Editorial
Eine spezifische Insolvenzverwalterkriminalität existiert nicht. Nur vereinzelt sind Strafverfahren bekannt geworden, die sich mit (vorgeblichen) Fehlleistungen dieser Berufsgruppe befasst haben. Besonders spektakulär: Die Vorkommnisse um das Wiesmoorer Bauunternehmen Bohlen & Doyen, mit welchen sich die niedersächsische Justiz – unter anderem wegen exorbitant überzogener Vergütungen für Mitglieder des Gläubigerausschusses und auch deutlich überhöhter Vergütungsforderungen des Verwalters – über Jahre beschäftigt hat. Strafrechtliche Konsequenzen gab es jedoch weder für den Insolvenzverwalter noch für den fachlich vollkommen überforderten Insolvenzrechtspfleger, der dessen Abrechnungen (zunächst) abgesegnet hatten (vgl. LG Aurich, Beschluss vom 13.05.2013 – 15 KLs 1000 Js 55939/12 [2/13], ZInsO 2014, 343, und Urteil vom 25.04.2017 – 15 KLs 3/14, wistra 2018, 140).
Anders aber in einem Fall, in dem der BGH jetzt im Nachgang zu der rechtskräftigen Verurteilung des Verwalters zu einer neunmonatige Freiheitsstrafe wegen Untreue über die Frage zu entscheiden hatte, wie sich eine solche Sanktionierung auf grundsätzlich bestehende Vergütungsansprüche auswirkt (BGH, Beschluss vom 22.11.2018 – IX ZB 14/18, ZInsO 2019, 91).
Schon früh hat der BGH entschieden, dass nur in absoluten Ausnahmefällen ein vollständiger Ausschluss von Vergütungsforderungen in Frage kommt. Die zu beachtenden Verfehlungen müssen im Einzelfall besonders schwerwiegend sein. Nur wer seine Treupflicht vorsätzlich oder zumindest leichtfertig massiv verletzt, kann sich seines Entgeltes als unwürdig erweisen. Der Senat rekurriert auf den allgemeinen Rechtsgedanken des §654 BGB: Wer verbotenerweise auf zwei Schultern trägt, soll hieraus nicht noch zusätzliche Vorteile ziehen. Ein Insolvenzverwalter, der – wie hier – kickbacks an ihm nahestehende Personen veranlasst, handelt in Anbetracht dieser Grundsätze in besonders hohem Maße verwerflich. Dies gilt umso mehr, wenn die sich die Handlungen über längere Zeit hinziehen. Das systematische Aushöhlen der Insolvenzmasse aus rein eigennützigen Motiven läuft dem Bild des allein die Interessen der Gläubigergesamtheit beachtenden Verwalters völlig zuwider. Derartige gravierende Pflichtverstöße rechtfertigen nicht nur eine bloße Kürzung der Verwaltervergütung – sie schließen jegliche Honoraransprüche aus.
Natürlich beleuchtet der BGH-Beschluss vom 22.11.2018 einen Ausnahmefall. Die Entscheidung macht aber deutlich, dass amtsbezogene Straftaten eines Insolvenzverwalters selbst Ansprüche auf die nach § 8 Abs. 3 InsVV angefallene Auslagenpauschale ausschließen. Zwar lässt der Beschluss die Frage ausdrücklich offen, ob identische Konsequenzen auch dann ins Haus stehen, wenn der Verwalter anstelle der Pauschale nach § 4 Abs. 2 InsVV die ihm tatsächlich entstandenen Auslagen geltend macht. Letztlich dürfte angesichts der Argumentation des Gerichts indes auch hier keine andere Folge zu erwarten sein.
Die Justiz erleichtert leider vielfach derartige Manipulationen. Zwar sollen bei den Insolvenzgerichten nur Rechtspfleger eingesetzt werden, die über „belegbare Kenntnisse“ des Insolvenzrechts verfügen (§ 18 Abs. 4 RPflG). Die Praxis zeigt aber, dass in Zeiten knapper Haushalte bei den Gerichten lediglich Lücken gefüllt werden, ohne dass man auf hinreichende Vorkenntnisse achtet oder gar besteht. Learning by doing ist die Folge. Dies gilt auch für die Insolvenzrichter, deren Kompetenzen regelmäßig vom persönlichen Engagement abhängig und geprägt sind. Schon der drohende Imageschaden sollte die Justizverwaltungen hier zu Korrekturen bewegen.
OStA Raimund Weyand, St. Ingbert