Gerhard Dannecker/Thomas Knierim, Insolvenzstrafrecht
3. Auflage, C.F. Müller Verlag, Heidelberg 2018, 69,99 Euro
Mit der vorliegenden 3. Auflage wurde das erstmals im Jahr 2009 in der „Gelben Reihe“ des Verlags C.F. Müller erschienene Werk „Insolvenzstrafrecht“ überarbeitet und aktualisiert. Insbesondere wurden die (Neu)Regelungen der zweiten und dritten Stufe der Insolvenzrechtsreform berücksichtigt. Mit dem Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen (KIG) trat am 21.04.2018 die dritte Stufe der insolvenzrechtlichen Reformen, betreffend das Feld der Konzerninsolvenzen, in Kraft.
Anhand der umfassenden Erfahrung und Expertise der Herausgeber/Autoren lässt sich bereits erahnen, wie praxisrelevant und zugleich tief wissenschaftlich fundiert vorliegende Abhandlung ist. Die der „Gelben Reihe“ immanente Ausrichtung an den Bedürfnissen der Praxis, vor- liegend natürlich insbesondere gerichtet auf die im Insolvenzstrafrecht tätigen Rechtsanwälte und Verteidiger, ist mustergültig. Besondere Erwähnung sollte dabei auch die übergreifende Konzeption des Werks finden, dass durch die umfängliche Darstellung der wirtschaftlichen Bezüge und die materiell weit über die Insolvenzverschleppung hinausgehende Darstellung diverser kern- (u.a. §§ 266, 263, 266a StGB) und nebenstrafrechtlicher (§ 370 AO) Tatbestände, insbesondere des Vermögensstrafrechts im weiteren Sinne, letztlich eine das gesamte Wirtschaftsstrafrecht tangierende Ausarbeitung darstellt.
Das 571 Seiten starke Werk ist in 4 Teile untergliedert. Nach dem 1. Teil, welcher die komplexen Grundlagen und Spezifika des Insolvenz(straf)rechts umfangreich vermittelt, geben typische Beratungssituationen für die folgenden zwei Teile strukturelle Orientierung. Folglich ist der 2. Teil den im Zusammenhang mit der Krise stehenden Problemen gewidmet, während der 3. Teil das Stadium der Insolvenz selbst betrifft. Dabei wird im 4. Teil die strafrechtliche Verantwortung der Berater, z.B. eines in der Krise beratenden Rechtsanwalts, thematisch besonders hervorgehoben. Der eigene Teil zu den professionell an Insolvenz, Sanierung und Insolvenzfinanzierung Beteiligten, rechtfertigt sich ohne Weiteres angesichts deren besonderer Risikostellung, welche sich aus dem Sonderverhältnis insbesondere zum Unternehmen erklärt.
Wegen der offenkundigen Kompliziertheit und Fülle des dem Werk zugrundeliegenden Themenspektrums soll ergänzend zu der vorangegangenen Inhaltsübersicht lediglich auf einige ausgewählte Punkte der Darlegungen in dem Werk eingegangen werden.
Am Insolvenzverschleppungstatbestand des § 15 a InsO wird verdeutlicht, wie weitreichend mittlerweile auch hier die Auswirkungen der (rechtlichen) europäischen Integration sind. So wird ersichtlich, wie die Vorgaben der Neufassung der EU-InsVO aus dem Jahr 2015 mit dem am 26.06.2017 in Kraft getretenen Durchführungsgesetz zu der EU-Verordnung zu einer Beseitigung der Rechtsunsicherheiten im Anwendungsbereich des § 15 a Abs. 4 InsO führten. In § 15 a Abs. 4 InsO finden sich nun in Ziff. 1 („nicht oder nicht rechtzeitig“) und in Ziff. 2 („nicht richtig“) die verschiedenen Tatbestandsalternativen i.Z.m. dem Eröffnungsantrag.
Im Rahmen der Ausführungen zur Verzahnung von Insolvenzrecht und Insolvenzstrafrecht wird durch die Beleuchtung des Spannungsverhältnisses zwischen der insolvenzrechtlichen Auskunftsverpflichtung des Gemeinschuldners gegenüber den Gläubigern und dem rechts- staatlichen Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit („nemo tenetur se ipsum accusare“) die gesetzgeberische „Lösung“ über das Beweisverwertungsverbot des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO umfassend vorgestellt. Hierbei werden die (umstrittenen) Probleme wie „Fernwirkung“, Durchsuchung und Beschlagnahme beim Insolvenzverwalter und Verwertungsverbot für Aufzeichnungen des Beschuldigten oder des Unternehmens über prozessrelevante Daten, erörtert. Die Vergleichbarkeit der Problemstellung zum Besteuerungs- und (Steuer)Strafverfahren ist offen- kundig und bezeugt, wie sinnvoll es ist, nicht künstlich zwischen Steuer-, Wirtschafts- und Insolvenzstrafrecht zu differenzieren, sondern stets „das Ganze“ im Blick zu haben. Nicht zuletzt aus dieser Erkenntnis dürfte die begrüßenswert umfassende Konzeption des vorliegenden Werks resultieren. Hier erfolgt auch der für die hohe (Verteidiger)Praxistauglichkeit des Werkes typische Hinweis, dass die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung im Zweifel die Unabhängigkeit einer Beweiskette von den insolvenzrechtlichen Auskünften des Schuldners nachweisen muss. Gelingt dieser Nachweis nicht, ist das Beweismittel unverwertbar. Insofern sei ergänzend auf die Wichtigkeit hingewiesen zu eruieren, woher genau die Informationen stammen, auf die sich eine Anklage wegen Insolvenzverschleppung gründet.
Dem Thema Compliance ist ein kleiner(er) Abschnitt gewidmet, in dem verdeutlicht wird, wie funktionierende Compliance-Maßnahmen insolvenzstrafrechtlich relevantem Verhalten vor- beugen können, also Kontrollmaßnahmen insbesondere im Buchführungsbereich nicht nur die Begehung von Buchführungs- und Bilanzdelikten erschweren, sondern zugleich auch fortlaufend Aufschluss über den Status des Unternehmens geben und damit eine rechtzeitige Aufdeckung von Krisenindikatoren ermöglichen. Aus Sicht strafpräventiver Rechtsberatung wäre es gewiss – und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des herannahenden Gesetzes zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten – förderlich, zu diesem Thema gerade auch im weiteren Kontext des Insolvenzstrafrechts umfassendere Erkenntnisse vermittelt zu bekommen. Allerdings würde dies den Rahmen des Werks zugegebenermaßen wohl sprengen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass das Werk einerseits den fundierten Einstieg in die schwierige Materie des Insolvenzstrafrechts ermöglicht. Andererseits können es geübte Praktiker zum Wiederauffrischen ihres Wissens oder als Nachschlagewerk nutzen. Dabei werden die Themen weder übermäßig detailverliebt noch oberflächlich erörtert. Stets bleibt das Werk instruktiv und gibt durch den umfangreichen Fussnotenapparat wertvolle Hinweise, wo zu einzelnen Spezialproblemen weiter vertieft nachgeforscht werden kann. Es handelt sich kurzum um die „Referenz“ im Bereich des Insolvenzstrafrechts. Die Anschaffung ist jedem Praktiker wärmstens anzuempfehlen, der in seinem Berufsalltag mit Insolvenzstrafrechtlichen, aber auch darüberhinausgehenden wirtschaftsstrafrechtlichen Fragestellungen befasst ist.