Dr. Matthias Heiniger

Sandra Flemming: Die bandenmässige Begehung, eine umfassende Darstellung der Bandenmässigkeit unter besonderer Berücksichtigung der Beteiligung von Kindern

Duncker & Humblot, Berlin 2014, 352 S. EUR 79,90.

Die Besprechung der von der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im Jahre 2012 als Dissertation angenommenen Abhandlung gliedert sich in zwei Teile. In einem ersten Teil werden die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit kurz dargestellt. Abschliessend erlaubt sich der Autor dieser Rezension eine kurze persönliche Einschätzung des Werks.

1. Teil: Historische Entwicklung der Bandenmässigkeit

In einem ersten Teil zeigt die Autorin auf, wie sich der Begriff der Bandenmässigkeit in der Rechtsgeschichte herausgebildet hat. Dabei verschafft sie einen kursorischen Überblick über die Regelungen des römischen Rechts, die Rechte der germanisch-fränkischen Zeit, die Rechte des Hoch- und Spätmittelalters sowie die Rechte der frühen Neuzeit. Im Unterschied zu den früheren Rechtsordnungen, welche dem Bandenbegriff ähnliche Rechtsinstitute kannten, sei der für das Strafrecht der Neuzeit grundlegenden Constitutio Criminalis Carolina von 1532 (Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl V., CCC) der Bandenbegriff nicht bekannt gewesen. Erst im 18. Jahrhundert sei in den Partikulargesetzbüchern ausdrücklich der Begriff der Bande erschienen. Als Beispiel führt die Autorin den Codex Juris Bavarici Criminalis von 1751 auf, welcher den bandenmässig begangenen Diebstahl mit höherer Strafe bedrohte. Besondere Erwähnung erfährt dabei auch das Allgemeine Landrecht für die Preussischen Staaten, welches schon eine der heutigen Regelung der bandenmässigen Tatbegehung ähnliche Bestimmung enthielt.

Einlässlich untersucht die Autorin die Rechtsentwicklung des 19. Jahrhunderts. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts sei der Bandenbegriff geprägt gewesen von der sogenannten Komplottlehre, welche die Bedeutung der Bande, entgegen dem heutigen Verständnis, als Beteiligungsform verstand, vergleichbar mit dem Institut der Mittäterschaft und der Verbrechensverabredung. Die Autorin zeigt auf, wie die Komplottlehre in der Mitte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung verlor. Das Komplott als Beteiligungsform sei ersetzt worden durch die Mittäterschaft. Die landesrechtlichen Strafgesetzbücher dieser Zeit seien dazu übergegangen, die Bande nicht mehr als Beteiligungsform, sondern nur noch als Straferhöhungsgrund zu verstehen. Unterschiedlich geregelt worden sei dabei die Frage nach der Mindestzahl von Mitgliedern, welche eine Bande aufweisen musste. Währenddem beispielsweise das Preussische StGB zwei Personen habe genügen lassen, habe das Bayerische StGB drei oder mehrere Personen verlangt. Die Frage nach der Mindestanzahl von Bandenmitgliedern sei in der Folge bis in die jüngste Zeit hinein kontrovers diskutiert worden, bis dann der Bundesgerichtshof in BGHSt 46, 321 die Mindestanzahl bei drei Mitgliedern festgesetzt habe.

Den Streifzug durch die Geschichte des Bandenbegriffs setzt die Autorin mit der Darstellung des Strafrechts des Norddeutschen Bundes bis heute fort. Hier ist erwähnenswert die Feststellung, dass das Strafgesetzbuch zwar grundsätzlich die reine Bandenbildung nicht sanktioniert, dieser Grundsatz aber durch das 1. StrÄndG von 1951 insofern aufgeweicht wurde, als in § 129 StGB die Bildung krimineller Vereinigungen selbständig unter Strafe gestellt wurde. Abgeschlossen wird der rechtsgeschichtliche Überblick mit einer tabellarischen Darstellung sämtlicher im Zeitpunkt der Drucklegung geltender 55 Bandennormen.

2. Teil: Herrschendes Verständnis der Bandenmässigkeit

Im zweiten Teil ihrer Arbeit stellt die Autorin die einzelnen Begriffsmerkmale der Bandenmässigkeit dar: Mindestanzahl der Bandenmitglieder, fortgesetzte Begehung, zu begehende Delikte sowie die Bandenabrede. Dabei geht sie jeweils nach dem gleichen Schema vor. In einem ersten Abschnitt zeichnet sie die geschichtliche Entwicklung des entsprechenden Merkmals nach, um dann in einem zweiten Abschnitt die sich daraus ergebenden Konsequenzen und offenen Fragen anhand leicht verständlicher Beispiele zu erläutern. Gerade die Ausführungen zur Mindestanzahl von Bandenmitgliedern sind für den Verfasser dieser Rezension von besonderem Interesse, da das schweizerische Bundesgericht, trotz Kritik in einem Teil der Lehre, an seiner Rechtsprechung festhält und zwei Personen zur Begründung einer Bande genügen lässt.

3. Teil: Überprüfung des herrschenden Verständnisses der Bandenmässigkeit

Diesen Teil ihrer Arbeit beginnt die Autorin mit der Erörterung der systematischen Bedeutung der Bande, indem sie dieses Rechtsinstitut von anderen Personenzusammenschlüssen abgrenzt. Unter dem Titel der Beteiligung stellt sie die Mittäterschaft gemäss § 25 Abs. 2 StGB dar und zeigt auf, inwiefern sich die Abrede zur mittäterschaftlichen Tatbegehung von der Bandenabrede unterscheidet, nämlich dadurch, dass sich erstgenannte auf bereits bestimmte Delikte bezieht und beschränkt, währenddem die Bandenabrede neben allenfalls bereits bestimmten Delikten notwendigerweise weitere noch unbestimmte Taten erfasst. Anschliessend stellt die Autorin das Komplott, verstanden als Verbindung mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen Begehung einer bestimmten Straftat, dar, wobei sie darauf hinweist, dass dieser Begriff den heutigen Strafgesetzten fremd ist. Das ausgeführte Komplott sei ersetzt worden durch das Rechtsinstitut der Mittäterschaft und das unausgeführte Komplott sei in der Verbrechensverabredung gemäss § 30 Abs. 2 Alt. 3 StGB aufgegangen.

Einlässlich stellt die Autorin die kriminelle Vereinigung gemäss § 129 StGB dar, welche in vielen Punkten mit der Bande übereinstimme. In einem wesentlichen Punkt unterschieden sich jedoch die beiden Rechtsinstitute: Währenddem die Strafbarkeit bei der kriminellen Vereinigung schon im Vorfeld konkreter Straftaten eingreife, werde die Bande erst im Rahmen der Strafschärfung bei konkret begangenen Delikten bedeutsam.

In einem zweiten Abschnitt grenzt die Autorin die Bandenmässigkeit von der Gewerbsmässigkeit ab, bei welcher es sich ebenfalls um einen Strafschärfungsgrund handelt.

Ein weiteres Kapitel widmet die Autorin der teleologischen Bedeutung der Bande, indem sie den Grund für die Strafschärfung der bandenmässigen Tatbegehung beleuchtet. Diese Ausführungen beginnt sie mit der Darstellung der Rechtsprechung von Reichsgericht in Strafsachen und Bundesgerichtshof, um anschliessend den Meinungsstand in der Literatur zu referieren. Diesen Teil schliesst die Autorin mit einer eigenen Stellungnahme ab. Sie sieht die Gefährlichkeit der bandenmässigen Begehung in Anlehnung an die herrschende Meinung in der Gefährlichkeit der Verbindung und in der Gefährlichkeit der Tatbegehung. Die Hauptlast der Legitimation trage die Gefährlichkeit der Verbindung, denn sie liege allen Bandennormen zugrunde und spiegle sich im Merkmal „als Mitglied einer Bande“ wieder. Die Bandenabrede begründe eine enge Bindung, die die Mitglieder für die Zukunft und für eine gewisse Dauer eingingen, so dass die [abstrakte] Gefahr des ständigen Anreizes zur Straftatbegehung bestehe. […] Allerdings müsse die konkrete Tatbegehung noch in den Kontext der Gefährlichkeit der Verbindung gesetzt werden, insbesondere ohne dabei zu verlangen, dass sich die Gefahr und insbesondere gruppendynamische Effekte in der Bandentat tatsächlich konkretisiert haben müssten. Dies werde erreicht, wenn die Tatbegehung als Kundgabeakt verstanden werde, mit dem der Täter seine Tat bewusst in den gefährlichen Zusammenhang der Bandenabrede stelle und somit zur Aufrechterhaltung der Bandenabrede bzw. der Bande beitragen könne („Verbindungsaufrechterhaltungsgefahr“), sei es nun durch die Möglichkeit der Auslösung gruppendynamischer Prozesse, einer Drucksituation oder einfach einer positiven Erwartungshaltung bei den anderen, dass die Bande ihr Vorhaben fortsetze (S. 157).

4. Teil: Übertragung der Ergebnisse auf Banden mit Kindern

Den vierten Teil ihrer Arbeit widmet die Autorin dem Kernanliegen ihrer Arbeit, der Darstellung der strafrechtlichen Erfassung des Zusammentreffens von Kindern und Banden. Zu Beginn erörtert sie die Frage, ob Kinder angesichts ihrer absoluten Strafunmündigkeit gemäss § 19 StGB überhaupt als Mitglieder einer Bande zu berücksichtigen sind. Diese Frage wurde in Rechtsprechung und Lehre nur vereinzelt diskutiert. So kann die Autorin nur auf ein Urteil des Reichsgerichts in Strafsachen (RGSt 19, 192) zurückgreifen, in welchem das Gericht zur Erkenntnis gelangte, Kinder könnten auch Mitglieder einer Bande sein und es komme für die Anwendung der Bandennorm nicht darauf an, dass alle Bandenmitglieder bestraft werden könnten. Soweit sich die Lehre dieser Frage überhaupt angenommen hat, teilt sie die Ansicht des Reichsgerichts.

Ihre eigenen Überlegungen zu dieser Frage beginnt die Autorin mit dem Nachweis, dass Strafnormen grundsätzlich auch von Kindern erfüllt werden können. Kinder könnten nach der Vorstellung des Gesetzgebers zwar tatbestandsmässig und rechtswidrig, allerdings nicht schuldhaft handeln. Im Anschluss daran diskutiert die Autorin die Frage, ob Kinder sich an einer Bandenabrede beteiligen können. Hierfür untersucht sie mehrere gesetzlich normierte Altersgrenzen. In Bezug auf den schon erwähnten § 19 StGB weist sie darauf hin, dass dieser lediglich die unwiderlegbare Vermutung aufstellt, dass ein Kind aufgrund von Reifedefiziten schuldunfähig ist. Es sei gerade nicht ausgeschlossen, dass ein Kind im konkreten Fall bereits über die für Unrechtseinsicht und Handlungssteuerung erforderliche Reife verfüge […] Demnach könnten Kinder, insbesondere mit zunehmendem Alter, durchaus unrechtseinsichtsfähig sein und mithin verstehen, dass sich die Bandenabrede auf die Begehung von etwas rechtlich nicht Erlaubten beziehe. Auch wenn die Bandenabrede Schuldfähigkeit erfordern sollte, könne die nach § 19 StGB unterstellte Schuldfähigkeit nicht zur absoluten Bandenmitgliedsunfähigkeit führen. Allenfalls eine konkrete Nichtberücksichtigung könnte sich aus der im Einzelfall festzustellenden konkreten Schuldunfähigkeit i.S. von fehlender Einsichts- und Steuerungsfähigkeit eines Kindes ergeben (S. 178).

Weiter untersucht die Autorin, ob die Deliktsunfähigkeit gemäss § 828 BGB respektive die Geschäftsunfähigkeit gemäss § 104 Nr. 1 BGB für die Beantwortung der vorliegenden Frage herangezogen werden kann, was sie verneint. Gegenüber der Deliktsunfähigkeit gemäss § 828 BGB seien dieselben Vorbehalte zu erheben wie gegenüber der absoluten Schuldunfähigkeit des § 19 StGB, stelle diese doch eine starre Altersgrenze auf, ohne den Einzelfall zu berücksichtigen. Die Geschäftsunfähigkeit beziehe sich auf die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte abzuschliessen, wobei die Bandenabrede gerade nicht als Rechtsgeschäft anzusehen sei.

Daran anschliessend untersucht sie eine einzelfallbezogene Nichtberücksichtigung von Kindern bei Banden. Keine generelle, aber eine einzelfallbezogene Nichtberücksichtigung von Kindern im Zusammenhang mit Bandennormen könnte sich aus dem Vorliegen eines – neben § 19 StGB bestehenden – Strafmangels ergeben. Diese These untersucht die Autorin in Bezug auf die die Bande konstituierenden Elemente. Das Ergebnis ihrer Untersuchung fasst sie folgendermassen zusammen: Kinder könnten Bandenmitglieder sein und ebenfalls bandenmässig handeln. Ausserdem stellten Banden mit Kindern keine generell weniger gefährliche Banden dar, die aus dem Bereich der Bandenstrafbarkeit herauszunehmen wären. Im Einzelfall sei es jedoch möglich, dass Kinder – wie andere Personen auch – nicht tatbestandsmässig, rechtswidrig, einsichts- und steuerungsfähig sowie entschuldigt handeln würden, wodurch ihre Bandenmitgliedschaft und/oder ihre Fähigkeit zur bandenmässigen Begehung ausgeschlossen sein könne (S. 275).

5. Teil: Strafmündige Beteiligte als Bandentäter

In einem letzten Teil ihrer Arbeit untersucht die Autorin, wie strafmündige Bandenmitglieder für die Beteiligung an Straftaten von Kindern rechtlich zu erfassen sind. Hierfür beleuchtet sie die Rechtsfiguren der mittelbaren Täterschaft sowie der unmittelbaren Täterschaft durch Unterlassen. Zentral ist ihre Erkenntnis, dass die blosse Schuldunfähigkeit eines Kindes gemäss § 19 StGB nicht dazu führt, dass Beteiligte als mittelbare Täter anzusehen sind. Vielmehr sei ein weiterer tatsächlicher Strafdefekt des Kindes erforderlich, den sich der Hintermann zunutze mache (S. 303).

Persönliche Einschätzung

Sandra Flemming hat eine fundierte Abhandlung zum praxisrelevanten Themenbereich der bandenmässigen Tatbegehung vorgelegt. Eine derart umfassende Darstellung vermisst der Autor dieser Rezension in der schweizerischen juristischen Literatur. Er ist davon überzeugt, dass auch die schweizerische Rechtsprechung bei den Überlegungen von Sandra Flemming Anregungen finden könnte, gerade auch, was das in der schweizerischen Lehre und Rechtsprechung kontrovers diskutierte Thema der Mindestmitgliedzahl einer Bande anbelangt. Dieses Werk gibt allen, welche sich mit Bandenkriminalität befassen, insbesondere den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten, einen fundierten Einblick in dieses komplexe Rechtsgebiet. Es ist auch für einen Juristen aus einer Nachbarrechtsordnung wie der schweizerischen mit Gewinn zu lesen.

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Matthias Heiniger
    Matthias Heiniger studierte an der Universität Bern Rechtswissenschaften. Nach dem Studium arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Wirtschaftsrecht derselben Universität und verfasste eine Dissertation auf dem Gebiete des Unternehmensstrafrechts. Danach erwarb er das Bernische Anwaltspatent und arbeitet seitdem als Gerichtsschreiber am Straf-, Zwangsmassnahmen- und Jugendgericht des Kantons Basel-Landschaft, Schweiz.

WiJ

  • Dr. Simon Ulc , Marc Neuhaus

    Übernahme von Kosten für Verteidiger und Zeugenbeistände – eine Praxisübersicht

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Ricarda Schelzke

    BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23

    Individual- und Unternehmenssanktionen

  • Dr. Marius Haak , Joshua Pawel LL.M.

    Umweltkriminalität im Visier der EU – Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Rat beschlossen

    Produkthaftung, Umwelt, Fahrlässigkeit und Zurechnung