Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 2, Straftaten gegen Gemeinschaftswerte
10. Auflage, Heidelberg u.a. 2012, 594 Seiten, 109,95 Euro.
Das Lehrbuch von Maurach/Schroeder/Maiwald (im Folgenden „MSM“) zum Besonderen Teil des StGB bedarf eigentlich keiner großen Einführung mehr; denn wer sich im Laufe seines akademischen Lebens – egal ob als Student oder Wissenschaftler[1] – etwas ausführlicher mit dem Strafrecht befasst hat, dürfte an diesem Werk kaum vorbeigekommen sein. Dabei gehört der MSM zusammen mit dem Lehrbuch von Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf zu den „großen“ Lehrbüchern zum Besonderen Teil des StGB, aber während letzteres aktuell gerade erst eine „jugendliche“ 3. Auflage vorweisen kann, liegt das von Reinhart Maurach in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts begründete Lehrbuch bereits in der 10. Auflage vor. Der MSM gehört demnach wohl zu den Lehrbüchern zum Besonderen Teil mit der größten zeitlichen Kontinuität.
Der MSM unterteilt sich in zwei Bände mit jeweils etwas über 500 Seiten an Fließtext sowie einem umfangreichen Register und Stichwortverzeichnis. Im Nachfolgenden wird der Teilband 2 besprochen, der 2012 in der besagten 10. Auflage erschienen ist. Die Unterteilung zwischen den Bänden richtet sich danach, ob es sich um individuell zuordenbare Rechtsgüter (Teilband 1) oder solche der Gemeinschaft (Teilband 2) handelt. Entgegen dem inzwischen auch unter Lehrbüchern vorherrschenden Trend, den Inhalt streng auf klausurrelevante Delikte und Fragestellungen zu beschränken, verfolgt der MSM einen anderen Ansatz. Anders als beispielsweise die weit verbreiteten (Kurz-)Lehrbücher zum Besonderen Teil von Wessels/Hillenkamp und Rengier, wird hier nicht nur der Pflichtstoff des Examens dargestellt, sondern der Besondere Teil des StGB als Ganzes. Daneben werden in Teilband 2 aber auch Delikte aus ausgewählten Nebenbereichen, wie beispielsweise dem BtMG, dem TierschutzG oder dem TPG erläutert. Damit ist dann auch der grundsätzliche Adressatenkreis des Werkes vorgegeben. Der MSM richtet sich weniger an den Studenten im ersten Semester und noch weniger an den Examenskandidaten, der sich im Strafrecht auf das zwingend notwendige Minimalprogramm beschränken will. Für alle, die sich aber bereits die Grundlagen des Strafrechts angeeignet haben und das Strafrecht allgemein nicht nur als lästiges Nebenfach betrachten oder sogar ein wissenschaftliches Interesse in diesem Bereich hegen, bietet der MSM eine äußerst sinnvolle Ergänzung zur gängigen Kommentarliteratur.
Diese Ergänzungsfunktion ergibt sich insbesondere daraus, dass zwischen den Erläuterungen der einzelnen Delikte immer wieder Abschnitte eingeschoben sind, in denen Fragestellungen oder Begriffe von übergeordneter Bedeutung dargestellt werden. So findet sich beispielsweise vor der Erläuterung der Delikte des 28. Abschnitts des StGB („Gemeingefährliche Straftaten“) eine ausführliche Darstellung der historischen Entwicklung des Begriffs der „Gemeingefahr“ sowie eine Übersicht über die grundsätzliche Funktionsweise von abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten, welche dem Leser die immer wiederkehrenden Probleme vorab erläutert. Weiter werden beispielsweise in einem gesonderten Abschnitt vor den Delikten gegen die staatliche Tätigkeit die Begriffe des „Amtsträgers“ und des „für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten“ erörtert und allgemein wird die Systematik eines Abschnittes – soweit es sich für das allgemeine Verständnis des Ineinandergreifens der Tatbestände anbietet – vorab erläutert.
Die Darstellung der einzelnen Tatbestände beginnt regelmäßig mit einem Abriss der historischen Entwicklung der jeweiligen Straftat. Während dies bei „jüngeren“ Delikten, wie beispielsweise der Geldwäsche, naturgemäß entsprechend kurz ausfällt, sind unter anderem die historischen Abschnitte zu den Straftaten gegen Staat, Verfassung und Landesverteidigung (§ 82) oder den Straftaten gegen Völker, Rassen und fremde Staaten (§ 88) für den historisch interessierten Leser sehr informativ und lesenswert. Ein besonderes Augenmerk liegt auch auf der Darstellung des jeweils geschützten Rechtsguts und – soweit vorhanden – dem dazu bestehenden Meinungsstreit. Überhaupt ist die Darstellung der Meinungsstreitigkeiten durchweg gelungen. Die unterschiedlichen Ansichten werden kurz und prägnant dargestellt, bevor der jeweilige Bearbeiter seinen eigenen Standpunkt fundiert darlegt. Die inzwischen immer häufiger anzutreffenden kritikfreien Leerformeln von einer „zustimmungswürdigen h.M.“ finden man hier nicht; stattdessen werden die Standpunkte stets nachvollziehbar herausgearbeitet und begründet, auch wenn der Leser im Einzelfall vielleicht das Ergebnis nicht immer teilen mag. Bei der weiteren Darstellung der einzelnen Delikte bekommt man das geliefert, was man von einem klassischen Lehrbuch erwartet. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale werden in der gebotenen Ausführlichkeit erläutert, wobei der Fokus naturgemäß mehr auf einer verständlichen Darstellung der Funktionsweise und Struktur der Tatbestände liegt, als auf der Darstellung der letzten Verästelungen der Rechtsprechung zu bestimmten Einzelfragen. Bei dem gängigen Standardwissen für die beiden Examina, wie beispielsweise den Brandstiftungs-, den Verkehrs- und den Urkundsdelikten, werden insbesondere die altbekannten „Dauerbrenner“ ausführlich erläutert. So wird im Abschnitt über die Brandstiftungsdelikte (§ 51) zunächst die nicht immer leicht verständliche Systematik der §§ 306 ff. StGB kritisch besprochen, bevor die klassischen Klausurprobleme wie etwa die Entwidmung und die Zurechenbarkeit von Rettungshandlungen erläutert werden (S. 20 ff.). Im Abschnitt zu den Straßenverkehrsdelikten (§ 53) sind insbesondere die Erläuterungen zum Gefährdungserfolg und zur Fahruntüchtigkeit hervorzuheben, in denen die dortigen Problemkreise gut verständlich dargestellt werden. Aber auch die gängigen Probleme bei den Urkundsdelikten (§ 65) werden behandelt, wobei insbesondere die sehr ausführlichen Erläuterungen rund um Urkundsbegriff sehr hilfreich sind (S. 195 ff.). Neben den Abhandlungen zum klassischen Stoff der Examina sind aber auch die „Randdelikte“ sehr ausführlich dargestellt. So werden die Straftaten gegen Staat, Verfassung, Verfassungsorgane und Landesverteidigung (§ 82 ff.) auf rund 70 Seiten in aller Ausführlichkeit besprochen und bieten für den interessierten Leser – gerade auch mangels Alternativen in anderen Lehrbüchern – einen sehr guten Überblick über diesen Bereich. Für Studenten in einem entsprechenden strafrechtlichen Schwerpunktbereich dürfte daneben insbesondere das Kapitel zu den Umweltdelikten (§ 58) von Interesse sein, denn der von Maiwald verantwortete Abschnitt bietet eine gut verständliche Darstellung der komplizierten allgemeinen Systematik der §§ 324 ff. StGB sowie der Verwaltungsrechtsakzessorietät im Umweltstrafrecht (S. 82 ff.).
Ein Punkt, den der Benutzer in der Examensvorbereitung aber stets im Hinterkopf behalten sollte, sind die langen Zeiträume zwischen den Auflagen des MSM und der damit einhergehende Verlust an Aktualität. Die 10. Auflage ist auf dem Stand August 2012, weswegen der Teilband 2 rund fünf Jahre nach seinem Erscheinen aufgrund der aktuellen Hyperaktivität des Gesetzgebers im strafrechtlichen Bereich und der allgemeinen Fortentwicklung der Rechtsprechung naturgemäß nicht mehr in allen Detailfragen auf dem neuesten Stand ist. So gehen beispielsweise die Ausführungen zu den §§ 299, 331 ff. StGB sowie zum Amtsträgerbegriff verständlicherweise noch von der alten Rechtslage aus. Dies fällt aber nicht übermäßig ins Gewicht, da die Grundstruktur der Delikte in Teilband 2 überwiegend gleichgeblieben ist und die Änderungen – anders als beispielsweise die vollständige Neugestaltung des Sexualstrafrechts – eher punktueller Natur sind. Daneben sind in einigen Randbereichen die Verweise auf außerstrafrechtliche Normen nicht mehr aktuell. So beziehen sich beispielsweise die Verweise bei der Gebührenübererhebung (§ 352 StGB) durch einen Rechtsanwalt noch auf die BRAGO (S. 368), welche aber bereits Mitte 2004 durch das RVG ersetzt wurde. Im Ergebnis sind diese Punkte im Einzelfall zwar bedauerlich, in der Gesamtschau aber nicht geeignet, den durchweg positiven Gesamteindruck des MSM zu schmälern.
Als Fazit lässt sich somit festhalten, dass die 10. Auflage des MSM uneingeschränkt zu empfehlen ist. Dies gilt in erster Linie für Studenten mit einem vertieften Interesse im Bereich des Strafrechts, die die Grundlagen bereits beherrschen und sich dementsprechend in der Prüfungsvorbereitung nicht nur auf das Nötigste beschränken wollen. Aber auch für die Erstellung von wissenschaftlichen Arbeiten bietet sich der MSM aufgrund der fundierten und ausführlichen Stellungnahme zu den einzelnen Meinungsstreitigkeiten an und ist in diesem Zusammenhang auch wegen der Darstellung der historischen Entstehungsgeschichte der einzelnen Delikte oftmals hilfreich. Und gerade aus diesen Gründen bietet das Buch auch für den wissenschaftlich interessierten Praktiker noch spannende Erkenntnisgewinne jenseits der alltäglichen Arbeitsroutine. Abschließend bleibt nur zu wünschen, dass Schroeder und Maiwald in absehbarer Zeit eine Neuauflage vorlegen, um so auch die aktuellen Entwicklungen in der Gesetzgebung und der Rechtsprechung in ihrem Lehrbuch aufzugreifen und kritisch zu erläutern.
[1] Zur besseren Lesbarkeit wird nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.