Das neue Unternehmensstrafrecht – Geld und Unterwerfung
Eine kritische Kommentierung des Referentenentwurfes zum VerSanG
I. Der streitbare Entwurf
Nun liegt er endlich vor, der seit Jahren erwartete Referentenentwurf für ein neues Verbandssanktionengesetz (Stand: 15.8.2019). Ausweislich der Presseberichterstattung sorgt sich das federführende Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz nun vor dem „Feuer der Verbände“. Diese Sorge ist berechtigt.
Wer glaubte, die vielen skeptischen Diskussionsrunden der vergangenen Monate und Jahre hätten zu einem zurückhaltenden Entwurf geführt, der ist nun eines Besseren belehrt. Der Entwurf regelt viel. Trotz seines beachtlichen Umfangs ist er aber an vielen Stellen sehr vage gefasst. Die Entwurfsbegründung enthält nur zum Teil verständnisleitende Hinweise. An manch wichtiger Stelle bleibt dabei offen, ob das ausweislich der Begründung des Entwurfs beabsichtigte Ergebnis auch wirklich so aus dem Wortlaut des Gesetzes folgt. Selbst dort, wo sich differenzierte Erklärungen finden, erscheinen sie alles andere als zwingend. Erst eine vertiefte Befassung wird zeigen, gegen welche sachwidrigen Interpretationen der Entwurf keine ausreichende Vorsorge getroffen hat.
Doch bereits auf den ersten Blick steht fest: Unternehmen sollen für nahezu sämtliche Straftaten aus ihren Reihen mit ihrem Vermögen geradestehen. Neben empfindlichen Geldsanktionen drohen öffentliche „Anprangerung“ und schlimmstenfalls sogar die Auflösung des Unternehmens per Gerichtsurteil. Der einzige vom Gesetz aufgezeigte (Teil-)Ausweg scheint dabei die bedingungslose Kooperation, oder besser gesagt, Kapitulation zu sein:
- Die Bestrafung setzt kein „eigenes“ Fehlverhalten des Unternehmens voraus: Verletzt eine Leitungsperson eine strafbewehrte Pflicht des Verbands, so wird auch der Verband bestraft.
- Eigene Aufklärungsbemühungen des Unternehmens („Internal Investigations“) können (lediglich) zur Halbierung der Strafe führen – aber nur, wenn die internen Untersuchungen alle zwölf gesetzlich festgelegten Voraussetzungen erfüllen, die unbestimmte und zum Teil schwer erfüllbare Anforderungen beinhalten. Hier wird ein starkes Misstrauen gegenüber den Unternehmen bzw. den Untersuchenden deutlich.
- Alle Unterlagen aus internen Untersuchungen sollen künftig beschlagnahmefähig sein.
Mit dem vorliegenden Beitrag soll zunächst ein Überblick über die Bestimmungen des VerSanG gegeben werden (II.). Sodann werden die Folgen des Entwurfs dargestellt – insbesondere im Hinblick auf die strafprozessuale Verwendung der Ergebnisse interner Ermittlungen (III.). Abschließend folgen eine würdigende Einschätzung des Gesetzesentwurfs (IV.) und ein kurzer Ausblick darauf, was die Unternehmen bei Inkrafttreten des Entwurfs erwartet (V.).
II. Übersicht über die Bestimmungen des Referentenentwurfs
Kernpunkt des Artikelgesetzes mit Änderungen in 22 weiteren Rechtsgebieten ist das VerSanG – das Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten. Der Entwurf ist in sieben Teile gegliedert: (1) Allgemeine Vorschriften, (2) Voraussetzung der Sanktionierung; Ausfallhaftung, (3) Rechtsfolgen, (4) Verjährung, (5) Zuständigkeit und Verfahrensvorschriften, (6) Verbandssanktionenregister und (7) Schlussbestimmungen.
Irreführend ist bereits der Titel, denn die als verbandsbezogen verstandenen Straftaten sind im Grunde längst strafbar: Jedoch allein für die Täter. Daran soll sich auch in Zukunft nichts ändern. Neu vorgesehen wird nun, dass Strafe nicht allein die handelnden Personen, sondern gleichzeitig auch das Unternehmen, dem sie angehören, trifft – und zwar immer dann, wenn eine Leitungsperson verbandsbezogene Straftaten begangen hat, regelmäßig aber auch dann, wenn sonstige Angestellte des Unternehmens gegen strafbewehrte Pflichten, die das Unternehmen betreffen, verstoßen haben (unten 1.b).
1. Umfassender Anwendungsbereich – Bestrafung ohne Verschulden, Legalitätsgrundsatz
a) § 1 regelt die Sanktionierung von Verbänden [juristische Personen, auch nichtrechtsfähige Vereine und Personen(außen)gesellschaften] wegen Straftaten (natürlicher Personen), durch die strafbewehrte Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte. § 2 Abs. 2 erweitert den Anwendungsbereich des VerSanG für inländische Verbände auf im Ausland begangene Straftaten, auf die das deutsche Strafrecht (hinsichtlich der handelnden Personen) gar nicht anwendbar ist; angeknüpft wird hierbei u.a. an den Sitz des Unternehmens bzw. Verbandes in Deutschland.
b) Der Entwurf intendiert quasi eine Verdoppelung der Strafen. Er zielt nicht auf die Schließung (tatsächlicher oder angeblicher) Strafbarkeitslücken und sucht auch keine Antwort auf „organisierte Verantwortungslosigkeit“. Vielmehr geht es allein darum, neben den verantwortlich handelnden Personen auch den Verband bzw. das Unternehmen belangen zu können.
Sofern die Straftat einer Leitungsperson i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 in Rede steht, soll es nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 in Zukunft nicht mehr erforderlich sein, Fehler in der Organisation des Verbands, bei der Personalauswahl, der Geschäftsverteilung, der Aufsicht, Anleitung und Kontrolle festzustellen, deren Nachweis derzeit noch Voraussetzung einer Bebußung des Inhabers oder Leiters eines Betriebs bzw. Unternehmens nach § 130 ggf. i. V. m. § 9 OWiG und in der Folge auch der Festsetzung eines Bußgelds gegen den Verband nach § 30 OWiG ist. Verbandsbezogene Straftaten eines Leiters dieses Verbandes werden dem Verband ausnahmslos zur Last gelegt.
Regelmäßig soll für die Bestrafung des Verbandes aber auch das Fehlverhalten irgendeines anderen (bei Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbandes) genügen, wenn „angemessene Vorkehrungen“ der Verbandsleiter die Straftaten verhindert oder wesentlich erschwert hätten, § 3 Abs. 1 Nr. 2.
Während somit bisher nach allgemeiner Rechtsauffassung stets eine ex-ante-Betrachtung erforderlich war und somit geprüft werden musste, ob die Leitungspersonen bereits vor dem strafbewehrten Verhalten erkennen konnten, dass es zu einem derartigen Verhalten ihrer Mitarbeiter kommen würde, macht der Entwurf faktisch auch den erst in der Rückschau erkannten Fehler quasi zur strafbewehrten gesetzlichen Pflicht, da allein objektiv zu prüfen ist, ob sich das Fehlverhalten durch „angemessene Vorkehrungen“ hätte vermeiden (oder erschweren) lassen, ohne dass es nach dem Gesetzeswortlaut auf die subjektiven Erkenntnisse der Unternehmensleiter im Zeitpunkt der Straftat ankäme. Angesichts der Kleinteiligkeit der Anforderungen, die die Zivilrechtsprechung § 93 Abs. 1 S. 1 AktG entnimmt, ist kaum vorstellbar, dass sich auf Leitungsebene nicht irgendein, und sei es noch so ein kleiner Fehler definieren lassen wird, der dann ausreicht, um auch das Unternehmen zu bestrafen.
Dass diese Fehler zukünftig nicht unbeachtet bleiben, regelt das schlichte Wort „wird“. Im Unterschied zu § 30 OWiG sieht der Entwurf vor, dass bei Verbandsstraftaten stets auch eine Verbandssanktion verhängt wird, ihre Verhängung soll also nicht mehr (wie derzeit die Festsetzung der Geldbuße nach § 30 OWiG) im Ermessen der Verfolgungsbehörde liegen.
2. Kein „safe harbour“, aber besonders schwere Fälle; Umfassende Haftung von Rechtsnachfolgern
a) In dem Gesetzesentwurf findet sich keine Regelung dazu, wie sich ein Verband rechtssicher vor eigener Verfolgung und Ahndung schützen könnte. Eine Art „safe harbour“ ist nicht vorgesehen.
Statt zumindest der Leitungsebene vor Augen zu führen, wie sie sich rechtstreu verhalten oder – besser – rechtswidriges Verhalten vermeiden kann, folgen in § 3 Abs. 2 sogleich drei Regelbeispiele für besonders schwere Fälle: So soll härter bestraft werden, wenn es sich um einen Wiederholungsfall handelt, oder – auch schon beim ersten Mal – wenn die Verbandsstraftat ein Verbrechen darstellt oder mit erhöhter Mindeststrafe bedroht ist (d. h. ab drei Monaten Freiheitsstrafe). Ein besonders schwerer Fall soll außerdem dann vorliegen, wenn eine (nicht näher definierte) „hochrangige Leitungsperson“ des Verbandes oder wenn mehrere (einfache) Leitungspersonen an der Tat beteiligt sind.
Handelt es sich um ein Antrags- oder Ermächtigungsdelikt, so gilt diese Voraussetzung gemäß § 4 allerdings auch für die Strafbarkeit des Verbands. Gegen Immune, für hoheitliches Handeln, gegen Bund und Länder sowie Drittstaaten gibt es nach § 5 keine Verbandsstrafe; das nur der Vollständigkeit halber.
b) Nach dem Vorbild des Kartellrechts (sog. „Wurstlücke“) sehen §§ 6 und 7 eine umfassende Haftung sämtlicher (oder bei Aufspaltung partieller) Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolger vor. Beabsichtigt ist damit die möglichst lückenlose Vorsorge gegen manipulatives Sich-Entziehen eines Verbandes aus der eigenen Verantwortung. Der Rechtsnachfolger hat das Verfahren im erreichten Stand zu übernehmen, § 31. Für die Festlegung des Haftungsbeitrags nach § 7 finden sich ergänzende Verfahrensregeln in § 32.
3. Geldstrafe, „Pranger“, Auflösung, Verbandsinterne Untersuchungen
a) Teil 3 ist in zwei Abschnitte untergliedert. Zunächst beschreibt § 8 die gegen einen Verband festsetzbaren Sanktionen: Geldstrafe („Verbandsgeldsanktion“) ohne oder mit Bewährung („Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt“) sowie Auflösung des Verbandes.
Nach § 9 können wie bisher höchstens 10 Millionen Euro gegen den Verband festgesetzt werden, wenn einer seiner Angehörigen eine vorsätzliche verbandsbezogene Straftat begangen hat. Im Fall „bloßer“ Fahrlässigkeit bleibt es bei der Verringerung auf im Höchstmaß 5 Millionen Euro. Für große Unternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro gilt aber nunmehr ein neues Höchstmaß der Sanktion: bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes dürfen bei vorsätzlichen Taten und bis zu 5 % bei fahrlässigen Taten als Sanktion festgesetzt werden. Damit dürfte es der Vergangenheit angehören, dass im Vergleich zur verhängten Strafe unverhältnismäßig hohe Beträge abgeschöpft werden. Der Griff in die Kasse des Unternehmens erfolgt nunmehr als direkte Vermögenssanktion.
Für die Feststellung der Höhe des Umsatzes führt § 50 eine uneingeschränkte Auskunftspflicht des Verbandes ein. Ist für eine zugleich verwirklichte Ordnungswidrigkeit ein darüberhinausgehendes Höchstmaß bestimmt, so gilt dieses, § 9 Abs. 3. Das Zusammentreffen mit einer Ordnungswidrigkeit regelt im Übrigen § 49.
b) Für den Fall der Unzumutbarkeit sofortiger Zahlung kommt die Einräumung einer längeren Frist oder die Gewährung von Raten in Betracht, die allerdings unter die Bedingung gestellt werden kann, dass das Unternehmen jeweils rechtzeitig zahlt (§ 9 Abs. 4).
Unter den engen Voraussetzungen des § 10 soll das Gericht die Geldstrafe zur Bewährung aussetzen können, nach § 11 auch teilweise, und gegen Auflagen (§ 12) oder Weisungen (§ 13). Insbesondere dem Vorbehalt eines Teiles der Sanktion nach § 11 könnte praktische Relevanz zukommen. Zum einen ist hier jedenfalls die Hälfte der Sanktion unmittelbar fällig, denn maximal 50 % dürfen unter Vorbehalt gestellt werden; zugleich wird der Verband zu Wohlverhalten motiviert.
c) Anstatt oder neben einer Geldzahlung darf das Strafgericht den Verband nach § 14 auflösen, wenn das bereits geltende Recht dafür die Zuständigkeit ordentlicher Gerichte vorschreibt, ein besonders schwerer Fall nach § 3 Abs. 2 vorliegt, Verbandsangehörige beharrlich erhebliche Straftaten begangen haben und ohne Auflösung voraussichtlich weiter begehen würden.
d) § 15 gestattet dem Gericht bei einer nicht näher festgelegten großen Anzahl von Geschädigten die Verurteilung öffentlich bekanntzumachen, d. h., den Verband „an den öffentlichen Pranger zu stellen“ – ausweislich der Entwurfsbegründung soll dies aber allein dazu dienen, dass sämtliche Geschädigten von der Verurteilung des Verbandes erfahren. Dass gerade die öffentliche Bekanntmachung für viele Unternehmen die „Höchststrafe“ darstellen dürfte, wird in der Gesetzesbegründung nicht thematisiert. Der Gesetzgeber verweist in seiner Begründung lediglich auf analoge Vorschriften des BörsG, WpHG und UWG. Unklar bleibt, wie hier sichergestellt werden soll, dass tatsächlich ausschließlich der Schutz von Geschädigten Triebfeder der Anwendung des § 15 sein wird. Inwieweit eine solche Veröffentlichung (ggf. durch eigene Maßnahmen zugunsten der Geschädigten) abgewendet werden kann, bleibt deshalb abzuwarten.
Abschnitt 2 normiert mit § 16 die Zumessung der Geldstrafe und lehnt sich dabei an § 46 StGB an. §§ 20 und 21 befassen sich mit Tateinheit und Tatmehrheit.
e) Bestimmungen über verbandsinterne Untersuchungen finden sich in §§ 17-19. Solche kann ein Verband selbst vornehmen oder Dritte damit beauftragen. Näheres dazu schreibt der Entwurf nicht vor.
aa) § 18 regelt indes die Voraussetzungen für eine Milderung der festzusetzenden Sanktion gegen den Verband. Eine solche Milderung kann durch Aufklärungsmaßnahmen (verbandsinterner Untersuchungen bzw. „Internal Investigations“) erreicht werden. Die hier festgelegten Mindestvoraussetzungen für solche internen Untersuchungen werden – so unbestimmt sie auch sein mögen – in der Praxis wohl Mindeststandard der Beratung werden. Nur auf ausdrücklichen Wunsch des Verbandes dürften Berater alternative Wege mittragen.
Auffällig ist auch hier, dass der Entwurf keine Möglichkeit der Straffreiheit vorsieht. Der Strafrahmen lässt sich jedoch immerhin auf die Hälfte reduzieren und die Auflösung des Verbandes sowie auch die öffentliche Bekanntmachung insgesamt vermeiden. Dafür stellt der Entwurf allerdings hohe Hürden auf. Vor allem sieht er eine „alles-oder-nichts-Regelung“ vor. Nur dann, wenn der Verband alle zwölf im Gesetz aufgeführten Bedingungen strikt erfüllt, kommt eine (förmliche) Milderung nach § 19 in Betracht.
bb) Dafür verlangt der Entwurf:(1) 18 Abs. 1 Nr.1
Der Verband oder der externe Beauftragte muss einen „wesentlichen Aufklärungsbeitrag“ leisten. Zwar handelt es sich dabei um einen offenen Begriff. Allerdings überlässt es die Vorschrift dem Verband, wie und auf welche Weise dieser Aufklärungsbeitrag geleistet wird. Das Unternehmen ist damit formell nicht zu internen Untersuchungen gezwungen. Doch selbst wenn es solche einleitet, kann es nicht sicher sein, einen „wesentlichen“ Aufklärungsbeitrag zu leisten. So scheint es nicht fernliegend, dass die straffällig gewordene Leitungsperson z.B. selbst ein aufklärendes Geständnis ablegt und sämtliche Beweise für die eigene Schuld der Staatsanwaltschaft vorlegt. Wem gekündigt wurde und wer die einschlägigen innerbetrieblichen Unterlagen kopiert hat, könnte sich zusätzlich an „seinem“ Unternehmen rächen, indem er ihm die Möglichkeit nimmt, einen Aufklärungsbeitrag zu leisten, der wesentlich ist. Im umgekehrten Fall könnte der Handelnde seine Taten auch so geschickt vor dem Unternehmen verborgen haben, dass es diesem auch mit noch so umfangreichen internen Untersuchungen nicht möglich ist, einen wesentlichen Aufklärungsbeitrag zu leisten. Es erscheint im Ergebnis deshalb denkbar, dass das Unternehmen hier wiederum von demjenigen abhängig ist, der es erst in die Bredouille gebracht hat.
(2) 18 Abs. 1 Nr. 2
Die Vorschrift verlangt, dass der mit einer verbandsinternen Untersuchung beauftragte Dritte nicht zugleich Verteidiger des Verbands oder des der Verbandsstraftat als solcher Verdächtigen sein darf. Das zwingt alle Verbände zu einer Trennung von Untersuchungspersonal und dem Verteidiger des Verbandes. Für einen multinationalen Konzern mag dies ohne weiteres tragbar sein, für einen kleinen gemeinnützigen Verein, dessen Finanzen von einem eigennützigen Vorstandsmitglied geplündert wurden, könnte es eine Vervielfältigung der ohnehin kaum tragbaren Kosten bedeuten.
Zwar soll nach dem Gesetzestext der mit der internen Untersuchung beauftragte Dritte nicht zugleich Verteidiger des Unternehmens oder einer der beschuldigten natürlichen Personen sein. Allerdings – dies geht aus der Gesetzesbegründung hervor – sollen Untersucher und Verteidiger durchaus in derselben Sozietät – hinter chinesischen Mauern? – tätig sein dürfen. Ob diese ggf. doppelt riskante Verquickung sinnvoll wahrgenommen werden kann, muss der Einzelfall noch zeigen.
Die Bestimmung birgt wegen des Zusammenhangs mit §§ 97 und 160a StPO (weitere Einzelheiten dazu unten zu III.) auch beweisrechtlich Sprengstoff.
(3) 18 Abs. 1 Nr. 3
Nur bei „ununterbrochener“ und „uneingeschränkter“ Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden soll eine Milderung der Verbandssanktion in Betracht kommen.
Was darunter jedoch genau zu verstehen ist, lässt der Entwurf in bedenklicher Weise offen. Interpretation und Maßstab hängen folglich allein vom Rechtsanwender ab. Welche Verzögerung einer Antwort „unterbricht“ die Zusammenarbeit mit den Behörden? Heißt „uneingeschränkt“ tatsächlich, dass es keine Grenze gibt? Es besteht die Gefahr, dass Strafverfolgungsbehörden oder Ermittler darin ein Gebot zur bedingungslosen Kooperation und damit Kapitulation erblicken.
Ein solcher Maßstab ist nicht nur unrealistisch und in vielerlei Hinsicht auch unfair; darüber hinaus eröffnet er Nebenkriegsschauplätze. Denn jeder, der auf Seiten der Justiz am Verfahren beteiligt ist, könnte hier seinen eigenen Maßstab bestimmen und hätte es in der Hand, auch Kleinigkeiten als Begründung für eine etwaige „nicht uneingeschränkte“ Kooperation anzusehen. Seien es kritische Nachfragen des Verbandes über die Aufklärungsrelevanz eines von den Ermittlern geäußerten Aufklärungswunsches, seien es kleinere (tatsächliche oder behauptete) zeitliche Verzögerungen bei der Erledigung oder sei es schlicht der Unglaube der Ermittler, dass eine von dem Verband erwartete Unterlage tatsächlich nicht vorhanden oder greifbar ist: „Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass es oben keiner wusste. Es widerspricht doch krimineller Erfahrung, dass dazu kein Dokument existieren soll“.
Es wäre für die Justizangehörigen im Hinblick auf § 18 immer möglich, die Atmosphäre zu „vergiften“ und anschließend selbst gutwilliges Verhalten als nicht ausreichend zu bewerten. Erkennbare Kooperationswilligkeit muss stattdessengenügen.
Der Entwurf stellt das Unternehmen überdies vor die Wahl. Es kann sich (am Anfang) zur bedingungslosen Kooperation entschließen oder den Bonus bei der Sanktionsbemessung für immer verspielen. Entschließt es sich zur umfassenden Kooperation, winkt bestenfalls die Halbierung der Obergrenze. Eine Strafe handelt sich der Verband trotzdem ein – in welcher Höhe, ja schon in welcher Größenordnung – bleibt gleichwohl offen. Für die Kapitulation erhält der Verband deshalb wenig Greifbares. Die Hälfte einer deutlich gesteigerten Sanktion, weil durch die uneingeschränkte Kooperation ein viel größeres Ausmaß der Straftaten offenbar wurde, könnte ein schlechtes Geschäft sein. Lediglich die Möglichkeiten einer öffentlichen Bekanntmachung und der etwaigen Auflösung des Verbandes entfallen mit Sicherheit, sofern das Unternehmen bei der Aufklärung bis zum Abschluss des Verfahrens jeden Wunsch der Verfolgungsbehörde erfüllt. Den einmal beschrittenen Pfad der vollumfänglichen Aufklärung wieder zu verlassen, dürfte angesichts der Beschlagnahmefähigkeit der Unterlagen aus der verbandsinternen Untersuchung selbst bei gänzlich ausufernden Forderungen der Justizbehörden keine wirkliche Option darstellen.
Der faktische Zwang zu bedingungsloser Kooperation könnte zukünftig zu Internal Investigations führen, die tiefer, breiter und umfangreicher als je zu vor ausfallen. Das dürfte auch Ziel des Gesetzgebers sein. Weder die Strafverfolgungsbehörden noch die mit verbandsinternen Untersuchungen betrauten Externen haben ein intrinsisches Interesse an der Begrenzung des Verfahrensstoffs. Die beschränkten Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden stellen dann kein Hindernis mehr dar. Alles, was die Verfolgungsbehörden aufgeklärt wissen möchte, können sie fortan vom Verband oder von dem beauftragten untersuchenden Dritten verlangen und auf diese Weise flächendeckend ermitteln lassen, was weit über den ursprünglichen Anfangsverdacht hinausgeht; und zwar auf Kosten des Unternehmens.
Die Praktikabilität der Vorschrift wird auch nicht dadurch verbessert, dass ausweislich der Gesetzesbegründung die Kooperation „erst“ ab dem Zeitpunkt erwartet wird, in dem sich der Verband „entschließt, mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten“ oder aber unverzüglich, nachdem diese im Laufe ihrer Ermittlungen von sich aus an ihn herangetreten sind. Letzteres dürfte immerhin einen Anfangsverdacht voraussetzen. Für den Beginn der Kooperationsobliegenheit aufgrund eigener Initiative des Verbands darf es jedoch nicht auf den Zeitpunkt des internen Entschlusses ankommen, sondern nur und erst auf das erfolgte Herantreten an die staatlichen Organe. Falls mit der Formulierung der Begründung Verzögerungen entgegengewirkt werden soll, wäre es geboten, deren Relevanz auf damit bewirkte Beeinträchtigungen bei der Aufklärung zu beschränken.
(4) 18 Abs. 1 Nr. 4
Vergleichbar rigide ist die Pflicht formuliert, das Ergebnis der verbandsinternen Untersuchung einschließlich aller wesentlichen Dokumente und den Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Die Gesetzesbegründung stellt dazu klar, dass auch alle entlastenden Dokumente zu präsentieren sind. So selbstverständlich das einerseits erscheint, weil eine tendenziöse Untersuchung nicht der Aufklärung dienen würde, so problematisch ist andererseits auch insoweit die Ausnahmslosigkeit. Vorgelegt werden muss nach dem Entwurf jedes Dokument, dieses also komplett, d. h. auch dann, wenn es Informationen enthält, die mit dem auslösenden Vorwurf nichts zu tun haben, sondern z.B. ganz andere Verfehlungen beträfen. Das Vollständigkeitsgebot zwingt den Verband, sich über den verfahrensgegenständlichen Vorwurf hinaus selbst quasi anzuzeigen. „Die große Offenheit“ könnte demnach zukünftig zu über den ursprünglichen Untersuchungsgegenstand hinausgehenden (internen oder externen) Ermittlungen führen. Besonders Akteneinsichtsgesuche Dritter dürften dann an Relevanz zunehmen. Entgegen allgemeinen Trends sollte hier Zurückhaltung geboten sein.
(5) 18 Abs. 1 Nr. 5
Weitere Voraussetzung ist die faire Gestaltung der verbandsinternen Untersuchungen. Nachfolgend werden zwar konkretisierende Anforderungen beispielhaft aufgeführt. Es bleibt jedoch selbst bei deren Einhaltung Raum für die Bewertung der Untersuchung als unfair. Damit könnten sich sämtliche Bemühungen eines Verbands als vergeblich herausstellen, ohne dass ihm praktikable Maßstäbe für ein ausreichend rechtssicheres Vorgehen an die Hand gegeben wären.
(6) 18 Abs. 1 Nr. 5 a
Gegen die Pflicht, Befragte darüber informieren zu müssen, dass ihre Angaben in einem Strafverfahren auch gegen sie verwendet werden dürfen, sind Einwände nicht ersichtlich.
(7) und (8) § 18 Abs. 1 Nr. 5 b
Angemessen ist es zudem, bei Befragungen die Anwesenheit eines anwaltlichen Beistands oder eines Mitglieds des Betriebsrats zuzulassen, jedenfalls dann, wenn der Befragte auch beides zusammen verlangen kann. Es ist dann nur konsequent, dass der Befragte über diese Rechte auch belehrt werden muss.
(9) und (10) § 18 Abs. 1 Nr. 5 c
(1.) Weitere Voraussetzung zum Erlangen einer Herabsetzung der Verbandsstrafe gemäß § 19 soll es sein, dass der Verband dem Befragten in Anlehnung an § 55 StPO ein Auskunftsverweigerungsrecht einräumt und ihn davon – wiederum konsequenterweise – auch in Kenntnis setzt. Diese Regelung zieht zum einen massive beweisrechtliche Konsequenzen nach sich (dazu unten III.). Zum anderen steht sie offensichtlich im Gegensatz zu dem mit „verbandsinternen Ermittlungen“ verbundenen Aufklärungsinteresse.
(2.) Die Regelungen könnten überdies Auswirkungen auf das Arbeitsrecht entfalten: Wenn es Verbandsangehörigen ausdrücklich erlaubt wird, zur Tat und dem eigenen Tatbeitrag zu schweigen, dann kann der entstandene Verdacht ggf. nicht aufgeklärt werden, sodass eine Kündigung wegen Verfehlung ausscheidet. Offen bliebe nur noch der Weg einer Verdachtskündigung. Kann eine Verdachtskündigung aber wirksam sein, wenn das Verhalten des Verbandes zur unterbliebenen Aufklärung beigetragen hat? Schließlich war der Verband nicht gezwungen, der Aussageperson ein Schweigerecht bei den internen Ermittlungen einzuräumen. Er hätte auf eine Aussage bestehen können, wie sie auch bisher im Arbeitsrecht von den Angestellten verlangt wird, mit der Konsequenz, dass er die Chance auf eine Sanktionsmilderung vergibt. Eine Zwickmühle, die der Verband zukünftig wird ertragen müssen.
(11) § 18 Abs. 1 Nr. 6
Zudem verlangt der Entwurf, dass die verbandsinterne Untersuchung in Übereinstimmung mit sämtlichen geltenden Gesetzen durchgeführt wurde.
(12) § 18 Abs. 2
Die Einhaltung der Fairnessgebote des § 18 Abs. 1 Nr. 5 sind gegenüber der Staatsanwaltschaft zu dokumentieren. Dafür dürfte es genügen, dem Befragten ein Formblatt zu überreichen, welches in Ablichtung den nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 zu überreichenden Dokumenten beigefügt wird.
4. Verjährung
Teil 4 enthält in den §§ 22 und 23 Vorschriften über Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung. Er schafft dabei eine weitgehende Parallelität mit der Straftat des Verbandsangehörigen.
5. Gerichtsverfassungs- und sanktionsverfahrensrechtliche Bestimmungen
Teil 5 regelt die Zuständigkeiten.
a) Nach § 24 ist die für die Verfolgung der Verbandsstraftat zuständige Stelle auch für die Bestrafung des Unternehmens zuständig. Das bedeutet für Abgabendelikte, dass auch die Bußgeld- und Strafsachenstellen der Finanzämter sowie die Hauptzollämter zukünftig Verbandsstrafen anstreben dürfen. Aufgrund deren meist rein fiskalischer Orientierung bestehen Bedenken gegen die dadurch erlangte neue Machtfülle.
b) § 25 bestimmt die subsidiäre Geltung von StPO und GVG, schließt allerdings wie bisher einige verdeckte Ermittlungsmaßnahmen aus. § 28 unterstellt den Verband den schützenden, für einen Beschuldigten geltenden Regeln. § 29 regelt die Vertretung des Verbands im Verfahren, § 30 gestattet die Bestellung eines besonderen Vertreters, wenn z. B. die Verbandsstraftat allen Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs zur Last gelegt wird. Ein gesetzlicher Vertreter des Verbandes kann zwar einerseits nach § 33 zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben werden, ihm ist aber andererseits in § 34 ein umfassendes Schweigerecht (auch in anderen Verfahren) eingeräumt.
c) §§ 36 und 37 sehen Einstellungsmöglichkeiten vor, welche stark an §§ 153 und 153a StPO orientiert sind. Nach § 37 soll eine Einstellung allerdings schon dann ausscheiden, wenn ihr die Schwere und das Ausmaß unterlassener Compliancemaßnahmen entgegenstehen. Der Gesetzgeber verspricht sich mit der Übernahme der Opportunitätsvorschriften in das Verbandssanktionensystem offenbar, der zahlreichen, aufgrund der Einleitungspflicht zu erwartenden Verfahren Herr werden zu können.
Treffen den Verband selbst aufgrund der Straftat schwere Folgen, so kann das Verfahren gegen ihn wie nach § 153b StPO eingestellt werden (§ 38). Gleiches gilt wie nach § 153c StPO bei zu erwartender Bestrafung im Ausland (§ 39). Ein insolventer Verband muss nicht verfolgt werden (§ 40). Kann eine festgesetzte Verbandsstrafe jedoch nicht beigetrieben werden, so hat die Vollstreckungsbehörde zwingend den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verbands zu stellen (§ 54). Abwesenheiten können wie im Ermittlungs- und Strafverfahren gem. §§ 154f und 205 StPO nach § 41 zu vorübergehender Einstellung führen. Kartellverfahren genießen gemäß § 43 den Vorrang. § 51 gestattet entsprechend dem Strafbefehlsverfahren die gerichtliche Entscheidung ohne Hauptverhandlung.
d) Neu ist die Möglichkeit der Unterbrechung strafprozessualer Ermittlungenim Falle angezeigter verbandsinterner Untersuchungen (§ 42). Für die Vorlage des Abschlussberichts kann die Verfolgungsbehörde dem Verband eine (von ihr verlängerbare) Frist setzen. Die Bedeutung dieser Bestimmung dürfte sich allerdings als begrenzt erweisen, weil sie nur die Aussetzung des Verfahrens gegen den Verband gestattet. Die Ermittlungen gegen die individuellen Personen müssten demgemäß fortgesetzt werden. Das erscheint inkonsequent und zwingt wohl wie bisher zur Parallelität verbandsinterner und strafprozessualer Ermittlungen – auch im Unternehmen.
6. Verbandssanktionenregister
Teil 6 führt in Ergänzung zum Bundeszentralregister für Individualstrafen ein eigenes Verbandssanktionenregister ein und enthält wie bereits § 35 Datenschutzregelungen. Eingetragen werden soll auch der Name der im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verurteilung eingetragenen gesetzlichen Vertreter des Verbands, § 56 Abs. 1 lit. f – und das selbst dann, wenn sie erst nach der Verbandsstraftat in ihr Amt berufen wurden und persönlich völlig unbescholten sind und bleiben. Der Verband hat gegenüber dem Register das Recht, Auskunft darüber zu verlangen, was darin über ihn eingetragen ist (§ 59). Dieses Verlangen kann aber nur durch den Verband gestellt werden (§ 60). Warum dies nicht über einen Anwalt oder sonstigen Bevollmächtigten verlangt werden kann, erschließt sich nicht.
7. Änderungen im GVG
Art. 2 des Gesetzentwurfs sieht eine Regelzuständigkeit des Schöffengerichts vor. Nur wenn die Verbandsstraftat vor das Landgericht gehört (oder gehören würde), zieht sie auch das Verfahren gegen den Verband nach oben. Die Vorstellung, Schöffengerichte könnten komplexe, weil verbandsinterne Sachverhalte aufarbeiten, erfordert viel Phantasie. Der Zwang zur Ermittlung könnte allerdings zu mehr Freiheit bei der Erledigung führen (dazu unter IV. 4.).
III. §§ 97 und 160a StPO (i. d. F von Art. 4) und die strikte Trennung zwischen „verbandsinternen Untersuchungen“ einerseits und „Verteidigung“ andererseits.
1. Verband ist Beschuldigter, aber erst mit Einleitung des Verfahrens gegen ihn
§ 28 räumt dem Verband verfahrensrechtlich die Stellung eines Beschuldigten ein. Die Vorschrift konkretisiert damit den allgemeinen Verweis auf die Geltung von StPO und GVG, § 25 Abs. 1. In der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass der Schutz zukünftig erst dann gelten soll, wenn förmlich die Stellung des Verbandes als Beschuldigter begründet wurde. Das könnte im Verhältnis zu LG Gießen, wistra 2012, 409, eine Einschränkung bedeuten, da dort der Anwendungsbereich materiell begründet wurde: Es sollte für das Bestehen eines Verteidigungsverhältnisses nicht auf die förmliche Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ankommen, ein schützenswertes Vertrauensverhältnis gem. § 148 StPO sollte vielmehr bereits dann bestehen, wenn der Beschuldigte befürchtet, es werde zu einem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren kommen. Möglicherweise wird der zukünftige Einleitungszwang diese Beschränkung des Anwendungsbereichs jedoch faktisch wieder teilweise korrigieren. Denn zumindest ab erster Kenntnis einer Strafverfolgungsbehörde vom Verdacht gegen einen Verbandsangehörigen dürfte auch der Verband zum Kreis der Beschuldigten gehören. Im Übrigen orientieren sich die vorgesehenen Änderungen der §§ 97 und 160a StPO an dem, was die überwiegende Rechtsprechung aus den Bestimmungen bereits jetzt herausliest.
2. Allumfassende Beschlagnahmefähigkeit sämtlicher für Internal Investigations maßgeblicher Unterlagen
Neben einer ausdrücklichen Neuregelung des § 97 Abs. 2 S. 2 StPO, wonach Buchführungsunterlagen vom Beschlagnahmeschutz (auch beim Verteidiger) ausgenommen sind, widmet sich der Entwurf vor allem der Problematik rund um die Beschlagnahmefähigkeit von Mitteilungen und Aufzeichnungen verbandsinterner Untersuchungen.
a) Bis dato ist die Frage umstritten, ob Unterlagen aus Internal Investigations von dem in § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO geregelten Beschlagnahmeverbot umfasst sind. Das BMJV hat sich für eine radikale Lösung dieses Problems entschieden. Nunmehr sollen Beschlagnahmeverbote explizit auf die Fälle beschränkt werden, in denen es ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten zu schützen gilt. Hierzu versieht der Gesetzesentwurf § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO mit einer entsprechenden Ergänzung. Auf dieser Grundlage sind faktisch sämtliche im Rahmen von verbandsinternen Untersuchungen entstandene Unterlagen beschlagnahmefähig – auch beim Verteidiger. Die in der Gesetzesbegründung angesprochenen Ausnahmen dürften nur selten praktische Relevanz erlangen.
Mit der Neuregelung geht eine erhebliche Schlechterstellung von Unternehmen einher.
Trotz der bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Reichweite von Beschlagnahmeverboten war bislang selbst auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden eine gewisse Zurückhaltung zu verzeichnen. Staatsanwaltschaften, die die aus internen Ermittlungen stammenden Unterlagen bereits nach derzeitiger Rechtslage für beschlagnahmefähig halten, agieren gleichwohl zurückhaltend und geben sich meist mit der Vorlage des Abschlussberichts nebst Buchwerk und Original-Korrespondenz zufrieden. Sie respektieren damit faktisch die Notwendigkeit gewisser Spielräume für interne Ermittler und gewähren deren Umgang mit Aussagepersonen einen, wenngleich begrenzten, geschützten Raum. Damit zwingen sie den Verband jedenfalls nicht, ausnahmslos seine Quellen zu offenbaren und damit gerade diejenigen der Strafverfolgung auszusetzen, die sich rückhaltlos offenbart haben.
b) Eben diese gegenseitige Rücksichtnahme, die eine faire Aufklärung zwar nicht gewährleistet, aber überhaupt erst ermöglicht, soll der Vergangenheit angehören. Eine Verringerung der Sanktionshöhe nach §§ 18 f. soll nur nach Vorlage sämtlicher Dokumente möglich sein, auf denen das Ergebnis der internen Untersuchungen beruht. Sollte die Herabsetzung der Strafe nicht Motivation genug sein für die freiwillige Vorlage, so dürfte die ansonsten zukünftig bestehende Möglichkeit der Beschlagnahme Alternativen fernliegend erscheinen lassen, weil dann Durchsuchungen drohen.
c) Unter diesem Blickwinkel werden Zweck und Folgen der vom Entwurf vorgesehenen strikten Trennung zwischen Verteidigung und verbandsinterner Ermittlung ersichtlich: Erst sie schafft die rechtliche Voraussetzung für den ungehinderten strafprozessualen Zugriff auch auf Mitteilungen und Aufzeichnungen, die beim Verteidiger geschützt wären.
3. Keine Regelung zur Frage arbeitsrechtlicher Aussagepflicht, aber faktischer Zwang für Verbände, Schweigen zu akzeptieren
Diese Informationsgarantie dürfte auch nicht unter dem „freiwillig“ (mit Blick auf die dann erreichbare Herabsetzung der Sanktion) eingeräumten Schweigerecht leiden. Denn der faktische Zwang zur Aussage wird kaum dazu führen, dass allzu oft geschwiegen wird. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Unternehmen ein arbeits- oder zusätzlich auch gesellschaftsrechtliches Amnestieprogramm aufgelegt hat. Dessen Bedingungen lassen sich nur mittels Offenheit gegenüber dem Unternehmen erfüllen. Brisant ist, dass damit zukünftig unweigerlich auch die Offenbarung gegenüber den Ermittlungsbehörden verbunden sein soll.
Dieses Konstrukt, bei dem die Gewährung des Schweigerechts ausschließlich in den Zusammenhang mit der Möglichkeit gebracht wird, eine Verringerung der Sanktion zu erreichen, hat der Gesetzgeber „geschickt“ gewählt. Damit wird der gesamte Konflikt privatisiert und der Gesetzgeber der Notwendigkeit enthoben, eine ganze Palette strittiger Fragen zu entscheiden. Das unliebsame Problem wird so schlichtweg in das Verhältnis zwischen Verband und Aussageperson verschoben:
a) Ob es ein arbeitsrechtliches Auskunftsverweigerungsrecht gibt, will der Gesetzgeber ausdrücklich offenlassen. Jedoch nur dann, wenn der Verband den Befragten freiwillig ein Auskunftverweigerungsrecht einräumt, kann er nach dem VerSanG eine mildere Sanktion erhoffen. Auch der Aussagende wird mit diesem Dilemma alleine gelassen.
Wenn alle Beteiligten schweigen, mag im Ergebnis die persönliche Verantwortlichkeit ungeklärt bleiben, das Begehen einer verbandsbezogenen Straftat gleichwohl nachweisbar sein. Kann der Verband damit überhaupt noch einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung geleistet haben? Kann umgekehrt die Aussageperson gegenüber dem Verband die Wahrheit offenbaren, wenn sie weiß, dass sie damit unweigerlich auch zur eigenen Bestrafung beitragen wird? Der Entwurf stellt Verband und Aussageperson konfrontativ gegenüber.
b) Wie sehr der Entwurf darauf vertraut, dass diejenigen, die sich persönlich strafbar gemacht haben, trotz der Belehrung aussagen werden, zeigt er mit § 47 Abs. 3. Danach soll die Aussage eines später im gerichtlichen Sanktionsverfahren zur Verweigerung von Angaben berechtigten gesetzlichen Vertreters, die er zuvor als Zeuge gemacht oder schriftlich abgegeben hat, im Verfahren gegen den Verband verlesen und damit verwertet werden können, selbst wenn er sich oder den Verband belastet hat. Das Gesetz setzt also darauf, dass er zuvor ausgesagt hat.
c) Was aber ist angesichts dessen die über § 28 so scheinbar großzügig über die Anwendung von § 148 StPO erreichte Beschuldigtenstellung und was das Zeugnisverweigerungsrecht des jetzigen gesetzlichen Vertreters des Verbands noch wert? Wenig. Die Verwertung der Unterlagen aus der verbandsinternen Untersuchung unterläuft die Schutzrechte sowohl des Verbands wie auch seines Organs. Dessen Schweigebefugnisse aus den §§ 52 und 55 StPO werden durch die strikte Differenzierung zwischen Untersuchern und Verteidigern entkernt.
Hat das nicht vielleicht zur Folge, dass sich der Aussagende genötigt sehen könnte, seine eigene Rolle gegenüber den „verbandsinternen Ermittlern“ schönzureden? Und müssen nicht Letztere tunlichst auf Aufzeichnungen verzichten? Hat sich nämlich der jetzige gesetzliche Vertreter einmal gegenüber internen oder externen verbandsinternen Ermittlern geäußert, so kommt er strafrechtlich davon nie wieder los. Dass eine derartige Rechtslage der Wahrheitsfindung dienen würde, darf bezweifelt werden.
4. Herabsetzung des Strafrahmens nur bei strikt formaler Kooperation
Verteidigung und Untersuchung sollen zukünftig inkompatibel sein. Das Zusammenfallen beider Funktionen in einer Person scheidet zukünftig rein formal aus und wird damit nicht mehr an einem inhaltlichen Kriterium, wie z. B. einem Interessengegensatz, festgemacht. Ein solcher wird quasi gesetzlich fingiert.
Allerdings scheint es für den Verband ein Leichtes, sich nicht nur dieser Fiktion, sondern gleich der gesamten, neuen verbandsinternen Ermittlungen mit den kaum erfüllbaren zwölf Voraussetzungen des § 18 zu entziehen. Mandatiert das Unternehmen einen Externen nämlich nicht als Untersucher, sondern sofort zum Zwecke seiner Verteidigung, so darf sich auch ein solcher Verteidiger nach allgemeinen Regeln natürlich weiterhin um Sachverhaltsaufklärung bemühen. Das dürfte Mindeststandard der Verteidigung sein. Damit darf er all das tun, was ein externer verbandsinterner Untersucher auch dürfte. Der Verband erspart sich so nicht nur Doppelarbeit. Vielmehr vermeidet er über § 28 i. V. m. § 148 StPO auch die Beschlagnahmefähigkeit der im Zuge der Vorbereitung seiner Verteidigung entstandenen Unterlagen.
Die Kehrseite: Der Verband kann dann keine Herabsetzung der Sanktionshöhe nach § 19 VerSanG erlangen. Die mögliche Halbierung des Strafrahmens ist fraglos reizvoll. Aber sich für die Strafverfolgungsbehörden in eine ebenso bequeme wie passgenaue Form zwingen zu lassen, sich zu unterwerfen und sich und seine Angehörigen widerstandslos bestrafen zu lassen?
Zudem stellt sich die Frage, ob die Sanktion durch eine derartige Kapitulation nicht um ein Vielfaches höher werden könnte. Es wird sich zeigen, ob das Erreichen der Halbierung der Sanktion „unterm Strich“ das bessere Geschäft für das Unternehmen sein wird.
Falls eine Herabsetzung der Sanktionshöhe nach § 18 nicht zu erreichen ist, bleibt zu bedenken: Ein kleines Schlupfloch gegenüber der vollen Härte des Gesetzes ist selbst dann noch vorhanden, wenn der Verband nicht alle zwölf förmlichen Anforderungen an geeignete verbandinterne Ermittlungen erfüllt. Entscheidet sich der Verband zu einem von ihm bestimmten Zeitpunkt für die Kooperation und offenbart nachträglich doch alle Unterlagen von sich aus, so kann er immerhin, wenn auch lediglich darauf hoffen, dass das Gericht seinen informellen, aber uneingeschränkten Aufklärungsbeitrag als allgemeinen Milderungsgrund nach § 16 Abs. 2 Nr. 7 wertet und die Sanktion deshalb moderat bemisst.
5. Sachlich zutreffender Kern personeller Trennung von Compliance und Verteidigung
Vom Grundgedanken her ist es allerdings nicht sachwidrig, den Untersucher daran zu hindern, anschließend in die Rolle des Verteidigers zu schlüpfen, da beide Aufgaben grundverschieden sind. Hier bedingungslose Aufklärung ohne Ansehen der Folgen und der betroffenen Personen, dort die Pflicht, dem Gericht möglichst nicht alle etwaigen Fehler des Unternehmens zu offenbaren und die zutage getretenen jedenfalls in einem milden Licht erscheinen zu lassen. Der Interessengegensatz zwischen Aufklärung im Interesse des Unternehmens und Verteidigung des Verbands gegen die Verhängung von Sanktionen wird Personengleichheit regelmäßig schon aus berufsrechtlichen Gründen von vornherein verbieten.
a) Das Bemühen Rollenkonflikte zu vermeiden ist zu honorieren. Es überzeugt jedoch nicht, dass das Gesetz hier allein auf den äußeren Umstand der Doppelfunktion von Verteidiger und Untersucher abstellt. Diese Ausnahmslosigkeit verbietet dem Untersucher nicht erst das Auftreten vor Gericht, sondern auch, zuvor außergerichtlich verteidigend zu beraten. Wenn aber der Verband sich zu irgendeinem Zeitpunkt dazu entschließt, umstandslos alles offenzulegen, dann hebt er damit selbst den Rollenkonflikt in der Person des Untersuchers auf. Es bestünden dann keine Bedenken gegen die Übernahme auch der Funktion des Verteidigers des Unternehmens. Nur dann wäre es auch mangels widerstreitender Interessen stimmig, Untersucher und Verteidiger aus derselben Sozietät zu akzeptieren.
b) Allerdings stellt sich insoweit die Frage, ob der Entwurf nicht auf halber Strecke stehenbleibt. Zur Vermeidung von Interessengegensätzen könnte es nämlich bedeutender sein, diejenigen Organisationen und Personen von externen verbandsinternen Untersuchungen auszuschließen, welche das Compliance-System für den Verband aufgebaut oder ihm zu einem Standard-Programm geraten haben. Ein übergroßes Interesse, etwaige Schwachstellen dieser organisatorischen Anweisungen aufzudecken, wird man nämlich bei deren Initiatoren nicht annehmen können, so dass ihre Beteiligung an verbandsinternen Untersuchungen eine potentielle Gefährdung der erstrebten Wahrheitsfindung darstellt.
IV. Was bedeutet all das für die Unternehmen?
1. Weitgehende Gleichsetzung personeller mit Verfehlungen des Verbands
a) Bereits § 1 verdeutlicht die Denkweise der Gesetzesmacher: Dass Verbände selbst dafür geradestehen müssen, wenn ihre strafbewehrten Pflichten verletzt wurden, knüpft immerhin an eine Verbindung zwischen eigener Pflicht und deren Verletzung an. Schon die schwierige Frage, ob das als Basis für die Bestrafung des Unternehmens genügen kann, thematisiert das Gesetz mit keinem Wort. Immerhin ist es gerade das Unternehmen, dessen Rechte aus Arbeits- oder Gesellschaftsvertrag regelmäßig von der Pflichtverletzung seiner Mitarbeiter betroffen sind. Daran ändert es nichts, wenn es – wie nicht selten – wirtschaftlich letztlich von der Pflichtverletzung profitiert. Rechtlich ist und bleibt der Verband Opfer. Den Verletzten zum Täter zu machen, ist zumindest erklärungsbedürftig.
Überdies stellt sich die Frage, warum der Entwurf keine Tatbestände eigenen Versagens des Verbands anführt. Dazu hüllen sich Gesetz und Gesetzesbegründung in Schweigen. § 38, dessen Anwendung im Ermessen der Verfolgungsbehörde steht und ein Absehen von der Verfolgung nur bei schweren Folgen für den Verband vorsieht, dürfte nur in seltenen Fällen zur Anwendung gelangen.
b) Ganz widersinnig ist der Gedanke allerdings nicht: Es war schließlich der Verband, welcher daran mitwirkte, den Täter als natürliche Person in eine Position zu versetzen, in welcher er für das Unternehmen Pflichten erfüllen sollte oder immerhin strafrechtswidrige Bereicherung herbeiführen konnte. Anknüpfungspunkt für eine sanktionsbewehrte Pflichtverletzung des Unternehmens könnten also der Fehler bei der Personalauswahl ebenso wie mangelnde Organisation, unterbliebene, lückenhafte Anweisungen, Aufsicht oder Kontrolle sein.
Auf diese Ebene begibt sich der forsche Gesetzentwurf jedoch gar nicht erst. (Verbandsstrafrechliche) Verfehlungen einer Leitungsperson sind ausnahmslos Versagen des Verbands selbst. Wer denkt, das gelte nur für die Leitung, weit gefehlt. Erfasst sind selbst in eher untergeordneten Funktionen Tätige, wenn ihre Aktivitäten nur irgendwelche Pflichten des Verbands verletzten oder die handelnde Person nicht nur ihre eigenen, sondern auch den Vorteil „ihres“ Unternehmens im Auge hatte. Darauf, ob das Unternehmen das wünschte, ob es ihm recht war oder es das entsprechende Verhalten gar verboten hatte, kommt es nicht an, wäre es nur mittels optimalen Verhaltens des Verbands verhindert oder erschwert worden.
2. Vermögensabschöpfung und trotzdem Bestrafung des Verbands selbst bei tadellosem Verhalten
§ 53 gestattet die Sicherung der Verbandsgeldbuße gemäß § 111e StPO und die Begründung erwähnt kurz die Anwendung des Einziehungsrechts neben der Sanktionierung des Verbandes. Das bedeutet: §§ 73 ff. StGB zwingen die Staatsanwaltschaft längst zur Abschöpfung geldwerter Vorteile. Nun soll noch die Bestrafung hinzutreten. Eine zusätzliche Einbuße für diejenigen, denen ohnehin weggenommen wird, was ihnen nicht zusteht.
3. Keine gesetzliche Definition „Verbandsinterner Untersuchungen“
Schlüssig ist die in § 17 vorgenommene Regelung. Der Gesetzgeber definiert nicht näher, was unter verbandsinternen Untersuchungen zu verstehen ist. Er belässt den Unternehmen damit die Entscheidung für eigene Prüfungen oder die Vergabe eines Auftrags an Dritte. Es bleibt damit allerdings völlig offen, unter welchen Voraussetzungen ein innerverbandliches Informationsbegehren zu einer Untersuchung wird. Schließlich sehen präventive Compliancesysteme regelmäßige Kontrollen vor. Vielleicht erweist sich aber die fehlende Definition sogar als Segen, weil mangels näherer formeller Bestimmungen allein darauf abgestellt werden kann, ob der Verband gegenüber der Staatsanwaltschaft ausreichend transparent agiert. Solange dem Unternehmen die Definitionshoheit über durchgeführte Maßnahmen zusteht, bleibt unter Umständen positiv zu nutzender Spielraum.
4. Bestrafung des Verbands als geplantes Massengeschäft
Entgegen des Eindrucks, den man früher aus dem BMJV gewonnen hatte, ist nicht nur die Strafkammer des Landgerichts für die Entscheidung über Verbandsstrafen zuständig. Diese soll nur ab Erwartung einer Sanktion von mehr als 1 Mio. Euro, der drohenden Auflösung des Verbandes oder wegen des Zusammenhangs mit einer seine Zuständigkeit auslösenden Verbandsstraftat zur Entscheidung berufen sein. Der Entwurf erreicht dies, indem er lediglich in Art. 2 Nr. 1 mittels Anfügung eines weiteren Satzes in § 25 GVG die Zuständigkeit des Strafrichters ausschließt.
Die Einbeziehung der Schöffengerichte zeigt die Verschärfung des Entwurfs gegenüber ursprünglichen Plänen. Das BMJV erwartet 15.000 Verurteilungen pro Jahr. Das würde auch eine noch höhere Anzahl von gerichtlichen Verfahren bedeuten.
Es ist keine Frage, dass sich eine solche Verfahrenswelle von den Landgerichten nicht bewältigen ließe. Wie dies jedoch die Schöffengerichte schaffen sollen, bleibt ein Rätsel. Ein Berufsrichter soll sich danach mit vielleicht nicht nur einem, sondern z. B. fünf oder sechs sich gegenseitig belastenden Angeklagten und zusätzlich dem Verband befassen müssen. Er soll dabei die Organisationsanforderungen in der jeweiligen Branche kennen – muss sich also in die Usancen verschiedener gewerblicher Gebiete einarbeiten und ihm werden Kenntnisse über die erforderlichen organisatorischen Anforderungen und die Personalauswahl abverlangt. Er darf also nicht nur über strafrechtliche Kenntnisse verfügen. Über die daneben einschlägigen betriebswirtschaftlichen und personalwissenschaftlichen Umstände wird er regelmäßig umfassend Beweis erheben müssen. Erweiterte Schöffengerichte mit einem zweiten Berufsrichter wären mutmaßlich die Folge. Es stellt sich nur die Frage, wie das angesichts der knappen Ressource Justiz funktionieren soll. An dieser Stelle dürfte die Opportunität die Legalität wieder einholen.
Zudem ist es bei in Rede stehender Bestrafung eines Verbands sowohl beim Schöffen- als auch bei der Strafkammer am Landgericht sachwidrig, jedermann als Schöffen zuzulassen. Angemessen wäre es, dafür wie bei der zivilrechtlichen Kammer für Handelssachen nur fachkundige Personen vorzusehen. Denen jedoch die Anwesenheit in ggf. jahrelangen Hauptverhandlungen zuzumuten, betrachtete man möglicherweise als unrealistisch.
5. Misstrauen gegenüber Verband, seinen Angehörigen und internen Ermittlern
Der Entwurf ist von Misstrauen gegenüber Verbänden und ihren Beratern gekennzeichnet, insbesondere, wenn sie wirtschaftlich erfolgreich tätig sind. Er ist rein fiskalisch ausgestaltet. Nicht nur die Geldstrafen, sondern sogar die hohen und damit für den Staat lukrativen Geldauflagen sollen – anders als nach allgemeinem Strafrecht – stets allein dem Staat zufließen (§ 12 Abs. 2 Nr. 2). Wo Menschen sind, werden Straftaten begangen. Wo viele Menschen sind, werden viele Straftaten begangen. In Verbänden finden sich viele Menschen. Das darf aber nicht dazu führen, dass der Staat sich eine neue lukrative Einnahmequelle verschafft.
Der Entwurf zeigt wenig Verständnis für Belange von Unternehmen und Beschuldigten. Die Zurechnung von Verbandsstraftaten gegenüber dem Verband und die Unbestimmtheit diverser Regelungen bergen ein erhebliches Risiko und könnten zugleich unternehmensintern Misstrauen schüren. Es bleibt zu hoffen, dass diese große Sanktionsmacht bei zugleich erheblicher Unbestimmtheit nicht zu Überregulierung und Lähmung im Unternehmen führt. Unternehmen sollten ihrer Arbeit nachgehen können und sich nicht stetig im Abwehrmodus befinden.
V. Ausblick
Tritt das VerSanG so in Kraft, dann
- wird der CEO, der Vorstandsvorsitzende eines jeden größeren Unternehmens, in dem immer irgendeine zumindest kleine strafrechtliche Ungereimtheit vorkommen wird, zukünftig mehr Zeit mit seiner Rechtsabteilung, den Anwälten oder sogar im Gerichtssaal verbringen, und
- über jedem Geschäftsleiter wird nicht nur ständig das Damoklesschwert strafrechtlicher Vorwürfe gegen sein Unternehmen schweben, sondern er selbst wird sicher auch mit Verfahren nach dem VerSanG befasst sein. Bis zu einer Entscheidung der jeweiligen Verfahren wird es angesichts der ohnehin überlasteten Justiz voraussichtlich Jahre dauern,
- es sei denn, das Unternehmen schafft sich die Last resignierend dadurch vom Leib, dass es schnell und ohne zu großen Widerstand zahlt.
Trotz vieler schlechter Nachrichten, die zur Diskussion anregen sollen; eine gute Nachricht verbleibt: Bislang ist es nur ein Entwurf.