Johann-Nikolaus Meyer, Philipp Behrendt

Das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – Neue Datenmassen für die Finanzverwaltung?

Der Gesetzgeber hat mit dem am 25. Juni 2017 in Kraft getretenen Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz neue Mitwirkungspflichten für Steuerpflichtige und Dritte im Zusammenhang mit der Beteiligung inländischer Steuerpflichtiger an Drittstaat-Gesellschaften in die Abgabenordnung aufgenommen. Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit diesen und anderen wesentlichen Änderungen in kritischer Auseinandersetzung.

I. Einleitung

Im April 2016 veröffentlichte ein Journalistennetzwerk aus 76 Ländern die so genannten „Panama Papers“.[1] Aus diesen ging hervor, dass eine Vielzahl von Personen – auch in Deutschland Steuerpflichtige – über eine Anwaltskanzlei Briefkastenfirmen in Staaten errichtet hatten, die keine oder sehr niedrige Steuern auf Einkommen oder Vermögen erheben und gemeinhin als „Steueroasen“ bezeichnet werden.

Es entwickelte sich daraufhin auch in Deutschland eine Diskussion über Steuerumgehung mittels der Gründung und Nutzung solcher Domizilgesellschaften, die tatsächlich keine wirtschaftlichen Aktivitäten entfalten und allein dem Zweck der Verschleierung von Vermögensverhältnissen oder Zahlungsströmen dienen.

Noch Ende 2016 wurde auf Initiative der Bundesregierung der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) in den Bundestag eingebracht, welches schlussendlich am 25. Juni 2017 in Kraft trat.[2]

Ziel dieses Gesetzes war es insbesondere durch erhöhte Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen und Dritter, die Möglichkeiten der Finanzbehörden zur Feststellung entsprechender Sachverhalte zu verbessern, mithin die beherrschenden Geschäftsbeziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Gesellschaften und Vermögensmassen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) transparent zu machen. Zudem erhoffte sich der Gesetzgeber, durch das erhöhte Entdeckungsrisiko bereits präventiv auf die Steuerpflichtigen einwirken zu können.

Ob dieses Ziel durch das StUmgBG und insbesondere die damit verbundenen Änderungen der Abgabenordnung (AO) tatsächlich erreicht werden kann, bleibt abzuwarten. Im Rahmen der Anhörung der Fachverbände wurde u.a. kritisiert, dass sich die Neuregelungen auf sämtliche Drittstaat-Gesellschaft beziehen und nicht nur solche, die keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten,[3] und dass durch die Begrenzung auf Drittstaaten außerhalb der EU und EFTA-Staaten viele als problematisch anzusehende Gesellschaften oder Strukturen insbesondere in Liechtenstein und der Schweiz ausgeklammert werden.

II. Wesentliche Änderungen der Abgabenordnung

Die Abgabenordnung wurde durch Art. 1 des StUmgBG an einigen Stellen geändert.

Im Wesentlichen handelt es sich um neugeschaffene Mitteilungspflichten für Steuerpflichtige und Dritte über Beziehungen des inländischen Steuerpflichtigen zu Drittstaat-Gesellschaften (§ 138 ff. AO) sowie (teilweise geänderter) Datenerfassungs- und Speicherungspflichten (§ 93b, § 147a Abs. 2, § 154 Abs. 2, Abs. 2 Buchst. a AO).

Ferner sind die Ermittlungsmaßnahmen der Finanzverwaltung (nicht der Steuerfahndungsstellen) durch Sammelauskunftsersuchen erweitert (§ 93 Abs. 1 Buchst. a AO). Die Anlaufhemmung der Festsetzungsverjährung für Steueransprüche, die im Zusammenhang mit Drittstaat-Gesellschaften stehen (§ 170 Abs. 7 AO) und knüpft grundsätzlich an das Bekanntwerden der Beziehung des Steuerpflichtigen zur Gesellschaft an. Die außerdem vorgenommene Streichung des Bankgeheimnisses nach § 30a AO erfolgte nach Ansicht des Gesetzgebers als logische Konsequenz der schwindenden Bedeutung aufgrund erforderlicher Durchbrechungen.

Zudem wurde die Verwendung einer Drittstaat-Gesellschaft zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen und einer damit verbundenen Steuerverkürzung bzw. Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile als besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung in § 370 Abs. 3 S. Nr. 6 AO aufgenommen.

1. Mitteilungspflicht nach §§ 138 ff. AO

a) Mitwirkung des Steuerpflichtigen

Neben der Anpassung der Mitteilungspflicht über den Erwerb von Beteiligungen nach § 138 Abs. 2 Nr. 3 AO bei einer kumulativen Beteiligungsquote von 10 Prozent ist insbesondere in Nr. 4 eine Mitteilungspflicht für Fälle aufgenommen worden in denen inländische Steuerpflichtige alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen (§ 1 Abs. 2 AStG) erstmals unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die gesellschaftsrechtlichen, finanziellen oder geschäftlichen Angelegenheiten einer Drittstaat-Gesellschaft ausüben können.

Für den Begriff der „Drittstaat-Gesellschaft“ enthält § 138 Abs. 3 AO eine Legaldefinition, wonach jede Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Sitz oder Geschäftsleitung in Staaten oder Territorien, die nicht Mitglieder der EU oder EFTA sind, als eine solche zu qualifizieren ist.

b) Mitteilungspflicht von Kreditinstituten

Mit der neugeschaffenen analogen Pflicht Dritter zur Mitteilung über Beziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Drittstaat-Gesellschaften gem. § 138b AO setzt sich ferner die Gesetzgebungspraxis fort, Dritten die Informationsbeschaffung zu potentiell steuerlich relevanten Sachverhalte zu übertragen und sich nicht auf die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen oder eigene Ermittlungsmaßnahmen zu beschränken.

Nach dessen Absatz 1 haben Verpflichtete im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und Nr. 6 des Geldwäschegesetzes (GwG), d.h. nur Unternehmen der Finanzbranche, dem eigenen zuständigen Finanzamt mitzuteilen, ob sie Beziehungen inländischer Steuerpflichtiger (§ 138 Abs. 2 S. 1 AO) zu Drittstaat-Gesellschaften hergestellt oder vermittelt haben.

Allerdings soll dies nur in den genannten Fällen des § 138 Abs. 2 S. 2 AO gelten, d.h. nach Nr. 1 in solchen, in denen – analog zur Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen nach § 138 Abs. 2 Nr. 4 AO – der mitteilungspflichtigen Stelle bekannt ist (positive Kenntnis), dass der Steuerpflichtige auf Grund der hergestellten oder vermittelten Beziehung allein oder zusammen mit nahestehenden Personen erstmals unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf die gesellschaftsrechtlichen, finanziellen oder geschäftlichen Angelegenheiten einer Drittstaat-Gesellschaft ausüben kann.

Des Weiteren nach Nr. 2 in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige auf Grund der hergestellten oder vermittelten Beziehung, eine unmittelbare Beteiligung von insgesamt mindestens 30 Prozent am Kapital oder am Vermögen der Drittstaat-Gesellschaft erreicht, wobei anderweitige Erwerbe miteinzubeziehen sind.

c) Einschätzung

Der Gesetzgeber hat es versäumt anzugeben, ob der Verpflichtete auch bei § 138 Abs. 1 Nr. 2 AO positive Kenntnis über den Beteiligungs- bzw. Vermögensanteil haben muss. Lediglich für den Fall der Miteinbeziehung anderweitiger Erwerbe bei der Bewertung des Anteils soll es auf die positive Kenntnis oder ein „Bekannt-sein-müssen“ der mitteilungspflichtigen Stelle ankommen. Völlig unklar bleibt dabei, wann eine fahrlässige Unkenntnis anzunehmen ist, d.h. welcher Sorgfaltsmaßstab anzusetzen ist, und ob implizit aus dem letzten Halbsatz die Verpflichtung erwächst, Erkundigungen beim Steuerpflichtigen bzgl. anderweitiger Erwerbe einzuholen. Davon unabhängig ist es aus systematischer Sicht ungewöhnlich, die objektive Verpflichtung von subjektiven Faktoren bzw. einem faktischen Verschuldensmaßstab abhängig zu machen.

Auch enthält der Gesetzeswortlaut – und dies gilt gleichermaßen für § 138 Abs. 2 Nr. 4 AO – einige problematische unbestimmte und auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe wie etwa der „mittelbar beherrschende oder bestimmende Einfluss auf die gesellschaftsrechtlichen, finanziellen oder geschäftlichen Angelegenheiten“.[4]

Die praktische Relevanz des § 138b AO bleibt daher auch nicht zuletzt wegen des notwendigen Nachweises der positiven Kenntnis der meldepflichtigen Stelle durch die Finanzverwaltung abzuwarten. Diese könnte sich allerdings dann ergeben, wenn auf Grund der Verweisung in § 138b Abs. 4 AO auf den ebenfalls in diesem Jahr neugeschaffenen[5] § 72a AO eine Haftung der meldepflichtigen Stelle für die entgangene Steuer oder eine Sanktion nach § 379 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d AO besteht.

2. Datenerfassung- und Speicherverpflichtungen

An verschiedenen Stellen der Abgabenordnung hat der Gesetzgeber Anpassungen in Hinblick auf das Erfassen und Vorhalten von Informationen zum (automatischen) Abruf vorgenommen.

a) Erweiterung des automatischen Kontenabrufs

So sollen gem. § 93b Abs. 1 Buchst. a S. 1 AO Kreditinstitute für die automatischen Kontenabrufersuchen der Finanzbehörden nach § 93 Abs. 7 AO für jeden Verfügungsberechtigten und jeden wirtschaftlich Berechtigten im Sinne des § 3 GwG zusätzlich zu den in § 24c Abs. 1 KWG bezeichneten Daten auch die Adressen und die in § 154 Abs. 2 Buchst. a AO genannten Daten, d.h. die Identifikationsnummer nach § 139b bzw. § 139c AO, speichern.

Da die Kreditinstitute bereits als Verpflichtete nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GwG im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten gem. § 11 Abs. 1 GwG nötigenfalls den wirtschaftlich Berechtigten identifizieren müssen, sollte kein zusätzlicher Mehraufwand entstehen, wenn auch die Frage der Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten nach § 3 GwG auf Grund der schwierigen Bestimmung in der Praxis Probleme bereiten dürfte.

Zu beachten ist allerdings, dass die zu speichernden Daten nicht deckungsgleich sind. So statuiert das GwG gemäß dem sog. risikobasierten Ansatz, dass die Adressen bei einem wirtschaftlich Berechtigten nicht in jedem Fall gespeichert werden müssen (§ 11 Abs. 5 S. 2 GwG), anders als § 93b Abs. 1 Buchst. a AO.

b) Änderungen bei der Legitimationsprüfung

Personen und Unternehmen die für andere ein Konto führen, ein Schließfach überlassen, Wertsachen verwahren oder Wertsachen als Pfand entgegennehmen sind nach § 154 AO zur Legitimationsprüfung verpflichtet. Demnach muss der Kontoinhaber und die Verfügungsberechtigten in solchen Fällen identifiziert werden. Hier gilt das Gebot der Kontenwahrheit, § 154 Abs. 1 AO.

Im Sinne eines Gleichlaufes mit dem Geldwäschegesetz soll nunmehr auch der wirtschaftlich Berechtigte im Sinne von § 3 GwG identifiziert und die Geschäftsbeziehung gem. § 154 Abs. 4 AO kontinuierlich überwacht werden.[6] Weiter sollen auch die steuerlichen Identifikationsmerkmale vom Verpflichteten erfasst werden, siehe § 154 Abs. 2 und Abs. 2 Buchst. a AO. Von Schweinitz und Schneider-Deters weisen zu recht daraufhin, dass damit faktisch eine Verpflichtung entstehen kann, die Gesellschafterlisten einzuholen und zu prüfen.[7]

3. Ermittlungsmaßnahmen

Durch den neuen Abs. 1 Buchst. a in § 93 AO kann die Finanzverwaltung nunmehr andere Personen um Auskünften über einen Personenkreis bitten, der der Anzahl und der Identität nach unbekannt sind aber dem ein bestimmbarer Sachverhalt zugrunde liegt, sog. Sammelauskunftsverfahren. Ermittlungen „ins Blaue hinein“ sollen auch in der Zukunft damit vermieden werden, dass zumindest ein hinreichender Anlass gefordert wird. Dieses war nach der bisherigen Rechtsprechung bereits möglich[8] und wurde nun normiert.

El Mourabit weist darauf hin, dass damit eine erweiterte Zuständigkeit einhergeht. Die bisher zugelassenen Sammelauskunftsersuchen waren unter § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO legitimiert und fielen damit in den ausschließlichen Bereich der Steuerfahndung. Der § 93 Abs. 1 Buchst. a AO ermöglicht solche Maßnahmen für die gesamte Finanzverwaltung.[9]

4. Besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung bei Verwendung von Drittstaat-Gesellschaften

Die strafrechtliche Relevanz der Verwendung von Briefkastenfirmen hat der Gesetzgeber in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 6 AO verankert.

Danach liegt nunmehr in dem Umstand, dass der Täter eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Abs. 3 AO, auf die er oder zusammen mit nahestehenden Personen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, eine Indizwirkung für die Annahme eines besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung.

Konnte bis dato die Verwendung einer Briefkastenfirmen allenfalls bei der Gesamtwürdigung im Rahmen der Prüfung eines unbenanntes Regelbeispiel gem. § 370 Abs. 3 S. 1 AO Bedeutung gewinnen, ist diese Wirkung nun explizit festgeschrieben. Die Aufnahme der Verschleierungshandlung als benanntes Regelbeispiel hatte insbesondere zum Ziel, die Verfolgungsverjährung auf zehn Jahre zu verlängern (§ 376 Abs. 1 AO), da eine solche nach dem eindeutigen Wortlaut nur für die benannten Regelbeispiele vorgesehen ist,[10] was wiederum einen Reflex auf die steuerliche Ablaufhemmung haben kann (§ 171 Abs. 7 AO).

Es ist vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG fraglich, ob allein der Umstand, dass eine Gesellschaft außerhalb der EU bzw. EFTA domiziliert ist und diese für die Steuerhinterziehung benutzt wurde, ausreichend ist, um ein erhöhtes kriminelles Unrecht zu begründen.[11] Denn nach dem eindeutigen Wortlaut und der Begründung des Gesetzgebers ist die Definition der Drittstaat-Gesellschaft nicht auf solche begrenzt, die keine wirtschaftliche Aktivität ausüben (echte Briefkastenfirma), sondern auf sämtliche Gesellschaften außerhalb der genannten Staaten und Territorien.

Auch stellt sich die Frage nach dem Bedürfnis für diese Verschärfung. Regelmäßig wird zugleich das Regelbeispiel aus § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO, die Steuerverkürzung im großen Ausmaß, in den in Frage kommenden Fallkonstellationen einschlägig sein, da der wirtschaftliche Aufwand für die Einrichtung und Unterhaltung einer Drittstaat-Gesellschaft bei Verkürzungsbeträgen unter EUR 50.000 zu hoch sein wird.

5. Festsetzungsverjährung

Um die verlängerte Festsetzung des Steueranspruchs nicht allein vom Nachweis strafrechtlicher Verantwortlichkeit abhängig zu machen, hat der Gesetzgeber außerdem in § 170 Abs. 7 AO für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die analog zu den Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten nach § 138 AO in Zusammenhang mit beherrschten Drittstaat-Gesellschaften stehen, die Anlaufhemmung auf den Ablauf des Kalenderjahres bestimmt, in dem die Beziehung bekannt geworden ist, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Die zehnjährige Anlaufhemmung entspricht damit bereits der bestehenden Regelung des § 170 Abs. 6 AO für Kapitalerträge, die aus Drittstaaten ohne bestehenden automatischen Informationsaustausch stammen.

Im Falle einer Steuerhinterziehung (zehn Jahre Festsetzungsverjährung gem. § 169 Abs. 2 S. 2 AO) kann daher auch in diesen Fällen die Festsetzung im Extremfall noch nach zwanzig Jahren erfolgen.[12]

6. Abschaffung des Bankgeheimnisses

Die Abschaffung des Bankgeheimnisses durch ersatzloses Streichen des § 30a AO dürfte angesichts der Bedeutung dieser Norm zuletzt sowie der sonstigen Änderungen im StUmgBekG eher mit Schulterzucken zur Kenntnis genommen worden sein. Dennoch birgt sie ein gewisses Konfliktpotenzial für die Zukunft.

Seit der Einführung der Abgeltungsteuer im Jahre 2009 hat das Bankgeheimnis erheblich an Bedeutung verloren (nicht jedoch vollständig, siehe § 32d Abs. 2 EStG). Bis dato galt sie als Hemmnis um unerklärte Kapitaleinkünfte zu ermitteln.[13]

Der Zweck des Bankgeheimnisses war die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Bank und Kunde, da es ansonsten kein über den § 30a AO a.F. hinausgehendes, abgaberechtliches Berufsgeheimnisrecht für Bankmitarbeiter gibt, wie es etwa der § 102 AO für andere Berufsgruppen einräumt.[14] Die Finanzbehörde war verpflichtet, „bei der Ermittlung des Sachverhalts besondere Rücksicht auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und deren Kunden zu nehmen“ und „erschwert (…) die Nutzung der bei den Kreditinstituten vorhandenen Informationen über ausländische Gesellschaften für steuerliche Zwecke“.[15]

Die Notwendigkeit dieser Abschaffung sieht der Gesetzgeber in einer Veränderung der aktuellen rechtspolitischen Lage[16] und in der Ermöglichung von Auskunftsersuchen nach § 93 AO auch an inländische Kreditinstitute ohne das „Vollzugshemmnis“ des Bankgeheimnisses.[17]

Die tatsächliche Wirkung als echtes Vollzugshemmnis darf aber durchaus bezweifelt werden. § 30a AO räumt keine echtes Auskunftsverweigerungsrecht ein, wie es etwa die Normen §§ 101 bis 103 AO einräumen. Ein Auskunftsersuchen war bei hinreichendem Anlass auch nach der bisherigen Gesetzesfassung möglich und nach § 30a Abs. 2 AO auch ausdrücklich vorgesehen. Der § 30a AO wurde daher teilweise als rein deklaratorische Norm angesehen.[18] Jedenfalls hatte sie eine ermahnende Funktion an die Finanzverwaltung.

Nach einer ersten Gesetzbegründung sei damit „der Außenprüfung ein wesentlicher Teil der zur unmittelbaren Aufdeckung von Spekulationsgewinnen geeigneter Konten verschlossen[19] geblieben. Seit der Einführung einer pauschalen Besteuerung von Spekulationsgewinnen an der Quelle, § 32d EStG, besteht diese Gefahr nicht mehr. Jedoch bestehen seitdem unaufhörlich politische Stimmen, diese wieder abzuschaffen und Kapitalerträge wieder der regulären Veranlagung zu unterwerfen.[20] Sollte ein solcher Antrag erfolgreich sein, wird die nun erfolgte Abschaffung der bloß deklaratorisch gewordenen Norm zu einer ernsthaften Erweiterung der Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden bei Kapitalerträgen führen.

Eine anlasslose Ermittlung dürfte dann zwar – wie bislang auch – gegen das Grundrecht der informellen Selbstbestimmung verstoßen,[21] der Weg des Rechtschutzes wird aber nunmehr schwieriger für den Steuerpflichtigen, da dieser sich nicht mehr auf eine normierte Einschränkung aus § 30a AO berufen kann.

Folgenschwer dürfte aber dann der Wegfall des § 30a Abs. 3 AO sein, der es bislang untersagte Guthabenkonten und Depots von Kunden bei der Außenprüfung von Kreditinstituten festzustellen oder abzuschreiben.[22] Eine solche Einschränkung ist nunmehr de facto weggefallen und führt zu erweiterten Ermittlungsansätzen, sollte die Abgeltungsteuer wieder abgeschafft werden.

III. Änderungen weiterer Gesetze

Zusammen mit Änderungen der Abgabenordnung wurden auch Teile des Kreditwesengesetzes (KWG), des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes, des Einkommenssteuergesetzes, Bundeskindergeldgesetzes, des Investmentsteuerreformgesetzes und des Steuerberatungsgesetzes geändert. Manche Teile sind bloße redaktionelle Änderungen (etwa § 4i EStG) oder bloße Korrekturen von Verweisen basierend auf anderen Änderungen des Gesetzes.

Änderungen im materiellen Steuerrecht sind in den einzelnen Gesetzen nur vereinzelt zu finden.

Im ErbStG wird die auf Antrag mögliche unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 3 ErbStG gestrichen[23] und die Konsequenz stattdessen in den Freibetrag nach § 16 Abs. 2 ErbStG bzw. § 17 Abs. 3 ErbStG verlagert.[24] Zudem wird nunmehr durch den neuen § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG die Besteuerung von Abfindungszahlungen sichergestellt, die jemand erhält, weil er auf das Bestreiten der Erbenstellung eines anderen verzichtet, sog. weichender Erbprätendent.[25]

Eine andere Änderung betrifft das Kindergeld ab dem 1. Januar 2018, welches durch die Einführung des § 66 Abs. 3 EStG, §§ 6 Abs. 3, 20 Abs. 10 BKGG nur noch rückwirkend für die letzten sechs Monate statt der bisherigen vier Jahre ausgezahlt werden kann.[26]

Das Einkommensteuergesetz wird dahingehend geändert, dass die bisherige Übergangsregelung der Einordnung von Ehegatten bei denen nur ein Ehegatte berufstätig ist in die Steuerklassen IV/IV statt III/- oder III/V als dauerhafte Lösung übernommen.[27] Zudem wird durch eine Änderung des § 39b Abs. 2 EStG die bisherige Verwaltungsregelung hinsichtlich des Lohnsteuerausgleiches bei kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen übernommen, die nunmehr auch dauerhaft einen sog. permanenten Lohnsteuerausgleich durchführen dürfen.[28]

Zudem wird ein Startzeitpunkt für die Ausweitung des Faktorverfahrens auf zwei Jahre benannt.[29] Durch § 37a EStG wird dieses nunmehr mit dem Veranlagungszeitraum 2019 eingeführt.

Mit einer Klarstellung in § 33 InvStG möchte der Gesetzgeber zudem der zuletzt in der Literatur, aufkommenden Diskussion entgegenwirken, dass „die Steuerpflicht eines Spezial-Investmentfonds auch dann entfällt, wenn er die inländischen Immobilienerträge an einen Dach-Spezial-Investmentfonds ausschütte.[30] Neu werden zudem die § 56 Abs. 7 bis Abs. 9 InvStG eingeführt, die den abrupten Übergang der Besteuerungsregime von 2017 zu 2018 regeln.[31] Zum 1. Januar 2018 tritt das Investmentsteuerreformgesetz in Kraft,[32] nach dem die Besteuerung bei Publikumsfonds auf eine intransparente Besteuerung auf Fondebene übergegangen wird, während es bei Spezialfonds bei der semi-transparenten Besteuerung verbleibt.

IV. Zusammenfassung

Die ursprüngliche, sicherlich honorable Zielsetzung des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes, den Kampf gegen die Verwendung von Offshore-Briefkastenfirmen zu führen, wird durch die Neuregelungen übererfüllt, da sämtliche Beziehungen zu Drittstaat-Gesellschaften unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Aktivität bei bestimmten Beherrschungs- oder Bestimmungsverhältnissen von den Mitteilungspflichten erfasst sind und damit nicht nur legale sondern auch legitime Strukturen, die keine erhöhte Bedeutung für die Finanzverwaltung haben, umfasst sind.

Die doppelte Erfüllung der Mitwirkungs- bzw. Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit Drittstaat-Gesellschaften (der Steuerpflichtige einerseits, die meldepflichtigen Stellen andererseits) und eine in der Praxis aus Vorsichtsgründen (insb. wegen des Haftungsrisikos nach § 72a AO) zu erwartende weite Auslegung der Voraussetzungen insbesondere des „mittelbaren Einfluss auf die geschäftliche Angelegenheit“, dürfte die Finanzverwaltung vor einer weiteren Datenflut stehen, die es neben den zu erwartenden Informationen aus dem anlaufenden Automatischen Informationsaustausch zusätzlich zu bearbeiten gilt.

Letztlich wird abzuwarten sein, wie die Praxis und Rechtsprechung mit den neuen Pflichten umgehen und die Finanzverwaltung auf die Datenmassen reagieren wird. Jedoch ist nicht zu erwarten, dass die Kreativität des Gesetzgebers, was die Regelung der Mitwirkung von Steuerpflichtigen und Dritten bei der Informationsbeschaffung steuerlich relevanter Informationen anbelangt, erschöpft ist, was u.a. die alle Jahre wiederkehrenden Initiativen zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen zeigt – zuletzt wieder vom Bundesrat in der Beratung zum StUmgBG.[33]

[1] vgl. die Recherche der Süddeutsche Zeitung unter http://panamapapers.sueddeutsche.de/.

[2] BGBl. I 2017, 1682.

[3] BT-Drucks. 18/11132, 15.

[4] So auch Schmidt/Ruckes, IStR 473, 478.

[5] Gesetz vom 18.07.2016 mit Wirkung vom 01.01.2017, BGBl. I, 1679.

[6] Weitere Anpassung sind in Abs. 2 Buchst. a-d vorgenommen, zur Erläuterung siehe BT-Drucks. 18/12127, S. 53 f.; zur Umsetzung Anwendungserlass vom 11. Dezember 2017, Gz: IV A 3 – S 0325/17/10001, DOK: 2017/1030825.

[7] Von Schweinitz/ Schneider-Deters, IStR 2017, 344, 347.

[8] Siehe etwa BFH, Urteil vom 12. Mai 2016, Az. II R 17/14, BStBl. II 2016, 822.

[9] El Mourabit, BB 2017, 91, 94, damals noch zum Regierungsentwurf.

[10] vgl. Jäger in Klein, Abgabenordnung, 13. Aufl. 2016, § 376 Rn. 12 m.w.N.

[11] So auch El Mourabit, BB 2017, 91, 98, der darauf hinweist, dass auch EU Staaten wie Irland, Malta und Zypern beliebte Steueroasen sein können, Auch sei seiner Ansicht nach die Hemmschwelle nicht besonders hoch, da eine solche Gesellschaft über das Internet innerhalb von 15-30 Minuten zu gründen sei.

[12] Zum jeweiligen Anwendungsbeginn siehe Art. 97 § 10 Abs. 15 und Art. 97 § 14 Abs. 5 EGAO.

[13] Vgl. Rüsken in: Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 30a Rn. 1.

[14] Rüsken in: Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 30a Rn. 1, 4.

[15] BT-Drucks. 18/11132, S. 23.

[16] BT-Drucks. 18/11132, S. 23 und verweist dabei auf das „Tipke-Urteil“ vom 9. März 2004, 2 BvL 17/02, BStBl. II 2005 S. 56.

[17] BT-Drucks. 18/11132, S. 23.

[18] U.a. Intemann in: Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 30a, Rn. 16.

[19] BR-Drucks. 816/16, S. 21.

[20] Zuletzt Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vom 23. September 2015, BT-Drucks. 18/6064.

[21] So auch El Mourabit, BB 2017, 91, 93.

[22] So auch El Mourabit, BB 2017, 91, 93.

[23] Eingeführt 2011 (BT-Drs. 17/6263, 64) als Reaktion auf das EuGH Urteil vom 22. April 2010, Rs. C-510/08 „Mattner“, DStR 2010, 861 und sollte die Steuerumgehung durch Aufspaltung von Schenkungen in verschiedenen Jurisdiktionen verhindern; und wurde nunmehr als europarechtswidrig wegen Verstoß gegen Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63, 65 AEUV eingestuft, EuGH Urteil vom 8. Juni 2016, Rs. C-479/14, „Hünnebeck“, NJW 2016, 2638; näheres Fischer/ Richter in: Viskorf/Schuck/Wälzholz, Online Kommentar zum Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Stand Sept. 2017, § 2 ErbStG, Rn. 35. In Konsequenz wird nunmehr der abziehbare Teilbetrag in § 16 Abs.2 ErbStG geändert.

[24] Zur Anwendbarkeit nunmehr § 37 Abs. 13, Abs. 14 ErbStG.

[25] Die Besteuerungslücke ist entstanden, weil der BGH sowohl die Steuerbarkeit dieser Abfindung abgelehnt hat, BFH Urteil vom 4. Mai 2011, Az. II R 24/09, und dennoch die Abziehbarkeit als Nachlassverbindlichkeit zugelassen hat, BFH Urteil vom 15. Juni 2016, Az. II R 24/15.

[26] Näheres Bundeszentralamt für Steuern vom 25. Oktober 2017, Gz. St II 2 – S 2474-PB/17/00001.

[27] Aufgrund einer fehlenden programmtechnischen Umsetzung war bislang die Einordnung bei Ehegatten von denen nur ein Ehegatte berufstätig ist in die vorgesehenen Steuerklassen III/- nicht möglich, weswegen übergangsweise die Einordnung als IV/IV im ELStAM Verfahren seit 2012 vorgesehen wurde. Die Einordnung in III/V ist nunmehr auf Antrag möglich, siehe § 38b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 a) und Nr. 4 sowie § 39 Abs. 6 EStG.

[28] Dieser war eigentlich auf durchgängige Dienstverhältnisse beschränkt und durch eine Übergangsregelung für die Jahre 2014 bis 2017 für kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse zugelassen, siehe etwa BT-Drs. 18/12127 S. 60.

[29] Eingeführt mit dem Bürokratieentlastungsgesetz vom 28. Juli 2015, BGBl. I S. 1400; aber aufgrund der fehlenden programmtechnischen Umsetzung konnte bislang kein Startzeitpunkt genannt werden.

[30] BT-Drs. 18/12127, S. 63 auch zur Argumentation in der Literatur und S. 64 ff. zu den Einzelregelungen in den Absätzen des § 33 InvStG mit Beispielen.

[31] BT-Drs. 18/12127, S. 67 ff. zu den Einzelregelungen in den Absätzen 7 bis 9 des § 56 InvStG mit Beispielen.

[32] InvStRefG vom 19. Juli 2016, BGBl. 106 I, 1730.

[33] Vgl. den Hinweis in BT-Drs. 18/11132, 43.

Autorinnen und Autoren

  • Johann-Nikolaus Meyer
    Johann-Nikolaus Meyer, Rechtsanwalt im Bereich Wirtschafts- und Steuerstrafrecht bei Flick Gocke Schaumburg in Bonn.
  • Philipp Behrendt
    Philipp Behrendt, LL.M., Rechtsanwalt im Bereich Wirtschafts- und Steuerstrafrecht bei Flick Gocke Schaumburg in Bonn, LL.M. im Wirtschaftsstrafrecht der Universität Osnabrück sowie LL.M. der University of Southern California.

WiJ

  • Dr. Simon Ulc , Marc Neuhaus

    Übernahme von Kosten für Verteidiger und Zeugenbeistände – eine Praxisübersicht

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)

  • Dr. Ricarda Schelzke

    BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23

    Individual- und Unternehmenssanktionen

  • Dr. Marius Haak , Joshua Pawel LL.M.

    Umweltkriminalität im Visier der EU – Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Rat beschlossen

    Produkthaftung, Umwelt, Fahrlässigkeit und Zurechnung