Dr. Christian Brand

Insolvenzstrafrechtliche Literatur im Zeitraum April bis August 2016

I. Aufsatzliteratur

1. Frank Frind: Neuregelungen von Vermögenssicherungen im strafrechtlichen Bereich zu Lasten der insolvenzrechtlichen Gläubigergemeinschaft?, NZI 17/2016, S. 674-680.

Die §§ 111b ff. StPO sind aufgrund ihrer Komplexität wenig praxisfreundlich. Insbesondere im Zusammenhang mit der Täterinsolvenz bereiten diese Vorschriften intrikate Probleme. Nicht zuletzt aus diesen Gründen hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, die §§ 111b ff. StPO von Grund auf zu reformieren. Zwischenzeitlich liegen sowohl ein Referentenentwurf des BMJV (vom 8.3.2016) als auch ein Regierungsentwurf (vom 13.7.2016) vor. Verf. beschäftigt sich mit diesen beiden Entwürfen unter insolvenzrechtlichen Vorzeichen. Dabei gelangt er – insbesondere mit Blick auf die §§ 111d Abs. 1 Satz 2, 111h Abs. 1 und 111i StPO-E – zu dem Ergebnis, dass die Entwürfe aus insolvenzrechtlicher Sicht abzulehnen und deutlich überarbeitungsbedürftig sind (S. 680).

2. Stefan Kirsch/Katrin Wick: Anmerkung zur Entscheidung des OLG Köln v. 1.9.2015 – 2 Ws 544/15, NZWiSt 7/2016, S. 287-288.

Trotz zahlreicher obergerichtlicher Entscheidungen nach wie vor ungeklärt ist, wem bei einem Organwechsel oder im Falle der Insolvenz die Befugnis zusteht, den von einem Personenverband mandatierten Berufsgeheimnisträger von seiner Verschwiegenheitspflicht gem. § 53 Abs. 2 Satz 1 StPO zu entbinden. Von Nuancen im Detail abgesehen, stehen sich folgende drei Ansichten gegenüber: Während die beiden Extrempositionen entweder nur dem ehemaligen Organwalter, der den Berufsgeheimnisträger namens des Personenverbands beauftragt hat (dafür LG Düsseldorf NJW 1958, 1152 f.; Schmitt, wistra 1993, 9 [11 f., 14]) oder nur dem aktuellen Organwalter bzw. dem Insolvenzverwalter (dafür etwa OLG Nürnberg NJW 2010, 690 f.; LG Bonn ZInsO 2012, 1572 [1573]; LG Hamburg NStZ-RR 2002, 12; Priebe, ZIP 2011, 312 [316]) gestatten, die prozessuale Entbindungserklärung abzugeben, steht einer vermittelnden Ansicht zufolge diese Befugnis ehemaligem und aktuellem Organwalter gleichberechtigt zu (exemplarisch OLG Koblenz AG 1988, 342 [343 f.] m. insoweit zust. Anm. Littbarski; OLG Koblenz NStZ 1985, 426 [427 f.]; OLG Schleswig NJW 1981, 294; OLG Celle wistra 1986, 83 f.; OLG Düsseldorf StV 1993, 346 m. zust. Anm. Münchhalffen; LG Saarbrücken wistra 1995, 239; AG Berlin-Tiergarten wistra 2004, 319). Das OLG Köln hat sich in seiner Entscheidung der Ansicht angeschlossen, die die Entbindungskompetenz dem aktuellen Organwalter bzw. Insolvenzverwalter einräumt. Diese Ansicht halten Verf. für zutreffend, da das Mandatsverhältnis ausschließlich mit dem Personenverband bestehe (S. 288). Vor diesem Hintergrund weisen Verf. auf die Notwendigkeit hin, die Organwalter, die einen Berufsgeheimnisträger namens des Personenverbands mandatieren, darüber aufzuklären, dass ihnen gegenüber die Verschwiegenheitspflicht nicht besteht (S. 288).

3. Nicola Meier: Zur Strafbarkeit des Missbrauchs des Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO, ZInsO 30/2016, S. 1499-1506.

Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7.12.2011 (BGBl. I, S. 2582) hat der Gesetzgeber unter anderem das in § 270b InsO geregelte Schutzschirmverfahren geschaffen. Das Schutzschirmverfahren gestattet dem Schuldner – unter der Aufsicht eines Sachwalters (vgl. § 270b Abs. 2 Satz 1 InsO) – sein insolventes, aber sanierungsfähiges Unternehmen für einen Zeitraum von maximal drei Monaten (vgl. § 270b Abs. 1 Satz 2 InsO) mit dem Ziel fortzuführen, einen Insolvenzplan zu erarbeiten (§ 270b Abs. 1 Satz 1), ohne in dieser Phase Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger befürchten zu müssen (vgl. § 270b Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO). Damit das Gericht das Schutzschirmverfahren eröffnet, muss der Schuldner seinem darauf gerichteten Antrag die Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters etc. vorlegen, aus der sich ergibt, dass die Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten und eine Sanierung nicht aussichtlos ist (vgl. § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO). Das Strafrecht kommt ins Spiel, wenn der Schuldner diese Bescheinigung missbräuchlich erlangt, indem er entweder dem gutgläubigen Ersteller unzutreffende Tatsachen über den Insolvenzgrund bzw. die Sanierungsfähigkeit vorspiegelt oder aber mit diesem kollusiv zusammenwirkt (ausf. zu den strafrechtlichen Risiken sub specie §§ 283 StGB, 15a Abs. 4, 5 InsO Brand, KTS 2014, 1 [9 ff.]). Darüber hinaus – das erörtert Verf. unter strafrechtlichen Gesichtspunkten soweit ersichtlich als erste – ist ein Missbrauch des Schutzschirmverfahrens auch dadurch denkbar, dass der Schuldner das Verfahren beantragt, obschon er weder überschuldet ist noch ihm die Zahlungsunfähigkeit droht, um auf diesem Weg bspw. die Rechte unliebsamer Minderheitsgesellschafter einzuschränken (vgl. § 225a Abs. 2 Satz 1 InsO; S. 1504 ff.). Verheimlicht der Schuldner seine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder täuscht er über die Sanierungsfähigkeit seines Unternehmens, ist nach Ansicht der Verf. neben einer Strafbarkeit gem. den §§ 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB, 15a Abs. 4, 5 InsO auch eine solche wegen Betrugs (§ 263 StGB) vorstellbar. Insbesondere mit Blick auf die Möglichkeit, den Altgläubigern gem. § 270b Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Schuldnervermögen zu untersagen, hält Verf. einen Dreiecksbetrug zu deren Lasten für konstruierbar (S. 1502 f.).

4. Hans Richter: Bankrott durch Verheimlichen – Tat und Tatbeendigung, ZInsO 27/2016, S. 1346-1349.

Nach Ansicht des ersten Strafsenats markiert der Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingung (vgl. § 283 Abs. 6 StGB) nicht zwingend das Beendigungsstadium des Bankrotts. Vielmehr soll der Bankrott eines Schuldners, der den Antrag gestellt hat, ihm Restschuldbefreiung zu gewähren, erst beendet sein, wenn das Insolvenzgericht nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode über diesen Antrag entschieden hat (NJW 2016, 1525 ff. m. krit. Anm. Brand). Verf. stimmt dieser Entscheidung zu (S. 1347 f.) und thematisiert darüber hinaus noch Fragen der objektiven Strafbarkeitsbedingung und der insolvenzrechtlichen Mitteilungspflicht gem. § 97 InsO (S. 1348 f.).

5. Christian Kemperdick, Geltung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des § 97 InsO in der Wohlverhaltensphase?, ZInsO 23/2016, S. 1148-1150.

Beantragt ein Insolvenzschuldner, ihm Restschuldbefreiung zu erteilen, beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist für eine Tat des Bankrotts nach Ansicht des ersten Strafsenats erst zu laufen, wenn das Insolvenzgericht entschieden hat, ihm gem. § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO die beantragte Restschuldbefreiung zu erteilen. Vorher sei die Tat des Bankrotts nicht beendet (NJW 2016, 1525 ff. m. krit. Anm. Brand). Sein Ergebnis begründet der erste Strafsenat unter anderem mit der Pflicht des Schuldners, auch während der Wohlverhaltensperiode bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gem. §§ 20, 97 InsO ungefragt Auskunft über seine Vermögensverhältnisse zu geben (NJW 2016, 1525 [1526]; dem zust. Daners, NZI 2016, 422 [423]). Hieran knüpft Verf. an und zeigt in seinem Beitrag auf, dass die Pflicht der §§ 20, 97 InsO mit dem Abschluss des Insolvenzverfahrens endet und somit im Restschuldbefreiungsverfahren keine Geltung beansprucht. Für die Dauer der Wohlverhaltensperiode treffen den Schuldner lediglich die als Obliegenheiten ausgestalteten reduzierten Auskunftspflichten des § 295 InsO (Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 14. Aufl. 2015, § 97 Rn. 22; MünchKomm-InsO/Stephan, 3. Aufl. 2013, § 97 Rn. 44), die nach überzeugender Lesart des § 295 InsO den Schuldner jedoch nicht verpflichten, von sich aus – also ohne Nachfrage – Vermögensauskünfte zu erteilen, sondern nur unrichtige Angaben oder unzureichende bzw. unterbliebene Auskünfte auf ein entsprechendes Auskunftsverlangen erfassen (MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl. 2008, § 295 Rn. 82; aA aber Braun/Pehl, InsO, 6. Aufl. 2014, § 295 Rn. 16: Verschweigen genügt). Im Ergebnis hält Verf. die Entscheidung des ersten Strafsenats allerdings für zutreffend. Beendet sei das Verheimlichen des Schuldners nämlich erst zu dem Zeitpunkt gewesen, zu dem das Insolvenzverfahren aufgehoben wurde (vgl. § 200 InsO) und die Offenbarungspflichten der §§ 20, 97 InsO endeten. Seit diesem Zeitpunkt und den ersten Ermittlungsmaßnahmen, die den Lauf der Verjährungsfrist unterbrachen, waren indes nicht mehr als fünf Jahre vergangen.

6. Vera Cyrus/Rolf E. Köllner: Strafbarkeitsrisiken des (anwaltlichen) Sanierungsberaters, NZI 8/2016, S. 288-294.

Anhand der typischen Delikte (§§ 263, 266, 266a, 283 ff. StGB, 15a Abs. 4, 5 InsO), die in der Krise eines Unternehmens nicht selten verwirklicht werden, eruieren Verf. die strafrechtlichen Risiken, die (anwaltliche) Sanierungsberater bei ihrer Tätigkeit eingehen. Hierzu präsentieren sie v.a. ältere und jüngere Rechtsprechung, die sich mit der strafrechtlichen Verantwortung von Sanierungsberatern beschäftigt. Dabei akzentuieren sie insbesondere das Risiko des anwaltlichen Beraters, sich wegen psychischer Beihilfe strafbar zu machen, wenn er trotz erkanntem strafrechtlich relevantem Verhalten seines Mandanten das Mandat fortsetzt (S. 290).

7. Ulf Gutfleisch: Strafzumessungskriterien bei der Insolvenzverschleppung, NZWiSt 8/2016, S. 309-312.

Innerhalb kürzester Zeit liegt bereits der zweite Beitrag vor, der sich mit der Strafzumessung bei § 15a Abs. 4, 5 InsO beschäftigt, die Akzente allerdings anders setzt, als es Skauradszun, wistra 2014, 41 getan hat. Ausdrücklich widerspricht Verf. der von Skauradszun vertretenen Ansicht, Ausgangspunkt der Strafzumessung bei § 15a Abs. 4, 5 InsO seien die gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Pflichtverletzungen des Antragspflichtigen. Vielmehr sollen der Insolvenzgrund im Zeitpunkt der Antragsstellung, die Höhe der offenen Verbindlichkeiten sowie die Dauer der Verschleppung die maßgebenden Parameter sein, anhand derer die Strafzumessung zu erfolgen habe.

8. Peter Mankowski: Insolvenzrecht gegen Gesellschaftsrecht 2:0 im europäischen Spiel um § 64 GmbHG, NZG 8/2016, S. 281-286.

Verf. stimmt der Entscheidung des EuGH in der Rechtsache „Kornhaas“ ausdrücklich zu. Darin hat der EuGH zum einen entschieden, dass § 64 Satz 1 GmbHG insolvenzrechtlich zu qualifizieren ist und somit dem Insolvenzstatut unterfällt sowie zum anderen ausgesprochen, dass eine Haftung des Directors einer insolventen Limited gem. § 64 Satz 1 GmbHG mit der Niederlassungsfreiheit (Artt. 49, 54 AEUV) vereinbar ist (NJW 2016, 223). Angesichts der Argumente, die der EuGH bemüht, um sein Ergebnis zu begründen, prognostiziert Verf. eine insolvenzrechtliche Qualifikation auch der Insolvenzverschleppungshaftung, des § 64 Satz 3 GmbHG und der Regelungen über Gesellschafterdarlehen (S. 286).

9. Sebastian Mock: Zur Qualifikation der insolvenzrechtlichen Gläubigerschutzinstrumente des Kapitalgesellschaftsrechts, IPRax 3/2016, S. 237-243.

Lange Zeit war umstritten, ob der Director einer Limited, der bei Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung „seiner“ Limited noch Zahlungen an die Gläubiger leistet, wie sein GmbH-Kollege gem. § 64 Satz 1 GmbHG auf Ersatz haftet. Die Folie, auf der diese Auseinandersetzung spielt, bilden mehrere Entscheidungen des EuGH, denen zufolge es die Niederlassungsfreiheit (Artt. 49, 54 AEUV) gebietet, Gesellschaften, die ihren Interessenmittelpunkt aus dem europäischen Ausland in das Inland verlegen, dort nach dem Recht ihres Gründungsstaates zu behandeln (EuGH, NJW 1999, 2027 ff. – „Centros“; NJW 2002, 3614 ff. – „Überseering“; NJW 2003, 3331 ff. – „Inspire Art“). Vor diesem Hintergrund haftet der director gem. § 64 Satz 1 GmbHG nur, wenn diese Vorschrift zum einen international-privatrechtlich dem Insolvenz- und nicht dem Gesellschaftsstatut angehört und zum anderen mit den Vorgaben der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist (zu diesem zweistufigen Vorgehen s. Weller/Hübner, NJW 2016, 225; Weller/Schulz, IPRax 2014, 336; Hübner, IPRax 2015, 297 [302]). Beide Fragen bejaht der EuGH in seiner Entscheidung „Kornhaas“ (NJW 2016, 223; hinsichtl. der insolvenzrechtlichen Qualifikation des § 64 Satz 1 GmbHG s. schon die Andeutungen bei EuGH, NZI 2015, 88 [89 f.]). Verf. kritisiert zunächst die Annahme des EuGH, § 64 Satz 1 GmbHG sei insolvenzrechtlich anzuknüpfen (NJW 2016, 223 [224]). Ihm zufolge sprechen die besseren Argumente zugunsten einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der Vorschrift (S. 239 ff.; ebenso Ringe, JZ 2016, 573 [574 f.]). Darüber hinaus moniert Verf. die Begründungsarmut, mit der der EuGH einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit verneint. Seiner Ansicht nach beeinträchtigt eine Haftung des Limited-Directors gem. § 64 Satz 1 GmbHG die Niederlassungsfreiheit sehr wohl, ist aber möglicherweise aus Gründen des Gläubigerschutzes gerechtfertigt (S. 242; auf dieser Linie ferner Hübner, IPRax 2015, 297 [302 f.]; ähnl. insofern wohl auch Swierczok, NZI 2016, 50 [51], der die Entscheidung jedoch begrüßt; vgl. aber auch Weller/Hübner, NJW 2016, 225, denen zufolge der EuGH eine Argumentation bemüht, die parallel zu seiner „Keck-Ausnahme“ liegt; zu diesem Verständnis s. auch Ringe, JZ 2016, 573 [575 f.]; Kindler, EuZW 2016, 136 [139]; zum Ganzen s. ferner Schall, ZIP 2016, 289 [291 f.]). Schließlich benennt Verf. die weiteren Konsequenzen der Entscheidung „Kornhaas“. Mit Blick auf die dort getätigten Ausführungen des EuGH prognostiziert er sowohl eine insolvenzrechtliche Qualifikation der Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO), der Vorschriften über Gesellschafterdarlehen (§§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 und 5, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und Nutzungsüberlassungen (§ 135 Abs. 3 InsO) sowie des § 64 Satz 3 GmbHG (S. 241) als auch den Ausspruch, diese Vorgaben seien mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar (S. 242).

10. Sebastian Mock: Anmerkung zur Entscheidung des BGH v. 15.3.2016 – II ZR 119/14, NZI 11/2016, S. 462-463.

Der EuGH hat seine vorstehend referierte Entscheidung „Kornhaas“ aufgrund eines Vorlagebeschlusses des BGH erlassen. Nachdem der EuGH die Fragen des BGH beantwortet hatte, hat dieser die Revision des Limited-Directors zurückgewiesen und entschieden, die Instanzgerichte hätten § 64 Satz 1 GmbHG zu Recht auf die Limited angewandt. Verf. wiederholt knapp seine in IPRax 2016, 237 ff. (s.o. unter 9.) geäußerten Bedenken an der EuGH-Entscheidung und weist auf die Gefahren hin, die mit einer insolvenzrechtlichen Qualifikation gesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutzinstrumente einhergeht. So sei das Szenario denkbar, dass die Betreiber einer insolvenznahen GmbH deren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat mit geringerem Gläubigerschutz verlegten und auf diese Weise insolvenzrechtlich qualifizierte Gläubigerschutzvorschriften wie den § 64 Satz 1 GmbHG abschüttelten. Ein Sieg für den Gläubigerschutz gehe mit der Entscheidung „Kornhaas“ folglich nicht einher.

11. Stefanie Schork: Anmerkung zur Entscheidung des OLG Braunschweig v. 10.3.2016 – 1 Ws 56/16, NJW 25/2016, S. 1835.

Den Insolvenzschuldner trifft nicht nur eine umfassende Auskunftspflicht gegenüber dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter gem. §§ 22 Abs. 3, 97 InsO. Vielmehr hat er es nach Ansicht des OLG Braunschweig auch hinzunehmen, dass ein Sachverständiger, den das Insolvenzgericht im Vorfeld der Verfahrenseröffnung bestellt, umfassend in die Akten eines gegen ihn geführten Strafverfahrens Einblick nimmt. Verf. stimmt dem Beschluss im Ergebnis zu, mahnt allerdings an, das für eine Akteneinsicht erforderliche berechtigte Interesse sorgfältig zu prüfen und nicht vorschnell unter Rekurs auf eine Verschwiegenheitspflicht des die Akteneinsicht Begehrenden die gesamten Akten zu übermitteln, anstatt den mühevolleren Weg der Auskunftserteilung zu beschreiten.

12. Rolf E. Köllner/Jörg Mück: Anmerkung zur Entscheidung des OLG Braunschweig v. 10.3.2016 – 1 Ws 56/16, NZI 14/2016, S. 598-599.

Das OLG Braunschweig hat – wie bereits erwähnt – entschieden, dass der im Insolvenzverfahren bestellte Sachverständige befugt ist, umfassende Einsicht in die Anklageschrift gegen den Insolvenzschuldner sowie einen die Masse betreffenden Arrestbeschluss zu nehmen. Nicht zuletzt mit Blick auf die Auskunftspflicht der §§ 22 Abs. 3, 97 InsO hätten die Interessen des Schuldners hinter dem Interesse des Sachverständigen zurückzustehen. Verf. stimmen dem Beschl. des OLG Braunschweig im Ergebnis zu, mahnen jedoch an, im Umgang mit zur Kenntnis gelangten (Privat-)Geheimnissen des Insolvenzschuldners besonders sensibel zu sein.

13. Norman Lenger/Daniel Finsterer: Die Insolvenzantragspflicht von Stiftungen und Vereinen – Schlechterstellung durch Privilegierung?!, NZI 14/2016, S. 571-574.

Wegen der rechtsformneutralen Formulierung der Insolvenzantragspflicht durch § 15a Abs. 1 InsO war bis vor kurzem streitig, ob sich auch die Vorstandsmitglieder von Vereinen und Stiftungen gem. § 15a Abs. 4, 5 InsO strafbar machen, wenn sie den Insolvenzantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellen. Die zutreffende h.M. vertrat den Standpunkt, eine Strafbarkeit von Vereins- und Stiftungsvorständen gem. § 15a Abs. 4, 5 InsO scheide schon deshalb aus, weil sich ihre Insolvenzantragspflicht nicht aus § 15a Abs. 1 InsO, an dessen Missachtung § 15a Abs. 4, 5 InsO seinen Strafvorwurf knüpft, ergebe, sondern aus § 42 Abs. 2 BGB folge (näher zum Ganzen Brand/Reschke, NJW 2009, 2343 ff.). Der Gesetzgeber hat sich dieser Ansicht angeschlossen und, um Missverständnisse auszuräumen, den § 15a Abs. 6 InsO geschaffen, dem zufolge die strafbewehrte Insolvenzantragspflicht für solche Vereine und Stiftungen keine Geltung beansprucht, die der Vorschrift des § 42 Abs. 2 BGB unterfallen. Auf diese Weise wollte er die Vorstände von Idealvereinen und Stiftungen privilegieren. Nach Ansicht der Verf. reicht die mit § 15a Abs. 6 InsO verbundene Privilegierungswirkung allerdings nicht weit genug. De lege ferenda schlagen sie vor, den § 42 Abs. 2 BGB um zwei Zusätze zu ergänzen. Zum einen erachten sie es für angebracht, auch den gem. § 42 Abs. 2 BGB Antragspflichtigen eine dreiwöchige Frist zuzugestehen, innerhalb derer sie erfolgsversprechende Sanierungsversuche ohne straf- und haftungsrechtliches Risiko umsetzen dürfen. Zum anderen fordern sie, den § 42 Abs. 2 BGB dahingehend zu erweitern, dass Vereins- und Stiftungsvorstände für solche Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung nicht haften, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind.

14. Kristian Dupper/Anneke Petzsche: Zur Strafbarkeit des vorläufigen starken Insolvenzverwalters nach § 266a StGB, wistra 8/2016, S. 294-299.

Im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens kann das zuständige Insolvenzgericht gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Falls es das Gericht für erforderlich erachtet, um den Zusammenhalt der präsumtiven Masse sicherzustellen, erlässt es zusätzlich ein an den Schuldner adressiertes allgemeines Verfügungsverbot gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Var. 1 InsO. Der vorläufige Insolvenzverwalter avanciert in diesem Fall zum sog. vorläufigen starken Insolvenzverwalter, der die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen erlangt (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO). Betätigt sich der Schuldner unternehmerisch und beschäftigt er in diesem Zusammenhang Arbeitnehmer, stellt sich die Frage, ob der vorläufig starke Insolvenzverwalter verpflichtet ist, die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abzuführen, andernfalls er gem. § 266a Abs. 1 StGB strafrechtlich haftet. Verf. verneinen diese Frage und begründen ihr Ergebnis zum einen damit, dass der vorläufig starke Insolvenzverwalter keine unternehmerische Eigeninteressen zulasten der Sozialversicherungsträger durchsetzt, sondern im Gegenteil zugunsten der Gläubigergesamtheit tätig wird (S. 296 f.) und zum anderen unter Hinweis auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit von Zahlungen an die Sozialversicherungsträger (S. 297). Schließlich verweisen Verf. auf die Vermögensbetreuungspflicht des vorläufig starken Insolvenzverwalters gegenüber den Gläubigern, die er missachten müsste, wollte man ihn verpflichten, vorrangig die Arbeitnehmeranteile an die Sozialversicherungsträger abzuführen. Nach Ansicht der Verf. wäre der vorläufig starke Insolvenzverwalter, der keine Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abführt, somit jedenfalls aufgrund einer Pflichtenkollision gerechtfertigt (S. 298 f.).

15. Jens-Hinrich Binder: Zivilrechtliche und strafrechtliche Aufarbeitung der Finanzmarktkrise, ZGR 2-3/2016, S. 229-251.

Obschon die Banken- und Finanzkrise schon einige Jahre zurückliegt, ist die strafrechtliche Aufarbeitung bis heute nicht abgeschlossen. Da der Staat die damals taumelnden Kreditinstitute wegen ihrer (vermeintlichen) Systemrelevanz gerettet hat, eine Insolvenz deutscher Kreditinstitute somit ausgeblieben ist, droht den Bankmanagern, deren Geschäfte die Schieflage der jeweiligen Bank verursacht haben, allenfalls eine Strafbarkeit wegen Untreue. Die Bankrottstrafbarkeit scheitert am Nichteintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingung (vgl. § 283 Abs. 6 StGB), eine Strafbarkeit gem. § 54a KWG am verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot. Trotz seines Rufs, eine „Allzweckwaffe“ zu sein und „immer zu passen“, lässt sich mithilfe des Untreuetatbestandes das gewünschte Ergebnis – i.e.: Strafbarkeit der Bankmanager gem. § 266 StGB – nur selten begründen, wie die bereits abgeschlossenen Verfahren zeigen. Zumeist gelingt es nämlich nicht, den Bankmanagern nachzuweisen, dass sie durch das Eingehen riskanter Geschäfte vorsätzlich das Vermögen „ihrer“ Bank geschädigt haben. Die Analyse, die Binder vorlegt, bestätigt diesen Befund und gelangt zu der These, die tradierten, auf den Ausgleich von individuellem Fehlverhalten bezogenen zivil- und strafrechtlichen Sanktionen seien kaum geeignet, systematische, sektorweite Fehlentwicklungen, wie sie durch die Banken- und Finanzkrise zu Tage getreten sind, zu korrigieren (S. 249). Da die Organentscheidungen, die die Bankenkrise mitverursacht haben, durch auf „Markt-“ und „Staatsversagen“ beruhenden Einflüssen ex ante verzerrt worden seien, drohe die ex post erfolgende haftungs- und strafrechtliche Aufarbeitung des Geschehens Rückschaufehlern zu erliegen (S. 251 und passim).

II. Handbücher/Lehrbücher

1. Markus Gehrlein/Jens Ekkenga/Stefan Simon: Kommentar zum GmbHG, 3. Aufl. 2016, Carl Heymanns Verlag, 149,00 €, ISBN 978-3-452-28629-1.

Da die GmbH die insolvenzanfälligste Rechtsform ist und Unternehmenskrisen häufig der Auslöser sind, die Untreuetaten zum Nachteil des Gesellschaftsvermögens ans Licht bringen, kann auch der Insolvenzstrafrechtler sein Fach nicht ohne vertiefte Kenntnisse des GmbH-Rechts betreiben. Der von Markus Gehrlein, Jens Ekkenga und Stefan Simon herausgegebene, nunmehr in zweiter Auflage vorliegende Kommentar, der sich umfangmäßig zwischen den kleineren einbändigen und den großen mehrbändigen Kommentaren zum GmbHG angesiedelt hat, verknüpft schon durch seinen aus Wissenschaftlern und Praktikern bestehenden Bearbeiterkreis Wissenschaftlichkeit und Praxisnähe in hervorragender Weise und ist damit auch für den Wirtschaftsstrafrechtler als Nachschlagewerk besonders gut geeignet. Unter den hier allein interessierenden insolvenzstrafrechtlichen Vorzeichen verdienen folgende Punkte besonders hervorgehoben zu werden:

a) Wer wie der Rezensent Untreue und Bankrott auf dem Boden eines organisationsbezogenen Zurechnungsmodells voneinander abgrenzt und bei faktischen Schädigungshandlungen, die ein GmbH-Geschäftsführer zum Nachteil des GmbH-Vermögens vornimmt, den Zurechnungszusammenhang „als“ i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur bejaht, wenn sämtliche Gesellschafter die Schädigungshandlung gesellschaftsrechtlich wirksam konsentiert haben (näher Brand, NStZ 2010, 9 ff.), andernfalls „lediglich“ eine Strafbarkeit wegen Untreue im Raum steht, muss wissen, ab wann die Gesellschafter Schädigungen des Gesellschaftsvermögens nicht mehr konsentieren können. Doch selbst wer das organisationsbezogene Zurechnungsmodell ablehnt und jedes – auch das gesellschaftsrechtlich unwirksame – Gesellschaftereinverständnis genügen lässt, um bei faktischen Schädigungshandlungen des Geschäftsführers den Zurechnungsmechanismus des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu aktivieren, kommt mit Blick auf die jüngere höchstrichterliche Rspr. nicht umhin, wirksame von unwirksamen Zustimmungsbeschlüssen abzuschichten, hält doch der BGH trotz Aufgabe seiner Interessentheorie bislang daran fest, den Geschäftsführer, der auf der Grundlage eines unwirksamen, weil gegen § 30 Abs. 1 GmbHG bzw. das Existenzgefährdungsverbot verstoßenden Gesellschafterbeschlusses das Gesellschaftsvermögen schädigt – ggfls. tateinheitlich mit Bankrott – wegen Untreue zu verurteilen. Vor diesem Hintergrund erhellt die enorme Bedeutung, die dem § 30 GmbHG sowie dem Existenzgefährdungsverbot im Wirtschaftsstrafrecht zukommt.

b) Die – wie soeben gesehen – auch wirtschaftsstrafrechtlich wichtige Vorschrift des § 30 GmbHG kommentiert Thilo Kuntz. Nach einem konzisen und lesenswerten Überblick über die Bedeutung der Vorschrift und ihren ökonomischen Hintergrund (Rn. 1 ff.), erörtert Kuntz umfassend und kenntnisreich, auf welchem (bilanziellen) Weg eine Unterbilanz i.S.d. § 30 Abs. 1 GmbHG festzustellen (Rn. 10 ff.), wie der zentrale Auszahlungsbegriff zu verstehen ist (Rn. 22 ff.) und unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gem. § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG entfällt, weil die Gesellschaft für den weggegebenen Vermögensbestandteil eine vollwertige Gegenleistung erhält (Rn. 40 ff.). Ausführlich werden auch die möglichen Auszahlungsempfänger benannt (Rn. 63 ff.) sowie Konzernkonstellationen sub specie30 GmbHG beleuchtet (Rn. 74 ff.). Für den (wirtschafts-)strafrechtlichen Leser sehr knapp fällt hingegen der Abschnitt aus, der sich mit der Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses beschäftigt, dessen Inhalt darauf abzielt, den Geschäftsführer zu einer gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßenden Zahlung zu verleiten. Dort heißt es nur, dass solche Beschlüsse nicht ohne weiteres analog § 241 Nr. 3 AktG nichtig seien (Rn. 87). Gerne wüsste man freilich, wann nach Ansicht des Verf. einen Gesellschafterbeschluss, der einen Verstoß des Geschäftsführers gegen § 30 GmbHG konsentiert, das Verdikt der Nichtigkeit trifft. Womöglich nur dann, wenn das unter Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG an die Gesellschafter ausgeschüttete Vermögen erforderlich ist, um die Ansprüche der Gläubiger zu befriedigen (Wertung des § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG)?

c) Im Anhang zur Kommentierung des § 13 GmbHG erläutert SiljaMaul die Voraussetzungen, die die aktuelle Rspr. des zweiten Zivilsenats an das Institut des existenzvernichtenden Eingriffs stellt. Für das Wirtschaftsstrafrecht bedeutsam hat sich die Kehrtwende erwiesen, die der zweite Zivilsenat mit seiner Entscheidung „Trihotel“ eingeschlagen hat. Seit dieser Entscheidung stützt der zweite Zivilsenat die Existenzvernichtungshaftung auf § 826 BGB und gestaltet sie als Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft aus.

d) Versteckt in den Vorbemerkungen zu § 64 GmbHG hat MarkusGehrlein zahlreiche für das GmbH-Recht wichtige insolvenzrechtliche Vorschriften kommentiert. Für den Insolvenzstrafrechtler besonders interessant ist seine Kommentierung der Insolvenzgründe „(drohende) Zahlungsunfähigkeit“ und „Überschuldung“ (Rn. 5 ff.), rekurrieren doch auch die §§ 283 ff. StGB auf diese Krisentatbestände, die dort zu Recht funktional akzessorisch zu den insolvenzrechtlichen Legaldefinitionen der §§ 17 ff. StGB verstanden werden. Insbesondere dem schwierigen Krisentatbestand der Überschuldung widmet Gehrlein umfassende Ausführungen (Rn. 16 ff.). Hingegen bleibt die Kommentierung der drohenden Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 18 InsO) sehr knapp (Rn. 13 ff.) und geht nicht über den Hinweis hinaus, Zahlungsunfähigkeit drohe, wenn der Schuldner mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 % innerhalb der nächsten beiden Jahre nicht in der Lage sei, seinen Zahlungspflichten nachzukommen (Rn. 15). Angesichts der Aufwertung, die die drohende Zahlungsunfähigkeit durch das ESUG auch im Insolvenzrecht erfahren hat – man denke nur an das Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO – und natürlich mit Blick auf die Bedeutung der drohenden Zahlungsunfähigkeit im Insolvenzstrafrecht, hätte man sich an dieser Stelle vertieftere Überlegungen v.a. zu der Frage gewünscht, welche Möglichkeiten es gibt, den Zustand drohender Zahlungsunfähigkeit praxistauglich festzustellen. Unter den Rn. 105 ff. der Vorbemerkungen zu § 64 GmbHG findet sich schließlich eine Kommentierung des insolvenzrechtlichen Teils von § 15a InsO (Rn. 103 ff.). Dort zeichnet Gehrleina. ausführlich die auf § 823 Abs. 2 BGB gestützte Insolvenzverschleppungshaftung mit ihrer Unterscheidung zwischen Alt- und Neugläubigerschaden nach (Rn. 113, 117 ff.). Im Rahmen der Vorbemerkungen zu §§ 82 ff. GmbHG findet sich die Kommentierung des strafrechtlichen Teils von § 15a InsO, verfasst von Axel Boetticher. Darin gibt Boetticher einen knappen Überblick über die wesentlichen Probleme des § 15a Abs. 4, 5 InsO, streift jedoch die Frage, was man sich unter einem „nicht richtigen“ Insolvenzantrag vorzustellen hat, leider nur (Rn. 14).

e) Die GmbH-rechtlichen Strafvorschriften (§§ 82 ff. GmbHG) kommentiert ebenfalls AxelBoetticher. Insolvenzstrafrechtlich relevant ist von diesen Vorschriften v.a. § 84 GmbHG, der dem Geschäftsführer Kriminalstrafe androht, der es unterlässt, den Gesellschaftern einen Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals anzuzeigen. Boetticher stellt die Voraussetzungen, unter denen Strafbarkeit gem. § 84 GmbHG eintritt, knapp dar und eröffnet dem mit der Materie nicht vertrauten Leser die Möglichkeit, sich einen schnellen Überblick über die Probleme dieses Tatbestands zu verschaffen.

f) Wie einleitend bereits bemerkt, liegt mit dem „Gehrlein/Ekkenga/Simon“ ein Kommentar vor, der höchst zuverlässig über die wesentlichen Fragestellungen des GmbHG informiert und dabei auch nie die insolvenzrechtlichen Bezüge aus dem Blick verliert.

2. Klaus Wimmer: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl. 2015, Luchterhand Verlag, 279,00 €, ISBN 978-3-472-08867-7.

Angesichts der zahlreichen Schnittstellen zwischen Insolvenzrecht und Insolvenzstrafrecht entspricht es mittlerweile einer guten Tradition dieser Übersicht zum Insolvenzstrafrecht, dem Leser auch die neueste insolvenzrechtliche Kommentarliteratur vorzustellen. In nun schon achter Auflage liegt der von Klaus Wimmer herausgegebene Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung vor. Gemeinsam mit dem „Uhlenbruck“ und dem Hamburger Kommentar zur Insolvenzordnung bildet er das Triumvirat der großen einbändigen insolvenzrechtlichen Kommentare. Neben den Krisentatbeständen „Zahlungsunfähigkeit“, „drohende Zahlungsunfähigkeit“ und „Überschuldung“, deren insolvenzrechtliche Legaldefinitionen (vgl. §§ 17 ff. InsO) für das Insolvenzstrafrecht wegen seines insolvenzrechtsakzessorischen Charakters höchst bedeutsam sind, enthält die Insolvenzordnung mit der strafbaren Insolvenzverschleppung (vgl. § 15a Abs. 4, 5 InsO) einen Straftatbestand und mit § 97 InsO eine Vorschrift, die weitreichende strafprozessuale Wirkungen zeitigt. Den Kommentierungen dieser Vorschriften sind deshalb die nachfolgenden Zeilen gewidmet.

a) Mit dem am 1.11.2008 in Kraft getretenen MoMiG hat der Gesetzgeber die über zahlreiche Gesetze verstreuten Insolvenzantragspflichten aufgehoben und rechtsformneutral in § 15a InsO zusammengeführt. Damit wollte er zum einen den Geschäftsleitern haftungsbeschränkter Personenverbände ihre strafbewehrte Insolvenzantragspflicht klarer vor Augen führen und zum anderen durch den insolvenzrechtlichen Standort und die rechtsformneutrale Formulierung auch die Geschäftsleiter sog. Scheinauslandsgesellschaften – also Gesellschaften, die im EU-Ausland gegründet wurden, ihren wirtschaftlichen Interessenmittelpunkt (das center of main interest [kurz: COMI]) aber im Inland haben – der strafbewehrten Insolvenzantragspflicht unterwerfen. Wie es scheint ist ihm letzteres gelungen. Der EuGH hat nämlich in der Sache „Kornhaas“ entschieden, dass es mit der Niederlassungsfreiheit (Artt. 49, 54 AEUV) vereinbar ist, den director einer zahlungsunfähigen bzw. überschuldeten Limited, der trotz dieses Zustands noch Zahlungen leistet, gem. § 64 Satz 1 GmbHG zu verurteilen (NJW 2016, 223). Vor diesem Hintergrund spricht viel für die Prognose, der EuGH werde sub specie Niederlassungsfreiheit keine Bedenken daran hegen, dem director einer EU-Auslandsgesellschaft mit inländischem Interessenmittelpunkt die straf- und haftungsbewehrte Pflicht aufzulegen, bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Allerdings hat § 15a InsO nicht nur alte Streitfragen beseitigt, sondern auch neue geschaffen. Beispielhaft seien nur der „nicht richtige Antrag“ i.S.d. § 15a Abs. 4 InsO sowie die Diskussion genannt, ob das Vorhandensein eines faktischen Geschäftsleiters den Zustand der Führungslosigkeit und damit die Antragspflicht der Gesellschafter bzw. Aufsichtsratsmitglieder beendet (zu letzterem s. etwa Brand/Brand, NZI 2010, 712 ff.). Die hier nur angerissenen Fragestellungen beantwortet Ulrich Schmerbach in seiner Kommentierung der §§ 15, 15a InsO und gibt darüber hinaus einen fundierten Überblick über die mit der Insolvenzantragspflicht zusammenhängenden Problemfelder. Nur die strafrechtliche Seite des § 15a InsO gerät etwas kurz. Gerade bei der Frage, wann ein Insolvenzantrag „nicht richtig“ ist (Rn. 41 f.), hätte man sich eine umfassendere, sämtliche hierzu mittlerweile vorliegenden Stellungnahmen des strafrechtlichen Schrifttums (s. v.a. Rönnau/Wegner, ZInsO 2014, 1025 ff.) berücksichtigende Kommentierung gewünscht. Die Annahme, „nicht richtig“ sei jedenfalls der unzulässige Antrag (Rn. 42), ist sicher vertretbar, greift aber deutlich zu kurz, wenn man bedenkt, dass das Insolvenzgericht den unzulässigen Antrag zurückweisen wird und sich der antragspflichtige Geschäftsleiter etc. sodann in der Situation des nicht gestellten Insolvenzantrags wiederfindet.

b) Für den Umgang mit sämtlichen Insolvenzdelikten im engeren Sinne (§§ 283 ff. StGB, 15a Abs. 4, 5 InsO) essentiell sind vertiefte Kenntnisse der Insolvenzgründe „(drohende) Zahlungsunfähigkeit“ und „Überschuldung“. Schmerbach kommentiert die Insolvenzgründe umfassend und legt v.a. großes Gewicht darauf, darzustellen, wie sich das Vorliegen dieser Insolvenzgründe in praxi feststellen lässt. Insbesondere die enormen Schwierigkeiten, die die Zahlungsunfähigkeitsfeststellung auf der Basis einer Zeitraumilliquidität bereitet, stellt er anschaulich und zu Recht auch kritisch dar (Rn. 24 f.). Überzeugend moniert er darüber hinaus die Praxis, die bei der Feststellung, ob ein Schuldner zu einem bestimmten Zeitpunkt zahlungsunfähig war, großzügig kurzfristig liquidierbare Mittel berücksichtigt, selbst wenn sich diese – ex post – tatsächlich nicht in Geld umsetzen ließen (Rn. 35 f.). Äußerst skeptisch bewertet Schmerbach schließlich den Antragsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit, konstatiert aber, dass die durch das ESUG bewirkten Änderungen am Eigenverwaltungsverfahren (§§ 270a ff. InsO) hier positive Folgen gezeitigt haben (Rn 34).

c) Die strafprozessual bedeutsame Vorschrift des § 97 InsO kommentiert Angelika Wimmer-Amend. Während sie die insolvenzrechtlichen Voraussetzungen der Auskunftspflicht umfassend darstellt, bleiben die Ausführungen zum strafprozessualen Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO äußerst blass. So findet man keine Antwort auf die Frage, ob die Strafverfolgungsbehörden Auskünfte des Schuldners gegenüber einer sachverständigen Person, die das Sanierungsgutachten i.S.d. § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO erstellt hat, verwerten dürfen (näher dazu Brand/Kanzler, wistra 2014, 334 ff.). Auch die strafprozessuale Verwertbarkeit von Schuldnerangaben im Insolvenzeröffnungsantrag thematisiert Wimmer-Amend

d) Trotz der gelegentlich geäußerten Kritik, handelt es sich bei dem Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung um ein gewichtiges Standardwerk, das auch für den Insolvenzstrafrechtler von großem Nutzen ist und dem noch viele weitere Auflagen zu wünschen sind!

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Christian Brand
    Akademischer Rat Dr. Christian Brand ist Habilitand am Lehrstuhl für Strafrecht und Nebengebiete bei Professor Dr. Rudolf Rengier. Schwerpunktmäßig forscht er unter anderem zum Insolvenzstrafrecht.

WiJ

  • Jakob Lehners

    Digitale Akteneinsicht in der Untersuchungshaft

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Sigrid Mehring-Zier

    Wirtschaftsvölkerstrafrecht in der europäischen Praxis – und Deutschland?

    Internationales Strafrecht, EU, Rechtshilfe, Auslandsbezüge

  • Dr. Mayeul Hièramente

    Svenja Jutta Luise Karl, Die Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen. Kritik und Verbesserungsvorschläge unter besonderer Berücksichtigung des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens.

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)