Editorial
Geldwäsche und Korruption spielen nur eine untergeordnete Rolle in Deutschland – oder? Die Praxis der Ermittlungs- und Finanzbehörden ergibt ein anderes Bild.
Im September 2021 veröffentlichte das BKA das Bundeslagebild Korruption 2020. Danach hat sich die Zahl der polizeilich registrierten Korruptionsstraftaten auf dem erhöhten Vorjahrsniveau stabilisiert. Sie liegt damit nur knapp über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Auffällig ist aber, dass sich der registrierte Gesamtschaden nahezu verdoppelt hat und die Fallzahlen bei den Straftatbeständen der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) und Bestechung (§ 334 StGB) stark angestiegen sind. Sie befinden sich auf Rekordniveau seit 2016. Ursächlich für diese hohen Zahlen waren umfangreiche Ermittlungsverfahren. Ferner sind die Fallzahlen bei Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (§ 299a StGB) derart angestiegen, dass sie den bisherigen Höchststand erreicht haben.
Klar ist: Nur ein Teil der Korruptionsstraftaten wird polizeilich bekannt und das Dunkelfeld ist groß. Neben dem materiellen Schaden untergraben Korruptionsstraftaten das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Staates und in die Integrität des Wirtschaftslebens. Umso wichtiger sind u.a. Compliance-Strukturen in Behörden und Unternehmen.
Ergänzt wird das wirtschaftsstrafrechtliche Spektrum zunehmend durch Geldwäsche. In diesem Bereich wird Deutschland seit Jahren eine Spitzenposition zugeschrieben. Bemakeltes Vermögen wird im legalen Wirtschaftsverkehr gewaschen, sodass nicht mehr erkennbar ist, wem die Gelder gehören und woher sie kommen. Durch das am 18. März 2021 in Kraft getretene und umstrittene Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche hat das Thema erheblich an Fahrt aufgenommen. Das neue Gesetz betrifft nun einen deutlich vergrößerten Adressatenkreis. Zudem gilt ein sog. All-Crime-Ansatz. Dies bedeutet, dass Tatobjekt einer Geldwäsche jeder Gegenstand sein kann, der ohne jede Bagatellgrenze aus irgendeiner Straftat herrührt. Längst kritisieren Praktiker, dass mehr oder weniger jeder Eierdiebstahl zur Geldwäschestrafbarkeit führen könne. Die Erweiterung der Strafbarkeit wird zu mehr Ermittlungen führen. Angemessene Maßnahmen zur Identifizierung von Geldwäscherisiken sind für jede Kanzlei und jedes Unternehmen unerlässlich geworden. Und zwar umso mehr, wenn es um grenzüberschreitende Tätigkeit in Europa geht und die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA bzw. EPPO) ins Spiel kommt.
Welche Rolle spielt diese neue europäische Behörde bei der Verfolgung von Korruption und Geldwäsche? Wie könnte die Strafverfolgung in diesem Bereich effektiver werden? Mit diesen und weiteren Fragen befasst sich Dr. Anna-Elisabeth Krause-Ablaß in ihrem Beitrag „Korruption und Geldwäschebekämpfung aus Sicht der (Europäischen) Staatsanwaltschaft“. Dabei geht sie insbesondere darauf ein, welche Probleme sich bei der Verfolgung von Korruptionsstraftaten und Geldwäsche ergeben. Eine unternehmensbezogene Sichtweise nimmt Julia Arbery, LL.M. auf das Thema ein. In ihrem Beitrag „Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche in der EU – Erfahrungen aus der Praxis“ beschreibt sie typische Schwachstellen in Compliance-Strukturen. Vor allem eine nur auf dem Papier existierende Compliance-Struktur helfe nicht weiter. Worauf Unternehmen stattdessen bei einer praktisch gelebten Risikovorsorge achten sollten, erläutert sie in ihrem Beitrag.
Viel Spaß bei der Lektüre!
Rechtsanwältin Leonie Linke, LL.M., Bonn