Dr. Andrej Dalinger

Adrian Fiedler: Das Doping minderjähriger Sportler – eine straf- und verbandsrechtliche Untersuchung.

Duncker&Humblot, Berlin 2013, 316 S. , 82,90 Euro.

Der Grundgedanke des Sports ist die Chancengleichheit: Athleten sollen unter gleichen Bedingungen gegeneinander antreten und der Bessere soll gewinnen. Dieser Gedanke ist zugleich einer der Gründe, warum der Sport so viele Menschen in seinen Bann zieht und Sport-Großereignisse Tausende in die Stadien und Millionen vor die TV-Geräte locken sowie Milliarden umsetzen. Doping widerspricht diesem Gedanken grundlegend und zerstört die Faszination des Sports. Die Folge sind abnehmende Zuschauerzahlen und Rückzug von Sponsoren. Als Beispiel kann hier der Radsport genannt werden, der, geplagt von unzähligen Dopingskandalen, sich von dem enormen Zuschauer- und Sponsorenschwund der vergangenen Jahre nur langsam erholt. Aber auch bei Sport-Großereignissen wie Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften kommt es mittlerweile regelmäßig zu Dopingfällen, die dem Sport die Faszination nehmen.

Unabhängig vom Doping ist im professionellen Sport die Tendenz zu erkennen, dass Leistungssportler immer jünger werden und auch die Förderung der Athleten immer früher beginnt. So unterhält mittlerweile jeder Fußball-Bundesligist ein Nachwuchsleistungszentrum in der Hoffnung, den nächsten Starspieler auszubilden. Zudem kommen vermehrt minderjährige Spieler in der Bundesliga zum Einsatz. So haben aktuelle Nationalspieler wie Julian Draxler und Mario Götze bereits mit 17 Jahren in der ersten Bundesliga gespielt. Minderjährige stehen daher bereits in jungen Jahren unter enormem Leistungsdruck, wenn sie eine Karriere als Leistungssportler anstreben.

Dr. Adrian Fiedler widmet sich in seiner Dissertation dem Schnittpunkt dieser beiden hochrelevanten Themen des Sports. Er untersucht aus der Sicht des Straf- und Verbandsrechts die Fälle, bei denen es bereits bei minderjährigen Sportlern zur Einnahme von Dopingmitteln kommt. Die Arbeit entstand im Jahr 2013 an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und vermag überaus umsichtig und erfolgreich das Thema „Das Doping minderjähriger Sportler“ darzustellen.

Die 298 Seiten umfassende Ausarbeitung leitet zunächst in die Themenstellung ein, bevor sie im ersten Teil „Das Phänomen des Minderjährigendopings“ ausführlich darstellt (S. 20 – 40). Die Einleitung gelingt und bietet einen umsichtigen Einstieg in das Thema. Insbesondere für Juristen, die mit dem Bereich „Doping“ bisher keine Berührungspunkte hatten, bietet die Einleitung einen verständnisfördernden Zugang. Fiedler führt historisch und aus nationaler Sicht in das Thema ein. Folgerichtig geht er dabei zunächst auf das DDR-Staatsdoping ein und zitiert von nationalen Gerichten entschiedene Fälle. Anschließend werden die aktuellen Probleme im Jugend- und Profisport, aber auch im Breitensport dargestellt. Für das Verständnis des Themas „Doping“ sind die Ausführungen zu den einzelnen Substanzen, Methoden und den Gesundheitsgefahren entscheidend. Hier erklärt Fiedler, was anabole Steroide, EPO und Blutdoping sind, wie sie auf den Körper eines Athleten wirken und welche kurz- oder langfristigen Risiken mit deren Einnahme einhergehen.

Die strafrechtliche Untersuchung (S. 41 – 193) stellt den zweiten Teil der Arbeit dar und unterteilt sich im Wesentlichen in die Strafbarkeit nach dem StGB und nach Spezialgesetzen (AMG, BtMG). Fiedler setzt bei der Strafbarkeit nach § 223 StGB einen Schwerpunkt seiner Arbeit und differenziert bei seiner Prüfung sehr überzeugend zwischen einer Körperverletzung durch Fremd- und Eigendoping. Während das Eigendoping ausgenommen der Fälle mittelbarer Täterschaft grundsätzlich nicht nach § 223 StGB zu bestrafen ist, zeigen sich bei der Körperverletzung durch Fremddoping erhebliche Probleme im Rahmen der Kausalität. Hier differenziert Fiedler nach den jeweiligen Substanzen. Einen Schwerpunkt bilden die sehr gelungenen Ausführungen zur Einwilligung in das Doping durch den minderjährigen Sportler (S. 55 – 116), die einen Rechtsfertigungsgrund darstellen könnten und im Vergleich zum Doping volljähriger Athleten einen entscheidenden Unterschied für die rechtliche Bewertung darstellen. Fiedler orientiert sich zunächst an § 228 StGB und plädiert für eine einzelfallabhängige Prüfung der Einwilligungsfähigkeit, die an die kognitive Fähigkeit des Athleten, Kausalverläufe zu erkennen, sowie die Gefährlichkeit der Substanz gekoppelt sein sollte. Eine starre Altersgrenze lehnt Fiedler mit guten Argumenten ab. Ebenso spricht sich Fiedler gegen eine Einwilligungsfähigkeit bei der Einnahme lebensgefährdender Stoffe ab und zieht hier Parallelen zu § 216 StGB. Bei der voluntativen Komponente knüpft Fiedler bei der Steuerungsfähigkeit an; eine Erklärung der Eltern genügt nur bei fehlender Einwilligungsfähigkeit. Die Sittenwidrigkeit einer Erklärung nach § 228 StGB ist beim Doping nicht per se gegeben, sondern kommt, so die überzeugend begründete Auffassung Fiedlers, nur bei einer schwerwiegenden Folge (§ 226 StGB) in Betracht (S. 111). Eine mittelbare Täterschaft bei Eigendoping könnte durch eine Irrtums- oder Nötigungsherrschaft in Betracht kommen, insbesondere wenn die Minderjährigkeit einen konstitutionellen Mangel darstellen könnte. Eine Körperverletzung durch Unterlassen könnte durch die Beschützergaranten Eltern, Trainer, Betreuer und Ärzte begangen werden. Fiedler prüft abstrakt und umfassend, welche rechtlichen Fragen bei der Prüfung der Strafbarkeit infolge eines Dopingverstoßes auftreten könnten. Die Ausführungen scheinen sich daher gut zu eignen, um für die Prüfung eines auftretenden Einzelfalles herangezogen zu werden.

Sehr interessant und durchdacht erfolgt die Prüfung der Strafbarkeit nach Spezialgesetzen. Hier geht Fiedler auf das Arzneimittelgesetz sowie das Betäubungsmittelgesetz ein. Die Ausführungen zum AMG, insbesondere zu § 6a AMG sind aufgrund der nach Fertigstellung der Arbeit erfolgten Gesetzesänderung teilweise überholt. Im Rahmen des Regelbeispiels „Personen unter 18 Jahren“ nach § 95 Abs. 3, Nr. 2a AMG spricht sich Fiedler für eine ausnahmsweise teleologische Reduktion aus und begründet diese überzeugend mit dem ausnahmsweise reduzierten Bedürfnis nach Minderjährigenschutz (S. 177). Eine Strafbarkeit nach Spezialgesetzen, darauf weist Fiedler hin, kann im Einzelfall entscheidend für die Strafbarkeit eines Täters sein, da eine Strafbarkeit nach allgemeinen Gesetzen aufgrund der Einwilligung eines Athleten entfallen kann.

Teil 3 der Arbeit umfasst eine verbandsrechtliche Untersuchung und stellt die sich für minderjährige Sportler ergebenden Besonderheiten dar (S. 194 – 298). Fiedler führt bedacht in das Thema ein und stellt zunächst die relevanten Anti-Doping-Regelwerke der WADA und der NADA dar, gefolgt von einer Begründung, warum diese für Minderjährige Anwendung finden. Hier gilt es zwischen einem Mitgliedschaftsverhältnis und Regelanerkennungsverträgen, die Athleten vor der Teilnahme an Wettbewerben unterzeichnen, zu unterscheiden. Wird eine Dopingsanktion verhängt, unterliegt die Überprüfung der Rechtmäßigkeit grundsätzlich der eingeschränkten Kontrolle des § 242 BGB. Wenngleich im Rahmen dieser Überprüfung auch die Grundrechte zu berücksichtigen sind, können sich minderjährige Athleten oftmals nicht auf das Recht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG berufen. Mit Bezugnahme zu CAS-Entscheidungen stellt Fiedler die Möglichkeiten einer dauerhaften Sperre dar und geht dabei auf die Besonderheiten des Art. 10.5 WADC ein (S. 219). Hiernach sind nämlich bei der Bewertung zur Festlegung des Verschuldens des minderjährigen Athleten sein jugendliches Alter und die mangelnde Erfahrung zu berücksichtigen. Ausführliche Behandlung erfährt auch die Frage, inwieweit einem Minderjährigen das Verschulden eines Dritten, z. B. eines Betreuers, zugerechnet werden kann. Diese hält Fiedler grundsätzlich für zulässig, plädiert jedoch für eine besondere Berücksichtigung der Minderjährigkeit bei Dauer und Ausgestaltung einer Sperre. Neben der Auswirkungen auf den Athleten bedenkt Fiedler auch, dass ein Dopingvergehen sich auch unmittelbar auf den sportlichen Wettbewerb auswirken muss: So führt ein Dopingvergehen zwingend zur Annullierung eines Einzelergebnisses und ggf. auch des gesamten Wettbewerbes. Eine Besonderheit gilt für Mannschaftswertungen, da hier oftmals der Dopingverstoß „nur“ eines einzigen Athleten für eine Disqualifizierung der gesamten Mannschaft nicht ausreicht (S. 259). Sehr interessant ist auch die anschließende Darstellung des Sanktionsverfahrens, beginnend mit der Dopingkontrolle, über die Veröffentlichung des Probeergebnisses bis hin zur Hauptverhandlung. Aufgrund der Minderjährigkeit und der erhöhten Schutzbedürftigkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergeben sich hier erhebliche Besonderheiten im Vergleich zu volljährigen Athleten. Abschließend behandelt Fiedler die Möglichkeiten eines Rechtsmittels auf internationaler und nationaler Ebene, fasst ein Fazit seiner Arbeit und wagt einen Ausblick. Hier beklagt er, dass das Doping im professionellen Spitzensport noch oftmals als ein Problem der „Sportwelt“ angesehen wird, obwohl ein strafrechtlicher Schutz minderjähriger Sportler erforderlich wäre (S. 297). Hinsichtlich des Verbandsrechts spricht sich Fiedler de lege ferenda für eine eigenständige Regelung für die Sanktionierung von minderjährigen Athleten aus (S. 298).

Während Doping im Sport öffentlich stets diskutiert wird, widmet sich Fiedler mit seiner Arbeit den Besonderheiten, die für Minderjährige in diesem Bereich gelten. Aufgrund der enormen Gefahren, die vom Doping ausgehen, und der immer jünger werdenden Athleten hat dieses Thema eine enorme Relevanz, die auch aufgrund dieser Arbeit eine hoffentlich größere Beachtung findet. Fiedler gelingt es, die medizinische Komplexität des Dopings vereinfacht und verständlich zu erklären sowie die für Minderjährige geltenden rechtlichen Besonderheiten anschaulich darzustellen. Hinsichtlich der einführenden Kapitel und Ausführungen kann das Werk durchaus als Einstieg für Praktiker dienen. Anschließend unterzieht Fiedler das Doping minderjähriger Sportler im Verbund einer straf- und verbandsrechtlichen Untersuchung. Bedauerlich ist lediglich, dass das Inkrafttreten des Gesetzes gegen Doping im Sport zum 18.12.2015 in der Arbeit keine Berücksichtigung finden konnte und auch dazu führt, dass die Ausführungen zum AMG teilweise überholt sind. Dies ändert jedoch nichts an der Relevanz und Aktualität der Ausarbeitung. Vielmehr zeigt das Tätigwerden des Gesetzgebers, welche Brisanz dem von Fiedler behandelten Thema zukommt. Auch behält Fiedler mit seiner Aussage, dass es sich beim Doping im professionellen Spitzensport nicht um ein Problem der Sportwelt handelt, Recht. Die Erkenntnisse, die die überzeugende Arbeit Fiedlers hervorbringt, könnten sich insbesondere bei dem immer stärker wachsenden Bereich der „e-sports“, bei dem die „Athleten“ oftmals minderjährig sind, als sehr nützlich erweisen (soweit man diese als Sportart ansieht).

Wer in der Praxis einen Einstieg in das Thema „Sport und Doping“ sucht, dem können insbesondere die einleitenden Kapitel dieses Werkes helfen. Wer jedoch mit dem speziellen Thema „Doping“ und „minderjährige Athleten“ in Berührung kommt, dem bietet dieses Werk eine gelungene Übersicht aller im Verbands- und Strafrecht möglicherweise aufkommenden Themen.

Autorinnen und Autoren

  • Dr. Andrej Dalinger
    Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.

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