Veranstaltungsbericht zum Praxiskolloquium „Unternehmenssanktionsrecht und Hinweisgeberschutz“
Veranstaltungsbericht zum Praxiskolloquium „Unternehmenssanktionsrecht und Hinweisgeberschutz“
Auf den 6.12.2021 lud die Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung e.V. zu dem Praxiskolloquium „Unternehmenssanktionsrecht versus Hinweisgeberschutz“ ein. Anlass der Veranstaltung ist der Konflikt zwischen den Implikationen eines Unternehmenssanktionsrechts auf der einen, und der Hinweisgeberschutzrichtlinie (EU-RL 2019/1937) auf der anderen Seite. Zu Beginn führte RAin Frau Dr. Schmitz die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach einer kurzen Begrüßung in das Thema ein und kündigte die Dozenten an.
Den Start machte sodann OStA a.D. Herr Dr. Richter mit einem Vortrag zu dem Thema „Unternehmenssanktionsrecht – Alter Wein aus neuen Schläuchen?“. Einleitend erörterte er die Kernpunkte des Entwurfs eines Verbandssanktionsrechts aus der vergangenen Legislaturperiode. Er erinnerte im Zuge dessen auch an die hierarchische Struktur der Staatsanwaltschaft und deren Bindung an das Legalitätsprinzip. Sodann ging er auf die staatsanwaltliche Praxis unter der aktuellen Rechtslage ein, insbesondere die derzeit mögliche Verfolgung von Unternehmen gem. §§ 30, 130 OWiG. Er zeigte auf, wie z. B. benachbarte Staaten mit dem Unternehmenssanktionsrecht umgehen. Herr Dr. Richter schloss damit, dass die Staatsanwaltschaft, die strikt an das Legalitätsprinzip gebunden sei, sich auch eventuelle Ergebnisse interner Ermittlungen bei Vertrauensanwälten verschaffen müsse. Das versprach eine lebhafte Diskussion am Ende des Kolloquiums.
Im Anschluss stellte RA Herr Dr. Frank den Blickwinkel der Vertrauensanwälte dar. Zu Beginn seines Vortrags „Aufgabe des Identitätsschutzes für Hinweisgeber“ führte er in die EU-Whistleblower-Richtlinie ein. Er erläuterte das Spannungsverhältnis zwischen der Richtlinie, dem darauf gründenden Referentenentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) und dem Entwurf eines Unternehmenssanktionsrechts. Er beschrieb die Gefahr, dass die Unternehmen bei drohender Sanktion durch die Staatsanwaltschaften die Abwägung zu Lasten der Vertraulichkeit vornehmen würden. Vertrauensanwälten riet er, Daten zur Identität eines Hinweisgebers nur verschlüsselt und passwortgeschützt zu sichern, sodass das Mandatsgeheimnis die Ermittlung des Hinweisgebers verhindere. Sollte das Unternehmen als Mandant jedoch aufgrund seiner gesetzlichen Compliance-Verpflichtungen die Ombudsperson von dem Mandatsgeheimnis entbinden, sah Herr Dr. Frank weder zivilrechtliche noch strafprozessuale Mittel, die Aufdeckung der Identität des Hinweisgebers effektiv zu verhindern. Dem Zugriff der Staatsanwaltschaft auf die Informationen des Vertrauensanwalts stehe so nichts mehr im Weg.
Angesichts dieses Dilemmas entstand eine rege Diskussion unter starker Teilnahme auch der online-Zuhörer. Spannend waren nicht zuletzt die Konsequenzen, die Herr OStA a. D. Dr. Richter aufzeigte: Wenn Entscheidungsträger sich für den Schutz des Hinweisgebers entschieden und deshalb die Bebußung des Unternehmens mangels Mitwirkung nicht reduziert werde, lasse sich nicht nur ein Schaden von 50 % beziffern, sondern diese Entscheidung berge darüber hinaus auch das Risiko einer strafbaren Untreue der Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen zu Lasten des Unternehmens in sich.