Andreas Mertens/Iris Stuff/Jörg Mück, Verteidigervergütung
C.F. Müller Verlag, Reihe „Praxis der Strafverteidigung“, 2. Auflage Heidelberg 2016, 370 Seiten, 49,99 Euro
Mit der vorliegenden 2. Auflage wurde der erstmalig im Jahr 2010 in der „Gelben Reihe“ des Verlags C.F. Müller erschienene Band „Verteidigervergütung“ überarbeitet und aktualisiert. Nicht zuletzt wird auch das am 01.08.2013 in Kraft getretene 2. KostRMoG die Aktualisierung auf Grund der damit einhergehenden Änderungen des RVG nahegelegt haben. Da das Werk aus Sicht des praktizierenden Verteidigers geschrieben ist, zeichnet mit Jörg Mück konsequenterweise (wieder) ein Strafverteidiger verantwortlich. Diese eindeutige Ausrichtung ist begrüßenswert, genießt sie auf dem Markt der RVG-Literatur soweit ersichtlich Einzigartigkeitsstatus. Insofern überrascht die instruktive praxisnahe Heranführung an die jeweiligen vergütungsrechtlichen Fragestellungen nicht.
Untergliedert ist das 370 Seiten starke Werk in sechs Teile. Strukturelle Orientierung gibt dabei der Mandatsverlauf, beginnend mit der aus wirtschaftlicher Sicht freilich bei der Mandatsanbahnung zu beantwortenden Frage nach dem Abschluss einer Vergütungsvereinbarung, über die gesetzlichen Gebühren vom Vorverfahren bis hin zum Rechtsmittel- und Wiederaufnahmeverfahren. Dabei wird eingehend auf die Wahl- als auch auf die Pflichtverteidigervergütung eingegangen. Ebenso finden die Gebühren im Bußgeldverfahren Berücksichtigung. Es werden alle nach Ausrichtung des Werkes relevanten Gebührentatbestände erörtert sowie abschließend die Vorschriften des Vergütungsverzeichnisses betreffend die Auslagen dargestellt. Im Anschluss wird das – in der Praxis gewiss nicht selten eher stiefmütterlich behandelte – Thema der Rechnungslegung behandelt. Dem folgen Ausführungen zur gerichtlichen Kosten(grund)entscheidung nach, einem Bereich, der dem Strafverteidiger, anders als dem zivilrechtlich ausgerichteten Kollegen, grundsätzlich weniger geläufig sein dürfte. Die naturgemäß starke Fokussierung des Verteidigers auf die Abwehr bzw. Abmilderung staatlicher Sanktionen dürfte den Blick auf das dem Schuld- und Rechtsfolgenausspruch erst nachfolgende Thema der Kostengrundentscheidung zuweilen eher verstellen. Angesichts dessen, dass der Verteidiger die Interessen seines Mandanten vollumfänglich, also auch aus finanzieller Perspektive bestmöglich wahrnehmen soll, ist jedoch ein ausreichendes Maß an Aufmerksamkeit gerade auch der Kostengrundentscheidung zu widmen. Besondere Obacht ist insofern nicht zuletzt deshalb geboten, weil die sofortige Beschwerde einziger förmlicher Rechtsbehelf gegen eine gegebenenfalls falsche Kostenentscheidung ist. Wird die insofern maßgebliche Notfrist von nur einer Woche verpasst, droht die Bestandskraft einer falschen, den Mandanten benachteiligenden Kostengrundentscheidung. Insofern erfolgt der sachdienliche Hinweis, dass eine Wiedereinsetzung in die verpasste Beschwerdefrist wegen Verteidigerverschuldens nicht in Betracht kommen soll. Der dem Kostenfestsetzungsverfahren gewidmete letzte Teil des Werkes rundet die Darstellung ab. Hier findet sich Lehrreiches dazu, wie der im Straf- und Bußgeldverfahren tätige Rechtsanwalt seine berechtigten Kosteninteressen auch durchsetzen kann. Den vorbeschriebenen sechs Teilen folgen zwei Exkurse nach, die sich auf die Beratungshilfe im Straf- und Bußgeldverfahren sowie die Honorierung der Zeugenbeistandschaft, der Nebenklage und der Privatklagevertretung beziehen.
Angesichts der Stofffülle und -dichte des vorliegenden Bandes soll neben vorstehenden Anmerkungen lediglich eine kurze Darlegung zu Folgendem erfolgen:
Die Frage des Entstehens der im Zusammenhang mit dem Adhäsionsverfahren stehenden Gebühren für den gerichtlich bestellten Rechtsanwalt birgt erfahrungsgemäß erhöhtes praktisches Konfliktpotential. Insofern wird zutreffend angemerkt, dass § 404 Abs. 5 StPO sich lediglich zu den Voraussetzungen verhält, unter welchen einem Angeklagten für seine Verteidigung gegen einen Adhäsionsantrag Prozesskostenhilfe zu gewähren ist. Der Streit, welcher um die Frage rankt, ob die Bestellung zum Pflichtverteidiger ohne Weiteres auch die Tätigkeit für den Angeklagten im Adhäsionsverfahren umfasst, ist weiterhin nicht abschließend entschieden. Einige Oberlandesgerichte halten insofern eine Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe für unabdingbar. Insofern erfolgt der grundsätzlich treffliche Praxishinweis, der Verteidiger solle ausdrücklich die Erweiterung der Pflichtverteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren beantragen. Aus eigener Praxis kann jedoch nicht einmal die Pflichtverteidigerbestellung unter explizitem Einschluss des Adhäsionsverfahrens vor einer späteren Absetzungsentscheidung – desselben Landgerichts – bezüglich der Tätigkeit des Verteidigers im Adhäsionsverfahren schützen. So entschied eine große Strafkammer im Beschwerdeverfahren, dass die Absetzungsentscheidung des Amtsgerichts – trotz eines die Beiordnung ausdrücklich auf das Adhäsionsverfahren erstreckenden Beschlusses der kleinen Strafkammer im Erkenntnisverfahren – nicht zu beanstanden sei. Schließlich sei Prozesskostenhilfe gem. § 404 Abs. 5 StPO, 114 ZPO weder beantragt noch gerichtlich geprüft oder gar bewilligt worden. Dies verdeutlicht auf anschauliche Art und Weise die Absurdität, welche zuweilen gebührenrechtlichen Entscheidungen (auch in der Rechtsmittelinstanz) innewohnt, und welcher offenkundig nicht in allen Fällen durch grundsätzlich sorgfältiges Agieren im Vorhinein vorgebeugt werden kann.
Im Zuge des weiter voranschreitenden Schutzes des Zeugen im Strafverfahren und insbesondere der fortschreitenden Normierung von Verletztenrechten in der StPO, kam es durch das 2. OpferRRG vom 29.07.2009 nicht nur zur Stärkung der Rechtsstellung des Zeugenbeistands. Durch das 2. OpferRRG wurde auch das Rechtsinstitut des Vernehmungsbeistandes eingeführt, mit entsprechend starker Stellung, um dem Zeugen bei bestimmten Vernehmungen Schutz zu gewähren. Wegen entsprechender Zunahme von Tätigkeiten als Zeugen- oder Vernehmungsbeistand ist die umstrittene Frage, ob solche Rechtsdienstleistungen als Einzeltätigkeit nach Abschnitt 3 des 4. Teils VV RVG zu behandeln sind, für die lediglich eine Vergütung nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG gefordert werden kann, oder ob Grund-, Verfahrens- und bei Tätigkeit in der Hauptverhandlung auch Terminsgebühr nach Abschnitt 1 des 4. Teils VV RVG anfallen, von ausgenommener praktischer Bedeutung. Mit dem Autor ist von einer Vergütung der entsprechenden Tätigkeit im Sinne der letztgenannten Ansicht auszugehen. Insofern wird überzeugend argumentiert, angesichts der gesetzgewordenen Aufwertung des Zeugen- bzw. Opferschutzes sei eine angemessene Vergütung in diesem Rahmen erfolgender Beistandsleistungen nur folgerichtig. Die erstgenannte Auffassung führte überdies zwangsläufig dazu, dass der Beistand, welche Tätigkeit für den Mandanten er auch immer entfaltete, regelmäßig nicht die in Abschnitt 1 aufgeführten Gebühren des Verteidigers verdienen könnte. Dies würde allgemein eine unbillige Honorierung der Beistandsleistung bedingen und ließe die Gleichstellungsklausel in der Vorbemerkung 4 Abs. 1 Teil 4 VV RVG widersinnig erscheinen. Nach der Gleichstellungsklausel gilt Teil 4 auch für den Rechtsanwalt, der als Zeugen- oder Verletztenbeistand tätig gewesen ist. Die redaktionelle Anordnung der Klausel im Anschluss an die Überschrift „Teil 4. Strafsachen“ und vor den Abschnitten 1, 2 und 3 zeigt, dass für den Beistand alle drei nachfolgenden Abschnitte, insbesondere auch „Abschnitt 1. Gebühren des Verteidigers“, fruchtbar zu machen sind. Der Autor wirft die zu bejahende Frage auf, „ob nicht jede Abrechnung als Einzeltätigkeit mit einem Pauschantrag beantwortet werden sollte.“
Resümierend lässt sich festhalten, dass das vorliegende Werk sowohl problembezogen als Nachschlagewerk für den geübten Praktiker, als auch als übersichtlicher Gesamteinstieg in die Rechtsanwaltsvergütung in Strafsachen für den Berufseinsteiger, dient. Dabei sind die Weiten des Gebührenrechts instruktiv auf das – am speziellen Interesse des Verteidigers pp. orientierte – gebotene Maß komprimiert worden. Insgesamt werden kurz und bündig die nötigen (Grund-)Kenntnisse der Vergütung in Strafsachen vermittelt. Somit kann die Anschaffung unumwunden all jenen Kollegen anempfohlen werden, die zu nicht unerheblichem Maße im Strafverfahren tätig sind.