Dr. Christian Brand

Insolvenzstrafrechtliche Literatur im Zeitraum September 2016 bis Juni 2017

I. Aufsatzliteratur

1. Insolvenzrecht und Strafprozessrecht

a) Daniel Blankenburg: Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung – wird der Insolvenzrichter künftig zum Ermittlungsrichter?, ZInsO 40/2016, S. 1963-1969.

Schwerpunktmäßig befasst sich Verf. mit dem neugefassten § 111i StPO, dessen Absatz 2 der Staatsanwaltschaft aufgibt, den Insolvenzantrag über das Vermögen des Arrestschuldners zu stellen, falls die arretierten Vermögenswerte nicht ausreichen, um sämtliche Gläubiger des Schuldners, die sich bei der Staatsanwaltschaft gemeldet haben, zu befriedigen. Verf. weist auf zahlreiche Schwierigkeiten der neuen Vorschrift im Praxisalltag hin. So besage die Vorschrift weder, für wen die Staatsanwaltschaft den Insolvenzantrag stellt (S. 1964 f.) – nur für einzelne oder doch für alle Geschädigten? – noch nenne § 111i Abs. 2 StPO die Anforderungen, denen der Insolvenzantrag der Staatsanwaltschaft genügen muss (S. 1965 ff.). Auch die gesetzgeberisch intendierte Freistellung der Geschädigten von der Kostentragungspflicht eines bspw. als unzulässig zurückgewiesenen Antrags gelinge nicht vollständig, wie ein Blick auf die im Eröffnungsverfahren anfallenden Sachverständigenkosten zeige (S. 1968). Vor diesem Hintergrund schlägt Verf. vor, der Staatsanwaltschaft ein eigenes Insolvenzantragsrecht nach Anklageerhebung einzuräumen (S. 1969).

b) Christian Sering: Anmerkung zu LG Potsdam, Beschl. v. 12.1.2016 – 24 Qs 52/15, in: ZWH 3/2017, 70-72.

Das Landgericht Potsdam hatte über die Frage zu entscheiden, ob gegen einen Vollstreckungsschuldner, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, Erzwingungshaft angeordnet werden darf oder ob diese Anordnung deshalb zu unterbleiben hat, weil durch das Insolvenzverfahren die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners manifest geworden ist (vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Unabhängig davon, ob das Insolvenzgericht seinen Eröffnungsbeschluss auf Zahlungsunfähigkeit oder auf einen anderen Insolvenzgrund stützt, gelangt das LG Potsdam zu dem Ergebnis, der Zahlungsunfähigkeitsbegriff des § 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG sei anders auszulegen als der der Insolvenzordnung. Verf. widerspricht dieser These und weist zusätzlich auf das Risiko hin, die mithilfe der Erzwingungshaft beigetriebene Geldbuße durch Insolvenzanfechtung wieder zu verlieren.

c) Frauke Rostalski: Legitimation der Anordnung und Vollziehung einer Ersatzfreiheitsstrafe nach bereits beglichener, aber infolge erfolgreicher Insolvenzanfechtung an die Insolvenzmasse zurückgewährter Geldstrafe – Folgeüberlegungen zu BGH, Urt. v. 10.7.2014 – IX ZR 280/13, NStZ 3/2017, S. 121-126.

Verf. geht der Frage nach, was mit dem staatlichen Strafanspruch passiert, wenn der Insolvenzverwalter die Zahlung der Geldstrafe durch den Schuldner erfolgreich anficht und den Betrag zur Masse zurückholt. Mit Blick auf den Charakter der Strafe als dauerhafte Übelzufügung gelangt Verf. zu dem Ergebnis, die erfolgreich angefochtene Zahlung einer Geldstrafe stehe der uneinbringlichen Geldstrafe (vgl. §§ 43 Satz 1 StGB, 459e Abs. 2 StPO) gleich und gestatte den Rückgriff auf die Regeln der Ersatzfreiheitsstrafe. Habe der Schuldner die Geldstrafe allerdings bezahlt, bevor das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet bzw. er zahlungsunfähig wurde, sei der dadurch verursachte vorübergehende Verlust an liquider Freiheit zu seinen Gunsten bei der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe zu berücksichtigen.

2. Insolvenzstrafrecht im engeren Sinn

a) Raimund Weyand: Strafrechtliche Risiken für den externen Berater in der Unternehmenskrise – Erläuterungen anhand von praktischen Beispielen, ZInsO 40/2016, S. 1969-1973.

Beratung in der Krise „ist stets gefahrgeneigte Tätigkeit“, wie der Verf. eingangs seines Beitrags zutreffend betont. Insbesondere das Risiko, bei der Beratung in die Falle der Beihilfestrafbarkeit zu tappen, ist für den Berater naturgemäß hoch. Vor diesem Hintergrund zeichnet Verf. noch einmal die Leitlinien einer Beihilfestrafbarkeit bei neutralem Verhalten nach (S. 1971) und arbeitet anhand von Fallgruppen heraus, wann eine Beihilfestrafbarkeit droht und wann sich der Berater auf der sicheren Seite der Straflosigkeit bewegt (S. 1971 f.). Den Beitrag runden Ausführungen zu der Frage ab, wann eine täterschaftliche Haftung des Beraters – etwa über die Figur des faktischen Organs – in Betracht kommt (S. 1972 f.).

b) Hans Richter: Strafbarkeitsbeschränkung beim Insolvenzantrag?, ZInsO 49/2016, S. 2372-2375.

Der Beitrag beschäftigt sich mit dem schon wieder historischen Vorschlag des Gesetzgebers, die Tatmodalität des „nicht richtigen“ Antrags durch die Modalität des „nicht vollständigen“ Antrags zu ersetzen und die Strafbarkeit nach dieser novellierten Tatbestandsfassung zusätzlich davon abhängig zu machen, dass der Antragspflichtige seinen unvollständigen Antrag nicht innerhalb von drei Wochen ab Zustellung einer gerichtlichen Aufforderung vervollständigt hat (s. BT-Drucks. 18/10823, S. 6). Verf. lobt zwar das mit diesem Entwurf verfolgte Ziel – scil. die Strafbarkeit wegen „nicht richtiger“ Antragsstellung vorhersehbarer und für die Praxis leichter handhabbar zu machen – kritisiert aber den Weg, auf dem der Gesetzgeber dieses Ziel erreichen will. Anscheinend hat der Gesetzgeber die Kritik erhört. Denn in seinem aktuellen Entwurf ist er zur ursprünglichen Formulierung des „nicht richtigen Antrags“ zurückgekehrt, will aber eine unrichtige Antragsstellung nur noch dann bestrafen, wenn das Insolvenzgericht den Insolvenzantrag rechtskräftig als unzulässig zurückweist (vgl. BT-Drucks. 18/12154, S. 5 f.).

c) Folker Bittmann: Von der Strafbarkeit des „nicht richtigen“ zur Pönalisierung des „nicht vollständigen“ Insolvenzantrags?, wistra 3/2017, S. 88-91.

Zunächst zeichnet Verf. noch einmal die Diskussion nach, die das Schrifttum seit einiger Zeit über das zutreffende Verständnis des „nicht richtigen“ Antrags führt. Dabei stellt sich Verf. auf den Standpunkt, „nicht richtig“ seien nur unzulässige Anträge. Der Gegenansicht, die unzulässige Anträge der Modalität „nicht“ subsumiert und deshalb den Tatbestand „nicht richtig“ für zulässige, aber inhaltlich unzutreffende Anträge reserviert, wirft er vor, zum einen zu streng zu sein und zum anderen sich vom historischen Ursprung des § 15a Abs. 4 Var. 3 InsO zu entfernen, der darin gelegen habe, das Firmenbestattungsunwesen zu bekämpfen, indem den Antragspflichtigen die Möglichkeit genommen werde, mithilfe eines nichtsagenden Dreizeilers ihrer Antragspflicht nachzukommen. Sodann wendet sich Verf. dem mittlerweile schon wieder überholten Referentenentwurf des § 15a Abs. 4 Nr. 2 InsO zu, der das Attribut „nicht richtig“ durch „nicht vollständig“ ersetzt.

d) Sebastian Wagner/Eerke Pannenborg: Einführung in das Insolvenzstrafrecht im engeren Sinne, Ad Legendum 4/2016, S. 286-294.

Verf. bieten einen knappen Überblick über das sog. Insolvenzstrafrecht im engeren Sinne, also über die Tatbestände der §§ 283-283d StGB, 15a Abs. 4, 5 InsO. Während Verf. bei den Krisenmerkmalen „(drohende) Zahlungsunfähigkeit“ und „Überschuldung“ tiefer einsteigen und sich mit den verschiedenen Spielarten einer insolvenzrechtsakzessorischen Interpretation dieser Tatbestandsmerkmale beschäftigen (S. 288 f.), bleibt die Darstellung der §§ 283c, 283d StGB und leider auch des § 15a Abs. 4, 5 InsO eher blass.

3. Insolvenzstrafrecht im weiteren Sinne

a) Peter Laroche/Marc Wollenweber: Strafbarkeit von Geschäftsführer und vorläufigem Insolvenzverwalter nach § 266a StGB im Eröffnungsverfahren und ihre Vermeidung, ZInsO 46/2016, S. 2225-2231.

Es ist noch gar nicht lange her, da befand sich der Geschäftsführer einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen GmbH in einer Zwickmühle. Führte er in dieser Phase die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung ab, haftete er nach Ansicht des II. Zivilsenats gem. § 64 Satz 1 GmbHG der Gesellschaft auf Ersatz (exemplarisch BGHZ 146, 264). Befolgte er hingegen das „Zahlungsverbot“ des § 64 Satz 1 GmbHG und unterließ es, die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abzuführen, machte er sich nach Ansicht des 5. Strafsenats gem. § 266a Abs. 1 StGB strafbar (s. nur BGHSt 48, 307 [311]; BGHSt 47, 318 [321]). Bekanntlich hat der II. Zivilsenat im Jahr 2007 dieses Dilemma aufgelöst und entschieden, es sei mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns (§ 64 Satz 2 GmbHG) vereinbar, solche Zahlungen zu leisten, deren Unterbleiben für den Verpflichteten strafrechtliche Konsequenzen zeitige (NJW 2007, 2118 [2120]). Auf eine vergleichbare, wenn auch weniger einschneidende Interessenkollision machen Verf. für das Insolvenzeröffnungsverfahren aufmerksam. Die Pflicht, auch in diesem Verfahrensstadium noch Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abführen zu müssen, würde dazu führen, dem Unternehmen dringend benötigte Liquidität zu entziehen. Gleichwohl gelangen Verf. zu dem Ergebnis, dass die Pflicht, die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abzuführen, auch im Insolvenzeröffnungsverfahren besteht, und zwar unabhängig davon, ob das Gericht einen vorläufig starken oder einen vorläufig schwachen Insolvenzverwalter bestellt hat. Die verschiedentlich vorgetragenen Ansätze des Schrifttums, den vorläufig starken Insolvenzverwalter von der Beitragsabführungspflicht zu befreien, weisen Verf. sämtlich zurück (S. 2227 ff.). Angesichts dessen kann nach Ansicht der Verf. für den vorläufig schwachen Insolvenzverwalter nichts anderes gelten. Insbesondere überzeuge es nicht, zu einer Straflosigkeit des vorläufig schwachen Insolvenzverwalters und des Geschäftsleiters der insolventen Gesellschaft sub specie § 266a Abs. 1 StGB zu gelangen, indem der mit einem Zustimmungsvorbehalt i.S.v. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO ausgestattete vorläufig schwache Insolvenzverwalter dem Geschäftsleiter untersagt, die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abzuführen und es diesem damit ermöglicht, sich gegenüber dem Vorwurf des § 266a Abs. 1 StGB unter Hinweis darauf zu verteidigen, ihm sei es rechtlich unmöglich gewesen, die Beiträge abzuführen. Solches kollusives Zusammenwirken könne unter dem Gesichtspunkt der omissio libera in causa Straflosigkeit nicht begründen (S. 2229 f.). Der einzige Weg, sich strafrechtskonform zu verhalten, ist somit aus Sicht der Verf. die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (S. 2231).

b) Michael Floeth: Strafbarkeit wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in Fällen sog. Scheinselbständigkeit – Arbeitgeberstellung des „Auftraggebers“ und die insoweit im Rahmen des subjektiven Tatbestandes zu stellenden Anforderungen, NZS 20/2016, S. 771-774.

Verf. beschäftigt sich kritisch mit den Anforderungen, die nach der höchstrichterlichen Rspr. genügen, um in sog. „Scheinselbständigkeitskonstellationen“ dem Auftraggeber vorzuwerfen, er habe bzgl. seiner Arbeitgeberstellung vorsätzlich gehandelt und deshalb den Tatbestand des § 266a Abs. 1 StGB verwirklicht. Nach Ansicht der Rspr. handelt vorsätzlich, wer sämtliche Tatsachen kennt, die im Rahmen einer Gesamtabwägung dafür sprechen, ihn als Arbeitgeber einzustufen. Dass der präsumtive Täter des § 266a Abs. 1 StGB diese Wertungen nicht nachvollzogen hat, sondern aufgrund belastbarer Gegenindizien vom Fehlen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausging, lässt seinen Vorsatz unberührt (zu dieser restriktiven Linie der Rspr. s. BGH wistra 2014, 23 [25]; OLG Celle wistra 2014, 109 [110]). Demgegenüber plädiert Verf. dafür, Vorsatz bzgl. der Arbeitgeberstellung nur anzunehmen, wenn der präsumtive Täter, die Wertungen, die diese Position begründen, nach Laienart nachvollzogen hat (so auch schon Weidemann, wistra 2010, 463 [465]; zust. Reichling, wistra 2016, 306). Er müsse die Möglichkeit billigend in Kauf genommen haben, als Arbeitgeber eingeordnet zu werden. Habe er dagegen ernsthaft auf das „Ausbleiben“ einer solchen Einordnung vertraut, scheide eine Strafbarkeit gem. § 266a Abs. 1 StGB aus (S. 773).

c) Ralf Peter Anders: Zur Bestimmung der Grenzen des Gesellschaftereinverständnisses bei der GmbH-Untreue, NZWiSt 1/2017, S. 13-22.

Ausgehend von dem Befund, wonach das gesellschaftsrechtliche Existenzvernichtungsverbot in hohem Maße unbestimmt ist, der strafrechtliche Rückgriff hierauf, um die Reichweite des Gesellschaftereinverständnisses zu ermitteln, folglich auf Kollisionskurs zum Analogieverbot gerät (S. 16 f.), schlägt Verf. eine strafrechtsautonome „Verschränkungslösung“ vor. Die Wirksamkeitsgrenze des Gesellschaftereinverständnisses markiert nach dieser Lösung der Bankrotttatbestand. Zu diesem Ansatz gelangt Verf., indem er das Zurechnungsmodell in seiner organisationsbezogenen Form ablehnt und dem Funktionsmodell den Vorzug gibt (S. 20 f.). Konkret heißt das: Ob ein Gesellschaftereinverständnis den Tatbestand der Untreue ausschließt oder aber der Geschäftsführer trotz des Einverständnisses wegen Untreue haftet, lässt sich Verf. zufolge ohne Rekurs auf das Gesellschaftsrecht feststellen.

d) Benjamin Keramati/Maximilian Klein, Die unterlassene Anfechtung des Insolvenzverwalters als strafbare Untreue, NZI 11/2017, S. 421-427.

Verf. beschäftigen sich mit einem Ausschnitt aus dem Themenkomplex der „Insolvenzverwalteruntreue“: der untreuestrafrechtlichen Relevanz pflichtwidrig unterlassener Insolvenzanfechtungen. Dazu unterscheiden sie zwei Sachverhaltskonstellationen: Zum einen die unterbliebene Aufklärung eines anfechtungsrelevanten Sachverhalts und zum anderen das Unterlassen der Insolvenzanfechtung trotz bestehender Anfechtungslage. Für beide Konstellationen gelangen Verf. allerdings zu dem Ergebnis, dass dem Insolvenzverwalter eine Untreuestrafbarkeit nur in Ausnahmefällen droht.

II. Handbücher/Kommentare

1. Karsten Schmidt/Wilhelm Uhlenbruck: Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 5. Aufl. 2016, Otto Schmidt Verlag, 149,00 €, ISBN 978-3-504-32210-6.

In nunmehr fünfter Auflage liegt der Klassiker zum Insolvenz- und Sanierungsrecht im GmbH-Kontext vor, das von Karsten Schmidt und Wilhelm Uhlenbruck herausgegebene Handbuch mit dem Titel „Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz“. Seit jeher enthält dieses Werk auch ein Kapitel, das den straf- und haftungsrechtlichen Risiken in der GmbH-Krise nachspürt und das auch in der fünften Auflage Karsten Schmidt (die haftungsrechtliche Seite betreffend) und Wilhelm Uhlenbruck (die strafrechtliche Seite betreffend) bearbeiten.

1. Haftungsgefahren drohen vor allem demjenigen Geschäftsführer, der es entgegen § 15a Abs. 1 InsO unterlässt, rechtzeitig, spätestens aber nach Ablauf von drei Wochen den Insolvenzantrag zu stellen. Vor dem Hintergrund der Schutzgesetzeigenschaft, die die nahezu einhellige Meinung dem § 15a InsO beilegt, hat der BGH ein auf § 823 Abs. 2 BGB gestütztes Haftungskonzept entwickelt. Danach haftet der Geschäftsleiter den Altgläubigern – also den Gläubigern, die schon vor Entstehen der Antragspflicht vorhanden waren – auf den sog. Quotenschaden, der sich aus der Differenz zwischen der tatsächlich erzielten Quote und der Quote errechnet, die die Altgläubiger bei rechtzeitiger Insolvenzantragsstellung erhalten hätten. Den Neugläubigern gegenüber – also denjenigen Gläubigern, die nach Entstehen der Insolvenzantragspflicht mit der Gesellschaft kontrahiert haben – haftet der Geschäftsführer weitergehend auf das negative Interesse, da diese Gläubiger, wäre der Geschäftsführer seiner Antragspflicht rechtzeitig nachgekommen, mit der insolvenzreifen Gesellschaft keine Verträge abgeschlossen hätten. Während die Neugläubiger ihren, auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzanspruch unabhängig vom Gang des Insolvenzverfahrens einklagen können, macht den Quotenschaden der Altgläubiger gem. § 92 InsO der Insolvenzverwalter geltend. Nach der Konzeption des BGH soll sich § 92 InsO indes nur auf den Quotenschaden der Altgläubiger beziehen. Den Quotenschaden, den die Neugläubiger erlitten, habe der Insolvenzverwalter schon deshalb nicht geltend zu machen, weil sich Schadensersatz auf das negative Interesse und Quotenschaden nicht sinnvoll unterscheiden ließen und es zudem ausgeschlossen sei, den Quotenschaden eines jeden einzelnen Neugläubigers mit Blick auf die unterschiedlichen Entstehungszeitpunkte ihrer Forderungen zu berechnen. Überzeugend arbeitet K. Schmidt die Schwachpunkte dieser Konzeption heraus (Rn. 11.25 ff.), die aus § 92 InsO auf dem Feld des Gesamtquotenschadens „totes Recht gemacht“ hat (Rn. 11.27). Denn für den Insolvenzverwalter, der den Quotenschaden einzuklagen hat, ist es ein Ding der Unmöglichkeit im Zeitpunkt der Klageerhebung festzustellen, wer zu den Alt- und wer zu den Neugläubigern gehört. Dazu müsste er nämlich nach Tag und Stunde genau wissen, wann die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers entstanden ist (Rn. 11.27). Seine Kritik verbindet K. Schmidt mit dem Aufruf an die Rechtsprechung, ihren Ansatz insofern zu ändern, als sie es dem Insolvenzverwalter künftig erlaubt, via § 92 InsO den Quotenschaden der Alt- und der Neugläubiger einzuklagen und es den Neugläubigern nur gestattet, ihren über den Quotenschaden hinausgehenden Individualschaden geltend zu machen (Rn. 11.28 f.).

2. Ausführliche Überlegungen widmet K. Schmidt darüber hinaus dem für GmbH-Geschäftsführer gefährlichsten Haftungstatbestand: dem Zahlungsverbot des § 64 Satz 1 GmbHG. Die Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich dieser Vorschrift, die sie als einen Erstattungsanspruch sui generis versteht, immer weiter ausgebaut. Hiergegen wendet sich K. Schmidt, der mit Blick auf die seiner Meinung nach bestehende Nähe des § 64 Satz 1 GmbHG zur Insolvenzantragspflicht des § 15a InsO und dem von ihm favorisierten schadensersatzrechtlichen Verständnis des § 64 Satz 1 GmbHG (Rn. 11.35) anmahnt, diesen Haftungstatbestand deutlich restriktiver zu handhaben, als es die Rechtsprechung tut. Scharfe Kritik formuliert K. Schmidt gegenüber der Unterscheidung von Ein- und Auszahlungen auf kreditorische Konten einer- und debitorische Konten andererseits (Rn. 11.42 ff.). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat hier in der Tat seltsame Blüten getrieben, entnimmt sie doch dem § 64 Satz 1 GmbHG das an den Geschäftsführer gerichtete Handlungsprogramm, Einzahlungen auf das kreditorische Konto zu bewirken, Auszahlungen hingegen vom debitorischen Konto vorzunehmen. Solche nur schwer einleuchtenden Auswüchse veranlassen K. Schmidt de lege ferenda zu dem Vorschlag, die Vorschrift des § 64 Satz 1 GmbHG ganz zu streichen (Rn. 11.56).

3. Im Rahmen seiner Überlegungen zu § 64 Satz 1 GmbHG erörtert K. Schmidt auch die Frage nach dem Verhältnis dieses gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverbots zu dem gem. § 266a Abs. 1 StGB strafbewehrten Zahlungsgebot, den Arbeitnehmeranteil am Sozialversicherungsaufkommen rechtzeitig an die Sozialversicherungsträger abzuführen. Völlig zu Recht stellt er sich dabei auf den Standpunkt, dass für einen auf § 64 Satz 1 GmbHG gestützten Sonderrechtfertigungsgrund während des Laufs der Dreiwochenfrist, die § 15a Abs. 1 InsO höchstens gewährt, seit der Kehrtwende des zweiten Zivilsenats (GmbHR 2007, 757 m. Anm. Chr. Schröder) kein Raum mehr ist (Rn. 11.53). Das heißt aber nicht, dass der Geschäftsführer, der ein erfolgsversprechendes Sanierungskonzept verfolgt, sämtliche noch vorhandenen Gelder an die Sozialversicherungsträger überweisen muss. Im Gegenteil: Solange er die Dreiwochenfrist des § 15a Abs. 1 InsO in Anspruch nehmen darf, besteht die Möglichkeit, eine unterbliebene Abführung der Arbeitnehmeranteile am Sozialversicherungsaufkommen und damit eine Strafbarkeit gem. § 266a Abs. 1 StGB über § 34 StGB zu rechtfertigen (näher dazu Brand, GmbHR 2010, 237 [241 ff.]).

4. Im Anschluss an die Schilderung der haftungsrechtlichen Risiken, die dem GmbH-Geschäftsführer in der Gesellschaftskrise drohen, erörtert Uhlenbruck exemplarisch einige strafrechtliche Risiken. Das Zentrum seiner Ausführungen bildet der Tatbestand der strafbaren Insolvenzverschleppung (Rn. 11.81 ff.). Auch die strafrechtlichen Gefahren, die Berater von kriselnden Gesellschaften eingehen, zeichnet Uhlenbruck umfassend nach (Rn. 11.101 ff.) und gibt zugleich wichtige Hinweise darauf, wie sich diese Gefahren umschiffen lassen (Rn. 11.105).

5. Zusammenfassend handelt es sich bei dem „K. Schmidt/Uhlenbruck“ um ein Werk, das auch dem Strafrechtler tiefe Einblicke in die schwierige Materie des Insolvenzstrafrechts eröffnet und dessen Anschaffung sich deshalb auch für den lohnt, der sich vorwiegend mit Insolvenzstrafrecht beschäftigt.

2. Godehard Kayser/Christoph Thole (Hrsg.): Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl. 2016, C. F. Müller Verlag, 169,99 €, ISBN 978-3-8114-4202-3 und Martin Ahrens/Markus Gehrlein/Andreas Ringstmeier (Hrsg.): Kommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2017, Luchterhand Verlag, 189,00 €, ISBN 978-3-472-08669-7.

Angesichts des Befunds, wonach bei jeder zweiten GmbH-Insolvenz der Geschäftsführer den Insolvenzantrag entweder nicht oder nicht rechtzeitig stellt und dadurch den Tatbestand der strafbaren Insolvenzverschleppung verwirklicht, nimmt es nicht wunder, dass § 15a InsO in letzter Zeit immer größere Aufmerksamkeit erfährt. Das hängt überdies mit den jüngsten gesetzgeberischen Reformbestrebungen zusammen, die die Kritik des Schrifttums an der Tathandlungsmodalität des „nicht richtigen“ Antrags zum Anlass nehmen und den Tatbestand des § 15a InsO umfassend novellieren. Anders als zunächst vorgesehen ersetzt der aktuell vorliegende Gesetzesentwurf die Modalität des „nicht richtigen“ Antrags zwar nicht durch die Modalität des „nicht vollständigen“ Antrags, dessen Unvollständigkeit „nicht oder nicht innerhalb von drei Wochen ab Zustellung der gerichtlichen Aufforderung nach § 13 Absatz 3 Satz 1 ergänzt“ wird, sondern kehrt im neuen § 15a Abs. 4 Nr. 2 E-InsO zur alten Formulierung zurück (BT-Drucks. 18/12154, S. 6). Allerdings fügt der Entwurf dem § 15a InsO einen neuen Abs. 6 hinzu, nach dem das Stellen eines „nicht richtigen“ Antrags nur strafbar ist, wenn der Antrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde. Damit versinkt die Debatte, wann ein Insolvenzantrag „nicht richtig“ gestellt ist, zwar nicht in der Bedeutungslosigkeit. Der als objektive Strafbarkeitsbedingung ausgestaltete § 15a Abs. 6 E-InsO enthält aber einen gewichtigen gesetzgeberischen Fingerzeig dahin, künftig nur noch solche Insolvenzanträge als „nicht richtig“ zu qualifizieren, deren Mängel sich auf ihre Zulässigkeit auswirken. Ob der Fall eines Insolvenzantrags, der statt der tatsächlich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit die Angabe enthält, dem Schuldner drohe lediglich die Zahlungsunfähigkeit, noch als „nicht richtiger“ Antrag bestraft werden kann und ob – wer das verneint – nicht kriminalpolitisch unerwünschte Lücken reißt, das muss die kommende Diskussion um das richtige Verständnis des neu gefassten § 15a E-InsO zeigen. Beide Kommentare konnten sich zu dieser Entwicklung freilich noch nicht äußern. Gleichwohl geben die Kommentierungen zu § 15a InsO dem Leser einen guten Einblick in die Probleme der (strafbaren) Insolvenzverschleppung. Während Markus Kadenbach im „Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier“ den Schwerpunkt seiner Kommentierung eindeutig auf die zivilrechtliche Seite des § 15a InsO legt und unter anderem spannende Ausführungen zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht durch das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei hochwasser- und starkregenfallbedingter Insolvenz“ (BGBl. I, S. 1824) macht (Rn. 31), gelingt es dem „Heidelberger Kommentar“ darüber hinaus nicht nur die zivilrechtliche Seite der Insolvenzverschleppung souverän abzubilden, sondern durch seine Konzeption – scil. die Kommentierung des § 15a InsO zwischen dem Zivilrechtler Detlef Kleindiek und dem Strafrechtler Andreas Ransiek aufzuteilen – auch die strafrechtlichen Aspekte umfassend zu beleuchten. Mit Blick auf ihre unterschiedliche Schwerpunkt- und Akzentsetzung ist es für den, der auf dem Feld der strafbaren Insolvenzverschleppung berät, von großem Nutzen, den Inhalt beider Kommentierungen zu § 15a InsO zur Kenntnis zu nehmen.

3. Reinhard Bork/Carsten Schäfer (Hrsg.): Kommentar zum GmbHG, 3. Aufl. 2015, RWS Verlag, 124,00 €, ISBN 978-3-8145-1008-8, Marcus Lutter/Peter Hommelhoff: Kommentar zum GmbHG, 19. Aufl. 2016, Otto Schmidt Verlag, 129,00 €, ISBN 978-3-504-32489-6 und Ingo Saenger/Michael Inhester (Hrsg.): Kommentar zum GmbHG, 3. Aufl. 2016, Nomos Verlag, 124,00 €, ISBN 978-3-8487-3115-2.

Kommentare zum GmbHG sind auch für den Wirtschaftsstrafrechtler von Interesse. Das liegt nicht nur an den Straftatbeständen des GmbHG (§§ 82-85 GmbHG), sondern insbesondere daran, dass die GmbH als die insolvenzanfälligste Rechtsform überproportional oft die Geschädigtenrolle in Wirtschaftsstrafverfahren einnimmt, es jedoch ohne vertiefte GmbH-rechtliche Kenntnisse zumeist nicht möglich ist festzustellen, ob die Schädigungen des GmbH-Vermögens einen Straftatbestand erfüllen. Ein anschauliches Beispiel für diese Interdependenzen zwischen Straf- und GmbH-Recht bietet die „GmbH-Untreue“. Früher noch in § 81a GmbHG geregelt, ist die GmbH-Untreue heute eine von vielen Fallgruppen des allgemeinen Untreuetatbestandes (§ 266 StGB). Angesichts der zivil- und gesellschaftsrechtsakzessorischen Struktur, die dem § 266 Abs. 1 StGB eignet, verwundert es nicht, dass die Untreuestrafbarkeit häufig davon abhängt, wie die Strafgerichte bestimmte gesellschaftsrechtliche Vorfragen beantworten. Einfalltor für gesellschaftsrechtliche Wertungen sind die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht sowie der Prüfungspunkt des tatbestandsausschließenden Einverständnisses. Gerade das tatbestandsausschließende Einverständnis zeigt sehr anschaulich, wie eng Straf- und Gesellschaftsrecht miteinander verzahnt sind. Schädigt der GmbH-Geschäftsführer unter Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG das GmbH-Vermögen mit Zustimmung aller Gesellschafter, erscheint es auf den ersten Blick durchaus einleuchtend, den Geschäftsführer vom Vorwurf der Untreue freizusprechen, da ja die „wirtschaftlichen Eigentümer“ der GmbH mit seinem Verhalten einverstanden waren. Ein zweiter, an den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben geschulter Blick lehrt aber sehr schnell ein Besseres: Wegen des Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 GmbHG war der Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter unwirksam, konnte also der GmbH nicht wirksam zugerechnet werden. Das aber heißt: Die Vermögensinhaberin „GmbH“ hat selbst die Schädigung ihres Vermögens nicht konsentiert; hierfür wäre ein wirksamer, ihr zurechenbarer Gesellschafterbeschluss nötig gewesen, an dem es wegen des Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 GmbHG jedoch fehlte. Ein weiteres Beispiel für das Zusammenspiel von GmbH- und Strafrecht betrifft Zahlungen, die der GmbH-Geschäftsführer entgegen § 64 Sätze 1, 3 GmbHG vornimmt. Einzelne Stimmen im strafrechtlichen Schrifttum knüpfen an die Vornahme solcher Zahlungen den Vorwurf der Vermögensbetreuungspflichtverletzung und wollen – bei vorsätzlichem Verhalten – den Geschäftsführer wegen Untreue verurteilen. Den Einwand, der GmbH-Geschäftsführer, der gegen § 64 Satz 1 GmbHG verstößt, habe doch immerhin die Gesellschaft von einer Verbindlichkeit befreit, die Weggabe von Gesellschaftsvermögen sei mithin kompensiert, ein Schaden folglich nicht entstanden, lassen sie nicht gelten, weil die Gläubigerforderung aufgrund der Gesellschaftskrise nicht mehr dem Nennwert entsprach. Ein letztes Beispiel, das die Verflechtungen zwischen Straf- und GmbH-Recht illustriert, entstammt dem Themenkomplex der Gesellschafterdarlehen. Befriedigt der GmbH-Geschäftsführer bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit der GmbH inkongruent ein Gesellschafterdarlehen, erhebt sich die Frage, ob er sich, nachdem über das Gesellschaftsvermögen das Insolvenzverfahren eröffnet bzw. seine Eröffnung mangels Masse abgelehnt wurde (vgl. §§ 283 Abs. 6, 283c Abs. 3 StGB), wegen Bankrotts gem. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder aber „nur“ wegen Gläubigerbegünstigung gem. § 283c Abs. 1 StGB strafbar macht. Jüngst hat der BGH über diese Frage entschieden und für eine Bankrottstrafbarkeit votiert (NZI 2017, 542 m. Bespr. Brand, NZI 2017, 518 ff.). Die richtige Antwort hängt davon ab, ob man den darleihenden Gesellschafter als Gläubiger i.S.v. § 283c Abs. 1 StGB ansieht oder ob man aufgrund des Nachrangs, den § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO für sämtliche Gesellschafterdarlehen anordnet, den darlehensgewährenden Gesellschafter aus dem Gläubigerkreis herausnimmt. Im einschlägigen Schrifttum werden beide Positionen vertreten. Überzeugend sind sie indes beide nicht. Richtigerweise macht sich der GmbH-Geschäftsführer, der das Gesellschafterdarlehen bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit inkongruent zurückführt, dann – aber auch nur dann – gem. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar, wenn der Gesellschafter für seinen Darlehensrückzahlungsanspruch einen qualifizierten Rangrücktritt erklärt hat. Fehlt es an einem solchen qualifizierten Rangrücktritt, haftet der GmbH-Geschäftsführer nur nach dem milderen § 283c Abs. 1 StGB. – Die zahlreichen Beispiele haben gezeigt, wie wichtig Kenntnisse des GmbH-Rechts für die Bearbeitung wirtschaftsstrafrechtlicher Fälle sind. Ohne gute Kommentare zum GmbHG ist der Wirtschaftsstrafrechtler in der täglichen Praxis folglich „aufgeschmissen“. Umso erfreulicher ist es, dass für den Berichtszeitraum die Neuauflage gleich dreier einbändiger Kommentare zum GmbHG vermeldet werden kann, darunter der mittlerweile in 19. Auflage vorliegende, einen Klassiker unter den Kommentaren zum GmbHG bildende „Lutter/Hommelhoff“. Der Rezensent ist glücklicherweise nicht in der Lage des Paris, muss also nicht entscheiden, welcher der drei Kommentare am besten ist. Es wäre auch ganz unmöglich, diese Entscheidung zu treffen, da alle drei Kommentare einen Glücksfall für das GmbH-Recht darstellen! Mit Blick auf den ähnlichen Zuschnitt – alle Kommentare behandeln das GmbH-Gesetz in einem Band – ist das höchst bemerkenswert. Einziger Wehrmutstropfen bilden die Kommentierungen zum originären GmbH-Strafrecht – i.e. die §§ 82 ff. GmbHG –, die in allen drei Kommentaren eher knapp ausfallen. Mit Blick auf die praktisch nicht allzu große Relevanz dieser Tatbestände schmälert das den glänzenden Gesamteindruck, den der Rezensent von allen drei Werken gewonnen hat, indes nicht. Der Wirtschaftsstrafrechtler, der sich mit Konstellationen befassen muss, die einen Bezug zum GmbH-Gesetz aufweisen, befindet sich deshalb in der komfortablen Situation, gleich auf drei höchst aktuelle Kommentierungen zugreifen zu können, die die Fragen, die solche Fallgestaltungen regelmäßig aufwerfen, zuverlässig beantworten!

4. Karl-Heinz Boos/Reinfrid Fischer/Hermann Schulte-Mattler (Hrsg.): Kommentar zu KWG, CRR-Verordnung und Ausführungsvorschriften (zwei Bände), 5. Aufl. 2016, C. H. Beck Verlag, 299,00 € ISBN 978-3-406-67863-9.

Eine, vielleicht die wichtigste Lehre aus der vergangenen Banken- und Finanzkrise lautet: auch Kreditinstitute können insolvent gehen. Zwar hielt der Staat über die großen Institute wegen ihrer viel beschworenen Systemrelevanz damals zumeist – eine Ausnahme bildet der Fall „Lehman Brothers“ – seine schützende Hand. Künftig soll sich dies jedoch ändern und die Kreditinstitute nicht mehr darauf vertrauen dürfen, dass der Steuerzahler sie aus finanziellen Problemen „heraushaut“. Nicht zuletzt, weil es dem Strafrecht nicht gelang, die für die vergangene Bankenkrise Verantwortlichen zu sanktionieren, hat der Gesetzgeber mit § 54a KWG einen neuen Straftatbestand geschaffen, der strukturell zwischen Bankrott und Untreue oszilliert. Daneben kennt das KWG einen weiteren insolvenzstrafrechtlichen Straftatbestand, den § 55 KWG, der denjenigen Kreditinstitutsleitern Kriminalstrafe androht, die gegenüber der BaFin nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig die (drohende) Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung „ihres“ Instituts anzeigen. Im Unterschied zu ihren Geschäftsleiterkollegen, die keine Bank- oder vergleichbaren Geschäfte tätigen, trifft die Geschäftsleiter von Kreditinstituten nicht die Insolvenzantragspflicht des § 15a Abs. 1 InsO. Vielmehr sind sie verpflichtet, die (drohende) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des von ihnen geführten Kreditinstituts gem. § 46b Abs. 1 KWG der BaFin unter Vorlage aussagekräftiger Unterlagen anzuzeigen, die dann nach eigenem Ermessen darüber entscheidet, ob sie Insolvenzantrag stellt oder andere Maßnahmen ergreift, um das strauchelnde Institut zu sanieren. Während der neu geschaffene § 54a KWG noch nie zur Anwendung kam und aufgrund seiner Struktur wahrscheinlich auch nie eine Rolle spielen wird, besitzt § 55 KWG angesichts von fünfzehn Bankinsolvenzen, die Jan Henning Lindemann, der Kommentator der §§ 46b, 54a, 55 KWG in dem hier angezeigten Werk, gezählt hat, durchaus eine nicht zu unterschätzende Relevanz.

Zum neuen Tatbestand des § 54a KWG findet sich im „Boos/Fischer/Schulte-Mattler“ eine umfassende Kommentierung von Lindemann. Zu Recht weist Lindemann in seiner Kommentierung des § 54a KWG den vielfach gegen diesen Tatbestand erhobenen Vorwand der Unbestimmtheit und des damit einhergehenden Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG zurück (Rn. 6) und verwendet stattdessen viel Raum darauf, die zahlreichen Merkmale des Tatbestandes zu konkretisieren und für die Praxis handhabbar zu machen. Besonders interessant sind die Ausführungen, wie das Merkmal der Bestandsgefährdung zu konkretisieren ist, nachdem der Gesetzgeber die §§ 48a ff. KWG aufgehoben und an ihre Stelle das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) gesetzt hat. Lindemann votiert hier für eine vorsichtige Übernahme des Bestandsgefährdungsbegriffs aus § 63 SAG (Rn. 9). Sprengkraft für die Reichweite des § 54a KWG birgt der Hinweis, wonach eine Auslegung der SSM-VO dazu führen kann – nicht muss –, die Kompetenz zum Erlass von Anordnungen gem. § 25c Abs. 4c KWG bei der EZB zu verorten, sobald es um bedeutende Kreditinstitute geht. Eine solche Interpretation hätte zur Konsequenz, dass nur Geschäftsleiter von nicht bedeutenden Kreditinstituten den Tatbestand des § 54a KWG verwirklichen könnten (Rn. 21). Richtigerweise hält Lindemann ein solches Ergebnis für absurd. – Ebenfalls von Lindemann stammt die Kommentierung des § 55 KWG. Während Lindemann an dieser Stelle ausführlich der Frage nachgeht, unter welchen Voraussetzungen die Geschäftsleiter von Zweigstellen ausländischer Unternehmen die strafbewehrte Pflicht des § 46b KWG trifft (Rn. 4 f.), findet man auf die Frage, wann eine Anzeige nicht richtig bzw. nicht vollständig erfolgt, leider keine Antwort. Den Wert der Kommentierung des bankrechtlichen Insolvenzstrafrechts durch Lindemann schmälert das indes nicht. Im Gegenteil: Ihm ist es gelungen, diese schwierige und unübersichtliche Materie leicht verständlich, dabei aber nie vereinfachend darzustellen. Für jeden, der sich mit diesen exotischen Tatbeständen befassen muss, ist die Kommentierung von Lindemann ein Glücksfall!

5. Thomas Fischer: Kommentar zum StGB, 64. Aufl. 2017, C. H. Beck Verlag, 92,00 €, ISBN 978-3-406-69609-1.

Im Berichtszeitraum ist auch das Standardwerk unter den einbändigen Kommentaren zum StGB in mittlerweile 64. Auflage erschienen: der „Fischer“. Während die Kommentierung des § 266 StGB weiterhin zu den besten Untreuekommentierungen gehört, die sich auf dem Markt derzeit finden lassen, bleibt die Bearbeitung der §§ 283 ff. StGB dahinter leider etwas zurück. Zwar findet der Leser Ausführungen zu den wesentlichen Problemfeldern dieser Vorschriften. Mit Blick auf die gewachsene praktische Bedeutung vor allem der §§ 283, 283c StGB hätte man sich an einzelnen Stellen aber eine vertieftere Darstellung gewünscht: Keine Erwähnung findet bspw. die Frage, ob der Schuldner (kraft Zurechnung), der die wirtschaftlichen Verhältnisse der von ihm vertretenen Gesellschaft unzutreffend darstellt, um trotz bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens gem. § 270b InsO zu erreichen, bankrottstrafrechtliches Unrecht in Form des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB verwirkt. Unerwähnt bleibt auch die Entscheidung des ersten Strafsenats vom 14.3.2016 zum Verjährungsbeginn beim Bankrott (NJW 2016, 1525 m. Anm. Brand). Darin hat der erste Strafsenat wichtige Aussagen zur Beendigung des Bankrotts getroffen, indem er entschied, das Verheimlichen von Vermögensbestandteilen sei im Falle eines Restschuldbefreiungsverfahrens erst mit Erteilung der Restschuldbefreiung beendet. Schließlich wird im Rahmen der Kommentierung von § 283c StGB die Entscheidung des OLG Celle (WM 2015, 188) nicht genannt, in der das OLG grundlegend zu der Frage Stellung bezogen hat, ob die inkongruente Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft den Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder „nur“ den Tatbestand des § 283c StGB verwirklicht. Gleichwohl bleibt der „Fischer“ auch für den insolvenzstrafrechtlich Tätigen ein unentbehrliches Hilfsmittel, das auf keinem Schreibtisch fehlen sollte!

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Christian Brand
    Akademischer Rat Dr. Christian Brand ist Habilitand am Lehrstuhl für Strafrecht und Nebengebiete bei Professor Dr. Rudolf Rengier. Schwerpunktmäßig forscht er unter anderem zum Insolvenzstrafrecht.

WiJ

  • Dr. Simon Ulc , Marc Neuhaus

    Übernahme von Kosten für Verteidiger und Zeugenbeistände – eine Praxisübersicht

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Ricarda Schelzke

    BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23

    Individual- und Unternehmenssanktionen

  • Dr. Marius Haak , Joshua Pawel LL.M.

    Umweltkriminalität im Visier der EU – Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Rat beschlossen

    Produkthaftung, Umwelt, Fahrlässigkeit und Zurechnung