Kathie Schröder

Urteilsanmerkung: VG Augsburg, Beschluss v. 20.11.2019 – Au 1 S 19.1849

Die Betriebserlaubnis für eine Apotheke kann unter Anordnung des Sofortvollzugs widerrufen werden, wenn ein Betreiber unter desolaten hygienischen Verhältnissen Arzneimittel hergestellt und in den Verkehr gebracht hat, wobei zwei bedenkliche Arzneimittel verwendet wurden und die Arzneimittel zum Teil erheblich in ihrer Qualität gemindert bzw. irreführend bezeichnet waren.

I. Sachverhalt

Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid des Landratsamts mit dem unter Anordnung des Sofortvollzugs u.a. die Betriebserlaubnis für die von ihm betriebene Apotheke sowie die Erlaubnis zum Betrieb eines Versandhandels und elektronischen Handels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln widerrufen wurde.

Die Apotheke des Antragstellers sowie sein privates Wohnhaus wurde u.a. wegen des Verdachts des vorsätzlichen Inverkehrbringens von Arzneimitteln ohne Zulassung bzw. Registrierung durchsucht. Hierbei wurden in dessen privaten Wohnhaus Kellerräumlichkeiten entdeckt, deren Zugang durch einen Bauernschrank verdeckt waren. Bereits auf dem Weg zu den Räumen wurde von den Durchsuchungspersonen ein intensiver, unangenehmer, süßlich-beißender Geruch wahrgenommen. In den Fluren und Räumen standen Regale mit zahlreichen diversen Kanistern und Flaschen, die mit medizinischen Extrakten und Flüssigkeiten gefüllt waren. Alle Behältnisse und Regalböden waren stark verstaubt und deutlich altverschmutzt. Zudem wurden diverse Eimer und Tonnen mit medizinischen Rohstoffen sowie weitere Behältnisse, Eimer, Büchsen und ehemalige Keksdosen, Drehtonnen, Pappkartons mit leeren Gelatinekapseln, etc. aufgefunden. Ebenso befanden sich dort Arzneimittel, die aufgrund des Herstellungsdatums erst kürzlich hergestellt wurden. Der Kellerboden war von einer mehrere Millimeter dicken, klebrig braunen bis schwarzen, undefinierbaren Substanz überzogen, an dem Schuhsohlen und Schuhüberzieher bei jedem Schritt deutlich festklebten und letztere nach etwas längerem Stehen zerrissen. Ebenso stand dort ein stark verschmutzter Kühlschrank, der als Ablage für diverse Betäubungsmittel und andere Gegenstände diente. Die Betäubungsmittel waren nicht weiter gegen unbefugten Gebrauch gesichert. Außerdem befanden sich in dem Keller zwei Werkbänke mit Abzügen, mindestens eine Kapselfüllmaschine, Fertigarzneimittel, Herstellungsutensilien, Folienbeutel, Etiketten, eine verschmutzte Waage, ein stark verschmutztes Sieb und ein stark verschmutzter Stößel. Die Kellerräume waren zusammengefasst in einem katastrophalen hygienischen Zustand und eine hygienisch einwandfreie Herstellung und Lagerung von Arzneimittel (sowie von Produkten jeglicher Art) können in derartigen Räumlichkeiten nicht gewährleistet werden. Der Zustand der Räumlichkeiten sowie der Gerätschaften weist auf jahrelange erhebliche Reinigungs- und Desinfektionsdefizite hin. Die in diesen Räumen hergestellten oder bevorrateten Produkte und Substanzen sind nicht verkehrsfähig.

Es wurde dem Apotheker (u.a.) die Apothekenbetriebserlaubnis entzogen, der Betrieb eines Versandhandels mit apothekenpflichtigen, verschreibungspflichtigen Arzneimitteln untersagt und die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller aufgrund der Feststellungen und der schwerwiegenden Verstöße gegen das Gesetz über das Apothekenwesen, die Apothekenbetriebsordnung und das Arzneimittelgesetz nicht mehr die für den Betrieb einer Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Die Nutzung der Kellerräumlichkeiten im Privathaus zu Apothekenzwecken sei dem Landratsamt nicht angezeigt worden. Zudem wäre eine Erweiterung der Betriebserlaubnis erforderlich gewesen. Die Räumlichkeiten im Keller sowie die dazugehörigen Waren und Gerätschaften seien aus hygienischer Sicht in einem katastrophalen Zustand gewesen, sodass eine hygienisch einwandfreie Herstellung von Produkten jeglicher Art in derartigen Räumlichkeiten nicht gewährleistet werden könne. Die aufgefundenen Produkte seien als nicht zugelassene Fertigarzneimittel zu beurteilen und demnach nicht verkehrsfähig. Außerdem seien weitere straf- und bußgeldbewährte Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz festgestellt worden. Insgesamt sei die Gesundheit der Kunden durch das Einnehmen der selbst hergestellten Arzneimittel gefährdet worden. In einer Gesamtschau biete das Verhalten des Antragstellers nicht die Gewähr, dass er zukünftig seinen Apothekenbetrieb ordnungsgemäß ausüben und dem Vertrauen entspreche, das einem Apotheker entgegengebracht werde. Es liege nicht nur ein einmaliges, grobes Fehlverhalten vor, sondern mehrere selbstständige und andauernde beharrliche, besonders gröbliche Verstöße. Aufgrund deren Art und Schwere sei die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke zwingend zu widerrufen. Dass die Ermittlungen im Strafverfahren noch nicht abgeschlossen seien und eine strafrechtliche Verurteilung noch ausstehe, hindere das Landratsamt nicht, die im Rahmen der Durchsuchungen vorgefundenen Zustände und feststehenden Verstöße als strafrechtliche Verfehlung anzusehen, aus der sich seine Unzuverlässigkeit in Bezug auf das Betreiben einer Apotheke ergebe. Da dem Antragsteller die Betriebserlaubnis widerrufen werde, könnten auch die Versandhandelserlaubnis und die Genehmigung des Versorgungsvertrags aufgrund der Akzessorietät keinen Bestand mehr haben.

Die Unzuverlässigkeit in der Person des Antragstellers und die daraus bestehende Gefahr für den Gesundheits- und Verbraucherschutz duldeten keinen klagebedingten Aufschub der Vollziehung der mit diesem Bescheid getroffenen Entscheidungen. Aufgrund der Unzuverlässigkeit des Antragstellers müsse im Rahmen seines Apothekenbetriebs befürchtet werden, dass eine weitere Gefahr für die Gesundheit seiner Kunden bestehe, wenn er weitere Rezepturen etc. an diese abgebe.

Der Antragsteller richtete sich gegen diesen Bescheid. Zum einen erhob er Klage und zum anderen begehrte er mit dem hiesigen Antrag einstweiligen Rechtschutz. Diesen begründet er damit, dass der zugrunde liegende Sachverhalt vom Antragsgegner zum Teil verzerrt dargestellt worden sei. Die Apotheke sei seit dem Erlass der Apothekenbetriebserlaubnis mehrfach kontrolliert worden. Bei all diesen Kontrollen hätte es keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Zuverlässigkeit des Antragstellers zu hinterfragen sei. Die räumlichen Verhältnisse in der Apotheke selbst seien äußerst beengt, sodass ein Lagern größerer Arzneimittelbestände und -lieferungen genauso wenig möglich sei wie das von abgelaufenen und zurückgegebenen Arzneimitteln. Der Bauernschrank habe den Durchgang nur insoweit versperren sollen, dass ein Zugang von der Hausseite her nicht möglich sei, damit beispielsweise die Kinder des Antragstellers nicht in diesen Keller gelangen könnten. In die besagten Kellerräume gelange man (nur) über eine in der Doppelgarage befindliche Treppe. Da die Garage stets über geschlossene Tore verfüge, sei nicht konkret davon auszugehen, dass es zu einem Zugriff Dritter auf die Betäubungsmittel habe kommen können. Der Fliesenboden im Keller sei sauber gewesen, was deutlich dafürspreche, dass die angeblich versteckten Kellerräumlichkeiten schon länger nicht mehr betreten worden seien. Die in den Regalen befindlichen verstaubten Behältnisse seien seit Jahren nicht mehr in Verwendung gewesen und sollten entsorgt werden. Bei den aufgefundenen Betäubungsmitteln habe es sich um Medikamente gehandelt, die von Heimbewohnern zurückgegeben worden seien, was aus den Namensetiketten auf den Verpackungen erkennbar gewesen wäre. Diese entsorge der Antragsteller en bloc über den häuslichen Hausmüll, da es immer wieder vorkomme, dass Passanten am Leerungstag in die Mülltonne der Apotheke einen Blick werfen. Bei den Werkbänken, Abzügen, der Kapselfüllmaschine und dem Kapselsortierer handele es sich allesamt um Gerätschaften aus der alten Apotheke des Antragstellers, von denen sich dieser nicht habe trennen können. Lediglich in der Garage hätten Kartons mit Verpackungsdosen für den Apothekenbetrieb gelagert. Eine Gesundheitsgefährdung habe es nicht gegeben.

Es sei nicht verhältnismäßig, dem Antragsteller deshalb die Apothekenbetriebserlaubnis zu widerrufen. Im vorliegenden Fall ergebe sich durch den angeordneten Sofortvollzug die Folge, dass der Antragsteller seine Apotheke schließen müsse, seine Existenzgrundlage entfalle, acht Angestellte ihren Arbeitsplatz verlören, aus wirtschaftlichen Gründen der Mietvertrag der Apothekenräumlichkeiten gekündigt werden müsse, er seinen langjährigen treuen Kundenstamm verlöre und sein Ruf dauerhaft geschädigt werde.

II. Entscheidungsgründe

Der Antrag des Apothekers auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gemäß     § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist vorliegend formell rechtmäßig und den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet.

Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung aufgrund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Dabei sind die Interessen des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Besondere, wenn auch keine abschließende Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu, soweit sie im Rahmen der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bereits beurteilt werden können.

Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessensabwägung vorliegend zu Ungunsten des Antragstellers aus. Nach derzeitigem Kenntnisstand bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Bescheid getroffenen Anordnungen. Die diesbezüglich in der Hauptsache erhobene Klage wird voraussichtlich erfolglos sein.

1.

Der Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb der Apotheke gegenüber dem Antragsteller ist nach derzeitigem Stand rechtmäßig.

a)

Rechtsgrundlage für den Widerruf der Betriebserlaubnis ist § 4 Abs. 2 Satz 1 ApoG. Danach ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich eine der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6 oder 7 ApoG weggefallen ist. § 2 ApoG normiert dabei die Voraussetzungen, unter denen die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke zu erteilen ist. Unter anderem wird nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG gefordert, dass der Antragsteller die für den Betrieb einer Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Dies ist nicht der Fall, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Antragstellers in Bezug auf das Betreiben einer Apotheke dartun. Maßgeblich sind insbesondere strafrechtliche oder schwere sittliche Verfehlungen, die den Antragsteller für die Leitung einer Apotheke ungeeignet erscheinen lassen oder wenn er sich durch gröbliche oder beharrliche Zuwiderhandlung gegen dieses Gesetz, die aufgrund dieses Gesetzes erlassene Apothekenbetriebsordnung oder die für die Herstellung von Arzneimitteln und den Verkehr mit diesen erlassenen Rechtsvorschriften als unzuverlässig erwiesen hat. Der Schutz der Allgemeinheit, insbesondere vor Gesundheitsgefahren, gebietet daher, einem unzuverlässigen Apotheker die Betriebserlaubnis zu widerrufen. Maßgeblich ist dabei, dass nach den für die Vergangenheit festgestellten Tatsachen künftig weitere Verstöße wahrscheinlich, sie also zu befürchten sind. An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Wenn – wie beim Betrieb einer Apotheke – hochrangige Rechtsgüter wie das Leben und die Gesundheit zahlreicher Menschen gefährdet werden können, ist bereits eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit ausreichend, um eine hinreichend gewichtige Gefährdung und damit eine Unzuverlässigkeit anzunehmen und dementsprechend den Widerruf der Betriebserlaubnis zu erlassen. Da es sich um eine präventive Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung handelt, kommt es auf ein Verschulden des Apothekenbetreibers nicht an. Genauso wenig ist es erforderlich, dass der Apotheker bereits strafrechtlich verurteilt worden ist.

b)

Dies zugrunde gelegt, hat der Antragsgegner vorliegend rechtsfehlerfrei angenommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf vorliegen. Beim Antragsteller liegen Tatsachen vor, die die Unzuverlässigkeit zum Betreiben einer Apotheke nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG dartun. Bereits die nachfolgend zur Überzeugung des Gerichts feststehenden, schwerwiegenden Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften führen zur Bewertung des Antragstellers als unzuverlässig zum Betreiben einer Apotheke. Das Gericht ist zudem der Überzeugung, dass der Antragsteller aufgrund der vorliegenden Tatsachen für die Zukunft nicht die Gewähr bietet, die von ihm betriebene Apotheke ordnungsgemäß zu führen. Vielmehr ist – auch aufgrund seiner Uneinsichtigkeit und seines weitgehenden Leugnens – davon auszugehen, dass er weitere Verstöße begehen würde und damit eine konkrete Gefahr für die Gesundheit seiner Kunden darstellt.

aa)

Der Antragsteller hat in schwerwiegender Weise gegen § 6 Abs. 1 ApBetrO verstoßen. Danach müssen die in der Apotheke hergestellten Arzneimittel, die nach der pharmazeutischen Wissenschaft erforderliche Qualität aufweisen. Insbesondere für Arzneimittel, die oral eingenommen werden, versteht sich von selbst, dass diese auf jeden Fall unter hygienisch einwandfreien Verhältnissen hergestellt werden müssen. Dies war bei den vom Antragsteller hergestellten Arzneimitteln nicht der Fall. Aufgrund der nachfolgend aufgeführten Umstände und des Ergebnisses der staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungen hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Antragsteller in den Kellerräumlichkeiten seines privaten Wohnhauses unter desolaten hygienischen Verhältnissen Arzneimittel hergestellt und anschließend auch in den Verkehr gebracht hat. Im Rahmen der Durchsuchung wurden ausweislich der Bilddokumentation mindestens eine Kapselfüllmaschine, ein Kompressor, eine Waage, ein Stößel, ein Sieb, Dunstabzüge, eine erhebliche Menge an Gelatine-Leerkapseln sowie Ausgangs- und Rohstoffe in großem Umfang vorgefunden. Darüber hinaus lagerten in einer zu seinem Privatanwesen gehörenden Garage Kartons mit Verpackungsmaterial in großem Umfang. In den Kellerräumlichkeiten waren die Stecker der Geräte in den Steckdosen eingesteckt. Zudem befand sich in den Räumlichkeiten ein offener Karton mit Gelatine-Kapseln und einem Schöpfgefäß. Auf dem Boden des Raums und der Arbeitsfläche lagen zahlreiche Gelatine-Kapseln. Dass der Raum und die sich dort befindlichen Geräte und Ausgangsstoffe in einem hygienisch untragbaren Zustand waren, bedarf keiner näheren Ausführungen und ist auf Grund der vorliegenden Bilddokumentation offenkundig. In den Herstellungsräumlichkeiten wurden einige selbst hergestellte und etikettierte Arzneimittel sichergestellt. Zum Teil wiesen die Etiketten ein Herstellungsdatum auf, das kurz vor der Durchsuchung liegt. Diese Arzneimittel hat der Kläger zur Überzeugung des Gerichts auch in den Verkehr gebracht. Soweit der Antragsteller behauptet, dass in den privaten Kellerräumlichkeiten keine Herstellung von Arzneimitteln stattgefunden habe, sondern lediglich Geräte sowie zu entsorgende Ausgangsstoffe und Produkte lagerten, so ist das Vorbringen nicht glaubhaft. Im Rahmen der Durchsuchung der Apotheke ist nicht einmal eine Kapselfüllmaschine vorgefunden worden. Die Einlassung, dass diese Kellerräumlichkeiten seit langen nicht mehr betreten worden sein sollen, ist bereits deshalb widerlegt, da dort Produkte mit aktuellem Herstellungsdatum sichergestellt wurden.

bb)

Der Antragsteller hat auch gegen § 5 Abs. 1 AMG verstoßen. Danach ist es verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen. Die von dem Antragsteller hergestellten Produkte sind aufgrund der Herstellungsbedingungen und des Inhalts bzw. der Zusammensetzung als bedenkliche Arzneimittel zu bewerten.

c)

Der vom Antragsgegner verfügte Widerruf der Betriebserlaubnis ist auch verhältnismäßig. Zwar ist der Widerruf der Betriebserlaubnis mit einem erheblichen Eingriff in die grundrechtlich gewährleistete Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verbunden und hat außerordentlich weitreichende Konsequenzen für den Antragsteller. Allerdings hat das von dem Antragsteller an den Tag gelegte Verhalten gezeigt, dass er nicht willens oder in der Lage ist, die von ihm betriebene Apotheke so zu führen, dass Gesundheitsgefahren für seine Kunden ausgeschlossen werden können. Angesichts der Schwere der begangenen Verstöße und mit Blick auf die bereits dargestellten Umstände des Einzelfalls kann beim Antragsteller nicht einmal die Zuverlässigkeit dahingehend angenommen werden, dass er ordnungsgemäß und ohne Gefährdung seiner Kunden Fertigarzneimittel verkauft. Denn schon allein der Verkauf von Fertigarzneimitteln und die in diesem Zusammenhang zu erfolgende ordnungsgemäße Beratung der Kunden erfordert das Erfüllen von Sorgfaltsanforderungen, die beim Antragsteller angesichts seines gezeigten Verhaltens nicht mehr angenommen werden können.

2.

Der Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb eines Versandhandels und elektronischen Handels mit apothekenpflichtigen, auch verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in den Betriebsräumen der Apotheke des Antragstellers ist aller Voraussicht nach ebenfalls rechtmäßig. Nach § 11b Abs. 2 Satz 1 ApoG ist die Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln zu widerrufen, wenn nachträglich eine der Voraussetzungen nach § 11a ApoG weggefallen ist. Da die Erlaubnis nach § 11a ApoG voraussetzt, dass der Betroffene Inhaber einer Erlaubnis nach § 2 ApoG ist, hat der Antragsgegner im Wege der gebundenen Entscheidung nach § 11b Abs. 2 Satz 1 ApoG auch die Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln rechtmäßig widerrufen.

III. Anmerkung

Es ist hinlänglich bekannt, dass es im Rahmen einer umfassenden strafrechtlichen Beratung und Verteidigung von Berufsträgern stets die möglichen berufsrechtlichen Konsequenzen im Blick zu behalten gilt. Die Kammern bzw. die zuständigen Aufsichtsbehörden prüfen mal strenger, mal weniger streng die Einhaltung der Berufsstandards zur Wahrung des Vertrauens der Öffentlichkeit in den jeweiligen Berufsstand.

Für die Frage der Zuverlässigkeit eines Berufsträgers ist nicht nur dessen Verhalten im Zuge seiner Berufsausübung von Relevanz, sondern auch wie zuverlässig dieser im privaten Bereich seinen (rechtsstaatlichen) Verpflichtungen nachkommt. So können hinterzogene Steuern oder eine unsachgemäße Lagerung von Waffen gravierende Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit und damit die Möglichkeit der Berufsausübung des Berufsträgers haben.

Der hiesige Beschluss des VG Augsburg verdeutlicht dies noch einmal sehr eindringlich und zeigt auf, dass eine Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke auch im Rahmen einer sofortigen Vollziehung einer Widerrufsanordnung entzogen werden kann. Und dies zu einem Zeitpunkt, in dem das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen den Apotheker noch nicht beendet und eine strafgerichtliche Tatsachen- und Schuldfeststellung noch in weiter Ferne liegt.

Ein dergestalt einschneidender Schritt auf Basis einer summarischen Prüfung wird vermutlich bei entsprechend offensichtlichen und äußerst gravierenden Verstößen von behördlicher Seite unternommen werden, aber dennoch sollte bei der Beratung und Verteidigung bedacht werden, dass bei im Raum stehenden Verletzungen von überragend wichtigen Rechtsgüter, wie etwaige Gesundheitsgefährdungen von Patienten, die zuständigen Behörden nicht auf Erkenntnisse aus dem Strafverfahren warten, sondern recht schnell sehr durchgreifend handeln.

Autorinnen und Autoren

  • Kathie Schröder
    Rechtsanwältin Kathie Schröder, Fachanwältin für Strafrecht und Fachanwältin für Medizinrecht, ist Partnerin der Kanzlei Schröder | Racky Kanzlei für Wirtschaftsstrafrecht in Frankfurt am Main. Sie ist Sprecherin des WisteV-Arbeitskreises Medizinstrafrecht und Mitglied der WiJ-Redaktion.

WiJ

  • Dr. Carolin Raspé , Dr. Roland Stein

    Strafrechtliche Risiken bei der Sanktions- Compliance Teil 1

    Außenwirtschaftsrecht Kriegswaffenkontrollrecht

  • Sigrid Mehring-Zier

    Wirtschaftsvölkerstrafrecht in der europäischen Praxis – und Deutschland?

    Auslandsbezüge EU Internationales Strafrecht Rechtshilfe

  • Jakob Lehners

    Digitale Akteneinsicht in der Untersuchungshaft

    Straf- und Bußgeldverfahren (inklusive OWi-Verfahren)