Antje Klötzer-Assion

Zoll und Handel in außergewöhnlichen Zeiten, Organisation von Zoll- und Handelsabläufen im Unternehmen im Ausnahmefall

Ein webinar – BerichtAm 03.04.2020 habe ich ein von der Bremer Außenwirtschafts- und Verkehrsseminare GmbH veranstaltetes Webinar besucht, dem immerhin – so die Veranstalter – 130 Teilnehmer zuhörten und -sahen. Passend zu den gegenwärtigen äußeren Umständen wurde das Webinar abgehalten zu dem Thema „Zoll und Handel in außergewöhnlichen Zeiten, Organisation von Zoll- und Handelsabläufen im Unternehmen im Ausnahmefall“.Die Veranstaltung führte zunächst ein in die statistische Auswertung der Auswirkungen des Corona-Virus in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern, in Mitglied-staaten der Europäischen Union.Sodann wurden die Maßnahmen dargestellt, die sich aufgrund der rasanten Ausbreitung des Virus national wie supernational ergaben.Nachdem Mitte/Ende Februar 2020 deutlich wurde, dass aufgrund rasant ansteigender Infektionszahlen in Italien aber auch in Deutschland in Kürze veränderte Verhältnisse herrschen würden, wurden unverzüglich folgende Maßnahmen installiert, worauf der Referent im Einzelnen eingegangen ist:

  • Genehmigungsvorbehalt für den Export von medizinischer Schutzausrüstung in Deutschland;
  • vorübergehende Einschränkung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs in Deutschland;
  • Maßnahmen der EU, z.B. betreffend Ausfuhren von persönlicher Schutzausrüstung aus der EU/Einführung von Genehmigungsvorbehalten durch die Mitgliedstaaten;
  • Be-/Einschränkung des sozialen öffentlichen Lebens sowie des internationalen Luft-und Reiseverkehrs;
  • Einführung von weltweiten Reisebeschränkungen und Quarantänemaßnahmen.

Dargestellt wurden des Weiteren die Anfang April geltenden Warenausfuhrbeschränkungen bezogen auf medizinische Schutzausrüstung. Erörtert wurde, dass die inländischen Produktionskapazitäten nicht ausreichend seien. Deshalb habe Deutschland die Ausfuhr solcher Güter in Drittländer und auch die Verbringung in EU-Mitgliedstaaten untersagt. Der im EU-Binnenmarkt bestehende Bedarf an Schutzausrüstung, insbesondere Mundschutz, könne nicht gedeckt werden. In der EU würden derlei Ausrüstungsgegenstände gegenwärtig nur in der Tschechischen Republik, in Frankreich, in Polen und in Deutschland überhaupt hergestellt.Es folgte mit der DVO (EU) 2020/402 auf diese nationale Regelung die europäische Regulierung: Bereits im März 2015 hatte es mit der VO (EU) 2015/479 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.03.2015 über eine gemeinsame Ausfuhrregelung[1] Regelungen gegeben, welche Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Ausfuhren der Union ohne mengen-mäßige Beschränkung stattfinden sollen, zuließen. Art. 5 VO (EU) 2015/479 lautet:„Um einer durch einen Mangel an lebenswichtigen Gütern bedingten Krisenlage vorzubeugen oder entgegenzuwirken, kann die Kommission, auf Antrag eines Mitgliedstaats oder von sich aus, sofern die Interessen der Union ein unverzügliches Eingreifen erfordern, unter Berücksichtigung der Art der Erzeugnisse und der sonstigen Besonderheiten der betreffenden Transaktionen die Ausfuhr eines Erzeugnisses von der Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung abhängig machen, die nach den Modalitäten und in den Grenzen zu gewähren ist, die sie gemäß dem in Art. 3 Abs. 2 vorgesehenen Prüfverfahren oder bei Dringlichkeit gemäß Art. 3 Abs. 3 festlegt.“Gestützt hierauf wurde die oben genannte Durchführungsverordnung erlassen, die in Art. 1 Nr. 1 vorsieht, dass für Ausfuhren der in Anhang 1 zur DVO aufgeführten persönlichen Schutzausrüstung aus der Union eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich ist. Die DVO (EU) 2020/402 sollte eine Laufzeit von sechs Wochen haben[2].Im Rahmen des Webinars wurden die weiteren, weltweiten Gesetzesinitiativen vorgestellt, welche diese zurzeit sehr begehrten, raren Wirtschaftsgüter betrafen. Ausgeführt wurde, dass in 57 Ländern zum 25.03.2020 bereits 66 Verordnungen und Gesetze vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise, zum 01.04.2020 bereits 120 Verordnungen und Gesetze in 77 Ländern erlassen worden waren.Maßgeblich wurde hier auf Ausfuhreinschränkungen, Ausfuhrverbote sowie Importkontrollen und Importverbote hingewiesen.In dem Webinar wurde außerdem über die Auswirkungen der ungewohnten Einschränkungen der Personenfreizügigkeit auf die Wirtschaftsunternehmen und die Lieferketten eingegangen.Vorgestellt wurden verstärkte Gesundheitskontrollen an den Schengen-Grenzen, verbunden mit dem Hinweis auf die EU-Grundsätze zur Grenzkontrolle zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung einerseits und Wahrung der Errungenschaften des gemeinsamen Binnenmarktes andererseits.Am 30.03.2020 legte die EU-Kommission Leitlinien bezogen auf die vorübergehenden Restriktionen, also die Einschränkung der üblichen Freizügigkeit, vor[3].Auf diese Auswirkungen und die temporär geltenden Grundsätze wurde hingewiesen. Dargestellt wurden die Konsequenzen der europäischen Regelungen auf den Güterverkehr, die Mobilität in Europa, etwaige Verzögerungen oder Unterbrechungen der Lieferketten, Wartezeiten an den EU-Grenzübergängen.Nicht zu unterschätzen sind die zutage getretenen Differenzen im Umgang mit den Herausforderungen dieser besonderen Krise. Sie finden ihren Ausdruck in der gemeinsamen Erklärung zur Rechtsstaatlichkeit in Zeiten von Covid-19 vom 02.04.2020 der Länder Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Rumänien, Spanien, Ungarn, Schweden und Zypern[4]. Diese im Rahmen einer Pressemitteilung veröffentlichte Erklärung enthält folgenden Appell:„In dieser beispiellosen Situation ist es legitim, dass die Mitgliedstaaten außergewöhnliche Maßnahmen ergreifen, um ihre Bürger zu schützen und die Krise zu überwinden. Wir sind jedoch tief besorgt angesichts der Gefahr, dass die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit,      Demokratie und Grundrechte durch das Ergreifen gewisser Notfallmaßnahmen verletzt werden. Notfallmaßnahmen sollten sich auf das Allernötigste beschränken, angemessen und befristet sein, regelmäßig geprüft werden und die oben genannten Prinzipien und völkerrechtlichen Verpflichtungen wahren. Sie sollten nicht die freie Meinungsäußerung oder die Pressefreiheit einschränken. Wir müssen diese Krise gemeinsam überwinden und unsere europäischen Grundsätze und Werte auf diesem Weg gemeinsam aufrechterhalten. Wir unterstützen daher die Initiative der Europäischen Kommission, die Notfallmaßnahmen und ihre Anwendung zu überwachen, um sicherzustellen, dass die Grundwerte der Europäischen Union gewahrt werden, und fordern den Rat für allgemeine Angelegenheiten auf, sich gegebenenfalls mit der Angelegenheit zu befassen“[5].Ansprechend war die Interaktion mit den Webinar-Teilnehmern, die über Umfragen die Auswirkungen auf das eigene unternehmerische Handeln einschätzen konnten. Deutlich wurde, dass – wie nicht anders zu erwarten – in der Exportnation Deutschland insbesondere die Ausfuhrbeschränkungen spürbar waren.Vorgestellt wurden die verschiedenen Initiativen und staatliche Beihilfen zur Unterstützung der Wirtschaft. Neben den fiskalpolitischen Maßnahmen wie z.B. der Verabschiedung eines Nachtragshaushalts wurde auf die Euro-Rettungsschirme, EU-Investitionsinitiativen und Solidaritätsinstrumente eingegangen. Unter dem Stichwort Risikomanagement und damit verbundener Prozesse wurde erörtert, ob diese üblichen Prozesse Sondersituationen wie Epidemien und Pandemien standhalten. Dargestellt wurde, dass erhebliche Komplikationen auftreten, z.B. keine Zugangsmöglichkeiten des Personals zum Unternehmen oder zu Produktionsstätten, verminderte Produktivität, veränderte Verhaltensmuster bei Einkaufspraktiken, Unterbrechung der Lieferketten etc. Eine Aufgabe für die Wirtschaftsbeteiligten in dieser Krise wird es sein, die internen Risikomanagement-Prozesse und Compliance-Strukturen auf ungewöhnliche Auswirkungen neu anzupassen.

[1] ABl. L 83 vom 27.03.2015, Seite 34.

[2] ABI. L 77 I. I vom 15.03.2020, Seite 1. Erwägungsgrund Nr. 12.

[3] C (2020) 2050 final, 30.03.2020, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/health/coronavirus-response/travel-and-transportation_en.

[4] Abrufbar unter https://www.auswaertiges-amt.de.

[5] Abrufbar unter https://www.auswaertiges-amt.de.

Autorinnen und Autoren

  • Antje Klötzer-Assion
    Rechtsanwältin und Diplom-Finanzwirtin (FH) Antje Klötzer-Assion ist Gründerin und Inhaberin der Kanzlei Klötzer-Assion und im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht tätig. Über die klassischen Deliktsbereiche wie z.B. Betrug, Untreue, Korruption, Kapitalmarktstraftaten etc. hinaus zählen u. a. das Arbeitsstrafrecht, das Bau- und Medizinstrafrecht sowie das Außenwirtschafts- und Zollstrafrecht zu ihren Praxisschwerpunkten. Antje Klötzer-Assion ist Mitglied des DAV, des Europäischen Forums für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V. (EFA) sowie der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. (WisteV).

WiJ

  • Dr. Carolin Raspé , Dr. Roland Stein

    Strafrechtliche Risiken bei der Sanktions- Compliance Teil 1

    Außenwirtschaftsrecht Kriegswaffenkontrollrecht

  • Sigrid Mehring-Zier

    Wirtschaftsvölkerstrafrecht in der europäischen Praxis – und Deutschland?

    Auslandsbezüge EU Internationales Strafrecht Rechtshilfe

  • Jakob Lehners

    Digitale Akteneinsicht in der Untersuchungshaft

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)