu werden vermag, dass es als lediglich relativ unwirksam gegenüber dem Insolvenzverwalter ausgestaltet wird.b) Auf der Ebene der Vollstreckung stellt sich ein vergleichbares Problem auch ohne Insolvenzverfahren. Es ist nämlich offen, wem der Verwertungserlös gebührt. Schwierigkeiten treten nur dann nicht auf, wenn der Erlös so hoch ausfällt, dass das aus beiden Arten von Taten Erlangte wertmäßig zurückgeführt werden kann. Das wird aber regelmäßig nicht der Fall sein. § 459h Abs. 2 S. 1 StPO-E bestimmt insoweit die Maßgeblichkeit des Vermögensarrests (anders der RegE). Dieser erging aber in den hier beleuchteten Fällen sowohl zugunsten des Verletzten als auch zur Sicherung der dem Justizfiskus verbleibenden Einziehung: Quote? Insolvenz, § 459h Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 111i Abs. 2 StPO? Wäre der Fiskus dann als einer von mehreren Verletzten anzusehen? Sachgerecht erscheint allein die bereits oben allgemein vorgeschlagene Regelung, dass die Einziehung zu Gunsten des Fiskus wirtschaftlich nicht zu Lasten anderer Gläubiger vollstreckt werden darf (vgl. oben II 8 a).

9.    Klarstellung innerhalb von § 111i Abs. 1 StPO-E

§ 111i Abs. 1 StPO befasst sich mit dem Schicksal des Vermögensarrests im Insolvenzfall und ist dahingehend zu verstehen, dass die Anordnung des Vermögensarrests bestehen bleibt, das in dessen Vollziehung entstandene Arrestpfandrecht aber erlischt. Diese Differenzierung ist auch dann sachgerecht, wenn § 111i Abs. 1 StPO-E gemäß hiesigem Vorschlag (oben II 8 a bb) anstelle des Erlöschens nur die Anordnung relativer Unwirksamkeit gegenüber dem Insolvenzverwalter trifft. Da es jedoch in der Rechtsprechung selbst einiger Oberlandesgerichte zur Vermengung von Anordnung und in Vollziehung entstandenem Pfandrecht gekommen ist, wäre es hilfreich, diese Differenzierung im Gesetz selbst zum Ausdruck zu bringen (z.B.: … bei fortbestehender Anordnung des Vermögensarrests…).

10.   Herabsetzung des Arrests aufgrund von Erfüllungsleistungen in der Vollstreckung

§ 111i Abs. 3 S. 1 StPO-E (RegE: § 111i Abs. 4 S. 2 StPO-E) bedarf einer Ergänzung in Bezug auf den Höchstbetrag, bis zu dem sich das staatliche Pfandrecht am Übererlös fortsetzt. Als Maßstab kann dann nicht mehr der Vermögensarrest dienen, wenn bereits eine Einziehungsentscheidung vorliegt. Zudem müssen etwaige Erfüllungsleistungen nach Anordnung des Vermögensarrests ebenso wie nach Rechtskraft der Einziehungsentscheidung Berücksichtigung finden und vom Höchstbetrag des Pfandrechts abgesetzt werden.

11.   Glaubhaftmachung des Insolvenzantrags

Da § 111i Abs. 2 StPO der Staatsanwaltschaft kein eigenes Antragsrecht auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Betroffenen einräumt, sondern sie lediglich als von den Verletzten ermächtigt gilt, ist die Annahme konsequent, sie müsse auch i.S. von § 14 Abs. 1 a.E. InsO den Insolvenzantrag glaubhaft machen. Es wäre jedoch zur Vermeidung sowohl von Unklarheiten als auch unnötiger Ermittlungen praxisgerecht, im Gesetz zu präzisieren, welche Informationen dem Insolvenzgericht genügen, um tätig werden zu können. Nur diese müsste die Staatsanwaltschaft in ihrem Insolvenzantrag anführen.Nicht erforderlich erscheint, dass sie Angaben zu sämtlichen Verletzten zu machen hat. Es dürfte für Zwecke des Insolvenzverfahrens die Angabe genügen, dass ein Vermögensarrest erwirkt wurde, in dessen Vollziehung weniger Vermögenswerte gesichert werden konnten als Verletzte vom Betroffenen in plausibler Weise Restitution erstreben (= teilweise Befriedigung mittels Rückführung von aus der Tat Erlangtem). Danach reicht es zum Zwecke der Glaubhaftmachung aus, dem Insolvenzgericht eine-       Ablichtung des Arrestbeschlusses,-       Aufstellung der gesicherten Vermögensgegenstände und-       Liste der auf Plausibilität geprüften Forderungen der Verletztenzu übersenden (a.A. RegE). Die Tatsache, dass trotz durchgeführter Vermögensermittlungen nicht mehr Vermögen sichergestellt werden konnte, macht das Vorliegen des Insolvenzgrunds der Zahlungsunfähigkeit plausibel. Die Feststellung, ob er tatsächlich vorliegt, kann dem Insolvenzeröffnungsverfahren überlassen werden.

12.   Kostenfolgen für Gläubiger

Auf denjenigen, der einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Dritten stellt, können Kostenfolgen zukommen. Das gilt auch dann, wenn ein anderer, in den Fällen des § 111i Abs. 2 StPO: die Staatsanwaltschaft, den Eröffnungsantrag, dies aber in seinem Namen stellt. Das wirft verschiedene Probleme auf.Um niemanden zu benachteiligen, erscheint es als stimmig, dass die Staatsanwaltschaft als von den Verletzten zum Stellen eines Eröffnungsantrags ermächtigt gilt. Damit würde sie den Antrag im Namen aller Verletzten stellen. Diese namentlich zu bezeichnen ist sie aber gar nicht durchweg in der Lage. Der Aufwand, die Entschädigungsbeträge für alle Verletzten aufzuführen, wäre überdies sehr hoch und auch nur einigermaßen rechtssicher, da erst in einem sehr späten Verfahrensstadium möglich. Immerhin lässt sich eine Beschränkung auf die Verletzten in die Bestimmung hineininterpretieren, die ihre Forderung der Staatsanwaltschaft in plausibler Weise kundgetan haben. Allerdings könnte die Bestimmung auch so gelesen werden, dass die Staatsanwaltschaft zwar von allen Verletzten als ermächtigt gilt, es aber ihr überlassen bliebe, ob sie den Antrag im Namen eines, mehrerer oder aller Verletzten stellt. Für die Durchführung des Eröffnungs- und des Insolvenzverfahrens würde Letzteres vollauf genügen.Damit würde die Staatsanwaltschaft aber auch darüber entscheiden, welcher Verletzte möglicherweise für die Kosten aufkommen müsste. Ein Anfrageverfahren mit der Bitte um Einverständnis verbietet sich des Aufwands und der möglicherweise notwenigen Beschleunigung wegen. Sachgerecht ist es demgemäß allein, die Verletzten bei einem von der Staatsanwaltschaft gestellten Insolvenzantrag von sämtlichen Kostenfolgen freizustellen (RegE: +, § 111i Abs. 3 StPO-E). Die (für sich ebenfalls problematische) Regelung über den Abzug der Verwertungskosten vor der Verteilung des Erlöses, § 459h Abs. 2 S. 1, letzter HS StPO-E (im RegE entfallen), bliebe davon unberührt.

13.   Nachverfahren und Strafzumessung

Die Möglichkeit, über die Einziehung im Nachverfahren zu entscheiden, § 422 StPO-E, ist dort problematisch, wo die Einziehung bisherigen Rechts auch zukünftig Strafcharakter trägt und deshalb einen anzuerkennenden Milderungsgrund bildet. Er könnte nicht mehr berücksichtigt werden, folgte die Einziehungsentscheidung dem Urteil erst nach. Dem wird die Praxis dadurch Rechnung zu tragen haben, dass bei solcher Möglichkeit das Vorziehen des Urteils ausscheidet. Es wäre allerdings hilfreich, diesen Zusammenhang in die Begründung aufzunehmen.

14.   Vorbeugung gegen Verzögerungen des Nachverfahrens

Die Abtrennung der Abschöpfungsfragen setzt voraus, dass andernfalls die Entscheidung über die weiteren Rechtsfolgen unangemessen erschwert (eher selten) oder (praxisrelevant) verzögert würden. Was im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen völlig angemessen ist, kann sich in Bezug auf die Abschöpfungsthematik als sehr nachteilig erweisen. Es droht aufgrund anderer Haft- und sonstiger Eilsachen eine unangemessene Verzögerung – zumal da die Befassung mit der Materie selten den Schwerpunkt des Interesses eines Strafrichters ausmachen dürfte. Es gilt daher, der Verzögerungsgefahr entgegenzuwirken. Dies ist angesichts des Gebots, die richterliche Unabhängigkeit zu wahren, allerdings nur begrenzt möglich.Vorzuschreiben, die begonnene Hauptverhandlung nach Abtrennung fortzuführen, wäre demnach schon deshalb bedenklich, aber auch nicht durchweg zielführend, weil es durchaus sein kann, dass sachgerechterweise auf außerhalb des Verfahrens angesiedelte Umstände (z.B. einen Zivilprozess) Rücksicht genommen oder der Eingang eines Wertgutachtens abgewartet werden soll. Ähnlich problematisch wäre es, die Fortsetzung binnen einer bestimmten Frist vorzuschreiben. Denkbar wäre es immerhin, für Fälle vollzogener strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen festzulegen, dass sie als Eilfälle anzusehen sind. Der bloße Appellcharakter einer solchen Bestimmung ließe sich jedoch dadurch etwas aufwerten, dass man den Verfahrensbeteiligten nach fruchtlosem Ablauf einer Frist (von vielleicht 3 oder 6 Monaten) die Möglichkeit einer Art Untätigkeitsbeschwerde einräumte.

IV.    Fazit

Das Thema Vermögensabschöpfung ist derart komplex, dass es aller Ehren wert ist, sich darum zu bemühen, seine Handhabung zu verbessern und zu erleichtern. Den systematischen Ansätzen des Entwurfs ist die Förderung dieser Ziele bestimmt nicht abzusprechen. Die Notwendigkeit der Umstrukturierung mancher Kernelemente sollte jedoch ebenso nochmals einer intensiven Überprüfung unterzogen werden wie sich die Nachjustierung etlicher Detailregelungen als erforderlich erwiesen hat. Um der Gefahr noch besser vorzubeugen, dass das zukünftige Recht der Vermögensabschöpfung in der Hand weniger Spezialisten liegt und damit zugleich zwecks zusätzlicher Stärkung der Praxisfreundlichkeit sollten zudem weitere Möglichkeiten zur Reduktion von Komplexität ausgelotet und auch ausgeschöpft werden. Der Referentenentwurf dient der weiteren Diskussion als eine die Gedanken in vielerlei Hinsicht anregende Grundlage. Es ist erfreulich, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zu dessen intensiver Prüfung aufgerufen hat und sich damit der weiteren Diskussion stellt. An ihr teilzunehmen, ist die Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung e.V. auch in Zukunft gern bereit.

Autorinnen und Autoren

  • Folker Bittmann
    Nach dem ersten Staatsexamen 1980 in Heidelberg und dem zweiten 1985 in Stuttgart war LOStA a.d. Rechtsanwalt Folker Bittmann zunächst kurze Zeit Rechtsanwalt in Heidelberg. 1986 wechselte er zur Staatsanwaltschaft Darmstadt, 1987 zur Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und übernahm dort nach gut einem halben Jahr ein insolvenzrechtliches Dezernat und 1992 zusätzlich die Koordination der Internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, bevor ihm 1993 die Leitung der Wirtschafts- und Korruptionsabteilungen der Staatsanwaltschaft Halle übertragen wurde. Seit 2005 leitete er die Staatsanwaltschaft Dessau, seit 2007 Dessau-Roßlau. Seit Sommer 2018 ist er Rechtsanwalt bei verte|rechtsanwälte.
  • Dr. Matthias Brockhaus
    Dr. Matthias Brockhaus ist Partner und Fachanwalt für Strafrecht in der ausschließlich auf das Wirtschafts- und Steuerstrafrecht spezialisierten Kanzlei VBB Rechtsanwälte. Der Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Verteidigung von Individualpersonen und Unternehmen in allen Bereichen des Wirtschafts-, Steuer- und Medizinstrafrechts sowie der Compliance-Beratung. Er ist überwiegend am Standort Essen tätig. Für die WisteV ist er als Regionalleiter Westen aktiv. Daneben ist er alsehrenamtlicher Anwaltsrichter in der 2. Kammer des Anwaltsgerichts Düsseldorf tätig.
  • Sarah Milena Landsberg
    Sarah Landsberg ist Rechtsanwältin bei AC Tischendorf Rechtsanwälte in Frankfurt am Main. Ihr Beratungsschwerpunkt liegt in den Bereichen Wirtschafsstrafrecht und Compliance. Hier unterstützt sie Unternehmen und Führungskräfte insbesondere bei Compliance Projekten sowie an den Schnittstellen zwischen Wirtschaftsstrafrecht, Steuerrecht und Aufsichtsrecht mit den jeweiligen haftungs- und gesellschaftsrechtlichen Bezügen.
  • Patrick Müller-Sartori
    Patrick Müller-Sartori berät und vertritt Wirtschaftsunternehmen in allen Bereichen der Wirtschaftskriminalität und deren Prävention. Er ist auf die Schnittschnellen zwischen Straf- und Zivilrecht spezialisiert. Er begleitet seine Mandanten bei Durchsuchungen, unternehmensinternen Ermittlungen und der Durchsetzung und Beitreibung der entstandenen Schadensersatzansprüche. Als Mitglied des Compliance & Forensic Services Teams von CMS Hasche Sigle berät er namhafte Wirtschaftsunternehmen umfassend zu Compliance-Themen.
  • Dr. Christian Rosinus
    Dr. Christian Rosinus ist Partner der Frankfurter Wirtschaftskanzlei AC Tischendorf Rechtsanwälte Partnerschaft mbB. Er berät und verteidigt Unternehmen und Führungskräfte in komplexen (Compliance-)Projekten sowie wirtschaftsstrafrechtlichen Sachverhalten und behördlichen Verfahren. Er ist Sprecher des Vorstands der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V., lizensierter Compliance Monitor, Mitglied des Herausgeberbeirats der Zeitschrift für Risk, Fraud & Compliance (ZRFC) sowie ständiger Referent bei den renommierten Seminarveranstaltern, insbesondere in den Bereichen Compliance und Managerhaftung.
  • Dr. Markus Rübenstahl, Mag. iur.
    Der Autor ist Gründer der Kanzlei Rübenstahl Rechtsanwälte in Frankfurt am Main und Lehrbeauftragter der Universität Freiburg i. Br. Er ist seit 2002 als Verteidiger, Unternehmensvertreter und beratend im Bereich Wirtschafts- und Steuerstrafrecht tätig und befasst sich auch mit internationalen Aspekten des Wirtschaftsstrafrechts sowie mit Internal Investigations und Tax Compliance. Er ist Mitherausgeber der wistra, Mitglied des Vorstands der WisteV und Mitherausgeber sowie Redaktionsmitglied der WiJ.
  • Gundula Seeger
    Gundula Seeger ist Rechtspflegerin und Gerichtsvollzieherin in Stuttgart.
  • VRiLG Dr. Sohre Tschakert
    Dr. Sohre Tschakert ist seit 2000 Richterin in Schleswig-Holstein, seit 2004 Richterin am Amtsgericht Lübeck. Seit 2008 bearbeitet sie Wirtschafts- und Steuerstrafsachen einschließlich der Ermittlungsrichtersachen im Steuerstrafrecht, daneben bearbeite sie seit 2008 Insolvenzsachen.

WiJ

  • Dr. Simon Ulc , Marc Neuhaus

    Übernahme von Kosten für Verteidiger und Zeugenbeistände – eine Praxisübersicht

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Ricarda Schelzke

    BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23

    Individual- und Unternehmenssanktionen

  • Dr. Marius Haak , Joshua Pawel LL.M.

    Umweltkriminalität im Visier der EU – Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Rat beschlossen

    Produkthaftung, Umwelt, Fahrlässigkeit und Zurechnung