Dr. Michael Racky

Internal Investigations – Ein Mittel der Praxis und seine rechtlichen Grenzen

Am 5. Oktober fand in den Räumen der juristischen Fakultät der Universität Leipzig eine gemeinsame Veranstaltung des Deutschen Zentrums für Wirtschaftsstrafrecht (DZWiSt) und des Arbeitskreises Compliance, Fraud, Investigation der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung (WisteV) zum Thema Internal Investigations statt. Für die Veranstalter moderierten Frau Prof. Dr. Katharina Beckemper (Universität Leipzig; DZWist) und Rechtsanwalt Dr. Michael Racky (Arbeitskreis Compliance, Fraud, Investigation; WisteV).

Interne Untersuchungen gehören mittlerweile zum gängigen Repertoire der im Feld der Compliance tätigen, internen sowie externen Berater und Anwälte. Wie mit den Ergebnissen interner Ermittlungen umgegangen wird, ist aber immer noch ein von der Praxis ungelöstes Problem. Die Staatsanwaltschaften gehen hier völlig unterschiedlich vor. Ein allgemeiner Standard ist nicht erkennbar. Die Gerichte hatten bisher nur über pathologische Fälle zu entscheiden. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert im Grunde nicht.

Um so interessanter war es daher, die Einschätzungen und Bewertungen u.a. des RiBGH Herrn Prof. Dr. Andreas Mosbacher (1. Strafsenat) zu verschiedenen Fragestellungen im Komplex interne Untersuchungen zu hören.

Nach einem Einführungsreferat des Doktoranden Robert Wilkens (Doktormutter Frau Prof. Dr. Katharina Beckemper, Universität Leipzig) kamen zwei Praktiker und BGH-Richter Mosbacher mit Impulsvorträgen zu Wort. Danach ging es in die Diskussion.

Robert Wilkens sprach in seiner Einführung bereits zwei Problemfelder an: zum einen das Thema Schweigerecht contra Auskunftsanspruch des Arbeitgebers, zum anderen die Auswertung des dienstlichen E-Mail-Accounts als fraglicher Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis.

Anschließend gewährte Rechtsanwalt Dr. Jens Burgard, langjähriger Leiter der Abteilung Compliance Case Handling Legal der Siemens AG Einblicke in seine berufliche Praxis.

Herr Burgard berichtete besonders anschaulich über seine internationalen Erfahrungen. Dabei stellte er fest, dass es in vielen Ländern der Erde gute Gründe dafür gebe, die Ermittlungsbehörden (u.a. wegen mangelhafter oder nicht rechtsstaatlicher Verfahren oder schlicht Willkür und Unberechenbarkeit) nicht über Straftaten im Unternehmen in Kenntnis zu setzen.

Um die Rechte der Mitarbeiter zu wahren hat sich die Siemens AG einen „Code of Conduct für Fact Finding“ gegeben, der sich hinsichtlich der Formulierung von Beschuldigtenrechten an der deutschen Strafprozessordnung orientiert. Ein Umstand, der auf dem Podium und im Publikum auf größtes Interesse stieß.

Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. Heiko Ahlbrecht (Wessing & Partner, Düsseldorf) hob in seinem Beitrag die fehlenden Kenntnisse von Vernehmungstechniken seitens der Ermittler und die daraus resultierende schlechte Qualität der Befragungsergebnisse hervor. Er betonte, dass die Weigerung an einer internen Ermittlung mitzuwirken keinen Kündigungsgrund darstelle und forderte eine staatliche Verfahrensordnung für interne Untersuchungen.

Andreas Mosbacher stellte zu Beginn seitens Beitrags heraus, dass es keine höchstrichterliche (BGH-)Rechtsprechung zum Thema Internal Investigations gebe. Er könne daher nur seine private Meinung zum Besten geben.

Ganz klar bejahte er eine strafrechtliche Pflicht zur Aufklärung der Unternehmensleitung zum Beispiel beim Vorliegen von Schwarzen Kassen. Das Management müsse in solchen Fällen tätig werden, was sich mittels eines Transfers aus der sog. Neubürger-Entscheidung ergebe.

Außerdem müsse sich der betroffene Mitarbeiter nicht selbst belasten. Insofern gelte das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO. Herr Mosbacher verwies in diesem Zusammenhang auf § 136a StPO (Verbotene Vernehmungsmethoden), der in Drucksituationen ganz klare Limits setze.

Diese Grenzen könnten auch durch arbeitsvertragliche Pflichten nicht ausgehebelt werden. Zum Thema Beschlagnahmefähigkeit zitierte er verschiedene Entscheidungen der Landgerichte, so z.B. ein aktuelles Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 21.07.2015 (6 Qs 116/15), besprochen von Hartmut Schneider in NStZ (Heft 5/216).

In einer lebhaften Diskussion, die sich im Anschluss an die Vorträge entspann, wurden die vorgenannten Thesen und weitere Aspekte unter Einbeziehung des Publikums eingehend erörtert.

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Michael Racky
    Rechtsanwalt Dr. Michael Racky, Frankfurt am Main.

WiJ

  • Dr. Elias Schönborn , Jan Uwe Thiel

    Gesetzliche Regelungen zur Handy-Sicherstellung sind verfassungswidrig (Österreich)

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Tino Haupt

    Der Zugriff auf Fahrzeugdaten aus strafprozessualer Perspektive

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Florian Neuber

    Verteidigung ohne Grenzen?

    Internationales Strafrecht