Christian Heuking

Sommer/Schmitz, Praxiswissen Korruptionsstrafrecht

ZAP-Verlag, Bonn 2016, 2. Auflage, 333 Seiten, EUR 54,00

Mit ihrem Buch Praxiswissen Korruptionsstrafrecht widmen sich die Autoren diesem vielfältigen und intensiven Änderungen unterworfenen Bereich thematisch umfassend. Die nun vorliegende zweite Auflage des 2009 mit dem Titel „Korruptionsstrafrecht“ von Sommer begründeten Werkes war den Angaben des Verlags zufolge vor allem deshalb erforderlich geworden, weil der Gesetzgeber in jüngster Zeit mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 26.11.2016 und dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen vom 3.6.2015 für die unternehmerische und ärztliche Praxis bedeutsame Änderungen beschlossen hatte. Noch davor, im Jahr 2014, hatte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Erweiterung des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung § 108 e StGB geändert. Es gab also genügend Anlässe, zur Fortsetzung des schon mit der ersten Auflage des Buches verfolgten Ziels, das Korruptionsstrafrecht systematisch zu erfassen und für die praktischen Bedürfnisse der Rechtsanwender handhabbar zu machen, dieser eine zweite Auflage folgen zu lassen.

Unverändert geblieben ist der gewählte Ansatz, auf eine umfassende und eingehende wissenschaftliche Auseinandersetzung zu verzichten, dafür aber den Kern des spezifisch strafrechtlichen Unrechts der Korruption verständlicher zu machen. Die zu verarbeitenden Änderungen haben die Autoren daher zwanglos in den dieser Logik folgenden und auch bewährten Aufbau einbeziehen können: Ausgehend von grundlegenden Erläuterungen zur Korruption in der Einleitung (§ 1) werden in den folgenden Kapiteln die Amtsdelikte (§ 2), die Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 3), die Korruption im Gesundheitswesen (§ 4) und die Wählerbestechung (§5) bearbeitet. Es folgen eine Darstellung zum Ermittlungsverfahren (§ 6) und eine Übersicht zu den Folgen der Verurteilung (§ 7). Der darstellende Teil endet mit Ausführungen zur Korruptionsprävention (§ 8). Das Buch enthält schließlich einen Anhang mit diversen „Handreichungen“.

Den Autoren ist es ersichtlich ein Anliegen, die aktuell breit angelegte Diskussion um Korruption und Korruptionsbekämpfung abzuschichten und auf den strafrechtlich bedeutsamen Kern zurückzuführen. Angesichts der durch Medialisierung und Moralisierung bestimmten allgemeinen Vorstellungen zur Korruption heben sie als die Ausgangspunkte des Korruptionsstrafrechts die die Strafwürdigkeit begründenden Strukturelemente hervor: Die „Missbilligung einer (beabsichtigten) Entscheidung, die zum einen als unsachlich und zum anderen als unerträglich eigennützig bewertet wird“. Diese Elemente bildeten den Kern der gesetzgeberisch gebotenen Abwägung bei der Schaffung von Straftatbeständen. Für beide Elemente müsste der Gesetzgeber die Grenzen der Strafbarkeit definieren und begründen. Dass Korruption kein neues Thema ist und das deutsche Strafrechtssystem mit dem Schwerpunkt der Beamtenbestechung sein Vorbild bereits in preußischen Regelungen hat, ist für das Verständnis durchaus erhellend. Zutreffend aber weisen die Autoren auf die zunehmende Öffnung des Strafrechts zu politisch motivierten Anliegen hin. Als einschneidenden Ausgangspunkt für diese Entwicklung nennen sie die Reform der Korruptionstatbestände im Jahr 1997, welche in vielerlei Hinsicht Grenzverschiebungen gebracht habe. Der zutreffende Hinweis darauf, dass auch kleinere Geschenke, die im Bereich menschlichen Anstandes liegen, Effekte unsachlicher Beeinflussung erzielen können, führe zu der formulierten Erkenntnis, dass die gebotene Grenzziehung der strafrechtlich zu sanktionierenden Einflussnahme auf Entscheidungen im Kern gar nicht zu erfassen sei und daher letztlich unbefriedigend bleiben müsse.

Ungeachtet dessen gehe der „eher blinde moderne Kampf der Strafrechtspflege noch einen Schritt weiter“. Über den Schutzzweck „Funktionstüchtigkeit des Staatswesens“ hinaus werde der strafrechtliche Kampf gegen die Korruption nunmehr flächendeckend auf das gesamte Wirtschaftsleben ausgedehnt. Die Autoren kritisieren die durch den Gesetzgeber signalisierte Vergleichbarkeit der von Amtsträgern in der rechtsstaatlich organisierten Verwaltung getroffenen Entscheidung mit der von Angestellten im Wirtschaftsleben. Die aus den Ausführungen gut nachvollziehbare Conclusio der Autoren ist, dass gerade die tiefgreifenden Veränderungen in den Regelungen zur Bestechlichkeit von Angestellten im wirtschaftlichen Verkehr der Annahme einer legislatorischen Stringenz entgegenstehen. Diese durch den Gesetzgeber getroffene (Grund-) Entscheidung, die Strafbarkeit der Korruption über den Bereich des Staatlichen auszudehnen, führe dann auch zur Entdeckung immer neuer Lücken im – vermeintlich gebotenen – Strafrechtsschutz. Zutreffend ist zudem der Hinweis auf die Bedeutung, die den Forderungen und Beschlüssen internationaler Organisationen (OECD, UN u.a.) auf die Rechtsentwicklung in Deutschland zukommt.

Die Ausführungen beleuchten kundig und engagiert das Umfeld der aktuellen strafgesetzlichen Regelungen. Sie verdeutlichen gut die Zusammenhänge und erhöhen das Verständnis für die weiteren Ausführungen zu den einzelnen strafrechtlichen Regelungsbereichen. Sie machen allerdings auch deutlich, dass trotz des Fehlens der dogmatischen Stringenz die Herausforderung für den Praktiker gerade darin besteht, in der Prävention trotzdem von der Strafwürdigkeit – gerade nicht – bestimmter Verhaltensweisen auszugehen.

Die Vermeidung der Korruption stehe aller Dogmatik zum Trotz auf der Agenda der Wirtschaft ganz oben. Die internationalen Einflüsse sowie die – auch jenseits der Korruption – in jüngerer Zeit festzustellende schärfere Haftung der Unternehmen hätte Rückwirkungen auf das Verständnis und den Umfang der Korruptionsstraftaten. Auch diese Hinweise schärfen das grundlegende Verständnis für das aktuelle Korruptionsstrafrecht.

Dieser Einführung folgt dann – getreu der aufgezeigten historischen Entwicklung und der originären Bedeutung der strafrechtlichen Korruptionsstraftaten – eine eingehende Darstellung der Amtsträgerdelikte (§§ 331 bis 336 StGB). Diese beginnt mit der Wiedergabe des Gesetzestextes. Der Aufbau folgt der Normstruktur. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale, geschriebene und ungeschriebene, und ihre sachlichen Zusammenhänge nebst gebotener teleologischer Reduktionen werden anhand einschlägiger Entscheidungen erläutert. Das Verständnis wird durch diverse erläuternde Hinweise („Leitbild: Verlängerter Arm des Staates“, „Blickwinkel: Sicht der Bevölkerung“) erleichtert. Zu praktisch bedeutsamen Tatbestandsmerkmalen wie bspw. dem Tatbestandsmerkmal des Amtsträgers kraft Bestellung bei einer Behörde oder sonstigen Stelle zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) wird die Kasuistik anhand konkreter Einzelfälle sehr gut dargestellt. Die für Beamte geltenden Regelungen werden ebenso in die Darstellung einbezogen wie Hinweise zur Verjährung gegeben. Der Bereich der §§ 331 ff. StGB nimmt mit neunzig Seiten den breitesten Raum ein.

Mit immerhin vierzig Seiten folgen die Ausführungen zu § 299 StGB (§ 3). Der Aufbau folgt dem gleichen Muster. Auch hier werden die Zusammenhänge der Normstruktur folgend anhand einschlägiger Entscheidungen dargestellt.

Die Neuregelungen, die den eigentlichen Anlass zu der hier zu besprechenden zweiten Auflage gegeben haben, die Erweiterung des § 299 StGB um das Geschäftsherrenmodell und die Einführung von §§ 299 a und b StGB betreffend die Korruption im Gesundheitswesen, fallen mit fünf Seiten zum Geschäftsherrenmodell bzw. achtzehn Seiten zum Gesundheitswesen sehr knapp aus. Dies ist sicherlich dem Konzept des Buches geschuldet, das Korruptionsstrafrecht anhand der für die Praxis wichtigen Rechtsprechung zu erläutern.

Wählerbestechung und Mandatsträgerbestechung (§ 5) werden in gleicher Weise und ihrer praktischen Bedeutung entsprechend noch kürzer behandelt.

Die Ausführungen zum Ermittlungsverfahren (§ 6) geben einen knappen, aber aussagekräftigen Überblick: Behandelt werden der Gang des Verfahrens, zu dem auch Hinweise zu den Ermittlungsanlässen (Steuerfahndung) gegeben werden, der Freiheitsentzug, die Durchsuchung und die Beschlagnahme sowie schließlich die Blockierung des Vermögens. Der im Unternehmen tätige Jurist würde sich hier sicher eine Darstellung des Ablaufs der Durchsuchung und konkrete Hinweise zu internen Vorbereitungsmaßnahmen wünschen. Der Hinweis auf die mögliche Kooperationsbereitschaft mit den Ermittlungsbehörden zur Vermeidung einer Durchsuchung ist einerseits hilfreich, andererseits aber sollte eine solche Entscheidung im Unternehmen nur nach sorgfältiger Beratung durch einen erfahrenen Verteidiger getroffen werden.

Ebenfalls knapp gehalten ist der Überblick zu den möglichen strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Folgen einer Verurteilung (§ 7). Hier werden die Themenbereiche jeweils angerissen. Hilfreich ist für den im Korruptionsstrafrecht unerfahrenen Leser auch hier die aus der Berufserfahrung resultierende Schwerpunktbildung der Autoren.

Abschließend geben die Autoren Hinweise zu der zunehmend bedeutsamen Korruptionsprävention (§ 8). Für die öffentliche Verwaltung, die Wirtschaft und den Gesundheitssektor werden Hinweise zu bestehenden gesetzlichen Compliance-Pflichten und Instrumenten der Prävention gegeben. Durch die Darstellung wird für den jeweiligen Bereich ein Überblick gegeben, der zu den einzelnen Elementen bzw. einzelnen Präventionsmaßnahmen Eindrücke vermittelt.

Das Buch wendet sich an Praktiker, vornehmlich an Rechtsanwälte und Unternehmensjuristen. Es dürfte darüber hinaus auch für Staatsanwälte und Richter von Interesse sein. Es ist in jeder Hinsicht konsequent auf diesen Adressatenkreis ausgerichtet: Ausgehend von der Einführung zu den Grundlagen der Korruption und den aktuellen Regelungen über die systematische Aufbereitung der einzelnen Tatbestände mit einer Vielzahl von Entscheidungen und Beispielsfällen bis hin zu Präventionsmaßnahmen.

Wer auf der Suche nach einschlägigen Entscheidungen ist, wird schon durch den konsequenten Aufbau des Buches, aber auch über das umfassende Stichwortverzeichnis schnell fündig. Der Vorteil besteht in der guten Auswertung von Entscheidungen an den jeweils einschlägigen Stellen. Der Leser erhält ein im Normteil, gerade zu den §§ 331 ff.und den §§ 299 ff. StGB sehr gut verwendbares Werk. Hier liegt schon bei erster Durchsicht erkennbar der Schwerpunkt der Bearbeitung. Die Ausführungen zu den Normen, die Auswertung der Rechtsprechung und die gegebenen Hinweise verdeutlichen die bereits in der Einleitung aufgeführten Widersprüche und Probleme bei der Auseinandersetzung mit dem Korruptionsstrafrecht. Das inzwischen erreichte dogmatische Defizit dieses Regelungsbereichs wird deutlich. Der Praktiker erhält hier aber das, was er für seine Arbeit benötigt: Praktisch verwertbare Informationen. Verteidiger erhalten Argumentationspotential. Beratende Kolleginnen und Kollegen erhalten Nachweise für die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen. Dazu sind nicht allein die verarbeiteten Entscheidungen hilfreich, sondern auch weitere Beispielsfälle und Hinweise der Autoren.

Die weitergehenden Darstellungen zu Ermittlungsverfahren und Rechtsfolgen der Tat sind für die Unternehmensjuristen hilfreich, für den strafrechtlich tätigen Praktiker tägliches Brot. Andererseits ist die Übersicht zur Compliance für den strafrechtlich – forensisch – tätigen Praktiker hilfreich, hingegen für den Unternehmensjuristen und den beratenden Anwalt inzwischen Teil des unverzichtbaren Grundwissens. Wer zu diesen Bereichen praktisch verwertbare Informationen sucht, erhält hier einen ersten groben Überblick zu dem für ihn jeweils fremden Terrain, wird aber auf weitergehende Literatur bzw. weitergehende Beratung nicht verzichten können.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Buch für den Praktiker, der sich zu Verteidigungs- oder Präventionszwecken näher mit den Korruptionstatbeständen der §§ 331 ff. StGB aus der Sicht der Rechtsprechung befassen will oder muss, sehr hilfreich ist. Dies gilt, obwohl die Rechtsprechung nicht durchgängig bis auf den neuesten Stand verarbeitet ist. Aufbau und Bearbeitung der einzelnen Normen aber machen diese vereinzelten Defizite wett. Da zu den gesetzlichen Neuregelungen, also zu den für die Praxis bedeutsamen Änderungen des § 299 StGB und der §§ 299 a und b StGB noch keine obergerichtlichen, geschweige denn höchstrichterlichen Entscheidungen vorliegen, fallen die Ausführungen als dem Konzept des Buches geschuldet dünn aus. Hier besteht für eine – wünschenswerte – dritte Auflage noch Nachholbedarf. Für die zu gegebener Zeit insoweit – hoffentlich aber nicht aufgrund weiterer gesetzgeberischer Maßnahmen – gebotene Fortschreibung des Werkes wäre angesichts der Entwicklungen in diesem Bereich zu überlegen, die Ausführungen zur Compliance zu kürzen, da sie für beratende Praktiker keinen Mehrwert liefern. Allerdings wäre ein vollständiger Verzicht angesichts der für die Unternehmensjuristen durchaus erkenntnisreichen Ausführungen zu Ermittlungsverfahren und Rechtsfolgen der Tat eine inhaltliche Lücke. Als hilfreich dürfte sich eine aktualisierte Erweiterung des Anhangs erweisen.

Autorinnen und Autoren

  • Christian Heuking
    Christian Heuking ist Rechtsanwalt in Düsseldorf und Partner, der ausschließlich im Wirtschaftsstrafrecht tätigen Sozietät HEUKING ∙ VON COELLN Rechtsanwälte. Seine Tätigkeit reicht von der Einzelfallberatung über die systematische Prävention durch die Einrichtung und Begleitung des Compliance-Managements bis zur Strafverteidigung.

WiJ

  • Dr. Carolin Raspé , Dr. Roland Stein

    Strafrechtliche Risiken bei der Sanktions- Compliance Teil 1

    Außenwirtschaftsrecht Kriegswaffenkontrollrecht

  • Sigrid Mehring-Zier

    Wirtschaftsvölkerstrafrecht in der europäischen Praxis – und Deutschland?

    Auslandsbezüge EU Internationales Strafrecht Rechtshilfe

  • Jakob Lehners

    Digitale Akteneinsicht in der Untersuchungshaft

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)