Dr. Sibylle von Coelln, Christian Heuking

Berufsneutrale Handlungen an der Grenze zur Beihilfe im Wirtschaftsstrafrecht

I. Einleitung

Die „Beihilfe zu einer Straftat“ erfasst weit mehr Fälle als das „Schmierestehen“ oder die Mitteilung des vermutlich besten Tatzeitpunkts. Gerade im Bereich der Wirtschaft gibt es Grenzbereiche, in denen nicht auf den ersten Blick gesagt werden kann, ob jemand dem zur Tat entschlossenen Täter Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB geleistet hat. In diesem Graubereich liegen auch die sogenannten „neutralen“ oder „berufstypischen“ Handlungen, die nach außen hin für sich genommen nicht weiter auffällig sind, aber doch einen Bezug zu einer Straftat haben. So ist die Beratung eines Kaufmanns durch einen Steuerberater weder ungewöhnlich noch per se anrüchig oder gar strafbar. Dasselbe gilt für die Unterstützung eines kriselnden Unternehmens durch einen Sanierungsberater. In beiden Konstellationen, bei der steuerlichen Gestaltung unternehmerischer Tätigkeit wie in der wirtschaftlichen Krise von Unternehmen, gelten für die Verantwortlichen strafbewehrte Pflichten. Diese bergen, wenn der Kaufmann oder der Unternehmer tatgeneigt ist, für die Berater strafrechtliche Risiken.

Wann überschreitet „berufstypisches“ Verhalten rechtliche Grenzen und zieht eine strafrechtliche Haftung wegen Beihilfe nach sich? Um diese Frage und damit in der Praxis verbundene Herausforderungen soll es im Folgenden gehen. Anlass dazu gibt eine Reihe recht aktueller Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH), die hier gerade wegen ihrer vermeintlichen Konsistenz zu dessen älterer Rechtsprechung näher betrachtet werden sollen. Den Ausgangspunkt der Überlegungen bilden allerdings die Rechtsfigur der Beihilfe im Allgemeinen (II.) und der psychischen Beihilfe im Besonderen (III.). Daran anknüpfend wird das „Phänomen“ der berufsneutralen Handlungen unter Beachtung aktueller Rechtsprechung diskutiert (IV.). Die hier vertretene These, dass sich die strafrechtliche Bewertung der berufsneutralen Handlungen den allgemeinen Grundsätzen annähert, soll mit Blick auf die Praxis anhand aktueller Urteile überprüft werden (V.).

II. Die „klassische“ Beihilfe

Nach § 27 Abs. 1 StGB wird derjenige als Gehilfe bestraft, der einem anderen vorsätzlich zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet, diese also (mit oder ohne Wissen des Haupttäters) unterstützt.[1]

1. Anforderungen an eine aktive Gehilfenhandlung

Die Anforderungen an eine Beihilfehandlung sind nach der Rechtsprechung denkbar gering: Hierfür kommt jeder Beitrag in Betracht, der in Bezug auf die rechtswidrige Haupttat weder eine täterschaftliche noch eine Anstiftungshandlung darstellt[2] und die Haupttat irgendwie fördert. Für den Erfolg der Haupttat muss der Gehilfenbeitrag – so die ständige Rechtsprechung – nicht kausal im Sinne der conditio sine qua non sein.[3] Eine Beihilfehandlung muss demnach die Haupttat nur ermöglichen, verstärken oder erleichtern.[4] Dabei kann es sogar genügen, dass der Gehilfe Teil einer größeren Organisation ist, die sich zur Begehung einer oder mehrerer komplexer Taten gebildet hat.[5]

2. Beihilfe durch Unterlassen

Neben einem aktiven Hilfeleisten kann die Haupttat auch durch das Unterlassen eigentlich erforderlicher Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Erschwerung des tatbestandlichen Erfolges gefördert werden. Dies setzt freilich voraus, dass der Gehilfe eine Garantenstellung i.S.d. § 13 StGB innehat, aus welcher die Pflicht zur Ergreifung von Gegenmaßnahmen resultiert.[6]

3. Zeitpunkt für die Gehilfenhandlung

In zeitlicher Hinsicht sind der Gehilfenhandlung denkbar weite Grenzen gesetzt: Sie kann bereits während des Vorbereitungsstadiums geleistet werden[7] und ist selbst zwischen Vollendung und Beendigung der Tat noch möglich (st. Rspr.).[8]

Zeitlich wie inhaltlich ist sie sogar dann noch denkbar, wenn der Täter bereits vor Ankündigung oder Vornahme der Unterstützungshandlung voll umfänglich zur Tat entschlossen war.[9] Auch beseitigt es die Strafbarkeit der Beihilfehandlung nicht, wenn diese zu einem Delikt geleistet wird, das für den Täter nur eine mitbestrafte Nachtat darstellt.[10]

4. Subjektive Anforderungen

Der Gehilfe muss seine Unterstützungshandlung vorsätzlich vorgenommen sowie Vorsatz bezüglich der von ihm geförderten Haupttat haben. Diese muss er nicht insgesamt und detailliert vorhersehen, vielmehr reicht es aus, dass er sie in ihren Merkmalen oder Grundzügen erkennt[11] und ihren wesentlichen Unrechtsgehalt erfasst hat.[12] Einzelheiten der Haupttat braucht er nicht zu kennen.[13] Der BGH konkretisierte die Anforderungen an den Gehilfenvorsatz jüngst wie folgt:

„Dem Bestimmtheitserfordernis des Teilnehmervorsatzes liegt letztlich die Annahme zugrunde, dass nur derjenige Teilnehmer ernstlich mit der Begehung der Haupttat rechnet, der bereits wesentliche Einzelheiten des Tatplans kennt. Für den Vorsatz des Teilnehmers sind diejenigen Tatumstände als wesentlich anzusehen, deren Kenntnis die Begehung der Haupttat hinreichend wahrscheinlich werden lässt. Die unterschiedlichen Teilnahmestrukturen, die verschiedene Nähe zur Tat und die differenzierten Strafdrohungen gebieten es, an den Gehilfenvorsatz andere Maßstäbe anzulegen als an den Vorsatz des Anstifters. Während der Anstifter eine bestimmte Tat, insbesondere einen bestimmten Taterfolg vor Augen hat, erbringt der Gehilfe einen von der Haupttat losgelösten Beitrag. Er strebt diese nicht notwendigerweise an, weiß aber oder hält es für möglich und nimmt jedenfalls billigend in Kauf, dass sich sein Handeln als unterstützender Bestandteil einer Straftat manifestieren kann. Beihilfe kann deshalb schon begehen, wer dem Täter ein entscheidendes Tatmittel willentlich an die Hand gibt und damit bewusst das Risiko erhöht, dass eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels geförderte Haupttat verübt wird.“[14]

Eventualvorsatz ist für den Gehilfenvorsatz in aller Regel ausreichend. Weiß der Gehilfe positiv oder hält er es für höchst wahrscheinlich,[15] dass seine Hilfe dazu geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, spielt es noch nicht einmal eine Rolle, ob er den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn lieber vermeiden würde: „Unter dieser Voraussetzung ist der Vorsatz selbst dann nicht in Frage gestellt, wenn der Gehilfe dem Täter ausdrücklich erklärt, er missbillige die Haupttat.“[16] 

III. Allgemeines zur sogenannten „psychischen Beihilfe“

Was unter dem Begriff der psychischen Beihilfe zu verstehen ist, erklärt sich beinahe von selbst: Der Gehilfe leistet einen Beitrag zur Tat, indem er seelisch, moralisch bzw. geistig auf den Täter einwirkt und auf diese Weise zum Taterfolg beiträgt.[17]

Psychische Beihilfe kann durch die Erteilung von zielgerichteten Ratschlägen oder Unterstützung bei der Planung geleistet werden. In diesen Fällen – etwa wenn der Gehilfe dem Täter erklärt, wie dieser den zentralen Tresor im Casino am schnellsten und auf dem sichersten Weg „knacken“ kann – ist die Strafbarkeit der Beihilfe anerkannt.[18] Unabhängig von den auch hier bestehenden Beweisschwierigkeiten sind schwieriger diejenigen Fälle zu beurteilen, in denen der Gehilfe den Täter nur in dessen Tatentschluss bestärkt. So hat der BGH in einem Beschluss aus dem Dezember 2015 verdeutlicht, dass im Regelfall allein das Wissen um eine Haupttat unter gleichzeitigem „Nichteinschreiten“ für eine Beihilfe nicht ausreicht:[19]

„Jedoch setzt Beihilfe durch positives Tun einen durch eine bestimmte Handlung erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen voraus […]. Dies gilt in den besonders problematischen Fällen der bloßen Vermittlung eines „Gefühls der Sicherheit“ erst recht. Allein das Wissen um die Begehung der Haupttat genügt den Anforderungen an eine Beihilfe durch aktives Tun daher nicht. Auch Handlungen, die erkennbar nicht erforderlich oder nutzlos für das Gelingen der Tat sind, reichen nicht aus, um daraus eine Beihilfe zu entnehmen […].

Der konkludente Erklärungswert der Äußerungen beim Gespräch des Angeklagten V. mit der Angeklagten K. ging nicht darüber hinaus, dass der Angeklagte V. die Begehung der Haupttat zur Kenntnis genommen hat und nicht dagegen einschreiten wollte. Die Wirkung dieses Geschehens bestand auch nach Ansicht des Landgerichts vor allem im Unterlassen einer Strafanzeige durch den Angeklagten V. . Ist der Schwerpunkt seines Verhaltens aber in einem Unterlassen zu sehen, das mangels Garantenstellung im Sinne von § 13 Abs. 1 StGB nicht strafbar ist, so darf dieses Ergebnis nicht dadurch umgangen werden, dass das Verhalten in eine nicht näher konkretisierbare und feststellbare psychische Beihilfe durch aktives Tun umgedeutet wird.“

Ganz problematisch schließlich ist die Frage, ob und inwieweit die bloße Anwesenheit des Gehilfen als „aktive“ Unterstützung des Haupttäters gewertet werden kann. Der BGH hat hier in diversen Urteilen deutlich gemacht, dass der Täter durch die Anwesenheit des potentiellen Gehilfen zumindest in seinem Tatentschluss bestärkt worden sein muss oder ein erhöhtes Sicherheitsgefühl verspürt hat.[20] Diese Bestärkung bzw. die Vermittlung eines entsprechend erhöhten Sicherheitsgefühls setzt jedenfalls eine – ggf. konkludente – kommunikative Einwirkung des Gehilfen auf den Haupttäter voraus, die dieser auch wahrgenommen haben muss.[21]

Folglich ist weder die „bloß einseitige Kenntnisnahme von der Tat“ für die Annahme einer psychischen Beihilfe ausreichend[22] noch die bloße Anwesenheit bei der Tat ohne jegliches aktive Tun.[23] Wann jedoch eine psychische Unterstützung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB positiv angenommen werden kann, ist jeweils Tatfrage und hängt von der konkreten Konstellation des Einzelfalles ab.[24]

IV. Das berufstypische Verhalten

1. Definition aus der Rechtsprechung und der Literatur

Unter dem Schlagwort der „Strafbarkeit berufstypischen Verhaltens“ geht es – ganz allgemein gesprochen – um Konstellationen, in denen ein Berufsträger seiner beruflichen Tätigkeit nachgeht, die für sich genommen unverdächtig ist, sich aber in der Straftat eines anderen niederschlägt. Begrifflich wird diese Konstellation auch beschrieben als sog. äußerlich „neutrales“, „berufsbedingtes“ oder „sozialadäquates“ Verhalten.

Die Frage nach der zutreffenden strafrechtlichen Grenzziehung wird zumeist anhand folgender Beispiele diskutiert: Macht sich der Waffenhändler strafbar, der nach eingehender Prüfung feststellt, dass der Kunde eine Schusswaffe zwar formal erwerben darf, diese aber nutzen will, um einen anderen zu töten? Wie verhält es sich mit dem Bäcker bei dem Verkauf eines Brötchens, das zum Zweck der Vergiftung eines Dritten erworben wird? Wie ist die Lieferung von Essen an die zu einem Banküberfall entschlossene Bande zu bewerten? Dass die jeweilige Tätigkeit für sich genommen unproblematisch ist und in aller Regel ohne (straf-) rechtliche Konsequenzen bleibt, liegt auf der Hand. Was aber gilt, wenn das Handeln der jeweiligen Berufsträger – wie hier – in einem sachlichen Zusammenhang zu einer Straftat steht und der Berufsträger dies weiß? Wie ist es zu beurteilen, wenn er es nicht weiß?

Vor dem Hintergrund der einleitenden Ausführungen zur strafbaren Beihilfe ist man zu fragen geneigt, ob und – wenn ja – wie die Tat durch das Verhalten des Berufsträgers hinreichend gefördert wurde und der Berufsträger gegebenenfalls insoweit mit dem notwendigen Wissen und Willen zur Tatbestandsverwirklichung gehandelt hat. An sich keine Besonderheit. Daher stellt sich weiter die Frage, ob es sich bei der Kategorie des berufsneutralen Verhaltens tatsächlich um eine besondere rechtliche und für sich diskussionswürdige Kategorie handelt oder nicht einfach um eine Kategorisierung von Sachverhalten, deren Behandlung grundsätzlich den allgemeinen Regeln folgt.[25]

2. Begriffliche Schwierigkeiten

Immerhin lassen schon die bei der Umschreibung des Problems festzustellenden begrifflichen Divergenzen und Unklarheiten daran zweifeln, dass es ein konsistentes Verständnis des Problems gibt: Der Begriff des „berufsneutralen“ Verhaltens überspielt, dass nahezu jede Beihilfehandlung neutral sein kann[26] – warum sollte dies im beruflichen Umfeld anders oder besonders sein? Oder ist damit die Neutralität des Berufsträgers gemeint, die als „professionelle Distanz“ von der strafbaren „Solidarisierung“ abzugrenzen ist? Durch die Bezugnahme auf die Neutralität soll möglicherweise aber auch zum Ausdruck gebracht werden, dass das Verhalten seiner Art. nach einer herkömmlichen und üblichen, also „typischen“ Tätigkeit[27] bzw. vielleicht sogar den Regeln des jeweiligen Berufszweiges entspricht[28].

Pflichtwidriges Verhalten kann einerseits nicht von vornherein aus der strafrechtlichen Betrachtung ausgeschieden werden. Andererseits ist ein berufsrechts- oder standesrechtswidriges Verhalten nicht allein deshalb strafwürdig oder auch nur strafwürdiger, weil es sich in der Straftat eines Dritten niederschlägt. Die Schutzrichtung beruflicher Regelungen gibt ein solch pauschales Ergebnis sicher nicht her. Schließlich: Was ist mit dem Unterlassen einer Handlung und der psychischen Beihilfe als Tatbeitrag?

Schon diese Fragen zeigen, dass bereits die kategorisierende Umschreibung reichlich Konfliktpotential birgt. An Antworten auf die gerade den Praktiker drängende Frage nach der Strafbarkeit des Verhaltens ist dabei noch gar nicht gedacht.

3. Tatsächliche Besonderheiten der unter dem Begriff diskutierten Fallkonstellationen

Im Unterschied zu sonstigen – also nicht berufsbezogenen – Konstellationen ist als tatsächliche Besonderheit hervorzuheben, dass der Berufsträger oft zufällig und auch arglos mit dem Täter und der späteren Tat in Verbindung kommt. Der Berufsträger dient sich dem Täter nicht von vornherein als Unterstützer an und der Täter fragt in der Regel auch nicht aktiv um Unterstützung zur Verwirklichung seines Tatplans. Erst im Verlauf des Kontaktes zum Täter stellt sich für den Berufsträger heraus oder deutet sich zumindest an, wo die Reise hingeht. Eine strafrechtlich relevante Verständigung ist dann – anders als in üblichen Fällen – allenfalls in konkludenter Form gegeben.

Eine weitere und zumeist intensiv diskutierte Besonderheit bilden die Fälle, in denen zwar von vornherein klar ist, was der Täter vorhat, sich der Gehilfe aber auf das generelle Erlaubtsein seines konkret umrissenen und auch typischen Handelns zurückzieht. In einem solchen Sachverhalt die strafrechtliche Verantwortung des Gehilfen für das strafbare Verhalten des Täters zu ermitteln und zu bewerten, ist bei allem Bemühen um Dogmatik die im Einzelfall anhand des Gesetzes zu bewältigende Herausforderung.

4. Die Problematik

Zündstoff bieten die dem Bereich des berufstypischen Verhaltens zugeordneten Sachverhalte, weil der Gehilfenbeitrag im Verhältnis zur Haupttat oftmals nur von geringem Gewicht, für sich genommen ohne spezifischen Unrechtsgehalt und zumeist aufgrund des Berufsbezuges für den Haupttäter allgemein verfügbar ist. In der Praxis hört der Verteidiger an dieser Stelle schon des öfteren Sätze wie „Aber ich habe doch nur meinen Job gemacht.“ oder „Wenn ich das nicht gemacht hätte, hätte es ein anderer gemacht. Sollte ich jedes Verhalten so auf die Goldwaage legen müssen, könnte ich bald schließen.“

Angesichts des üblichen Verständnisses von der Beihilfe als der – nicht notwendig kausalen – Förderung einer fremden Tat, gelangt der betroffene Berufsträger schnell in den Bereich der Strafbarkeit. Die Diskussion ist daher insoweit vorgeprägt, als es – abstrakt-generell – um die Begrenzung der Strafbarkeit von Berufsausübung geht.[29]

Die Notwendigkeit einer auf einer wertenden Betrachtung beruhenden Korrektur der Zurechnung beruflichen Verhaltens hat der BGH dem Grunde nach bereits 1962 erkannt und hierzu ausgeführt:[30]

„Zu den allgemein als sozial üblich anerkannten Verhaltensweisen gehört das Ausschenken und der Genuß alkoholischer Getränke in Gastwirtschaften. Er führt nicht selten zu körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen bis zur Grenze der rechtlichen Verant­wortlichkeit und über diese hinaus. Wäre der Gastwirt, dessen Gewerbe im Ausschenken geistiger Getränke besteht, für die Folgen, zu denen übermäßiger Alkoholgenuß seiner Gäste führen kann, allgemein strafrechtlich verantwortlich zu machen, so würde er in den meisten der Fälle auf dem Wege über die strafrechtliche Garantenpflicht gleichsam zum Vormund oder Hüter seiner Gäste bestellt. Mit Recht untersagt § 16 Abs. 1 Nr. 3 GaststG dem Gastwirt die Abgabe geistiger Getränke aber nur an Betrunkene. […] Soweit aus dem Ausschenken von Alkohol an Gäste, auch an Kraftwagenführer, die ihr Fahrzeug bei sich haben, Gefahren erwachsen, nimmt sie die Gesellschaft, was die Rechtspflichten des Gastwirts angeht, in erträglichen Grenzen in Kauf. Eine Rechtspflicht des Gastwirts zum Eingreifen kann, solange ein Gast noch, sei es auch eingeschränkt, rechtlich verantwortlich ist, weder im Sinne des Gastes liegen, noch im Interesse der Allgemeinheit, noch würde sie allen Interessen des Gastwirts gerecht, die er als Gewerbetreibender erlaubterweise berücksichtigen darf. Innerhalb dieses Rahmens braucht sich der Gastwirt daher rechtlich auch nicht darum zu kümmern, auf welche Weise der Gast heimzukehren gedenkt.“

Ähnlich verhält es sich in vielen anderen Konstellationen des übrigen Wirtschafts- und Zusammenlebens, wo das Primat der Eigenverantwortung gilt und dem Vertrauensgrundsatz entsprechend in der Regel jeder davon ausgeht – und auch ausgehen darf –, dass sein Gegenüber kein potentieller Straftäter ist:[31]

„Grundsätzlich ist (zwar) davon auszugehen, daß Bewußtsein und Wille eines Rechtsanwalts bei Erteilung eines Rechtsrats in der Regel darauf gerichtet sind, pflichtgemäß Rat zu erteilen, und nicht etwa darauf, eine Straftat zu fördern (…).“

5. Der eigene Standpunkt

Bei der Problematik der Strafbarkeit „berufsneutralen“ Verhaltens geht es nach dem hier zugrunde liegenden Verständnis weniger um einen privilegierenden Schutz oder um Kriterien für die Begrenzung oder Einschränkung der Beihilfestrafbarkeit.[32] Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen sollte die Sozialadäquanz beruflichen Verhaltens dem Grunde nach feststehen und grundsätzlich nicht weiter erläuterungs- oder gar begründungsbedürftig sein. Andererseits kann ein nicht mehr sozialadäquates Verhalten nicht allein deshalb privilegiert werden, weil es formal berufsrechtlichen Regeln entspricht oder noch allgemeiner im Rahmen beruflicher Tätigkeit stattfindet. Letztlich geht es vor allem darum, die strafbaren Sonderfälle zu ermitteln und von nicht strafbarer Tätigkeit abzugrenzen.

6. Die Auffassungen zur Strafbarkeit des berufsneutralen Verhaltens

Im Zentrum der Diskussionen steht eine in der Rechtsprechung des BGH in einem Beschluss vom 20.09.1999 entwickelte Formel, die auf Roxin[33]zurückgeht. Diese Formel ist seither durchgängig Grundlage gerichtlicher Entscheidungen:

„Danach sind für die Beihilfestrafbarkeit bei berufstypischen „neutralen” Handlungen die folgenden Grundsätze zu beachten: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter”; es ist als „Solidarisierung” mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derArt. hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ.“

Kudlich hat dieser Rechtsprechung vorgeworfen, keine vertiefende eigene Argumentationsbasis erarbeitet zu haben, sondern stattdessen ihre Grundsätze ohne nähere Begründung formuliert und angewendet zu haben[34]. Der BGH hat sich dann immerhin für Bankgeschäfte näher mit den in der Literatur gerade dazu vertretenen Ansichten auseinandergesetzt[35] und die vorstehende Formel unverändert zur Grundlage seiner Entscheidungen gemacht.

Allerdings ist sie bei näherer Betrachtung keineswegs eindeutig: Die fehlende Klarheit des Ausgangspunktes und die mit der Anwendung verbundenen Probleme wurden bereits oben skizziert und sie werden in den Begründungen diverser Entscheidungen deutlich: In einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 hat der 4. Senat des BGH – wie auch sonst – die Auffassung vertreten, als Beihilfe komme jede Handlung in Betracht, welche die Tat irgendwie objektiv fördere.[36] Nur selten wurde das Verhalten der Angeklagten als Teil des objektiven Tatbestandes näher geprüft. Der BGH hat – wie in der Entscheidung i.S. Mannesmann/Vodafone – zumeist die subjektive Ebene als Bezugspunkt für die rechtliche Prüfung einer Begrenzung der Strafbarkeit betont[37]. Dieses Vorgehen hat möglicherweise auch die Instanzgerichte dazu „verführt“, bei ihren Prüfungen die Frage der objektiven Zurechenbarkeit bzw. die Prüfung objektiver Kriterien – systematisch ohnehin bedenklich[38] – zugunsten eines Fokus auf den subjektiven Tatbestand zu vernachlässigen.[39] Allerdings hatte der BGH die objektive Ebene immer wieder, wenn auch nicht kontinuierlich, in Bezug genommen.[40] In jedem Fall ist offen geblieben, ob bei der Beurteilung berufsneutralen Verhaltens die Lösung auch auf der objektiven oder nur auf der subjektiven Ebene zu suchen ist.[41]

Diese Unklarheiten haben sich in den Entscheidungen der Instanzgerichte niedergeschlagen, die der BGH, wie unten unter V. noch zu zeigen sein wird, in sehr vielen Fällen aufgehoben hat, weil ihm Feststellungen zu dem Verhalten, das dem Berufsträger im jeweiligen Fall konkret vorgeworfenen wurde, fehlten. Angesichts der Betonung der subjektiven Ebene durch den BGH selbst, sind diese Entscheidungen der Instanzgerichte freilich kaum erstaunlich.

7. Klarstellung durch den BGH selbst

Mit seiner Entscheidung vom 22.01.2014 hat der 5. Senat BGH in größerem Maße für Klarheit gesorgt und sein Verständnis von den berufsneutralen Handlungen sowie das daraus folgende Prüfungsprogramm wie folgt formuliert:[42]

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind für die Beihilfestrafbarkeit bei berufstypischen „neutralen” Handlungen die folgenden Grundsätze zu beachten: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter”; es ist als „Solidarisierung” mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derArt. hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH, Beschl. v. 20.9.1999 – 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20; BGH, Urt. v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112 ff.; Schünemann in LK, 12. Aufl., § 27 Rn. 19).

Diese Grundsätze dienen im Wesentlichen der Begrenzung von strafbarem Beihilfeunrecht bei Verhaltensweisen, „die der Ausführende jedem anderen in der Lage des Täters gegen-über vorgenommen hätte, weil er mit der Handlung – im Vorhinein (auch) – tat- und täter-unabhängige eigene, rechtlich als solche nicht missbilligte Zwecke verfolgt” (Wohlleben, Beihilfe durch äußerlich neutrale Handlungen, 1996, S. 4; Schünemann aaO Rn. 17). Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen sich der fördernde Beitrag des Gehilfen bereits objektiv nicht als strafbare Beihilfe darstellt, und denjenigen, in denen subjektive Gründe einer Strafbarkeit entgegenstehen.

Aus objektiven Gründen kann eine strafbare Beihilfe zu verneinen sein, wenn dem Handeln des – um die bevorstehende Deliktsverwirklichung wissenden – Täters der „deliktische Sinnbezug” (Schünemann aaO Rn. 18) fehlt, weil das vom Gehilfen geförderte Tun des Haupttäters nicht allein auf die Begehung einer strafbaren Handlung abzielt und der Beitrag des Gehilfen auch ohne das strafbare Handeln des Täters für diesen sinnvoll bleibt (vgl. Schünemann aaO), der Gehilfe mithin zwar den Täter, nicht aber unmittelbar dessen strafbares Tun durch seinen Beitrag unterstützt.

Subjektiv besteht insoweit Anlass zu einer Begrenzung der Beihilfestrafbarkeit, als der Außenstehende eine deliktische Verwendung seines Beitrags durch den Täter zwar für möglich hält – also mit dolus eventualis handelt – aufgrund des Alltagscharakters seines Tuns aber darauf vertrauen darf, dass der andere dieses nicht zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat ausnutzen wird (vgl. Schünemann aaO Rn. 19; näher zum Vertrauensgrundsatz Roxin, FS Tröndle, 1989, S. 177). Indem der Bundesgerichtshof in den Fällen, in denen der Hilfeleistende nicht weiß, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, die Strafbarkeit davon abhängig macht, ob das vom Hilfeleistenden erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten derArt. hoch ist, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein lässt, wird sichergestellt, dass sich niemand durch bloße Mutmaßungen über die Möglichkeit einer strafbaren Verwendung von alltäglichen, sozial nicht unerwünschten Handlungen abhalten lassen muss.“

8. Bewertung dieser Klarstellung

Mit dieser Entscheidung hat der BGH auf den ersten Blick seine bisherige Linie konkretisiert. Bei genauerer Betrachtung aber hat er seinen ursprünglichen Ausgangspunkt verlassen. Denn es geht nun nicht mehr um eine vorauseilende Begrenzung eines grundsätzlich für strafwürdig erachteten Verhaltens, was nämlich der Kern der alten Prämisse und der in der Literatur geführten Diskussion war: Vielmehr geht es nun in erster Linie um eine auf der Ebene des objektiven Tatbestandes liegende Gesamtbewertung des Tatgeschehens und der Überprüfung des Handelns des Berufsträgers darauf, ob es sich mit hinreichendem Gewicht und einer zu missbilligenden Weise im Taterfolg niedergeschlagen hat.

Dieses Vorgehen kann man als unbestimmt kritisieren und auch monieren, dass sich der BGH damit die Möglichkeit offenhalte, jedes ihm nicht passende, gleichwohl aber stimmige Tatgerichtsurteil aufzuheben, was erhebliche Abgrenzungsprobleme berge, wie Putzke[43] meint. Die Möglichkeit der Aufhebung der Instanzentscheidungen besteht allerdings – nahezu – immer. Immerhin birgt die nun im – neuen – ersten Schritt auf der objektiven Ebene zu suchende Lösung eine höhere Stringenz i.S. der allgemeinen Lehren. Zweitens ermöglicht das Vorgehen eine auf die objektiven Kriterien bezogene Auseinandersetzung mit dem äußeren Tatgeschehen anstelle einer vorschnellen Verlagerung der Tatbewertung auf die Ebene des Vorsatzes. Angesichts des Umstandes aber, dass der BGH vor allem in der Vergangenheit eine Vielzahl von Instanzentscheidungen aufgehoben hat, durch die die Berufsträger verurteilt wurden, weil nur die innere Tatseite beurteilt wurde, schafft der BGH mit diesem Ansatz auch ein Mehr an beruflichem Freiraum und damit an Sicherheit.

Unklar bleibt jedoch der Bezugspunkt für die hier – immer noch – von dem BGH angesprochene „Solidarisierung mit dem Täter“. Diesen Gedanken hat der BGH – soweit erkennbar – bislang zweimal in Entscheidungen herangezogen[44]. In beiden Fällen wurden die Angeklagten verurteilt. Der Gedanke der „Solidarisierung mit dem Täter“ hatte dabei stets nur im Fazit, nie aber in der Prämisse eine Rolle gespielt, er war also nie entscheidungserheblich. Er beruht auf einer die Strafwürdigkeit erläuternden Formulierung Roxins:[45](…) das Tun verliert dann seinen Alltagscharakter und ist als Solidarisierung mit dem Täter zu deuten.“ Diese Wendung fasst die hinter der Prüfung stehenden Wertungen treffend zusammen, weil sie einerseits eine grundsätzlich strafwürdige Nähe und andererseits einen Mangel an professioneller Distanz zum Ausdruck bringt. Die Formulierung birgt allerdings die Gefahr eines Gesinnungsstrafrechts.[46] Die Bewertung des Gehilfenhandelns als Ausdruck vorhandener oder fehlender Solidarisierung mit dem Täter kann daher die Überlegungen immer nur abrunden, sie jedoch nie begründen.

9. Fazit

Betrachtet man den aktuellen Stand der Rechtsprechung zur Strafbarkeit berufsneutralen Verhaltens, so ist aufgrund der Entwicklungen der Rechtsprechung zur Beihilfe im Allgemeinen und aufgrund der Entscheidung vom 22.01.2014 festzustellen, dass sich die Grundsätze zunehmend „normalisieren“, indem sich die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens von Berufsträgern zunehmend den allgemeinen Grundsätzen annähert. Dies ist zu begrüßen, weil die Rechtsanwendung damit systematisiert wird. Verbunden ist damit auch ein – ebenfalls zu begrüßender – anderer Blick auf das Verhalten der Berufsträger: Indem schon auf der Ebene des objektiven Tatbestandes das Verhalten kritisch gewürdigt wird, dürfte sich in Zukunft ein – noch – höheres Maß an Rechtssicherheit einstellen. Zugleich wird damit eine Art. Entkriminalisierung bewirkt.

V. Anwendungsfälle aus der Rechtsprechung

Die Bedeutung und die Notwendigkeit der Einzelfallbetrachtung wurden hier bereits mehrfach betont. Die folgenden Fälle mögen dies belegen und auch einen das Verständnis schärfenden Eindruck davon geben, wie die Rechtsprechung berufliches Verhalten in verschiedenen Fallgruppen beurteilt. Gerade für den anwaltlichen und den steuerberatenden Bereich liegen neuere Entscheidungen vor, die es auch im Hinblick auf die zuvor zitierte Entscheidung des BGH vom 22.01.2014 zu würdigen gilt. Ungeachtet dessen zeigt schon die Anzahl der in der jüngeren Vergangenheit entschiedenen Fälle, dass das berufliche Verhalten der im Bereich der Wirtschaft tätigen Berater zunehmend in den strafrechtlichen Fokus gerät. Dies gilt auch für Berufe, die kein typisiertes Bild haben, auf die abschließend eingegangen wird.

1. Anwaltliche Tätigkeiten

Rechtsanwälte werden in verschiedenen Zusammenhängen für Mandanten, seien es Unternehmen oder Einzelpersonen, tätig. Für die zutreffende Bewertung ihrer jeweiligen Tätigkeit als strafbare Beihilfe kommt es zunächst darauf an, diese konkret zu erfassen. Dies hat der BGH in verschiedenen Entscheidungen zum Ausdruck gebracht. Denn je nach Tätigkeit galten und gelten unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe.

a) Gegenständliche Betrachtung

Der BGH differenziert allgemein zwischen berufstypischen Handlungen und sonstigen Tätigkeiten. Dabei ist der Ausgangspunkt für eine – nach dem Verständnis des BGH – privilegierende Betrachtung stets das erteilte Mandat[47]:

„Nach den Urteilsfeststellungen erbrachte die Angeklagte alle in Rede stehenden Leistungen aufgrund einer Beauftragung als Rechtsanwältin. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, sind die vom Landgericht festgestellten lediglich abstrakt umschriebenen Aktivitäten der Angeklagten (Vertretung gegenüber dem Finanzamt und anderen Behörden, Tätigkeit als Zeugenbeistand, Erstellung von Musterformularen etc.) allesamt dem Spektrum berufstypischer Handlungen zuzuordnen.“

Für sein Verständnis als berufstypisch hat der BGH an anderer Stelle[48] erkennen lassen:

„Allerdings ist die Erstellung der Broschüre durch den Angeklagten – entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers – nicht von vornherein lediglich als (strafloser) Rechtsrat eines Rechtsanwalts im Rahmen seiner Berufsausübung anzusehen. Die Tätigkeit des Angeklagten ging über eine nur „neutrale“ anwaltliche Rechtsberatung hinaus (vgl. zur Tätigkeit eines Notars: BGHR StGB § 266 Abs. 1 Beihilfe 3).“

Und noch weiter führte der BGH zur Tätigkeit eines Notars aus[49]:

„Danach war er zunächst mit rein notariellen Aufgaben betraut (Beurkundung einer Generalvollmacht …); in der Folgezeit wurde er jedoch vermehrt in die (…) Vermögensanlageplanungen einbezogen. (…) Bei dieser Sachlage war der Angeklagte nicht mehr der Außenstehende, der darauf vertrauen konnte, sich bei seiner notariellen Tätigkeit im Rahmen eines erlaubten Risikos zu bewegen. Er überschritt vielmehr das ihm berufstypisch erlaubte Risiko und ließ sich die Förderung der „erkennbar tatgeneigten Täter“ (…) angelegen sein“ (…). Aufgrund der ihm bekannten Umstände hätte er die Mitwirkung beim Vertragsabschluß vielmehr mit Blick auf seine Berufspflichten (§ 14 Abs. 2 BNotO) versagen müssen.“

b) Zwischenergebnis

Schon bei der Frage, welches Verhalten eines Berufsträgers strafrechtlich beurteilt werden soll, ist eine differenzierte Betrachtung geboten. Diese ist an den für den Berufsträger geltenden gesetzlichen Regelungen als erster Ausdruck dessen zu messen, welches Verhalten die Allgemeinheit erwartet und für angemessen hält.

Dies ist für den Notar noch relativ einfach möglich, weil das Berufsbild vergleichsweise eng und die Pflichten konkret bestimmt sind. Für den Anwalt ist Ausgangspunkt die Unterscheidung zwischen der Beratung und Vertretung (vgl. § 2 BRAO). Die Rechtsgestaltung, sei es mit einer ausdrücklichen oder einer – wie bei der Vertragsgestaltung – mittelbaren Verhaltensempfehlung ist jedenfalls dann noch der „berufstypischen“ Beratung zuzuordnen, wenn und soweit diese i.S.d. Stellung eines Rechtsanwaltes unabhängig vorgenommen wird. Davon ausgehend ist im konkreten Fall zu fragen, ob die jeweilige Tätigkeit noch im Rahmen dessen liegt, was mit Blick auf die Rechtsposition des Mandanten und des Anwaltes objektiv angemessen und akzeptabel ist.

c) Vertretung durch eine Rechtsanwältin

Mit einer umfassenden Tätigkeit durch eine Rechtsanwältin hatte sich der BGH[50] zu befassen. In der Ausgangsentscheidung hatte das LG die Angeklagte wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe verurteilt. Die Angeklagte war dauerhaft und umfassend für ein Unternehmen des Schrotthandels tätig. Unter Einschaltung von Strohmännern und unter Verwendung von Vollmachten praktizierte das Unternehmen schon vor der Mandatierung ein Handels-Modell, das den Vorsteuerabzug ermöglichte. In der Folgezeit haben die Unternehmensverantwortlichen weder das Modell noch dessen Umsetzung der Angeklagten gegenüber offen angesprochen. Die Angeklagte ging offenbar davon aus, dass das Modell legal war, riet zur Durchführung einer Außenprüfung und erstellte Gutachten, in denen sie das Modell für zulässig erklärte. Erst viel später, als die Steuerfahndung Ermittlungen aufgenommen hatte, reifte die Erkenntnis, dass das Verhalten der Mandantin steuerstrafrechtlich kritisch war. Die Angeklagte vertrat und verteidigte ihre Mandantin gleichwohl auf der bisherigen Linie und setzte diese selbst dann noch fort, als einer der Geschäftsführer von einem anderen Anwalt auf die seines Erachtens bestehende Strafbarkeit des Verhaltens hingewiesen wurde.

Der BGH hob mit Beschluss vom 21.12.2016[51] die Verurteilung auf. In den Gründen bezieht sich der 1. Senat auf die Entscheidungen des 5. Senats vom 22.01.2014[52]und moniert die Feststellungen zum Tatvorwurf:

„Das Landgericht verhält sich schon nicht dazu, in welchen Handlungen der Angeklagten es die Tatbeiträge sieht, mit denen die Angeklagte die Steuerhinterziehungen von U. und B. unterstützt haben soll. Es verweist lediglich abstrakt auf deren „sonst dem Bereich der allgemeinen Anwaltstätigkeit zuzuordnenden Aktivitäten“. Damit löst sich die vom Landgericht vorgenommene Prüfung des Tatvorsatzes rechtsfehlerhaft von konkreten Anknüpfungspunkten im Verhalten der Angeklagten.“

Zudem stünden die Tätigkeiten in einem typischen Zusammenhang mit dem beruflichen Verhalten. Die an die Begründung des Vorsatzes zu stellenden Anforderungen hatte das LG nicht erfüllt.

Obwohl der 1. Senat in dem der Prüfung zugrunde gelegten Obersatz auch die Entscheidung des 5. Senats zitiert hat, ist er auf die Frage nach dem „deliktischen Sinnbezug“ der Tätigkeit nicht näher eingegangen. Die bereits eingangs zitierte Passage aus dem Urteil, in der das Gericht auf das der Beklagten erteilte Mandat verweist, das die Grundlage ihres Handelns war, indiziert, dass der BGH bei anwaltlicher Tätigkeit sehr zurückhaltend ist bei der Annahme eines – objektiven – deliktischen Sinnbezugs. Zu Recht: Wie sonst könnte anwaltliche Tätigkeit in ihrer auch rechtsstaatlich bedeutsamen Funktion wahrgenommen werden? Hier gilt nichts anderes als für die Strafbarkeit wegen Geldwäsche durch die Annahme von Honoraren.[53]

Allerdings hätte die in Bezug genommene Entscheidung des 5. Senates hier durchaus Anlass gegeben, die Feststellungen des Landgerichts gerade mit der Begründung aufzuheben, dass schon auf objektiver Ebene hohe Anforderungen an ein strafbares Verhalten anwaltlicher Tätigkeit zu stellen sind, wenn deren Tätigkeit typisch mandatsbezogen ist, also gegenüber dem Rechtsuchenden „professionell“ erbracht wird. Dass hier vor allem auf den fehlenden Vorsatz abgestellt wird, wird der notwendigen objektiven Beurteilung „typischer“ anwaltlicher Tätigkeit nicht gerecht.

d) Forderungsschreiben

Ein Rechtsanwalt hatte für einen Mandanten gegen dessen Versicherungen vorprozessual Ansprüche aus fingierten Unfällen geltend gemacht. Zu einer Auszahlung von Versicherungsleistungen kam es in beiden Fällen nicht. Das Landgericht war überzeugt, dass dem Angeklagten, nachdem er in zwei vorausgegangenen Fällen jeweils Schreiben der Versicherungen erhalten hatte, in denen diese die Auszahlung der erhobenen Forderungen wegen fehlender Plausibilität und Kompatibilität der Schäden verweigerten, die Betrugsabsichten der Mandanten bewusst waren. „Um im hArt. umkämpften Anwaltsmarkt keinen Mandanten zu verlieren“, sei der Angeklagte jedoch weiterhin bereit gewesen, für die Mitangeklagten tätig zu sein.[54] Der BGH hielt die durch das Landgericht getroffenen Feststellungen für nicht hinreichend. Ein Wissen um die intendierte Straftat sei nicht belegt:

„Das mehrfache Auftreten von Ersatzansprüchen der Eheleute T. innerhalb von mehr als drei Jahren hätte zwar Anlass sein können, an der Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche zu zweifeln, das Wissen um die Nichtberechtigung der Ansprüche folgt daraus – auch mangels näherer Auseinandersetzung des Landgerichts mit den Abläufen in der Kanzlei des Angeklagten und seiner Vorstellung über die Beschäftigung der Eheleute T. – indes nicht. Der Beweiswert der ablehnenden Schreiben der Versicherung lässt sich angesichts der kargen Feststellungen hierzu nicht beurteilen.“

Zu einer näheren Auseinandersetzung mit den Grundsätzen berufsneutralen Verhaltens gelangt der Senat hier nicht, da er die instanzgerichtlich getroffenen Feststellungen moniert. Nachdem der 1. Senat auch hier die Entscheidung des 5. Senats vom 22.01.2014 zitiert, hätte sich angeboten, bereits auf der objektiven Ebene klarzustellen, das Abfassen von Forderungsschreiben an eine Versicherung für sich genommen bereits objektiv für ein strafbares Verhalten ausscheidet, weil es speziell in Ausübung des erteilten Mandats erfolgte. Anders kann dies nur beurteilt werden, wenn weitergehende – objektive – Umstände festgestellt werden, auf die sich – subjektiv – Wissen und Wollen des Angeklagten bezogen haben. Immerhin gibt das Gericht folgenden Hinweis:

„Das neue Tatgericht wird jedoch die dem Angeklagten vorgeworfenen Beihilfehandlungen umfassend in objektiver und subjektiver Hinsicht zu überprüfen und hierzu insgesamt neue Feststellungen zu treffen haben.“

e) Forderungseinzug

Anzusprechen ist an dieser Stelle noch kurz die bereits mehrfach zitierte Entscheidung des 5. Senats vom 22.01.2014[55]. Diese betrifft zwar nicht genuin anwaltliche Tätigkeiten, aber den Lastschrifteinzug durch einen Anwalt, wobei die entsprechenden Forderungen durch einen Telefonverkäufer betrügerisch erlangt worden waren:

In einem Telefonat mit den Tätern hatte der Angeklagte geäußert: „Wenn ich die Zahlen alleine zugrunde lege, die Statistiken, die wir haben … Wenn ich diese Quoten nehme, dann weiß ich, dass Sie negativ verkaufen und dass da auch ganz schlecht verkauft wird.” Das LG hat auf diese Äußerung sowie auf die dem Angeklagten bekannten statistischen Werte der Rücklastschriftquoten das Wissen um die Haupttat und auf den Umstand, dass ohne den Lastschrifteinzug die Haupttat nicht möglich gewesen wäre, die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum versuchten gemeinschaftlichen Betrug gestützt. Der BGH hielt die durch das LG in Bezug genommenen Grundsätze zur Strafbarkeit berufsneutralen Verhaltens für falsch angewendet[56]:

„In objektiver Hinsicht stehe der „deliktische Sinnbezug” des in der Durchführung des Lastschrifteinzugs liegenden Beitrags des Angeklagten außer Zweifel, weil das Handeln der Haupttäter nach den insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts ausschließlich auf die Begehung von Betrugstaten abzielte.

Die Feststellungen belegen jedoch nicht das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen einer strafbaren Beihilfe. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich das betrügerische Geschäft der W. angelegen sein lassen, weil er gewusst habe, dass das Risiko zahlreicher nicht gerechtfertigter Abbuchungen nicht nur extrem hoch gewesen sei, sondern bei 100 % gelegen habe, beruht auf einer nicht ausreichend tatsachengestützten und daher unzureichenden Beweiswürdigung.“

f) Fazit

Der BGH legt für die Strafbarkeit – zu Recht – hohe Maßstäbe an. Die jüngsten Entscheidungen lassen erkennen, dass auch der 1. Senat die von dem 5. Senat vorgenommene und zu begrüßende Würdigung der bzw. Differenzierung zwischen objektiven und subjektiven Elemente(n) aufgegriffen hat. In der Sache gilt, dass jedenfalls bei einer mandatsbezogenen und typischen anwaltlichen Tätigkeit eine strafbare Beihilfe fernliegt. Je weiter der Anwalt gestaltend und steuernd in das operative Geschehen eingreift, desto näher rückt er an die Grenze der Strafbarkeit.

2. Steuerberatung

Der Steuerberater leistet nach § 32 Abs. 1 StBerG geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen. Er ist also hauptberuflich Gehilfe – wenngleich die Vorschrift dabei sicherlich kein Hilfeleisten im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB im Blick hat. Vielmehr haben die Steuerberater „die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten […] und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten“, § 33 S. 1 StBerG. Man darf also grundsätzlich unterstellen, dass der Steuerberater sich bei der Wahrnehmung seiner Tätigkeit rechtmäßig verhält.

Wo aber verlässt entweder der Auftrag als solcher den legalen Bereich oder der Steuerberater diesen bei der Erfüllung seiner an sich rechtmäßigen Aufgabe?

a) Abgabe unrichtiger Steuererklärung – Honorarsplitting

In diesem durch den 1. Senat des BGH in 2014 entschiedenen Fall[57] hatte das LG einen Steuerberater zu einer Haftstrafe verurteilt, weil dieser Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet haben soll. Seine Mandanten waren Ausländer, die in Deutschland selbständig tätig waren. Ihre Leistungen rechneten sie gegenüber ihren Auftraggebern über eine Abrechnungsagentur ab, die ihnen einen Teil des Geldes auf ein inländisches und den anderen Teil auf ein ausländisches Konto überwies. Von dem Honorarsplitting hatte der Angeklagte zunächst keinerlei Kenntnis. Aufgrund der Angaben seiner Mandanten fertigte er deren Steuererklärungen für den auf Deutschland entfallenden Lohnanteil. Später erfuhr er von dem Honorarsplitting und dem Ziel der Steuerverkürzung, ohne aber Informationen über die Höhe der ins Ausland geleisteten Zahlungen zu haben.

Der 1. Senat des BGH hob die Verurteilung – für das vorliegende Ziel bedauerlich – bereits auf die Verfahrensrüge des Angeklagten hin auf, weil das LG einen Beweisantrag zu Unrecht übergangen hatte.[58] Widersprüchlich seien zudem die Feststellungen des Landgerichts zum Gehilfenvorsatz gewesen. Die von dem BGH entwickelten Grundsätze zum berufstypischen Verhalten hatte das LG allerdings – soweit erkennbar – nicht herangezogen, so dass der 1. Senat für die Neuverhandlung einen entsprechenden Hinweis gegeben hat. Dabei bezieht er zwar die Entscheidung des 5. Senats vom 22.01.2014 in den Hinweis ein, beschränkt sich inhaltlich aber auf die Wiedergabe lediglich des ersten Absatzes zum Prüfungsprogramm, also die ursprüngliche Definition, ohne dabei auf die Differenzierung zwischen objektiver und subjektiver Ebene näher einzugehen.

In objektiver Hinsicht wäre hier in Umsetzung der durch den 5. Senat vorgegebenen Linie von Bedeutung, ob der Steuerberater eine Beihilfe dadurch leistete, dass er eine von ihm im Rahmen der Möglichkeiten zutreffend vorbereitete Steuerklärung abgegeben hat, deren Unvollständigkeit er dem Grunde nach zwar erkennt, die er aber mangels Kooperationsbereitschaft des Steuerpflichtigen inhaltlich nicht vervollständigen kann. Sollte man dies unter Würdigung auch der sonstigen objektiven, den Sachverhalt prägenden Umstände annehmen, wozu auch Überlegungen des Alternativverhaltens gehören können,[59] dann wäre die Grenze zur Strafbarkeit objektiv überschritten. Hatte der Steuerberater hinreichende Kenntnis, wofür je nach Fallgestaltung dolus eventualis genügend wäre, so wäre eine Verurteilung naheliegend.

b) Einreichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen – Umsatzsteuerkarussell

Hinweise darauf, wie der BGH die vorstehend umrissene Frage beantwortet, lassen sich der Entscheidung des 1. Senats vom 22.07.2015[60] entnehmen. In dem Fall ging es um Umsatzsteuervoranmeldungen im Zusammenhang mit Emissionszertifikaten. Der als Haupttäter angeklagte Geschäftsführer hatte gegenüber seinen Steuerberatern Umsatzsteuerzahlungen als Vorsteuer geltend macht, obwohl er wusste, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligte. Die ebenfalls angeklagten Steuerberater hatten zwar keine Kenntnis von der Rolle der von ihnen beratenen Gesellschaft, hielten es aber für höchstwahrscheinlich, dass die Gesellschaft in der Vergangenheit über keine Betriebsstätte in Deutschland verfügte und daher in diesem Zeitraum deutsche Umsatzsteuer nicht ausweisen und einen Vorsteuerabzug nicht vornehmen durfte. Gleichwohl reichten die angeklagten Steuerberater korrigierte Steuervoranmeldungen ein, auf die dann Gutschriften erteilt wurden.

Der Steuerberater erkannte zwar nicht das Umsatzsteuerkarussell als solches, wohl aber die Tatsache, dass das Unternehmen in dem vorangemeldeten Zeitraum nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Im Ergebnis wertete der BGH dies als Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung, ohne allerdings auf Fragen des berufstypischen Verhaltens eingegangen zu sein.

c) Keine Beihilfe durch bloße Buchführung und Erstellung von Jahresabschlüssen

Das OLG Köln hat in einem Beschluss Ende des Jahres 2010 klargestellt, dass keine strafbare Beihilfe vorliegt, wenn der Steuerberater im Rahmen seiner Beauftragung nur für die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten des Steuerpflichtigen – wie die ordnungsgemäße Buchführung und die Erstellung eines Jahresabschlusses – sorgt.[61] Dies gelte auch dann, wenn sich der Steuerpflichtige in der Krise befinde.

Zur Begründung seiner Entscheidung verweist das OLG Köln zunächst auf die zuvor zitierte ständige Rechtsprechung und führt dazu weiter aus:

„Das in Rede stehende Verhalten der Beschuldigten ist – jedenfalls vor dem Hintergrund der Erklärungen des Geschäftsführers und seiner (schließlich auch verwirklichten) Bereitschaft, eigenes Vermögen zur Rettung der GmbH einzusetzen – als noch „berufstypisch“ und „sozialadäquat“ im Sinne der oben unter II. 3. dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze zu bewerten. Zutreffend heißt es im Bescheid des Generalstaatsanwalts: „Hier ist zu ihren Gunsten nicht zu übersehen, dass die Beschuldigte mehrfach auf die schlechte finanzielle Situation des Unternehmens und die Konsequenzen einer möglichen Insolvenzverschleppung hingewiesen und ihm pflichtgemäßes Handeln eindringlich nahegelegt hat. Die Annahme, sie habe sich hier mit dem Firmeninhaber zu einer strafbaren Handlung solidarisiert (…) liegt fern.“

Diese Entscheidung überzeugt, deckt sie sich doch mit dem gesetzlichen Auftrag des Steuerberaters, dem Steuerpflichtigen bei der Erfüllung dessen steuerlicher Pflichten Hilfe zu leisten. Diese Pflichten – ebenso wie die handelsrechtlichen Pflichten, also etwa die Buchführungspflicht – bestehen auch in der Krise fort. Mehr noch: Werden bei Überschuldung oder drohender bzw. eingetretener Zahlungsunfähigkeit Handelsbücher nicht mehr ordentlich geführt oder entgegen dem Handelsrecht keine Bilanzen erstellt, droht – ggf. neben der Strafbarkeit nach § 15a InsO – eine strafrechtliche Verfolgung wegen Bankrotts, § 283 StGB.[62] Vor dieser muss der steuerliche Berater seinen Mandanten bewahren. Hat er daneben noch auf die (bestehende oder drohende) Insolvenzreife hingewiesen, bleibt kein Raum mehr für strafrechtliche Vorwürfe gegen den steuerlichen Berater.[63] Ein Niederlegen des Mandates kommt in dieser Konstellation nicht in Betracht. Etwas anderes gilt möglicherweise, wenn der Steuerberater auch in Fragen der Sanierung berät (s.u.).

3. Tätigkeiten ohne typisches Berufsbild

a) Sanierungsberatung

Ob es im Bereich der Sanierungsberatung berufstypische Sachverhalte gibt, die schon bei objektiver Betrachtung und trotz ihrer Nähe zu Insolvenzdelikten als rechtlich zu billigen und sozialadäquat anzusehen sind, mag dahinstehen. Für Sanierungsberater besteht eine besondere Gefährdungslage. Denn der Sanierungsberater berät einerseits Personen, die – wie er selbst auch – den wirtschaftlichen Erfolg des kriselnden Unternehmens anstreben. Andererseits bewegen sich die Mandanten im oder jedenfalls an der Grenze zum Normbereich des § 15a InsO. Sie sind Adressaten der strafbewehrten Pflicht zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrages, wobei die Stellung des Insolvenzantrags als das gemeinsame Scheitern der Rettungsbemühungen von Sanierer und Mandant angesehen werden kann. Es ist überraschend, dass zu dieser risikoträchtigen Konstellation bislang – soweit ersichtlich – keine höchstrichterlichen Entscheidungen vorliegen.

Ungeachtet dessen dürfte wohl gelten: Nach dem Auftrag ist zu unterscheiden zwischen der reinen Steuerberatung und der Sanierungsberatung.[64] Die reine Steuerberatung ist – wie zuvor gesehen – auch in der Krise „neutral“. Deliktisch nicht neutral ist hingegen die fortgesetzte Sanierungsberatung, wenn die Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht erfüllt sind. Da der Sanierungsberater in der Regel die wirtschaftliche Situation kennt, kommt wohl regelmäßig eine Strafbarkeit wegen psychischer Beihilfe in Betracht, wenn der Berater über den Zeitpunkt hinaus, in dem die Anmeldevoraussetzungen erfüllt sind, seine Tätigkeit fortsetzt. Der zudem zur zivilrechtlichen Haftungsvermeidung gebotene Hinweis auf die Antragspflicht[65] dürfte dann kaum genügen, weil der Berater dem Mandanten durch sein Handeln das Gefühl vermittelt, er glaube noch an die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens.

b) Broschürenerstellung

Abschließend sei hier auf eine der Ausgangsentscheidungen des BGH[66]zu dieser Thematik hingewiesen.

Der Angeklagte, im Hauptberuf Rechtsanwalt, hatte für eine Gesellschaft, die betrügerisch Kapitalanlagen vermittelte, eine sachlich richtige und für sich genommen unverfängliche Broschüre erstellt, in der Warentermingeschäfte erläutert wurden. Diese Broschüre schickte das Unternehmen potentiellen Kunden zu, um ihnen sodann durch Telefonverkäufer schädigende Finanzprodukte zu verkaufen.

Der BGH stellt die Erstellung der Broschüre durch den Angeklagten in den richtigen Kontext: Es handelt sich nicht um von vornherein als straflos anzusehenden Rechtsrat eines Rechtsanwalts im Rahmen seiner Berufsausübung, sondern um eine davon abweichende Tätigkeit. Obgleich die Tätigkeit nicht ohne weiteres als unbedenklich anzusehen war, hob der BGH die Verurteilung wegen der unzureichenden Beweiswürdigung durch das LG auf: Die dem Angeklagten nachweislich bekannten Umstände von der für die Kunden nachteiligen Preisgestaltung und die Vermarktung durch Telefonverkäufer genügten dem BGH in der Gesamtschau nicht für eine Verurteilung. Zumal der BGH hier letztlich im Zusammenhang mit der Erstellung der Broschüre ein schützenswertes Vertrauen des Angeklagten angenommen hat:[67]

„Auch die konkreten Anhaltspunkte, die der Angeklagte für einen solchen Fall aus einem Zivilprozeß erfahren hatte, reichen zum Beleg einer so weitgehenden generellen Bösgläubigkeit nicht aus. Immerhin war in jenem Fall noch ein anderer Prospekt verwendet worden; gerade das Zivilverfahren war vermutlich Anlaß für die Umstellung der Werbung auf den vom Angeklagten verfaßten inhaltlich zutreffenden Prospekt. Danach durfte sich der Angeklagte als außenstehender Berater darauf verlassen, daß die Telefonverkäufer zu hinreichend seriöser Kundenwerbung angehalten würden.“

c) Technische Unterstützung und Zuarbeit

Fragen nach der Beihilfestrafbarkeit der technischen Unterstützung oder Zuarbeit stellen sich nicht erst seit dem Dieselskandal, bei dem die Ermittlungen dem Vernehmen nach nun auch gegen Zulieferer der Automobilhersteller geführt werden.[68] Generell ist es die Folge einer zunehmend arbeitsteiligen und spezialisierten Wirtschaft, dass die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortung des Lieferanten für die Verwendung seiner Produkte durch den Besteller bzw. umgekehrt die Verantwortung des Bestellers für die Arbeitsbedingungen des Lieferanten[69] gestellt wird. Angesichts einer wohl nicht nur gefühlten Erweiterung der strafrechtlichen Betrachtung wirtschaftlichen Geschehens soll dieser Bereich zumindest mit einer Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz[70] skizziert werden.

Den rechtlichen Rahmen für die strafrechtlichen Fragen bildete ein Haftungsbescheid, den das Finanzamt gegen einen Hersteller von Kassensystemen für die Gastronomie erlassen hatte. Den Grund für die Haftung sah das Finanzamt darin, dass der Beschwerdeführer dem Steuerschuldner, einem Gastronom, eine mit einer Manipulationssoftware ausgestattete Kasse geliefert hatte. Durch die Verwendung der Software wurden die offiziellen Einnahmen reduziert und so Steuern i.H.v. ca. 2,7 Mio. Euro hinterzogen. Das Finanzgericht hat den Haftungsbescheid gegen den Lieferanten mit Blick auf die Beihilfehandlung bestätigt.

VI. Zusammenfassung

Die strafrechtliche Dimension des beruflichen Verhaltens stellt sicherlich für den jeweiligen Berufsträger ein erhebliches Risiko dar. Wie die vorstehenden Überlegungen gezeigt haben, wurde dieses in der Rechtsprechung des BGH stets mit Augenmaß gesehen. Dass der 5. Senat des BGH die Vorgaben für die Prüfung klargestellt und an die für die Beihilfe allgemein geltenden Vorgaben angenähert hat, ist zu begrüßen. Zu begrüßen ist weiter, dass der 1. Senat diese Vorgaben zumindest formal rezipiert hat. Es steht zu hoffen, dass sie sich auch in dessen Spruchpraxis auswirken werden.

Ob die Diskussion um die Strafbarkeit des berufstypischen oder neutralen Verhaltens nun in der Wissenschaft abebbt, kann hier nicht prognostiziert werden. Für die Praxis allerdings dürfte die neu fundierte Rechtsprechung des BGH dazu führen, dass die Instanzgerichte die Strafbarkeit eingehender prüfen werden, was ihnen angesichts der Klarstellung des Prüfprogramms auch leichter fallen dürfte. In der Folge dürften so schließlich die anwaltlichen Berater und Verteidiger weniger Schwierigkeiten haben, die Grenzen der Strafbarkeit beruflichen Handelns zu beurteilen. Dies ermöglicht eine gezieltere Beratung und effektivere Verteidigung.

[1] Joeck in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2017, § 27 Rn. 1.

[2] Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch 29. Aufl. 2014, § 27 Rn. 1.

[3] Vgl. etwa RG 58, 113; 67, 193; 71, 178; 73 54; BGH 2, 130; 54, 140; NJW 01, 2410; 12, 2293; NStZ 04, 500; 08, 264; NStZ-RR 09, 311. Aktuell etwa BGH NStZ 2016, 39 [40].

[4] RG 58, 113; BGH NStZ 85, 318; 95, 28; StV 95, 524 (hierzu Harzer StV 96, 336); BayObLG NStZ 99, 627; StV 00, 368; NJW 02, 1664 f.; OLG Düsseldorf StV 02, 312. A.A. die h.M. in der Literatur, s. Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Auflage 2017, § 20 Rn. 214 ff. m.w.N.

[5] BGH NJW 2017, 498 (500), mit Anm. Grünewald; vgl. auch Rommel NStZ 2017, 161, sowie Safferling JZ 2017, 255 [258].

[6] Kudlich, in: von Heintschel-Heinegg, Beck’scher Online-Kommentar zum StGB, Stand 01.08.2017, § 27 Rn. 3a.

[7] Kudlich, in: von Heintschel-Heinegg, Beck’scher Online-Kommentar zum StGB, Stand 01.08.2017, § 27 Rn. 7.

[8] BGH NStZ 2000, 31; BGH wistra 2008, 20; BGH NStZ 2012, 264; BGH, NStZ 2013, 463; NStZ 2017, 465 [466].

[9] BGH NStZ 2010, 171, mit Anm. Mosbacher NStZ 2010, 457 und Möller, StV 2010, 249.

[10] Joecks, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2017, StGB § 27 Rn. 4.

[11] BGH NStZ 2017, 274.

[12] Kudlich, in: von Heintschel-Heinegg, Beck’scher Online-Kommentar zum StGB, Stand 01.08.2017, § 27 Rn. 18.

[13] BGH NStZ 2016, 39 [40].

[14] BGH NStZ 2017, 274 [275].

[15] BGH NZWiSt 2017, 185 [186].

[16] BGH NJW 2000, 3010. Im Ergebnis ebenso BGH, Urt. v. 09.05.2017 – 1 StR 265/16, BeckRS 2017, 114578.

[17] Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Auflage 2017, § 20 Rn. 225 m.w.N.

[18] Vgl. Joecks, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2017, § 27 Rn. 39.

[19] BGH NStZ 2016, 463 [463, 464].

[20] S. beispielsweise BGH NStZ-RR 2016, 136.

[21] Vgl. etwa die Ausführungen in BGH NStZ 2010, 224 [225].

[22] BGH NStZ 1993, 233; NStZ 1996, 563. Anders noch: BGH StV 1982, 517 m. Anm. Rudolphi.

[23] So u.a. BGH NStZ-RR 2016, 136; NStZ 1993, 385; 1995, 490; NStZ-RR 2007, 37; StV 2014, 474; StraFo 2010, 339 f.

[24] Fischer, Strafgesetzbuch, 64. Auflage 2017, § 27 Rn. 15: „Die Strafbarkeit setzt genaue Feststellungen dazu voraus, wodurch die Tat in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde.“ Vgl. auch Ransiek, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, 58. Lfg. (September 2017), § 370 Rn. 176.

[25] BGH NZWiSt 2014, 139 (141): „Diese Grundsätze dienen im Wesentlichen der Begrenzung von strafbarem Beihilfeunrecht bei Verhaltensweisen, „die der Ausführende jedem anderen in der Lage des Täters gegenüber vorgenommen hätte, weil er mit der Handlung – im Vorhinein (auch) – tat- und täterunabhängige eigene, rechtlich als solche nicht missbilligte Zwecke verfolgt.”

[26] Vgl. BGH NStZ 2017, 337 [338] m. Anm. Kudlich.

[27] S. dazu für ausgewählte Bereiche unten V.

[28] Zu beruflichem Handeln durch unrichtigen Rechtsrat s. Kudlich NStZ 2017, 339.

[29] Kudlich, in: von Heintschel-Heinegg, Beck’scher Online-Kommentar zum StGB, Stand 01.08.2017, § 27 Rn. 11.

[30] BGHSt 19, 152 (154 f.).

[31] BGH NStZ 2000, 34.

[32] So Kudlich, in: von Heintschel-Heinegg, Beck’scher Online-Kommentar zum StGB, Stand 01.08.2017, § 27 Rn. 11; Putzke ZJS 2014, 635 [636], jeweils m.w.N.

[33] Roxin, Strafrecht AT/II, 1. Auflage 2003, § 26 Rn. 218 ff.

[34] Kudlich, in: von Heintschel-Heinegg, Beck’scher Online-Kommentar zum StGB, Stand 01.08.2017, § 27 Rn. 10.

[35] BGHSt 46, 107 [109 ff.].

[36] BGH NStZ 2001, 364.

[37] BGHSt 50, 331 dort allerdings nicht abgedruckt.

[38] Vgl. dazu eingehend Greco wistra 2015, 1 [2 f.].

[39] Siehe unten.

[40] BGHSt 46, 107 [113].

[41] So auch Putzke ZJS 2014, 635 [636].

[42] BGH NZWiSt 2014, 139 [141 f.] m. Anm. Bott/Orlowski.

[43] So Putzke ZJS 2014, 635 [639].

[44] BGHSt 46, 107 [114] und BGH NStZ-RR 2001, 241 [242].

[45] Roxin, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Auflage 1993, § 27 Rn 19.

[46] Zu diesem Vorwurf Roxin, Strafrecht AT Teil 2, 1. Auflage 2003, § 26 Rn. 245, m.w.N.

[47] BGH NZWiSt 2017, 362 [366] m. Anm. Beyer.

[48] BGH NStZ 2000, 34.

[49] BGH wistra 1999, 103.

[50] BGH NZWiSt 2017, 362.

[51] BGH NZWiSt 2017, 362 [366].

[52] BGH NZWiSt 2014, 139.

[53] BVerfG NZWiSt 2015, 469 m. Anm. Raschke.

[54] BGH NStZ 2017, 461.

[55] BGH NZWiSt 2014, 139.

[56] BGH NZWiSt 2014, 139 [141].

[57] BGH NStZ-RR 2014, 316.

[58] BGH NStZ-RR 2014, 316.

[59] Vgl. Greco wistra 2015, 1 [4].

[60] BGH NZWiSt 2017, 185.

[61] OLG Köln Beschl. v. 3.12.2010 – 1 Ws 146/10, BeckRS 2011, 03078.

[62] Ebenso Holch FD-StrafR 2011, 315879.

[63] Vgl. auch von Eichborn DStR 2011, 1195.

[64] Ähnlich OLG Celle ZInsO 2011, 1004, zur Abgrenzung zwischen Steuerberatung und wirtschaftlicher Beratung.

[65] Dazu zuletzt: BGH ZInsO 2017, 432.

[66] BGH NStZ 2000, 34.

[67] Rn 23 der vorstehenden Entscheidung, dort aber nicht abgedruckt.

[68] Spiegel-online vom 16.12.2015 http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/vw-skandal-staatsanwaltschaft-ermittelt-offenbar-gegen-bosch-a-1068032.html.

[69] Vgl. Bülte/Hagemeier NZWiSt 2015, 317.

[70] FG Rheinland-Pfalz NZWiSt 2015, 154.

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Sibylle von Coelln
    Dr. Sibylle von Coelln ist Rechtsanwältin in der Sozietät HEUKING ? VON COELLN Rechtsanwälte in Düsseldorf. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf der klassischen Strafverteidigung von Individualpersonen und Unternehmen in allen Bereichen des Wirtschafts-, Steuer- und Insolvenzstrafrechts sowie auf der Erstellung strafrechtlicher Gutachten.
  • Christian Heuking
    Christian Heuking ist Rechtsanwalt in Düsseldorf und Partner, der ausschließlich im Wirtschaftsstrafrecht tätigen Sozietät HEUKING ∙ VON COELLN Rechtsanwälte. Seine Tätigkeit reicht von der Einzelfallberatung über die systematische Prävention durch die Einrichtung und Begleitung des Compliance-Managements bis zur Strafverteidigung.

WiJ

  • Dr. Carolin Raspé , Dr. Roland Stein

    Strafrechtliche Risiken bei der Sanktions- Compliance Teil 1

    Außenwirtschaftsrecht Kriegswaffenkontrollrecht

  • Sigrid Mehring-Zier

    Wirtschaftsvölkerstrafrecht in der europäischen Praxis – und Deutschland?

    Auslandsbezüge EU Internationales Strafrecht Rechtshilfe

  • Jakob Lehners

    Digitale Akteneinsicht in der Untersuchungshaft

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)